Anmerkungen anstelle eines Vorwortes

Bei der Gestaltung der Internet Seiten über einen Ort, dessen Bevölkerung nach der Katastrophe des zweiten Weltkrieges ihres Besitzes beraubt und zwangsweise ausgewiesen wurde, neigt der Gestalter -oder neigen die Gestalter- dazu, die Ereignisse dieser Vertreibung in den Mittelpunkt zu stellen.
Ich habe, als Verfasser dieser Seiten, versucht,

- wahrheitsgetreu mit der Vergangenheit
- realistisch mit der Gegenwart, und
- optimistisch mit der Zukunft

umzugehen. Ich hoffe, daß das gelungen ist, und auch weiter gelingen wird.
Zum wahrheitsgetreuen Umgang mit der Vergangenheit möchte ich einige Bemerkungen anfügen, die auf den eigentlichen Seiten zu kurz kommen, bzw. für die dort kein passender Platz ist.

1. Die Enteignung und die Vertreibung hätte es ohne die Katastrophe des zweiten Weltkrieges nicht gegeben. Dieser Weltkrieg wurde von Hitler-Deutschland ausgelöst und begonnen. ( Eine Beurteilung, ob oder warum der Grundstein dazu schon in Versailles oder St. Germain gelegt wurde, mögen andere untersuchen).

2. Die Sudetenländer wurden 1938 dem deutschen Reich zugesprochen, nicht nur weil Hitler-Deutschland massiven Druck ausübte, sondern weil auch den "Geburtshelfermächten" der CSR, England und Frankreich, auch auf Grund des Untersuchungsberichtes von Lord Runciman, klar wurde, daß der tschechischer Nationalstaat, wie er 1918 gegründet wurde, eine Fehlkonstruktion war.

3. Die überwältigende Zustimmung der Sudetendeutschen zum Anschluß, war eine direkte Folge der tschechischen, insbesondere von E. Benesch verfolgten, rassistisch geprägten ( ist das nicht auch faschistisch?) tschechisch- nationalen- Politik, die den Deutschen bewußt keine Möglichkeit gelassen hat, sich mit dem Staat zu identifizieren. Der Raum Böhmen und Mähren war jedoch, solange es eine abgesicherte Geschichtsschreibung gibt, von Tschechen und Deutschen bewohnt!

4. Die CSR hatte die Chance, eine zweite Schweiz zu werden. Daß sie das nicht wurde, lag daran, daß sie unter Bruch aller Versprechungen als Nationalstaat gegründet wurde. Man kann also mit Fug und Recht in erster Linie die Politik von Edvard Benesch (wenn wir Masaryk beiseite lassen) dafür verantwortlich machen, daß die Sudetendeutschen die Abtrennung ihrer Gebiete begrüßten; hätte doch die tschechische Regierung zwei Jahrzehnte Zeit zu einer Korrektur ihrer verfehlten Nationalitätenpolitik gehabt!

5. Es ist aber auch richtig, daß die Münchener Verträge schon kurz nach ihrem Abschluß von Hitler-Deutschland, mit der Besetzung von Böhmen und Mähren und der Errichtung des Protektorates, gebrochen wurden. Damit wurde auch den Tschechen die Möglichkeit genommen, sich in der neuen Situation zurechtzufinden.

6. Eine Bemerkung zur Aufnahme der Sudetendeutschen in Deutschland:
Natürlich hatte Deutschland, oder was davon übrig blieb, die Pflicht, die Vertriebenen aufzunehmen. Die Eingliederung war eine eher politisch geprägte Notwendigkeit, weil die Amerikaner und später, als es wieder eine deutsche Politik gab, auch diese, befürchteten, daß sich ein politisches Potential der Besitzlosen herausbilden würde, das für den Kommunismus anfällig sein könnte (siehe K. Adenauer, Memoiren 1945 -1953).
Die Vertreter der Vertriebenen haben sich für diese Aufnahme wiederholt bedankt, umgekehrt bedankten sich deutsche Politiker bei den Vertriebenen für ihren Anteil beim Aufbau des kriegszerstörten Deutschland. Es nimmt aber wunder, daß die deutsche Politik bis heute so "im Banne deutscher Kriegsschuld" steht, daß sie es nicht wagt, die Opfer zu erwähnen, die 15 Millionen Vertriebener mit dem Verlust ihres Besitzes und ihrer Heimat erbrachten und den Terror, den diese Vertreibung mit sich brachte.
Dieser war Rache und sie traf in der Mehrzahl unschuldige Frauen, Kinder und alte Menschen.
Wenn heute in einer so meinungsprägenden Zeitung wie der "Süddeutschen", in einem redaktionellen Beitrag, die Meinung vertreten werden kann, daß man vor dem Hintergrund des Nazi Terrors Verständnis für die Vertreibung und die sie begleitenden Exzesse aufbringen müsse, so sei auch der Hinweis erlaubt,daß dieser Nazi-Terror bestimmt nicht von den Sudetendeutschen erdacht und ausgeübt wurde.

Und was hat es der Tschechoslowakei gebracht?
Durch den Vertrag mit Stalin von 1943, mit dem Benesch sich die Zustimmung Stalins zur Vertreibung der Sudetendeutschen erkaufte, garantierte er der UdSSR einen starken Einfluß auf die Politik der CSR für die Nachkriegszeit.
Auf Grund eines Einspruches der UdSSR mußte die CSR 1947 die angebotene Teilnahme am Marshallplan zum Wiederaufbau Europas ablehnen und hat sich damit vom Westen Europas abgekoppelt.
Damit hatte Dr. Benesch sein Land zum zweiten mal in die Sackgasse geführt
Es kam 1948 zur kommunistischen Machtübernahme. Diese kommunistische Herrschaft dauerte 42 Jahre bis 1990.
Die Slowakei hat sich selbstständig gemacht, und die tschechische Wirtschaft ist heute mehr denn je vom deutschen Nachbarn abhängig, oder, je nach Sichtweise, enger denn je mit der deutschen verzahnt.
Ob es das war, was sich die Tschechen von ihrem Nationalstaat, jetzt ohne die Deutschen, versprachen?

Brünn / Brno, Krailling, Oktober 2000