Juden in Mähren
Judengemeinden in Südmähren

Zusammengetragen und verfasst
von
Gerhard Hanak
Juden in Mähren –
Judengemeinden in Südmähren
nach Unterlagen von:
Hugo
Gold
Willibald Müller
Christian d’Elvert
Alfred
Engel
Gregor
Wolny
Wilma
Iggers
u.a.
Zusammengetragen und verfasst
von
Gerhard Hanak
Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorwort 4
Juden in Mähren, Judengemeinden in Südmähren 6
Wie und wann kamen die Juden nach Mähren 7
Verlauf der Geschichte der Juden in Mähren 9
Die Judenmaut 14
Die besondere Judentracht 15
Die Paradiesapfelsteuer 16
Glaubenssachen 20
Tschechen und Juden 21
Berufe und „moderner“ Antisemitismus 23
Die Gemeinden:
-
Althart 24
-
Eisgrub 25
-
Irritz 28
-
Lundenburg 29
-
Misslitz 33
-
Nikolsburg 39
-
Piesling 45
-
Pullitz 50
-
Pohrlitz 47
-
Schaffa 50
-
Zlabings 52
-
Znaim 54
Anhang:
Das mährische Toleranzpatent Josef II. 63
Der jüdisch-mährische Landesmassafond 66
Kleine Wörterkunde 69
Vorwort
Angeregt durch eine Ausstellung im
Brünner Künstlerhaus zu Ende des Jahres 2000, begann ich, mich mit der
Geschichte der Juden in Mähren zu befassen. Insbesondere interessierte und
interessiert mich die Geschichte der Juden in Südmähren. Immerhin lag für lange
Zeit eines der jüdischen Hauptzentren im südmährischen Nikolsburg, als Sitz des
mährischen Landesrabbinats.
Ich möchte auch zwei weitere Anstöße
nicht unerwähnt lassen:
Da war zum einen der Bericht von
Gerhard Walke über die Juden in Lundenburg, der im „Südmährer“ veröffentlicht
wurde. Es war meiner Kenntnis nach der erste Artikel zu diesem Thema im
Heimatblatt der Südmährer.
Zum Zweiten der Irritzer jüdische
Friedhof. Wie sind als Kinder von Damitz immer einen Feldweg, den Judenweg,
nach Irritz zur Kirche gegangen. Außerdem gab es die Judengasse, ich wusste
auch, dass es einen jüdischen Friedhof gab. In meiner Erinnerung grenzte er
direkt an den christlichen. Als ich ihn aber bei meinen Besuchen nicht dort
vorfand, glaubte ich, er sei weggeräumt worden. Tatsächlich war er nur total
überwachsen, so dass man wissen musste, wo er gewesen war, um ihn
wiederzufinden. Später entdeckte ich, dass sich die MIP, die „Jugend für
Interkulturelle Verständigung“ seiner angenommen und ihn von der Natur
zurückerobert hat. Jetzt ist er wieder da, mit teilweise gut erhaltenen
Grabsteinen. Im Sommer 2002 wurde von der MIP eine Erinnerungstafel aufgestellt
und vom örtlichen Bürgermeister enthüllt.
In diesem Jahr 2002 besuchten 2
Ehepaare aus Israel, wieder betreut von den Mitgliedern der MIP, Irritz, auf
den Spuren ihrer Vorfahren.
Zu meinem großen Leidwesen
habe ich nirgends etwas über die jüdische Gemeinde in Irritz gefunden, obwohl
diese doch über Jahrhunderte existierte. Beim „Anschluß“ 1938 gab es zumindest
noch eine jüdische Familie. Auch über deren Schicksal konnte ich nichts in
Erfahrung bringen.
Nachdem allenthalben
Erinnerungstafeln und andere Zeugnisse der Deutschen Vergangenheit in Südmähren
errichtet werden, machte ich es mir zur Aufgabe, auch der jüdischen
Miteinwohner der südmährischen Gemeinden unserer Vorfahren zu gedenken. Sie
selber können es ja nicht, es gibt sie nicht mehr.
So begann ich zunächst auf
meiner Internet-Seite www.europas-mitte.de eine Rubrik „Jüdische Gemeinden“
einzurichten. Der Nachteil dieser ist, dass man sie zwar ausdrucken kann, aber
die Formatierung geht dabei weitgehend verloren, außerdem können Bilder
zerschnitten werden. Um das zu
vermeiden, begann ich „zweigleisig“ vorzugehen, nämlich die einzelnen Beiträge
im html-Format fürs Internet aufzubereiten und parallel dazu auch im gängigen
Word-Format. So entstand dieses Büchlein.
Die Internetpräsentation
wird laufend erweitert, außerdem stehen dort Beiträge, die den Umfang dieses
Büchleins sprengen würden wie z.B. zum alltäglichen Leben in der mährischen
Judengasse, oder die „Eibenschitzer Tempelsitzordnung“.
Jede dieser Erweiterungen
hängt natürlich auch vom Auffinden entsprechender Quellen ab.
Krailling, Oktober 2002
Die Quellen, derer ich mich hauptsächlich bediente:
Hugo Gold: Die
Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, Brünn 1929
Hugo Gold: Gedenkbuch
der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974
Chr. D’Elvert: Zur
Geschichte der Juden in Mähren und österr. Schlesien, Brünn 1895
Willibald Müller: Beiträge
zur Geschichte der mähr. Judenschaft (1903?)
Prof. Dr. Alfred Engel: „Gedenkbuch“, Nikolsburg 1936
Gregor Wolny: Die
Markgrafschaft Mähren, Brünn 1837
Wilma Iggers Die
Juden in Böhmen und Mähren, München 1986
Mein besonderer Dank geht an
Erich Pillwein für seine Korrekturarbeit und seine stilistischen Anregungen.
Juden in Mähren, Judengemeinden in Südmähren
Neben der tschechischen und
deutschen Bevölkerung Mährens gab es seit Menschengedenken auch einen jüdischen
Bevölkerungsteil, der allerdings im Vergleich zu den beiden anderen
Volksgruppen recht klein war. Je nach den politischen und örtlichen
Verhältnissen, sowie den Gesetzen, die die jeweilige Obrigkeit erließ, lebten
die Juden verstreut innerhalb der christlichen Gemeinden, abgesondert in den
sogenannten Judengassen (Ghettos) oder, ebenso abgesondert in politischen
Judengemeinden. Diese hatten eine eigene Verwaltung. Anfangs war diese
politische Gemeinde mit der Kultusgemeinde identisch, später aber erfolgte auch
hier eine gewisse Trennung. Die enge Verwobenheit blieb trotzdem erhalten, das
ergab sich schon aus den religiösen Regeln und Vorschriften, die auch das
Alltagsleben betrafen, aber auch durch
das enge zusammenwohnen in den Judengassen.
Für die Obrigkeit war dies zudem
wahrscheinlich die bequemste Alternative, weil sie über diese Organisationsform
die Juden pauschal besteuern konnte, ohne sich um Details zu kümmern. Diese
Details regelten die Juden unter sich, wobei weitgehend soziale Gesichtspunkte
für die individuelle Besteuerung Berücksichtigung fanden. Für die damalige Zeit
sicher ein bemerkenswertes Vorgehen.
Die Karte zeigt die südmährischen
Gemeinden mit jüdischen Einwohnern, außerdem jene Gemeinden, in denen, neben
der christlichen, auch eine politische Judengemeinde bestand. 
Wie schon im Vorwort angesprochen,
war Nikolsburg der Sitz des Landesrabbinats
und auch einer Rabbinatshochschule. Es war bis zur Öffnung der
königlichen Städte nach 1848 so etwas wie der religiöse Mittelpunkt der
mährischen Judenschaft. Lundenburg hingegen scheint eher die „weltliche“ Rolle
gespielt zu haben, denn einige organisatorische Initiativen, wie die Übernahme
der Verwaltung des mährisch-jüdischen Landesmassafondes, gingen von Lundenburg
aus. Nach 1848 verblieb der Sitz des Landesrabbinats in Nikolsburg, obwohl
diese Gemeinde sich infolge der Abwanderung von Bewohnern erheblich
verkleinerte. Die vor 1848 von Lundenburg ausgehenden Aktivitäten verlagerten
sich hingegen weitgehend nach Brünn.
Wie und wann kamen die Juden nach Mähren?
Eine völlig zuverlässige Auskunft
gibt es nicht. Wolny führt in „Die Markgrafschaft Mähren – Brünner Kreis“ eine
Inschrift am Tempel in Pohrlitz an, die besagt, dass dort bereits (umgerechnet)
im 6. Jahrhundert ein Tempel erbaut wurde. Nach Hugo Gold ist das
ausgeschlossen, weil eine erste Erwähnung von Pohrlitz erst im 11. Jahrhundert
nachzuweisen ist. Es wird für ausgeschlossen gehalten, dass der Judentempel
Jahrhunderte vor der Stadtgründung erbaut wurde. Außerdem weist Gold an
verschiedenen Details nach, dass die besagte Inschrift nicht von Juden stammen
könne.
Unzweifelhaft ist aber die
Raffelstettener Zoll- und Schifffahrtsurkunde aus dem Jahre 906, das erste
vorhandene Dokument, in dem Juden in Mähren erwähnt werden. Sowohl für
Christian d’Elvert als auch für Hugo Gold ist das der erste schriftliche Beleg
für die Anwesenheit von Juden im mährisch –niederösterreichischen Raum.
Der lateinische Text dieses
Dokumentes lautet in der deutschen Übersetzung: „Die Juden und alle übrigen
Kaufleute, woher sie immer kommen mögen, aus diesem Lande oder aus anderen
(Böhmen oder Mähren), sollen ebenfalls von den Sklaven als auch von den anderen
Sachen gebührend Zoll zahlen, wie es zu Zeiten der früheren Könige üblich war.“
Spuren dieser wandernden Kaufleute wurden in Mähren allerdings nicht gefunden.
Es kann jedoch nicht ausgeschlossen
werden, dass vereinzelte Juden bereits mit den Römern in die Gegend kamen.
Einen Beweis dafür gibt es nicht.
Der erste große Einwandererschub kam
als Folge der Kreuzzüge. Diese kamen über Frankreich in die Städte am Rhein und
Main und wüteten dort unter den jüdischen Bewohnern, die als Mörder des
Heilandes galten. Es war sicher nicht nur religiöser Eifer, sondern auch Gier
nach dem jüdischen Besitz, der sie leitete.
Jedenfalls flohen viele der Juden,
die sich vor den Pogromen retten konnten, nach Osten, so auch nach Böhmen und
Mähren. Die so aus Deutschland eingewanderten Juden trugen deutsche Namen. Gold
ermittelt den Zeitraum dieser Einwanderung über die Schreibweise der Städte.
Diese in Verbindung mit den Familiennamen gebracht, ergibt einen ungefähren
Eindruck, wann sich Juden dort angesiedelt haben. Viele der damaligen
Städtenamen haben sich im jüdischen bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts
erhalten.
Interessant ist, dass die Juden, die
auf Grund der Pogrome infolge der fanatisierten Kreuzzügler aus den deutschen
Landen flohen, ihr „Deutschtum“ beibehielten. Dazu können wir in „Caro,
Geschichte Polens“ nachlesen: „Ihren deutschen Ursprung kündet noch heute – als
ein eigenthümliches und beachtenswerthes Denkmal – das trotz aller Verderbtheit
und trotz der Einwirkung von Jahrhunderten bewahrte deutsche Idiom, dessen sich
um die gleiche Zeit eingewanderten deutschen Colonisten nicht rühmen können“.
Für Mähren und Schlesien kann wohl
gleiches angenommen werden.
Es gab sicher schon im 12.
Jahrhundert jüdische Gemeinwesen um die Burgen in Brünn, Olmütz und Hradisch,
Urkundliches über deren Schicksale hat sich nicht erhalten.
Erst ab dem 13. Jahrhundert gibt es
mehr Quellenmaterial.
Als im Jahre 1229 die Stadt Brünn
erweitert wurde, gab es bereits eine Judengasse innerhalb der Stadt. König
Přemysl Ottokar II. erließ 1254 das Judenprivilegium , das den Juden in
allen seinen Ländern gewisse Rechte und Freiheiten verlieh.
Natürlich wurden neben den
verbürgten Rechten, den Juden auch Pflichten auferlegt, so wurden sie dazu
verpflichtet, den vierten Teil zur Ausbesserung der Stadtbefestigung
beizutragen.
Daß solche besonderen Verordnungen
notwendig waren, bezeugt, dass die Juden eines besonderen Schutzes in der
Diaspora, in der sie ja lebten, bedurften. Daneben wurden ihnen aber auch stets
hohe Abgaben auferlegt, höhere als den Christen, man kann mit Sicherheit davon
ausgehen, dass z.B. der oben erwähnte Beitrag zur Stadtbefestigung nicht dem
Bevölkerungsanteil entsprach.
Das Judenprivileg von Ottokar hatte
lange Zeit Wirksamkeit, so hat z.B. der Brünner Stadtrat, an der Spitze der
Richter Jakob de Kor, öffentlich bezeugt, dass er die „Rechte und Verordnungen,
welche weiland König Ottokar II. den mährischen Juden gab, in einer wörtlich
genauen Abschrift eingesehen habe“.
Aus einer weiteren Verordnung aus
dem Jahre 1343, die zur „Wahrung des Friedens zwischen den christlichen und
jüdischen Metzgern“ erlassen wurde, schließt Gold auf eine jüdische Gemeinde in
Brünn von ca. 2000 Seelen.
1345 befielt Karl, Markgraf von Mähren,
der Stadt Brünn, behufs Aufbesserung seiner Kammereinkünfte „alle Juden, aus
welchen Gegenden auch sie sich in der Stadt ansässig machen wollten,
heranzuziehen, sie in die Gemeinde aufzunehmen und bei ihren Rechten zu wahren
und nach ihren Stadtrechten behandeln zu dürfen“.
Im gleichen Jahr, am 25. August 1345
wurde die Judengemeinde Iglau durch eine Verordnung des Markgrafen Karl
gegründet.
Er versprach sich davon eine
Belebung der darniederliegenden Tuchfabrikation, weil die Juden die
„Vertriebswege“ kannten. Diese reichten bis in die Levante.
Karl erließ den Juden die üblichen
Steuern bis auf die Vermögenssteuer, die sie an seine Kammer abliefern
mussten. Unter diesem Schutz
entwickelte sich die Gemeinde, die Juden, sparsam und fleißig, wurden wohlhabend,
konnten Gelder an die christlichen Bürger verleihen.
Das wurde ihnen zum Verhängnis.
Davon aber später.
In ländlichen Gemeinden wurden Juden
wahrscheinlich erst später sesshaft.
Eine blutige Hostie, die in Pulkau
gesehen wurde, führte in Niederösterreich zu einer Judenverfolgung, die bis ins
südliche Mähren reichte. Markgraf Johann besah sich dieses „Wunder“ anlässlich
eines Besuches in Znaim 1338, verhinderte aber doch größere Ausschreitungen in
Mähren. Viele Juden siedelten in dieser Zeit nach Mähren über und so entstanden
auch ländliche Judengemeinden im südlichen Mähren.
Einen weiteren „Schub“ an
Einwanderern gab es, als Markgraf Johann 1420 in seinen Erblanden Österreich
„ad majorem gloriam“ eine generelle Judenaustreibung anbefahl. Vorwand war eine
unterstellte Verbindung mit den Hussitten.
Einen weiteren großen Zustrom
fremder Flüchtlinge, diesmal aus dem Osten, brachte der Chmelnickyaufstand und
die kosakisch-polnischen Kriege 1648 – 1665 nach Mähren. Die Familiennamen
Pollak, Polacek, Krakauer, Lemberger, die in Mähren häufig vorkamen, erinnerten
an diese traurige Begebenheit.
Der letzte große Zustrom von außen
kam als Folge der letzten Judenvertreibung aus Wien und Niederösterreich im
Jahre 1670. Die Gemeinden hatten sich noch nicht wieder vollständig von der
„polnischen Flüchtlingsflut“ erholt als dieser neue Flüchtlingsstrom sich über
Mähren ergoß. Dabei hatte Nikolsburg den größten Zufluß. Der Fürst von
Dietrichstein nahm 80 jüdische Familien auf, die reichlich Zuzugs- oder
Niederlassungsgelder in seine Kasse zahlten. Auch die Gemeinden Kostel,
Jamnitz, Eisgrub, Althart, Pullitz und Piesling bekamen reichlich Zuwachs. Die
Juden von Weitterfeld nahm Fürst Starhemberg in Schaffa auf.
In diesem Kapitel wurde die
Einwanderung der Juden beschrieben, die, wie wir sahen, zum großen Teil auf
Vertreibung und Flucht zurückzuführen war. Im nächsten Abschnitt wollen wir den
geschichtlichen Ablauf und das Schicksal der Juden im Lande selbst verfolgen.
Verlauf der Geschichte
der Juden in Mähren
Bei der Betrachtung des Verlaufes der Geschichte der Juden
in den christlichen Ländern und hier besonders im Mitteleuropäischen Raum,
sollten wir einige Feststellungen an den Beginn stellen, weil damit so manches
Ereignis besser verstanden und auch eingeordnet werden kann.
-
Die Zuwanderung: Die Juden sind
immer wieder von irgendwoher zugewandert und sie waren danach im neuen
Wohngebiet eine verhältnismäßig kleine Gruppe. Damit aber behielten sie immer
wieder, mehr als die Christen, ihre Verbindungen zu relativ weit entfernten
Gebieten und/oder Glaubensgenossen aufrecht. Das förderte den Handel, brachte
den Juden Wohlstand, weil sie die Waren dorthin absetzen konnten, wo der
größtmögliche Gewinn zu erwarten war. So ergab es sich z.B., dass der
überwiegende Teil des „Landhandels“ bis in die Neuzeit, bis zur Entstehung der
Genossenschaften (Raiffeisen u.ä.) zu Beginn des 20. Jahrhunderts überwiegend
in jüdischen Händen war.
-
Der Geldverkehr: Weil es
Christen nach kanonischem Recht verboten war, Zinsen zu geben und zu nehmen,
blieb während des gesamten Mittelalters der Geldverkehr in der Hand der Juden.
Wer als Christ Geld hatte, gab es den Juden, der dafür Zinsen bezahlte,
bezahlen durfte. Wer Geld benötigte, lieh es sich beim Juden, der dafür Zins
nehmen konnte. Teilweise wurde der Zinssatz beschränkt, d.h. die Obergrenze
festgelegt, aber es ist menschlich dass sich daraus immer der Vorwurf der
Wucherei ableiten ließ. Für den Schuldner sind Zinsen immer zu hoch, daran hat
sich bis heute ja nichts grundsätzliches geändert. Es ist dabei müssig,
Überlegungen anzustellen, ob das Naturell des Juden sich besonders für solche
Geschäfte eignet, oder ob er in diese Rolle hineinwuchs. Tatsache ist, dass die
Juden im Prinzip nicht zu entbehren waren.
-
Die Landwirtschaft: Es war den
Juden nicht immer verboten, Land zu besitzen. Verpfändete Güter konnten über
weite Zeiträume eingezogen werden, d.h. in das Eigentum des jüdischen
Geldverleihers übergehen. Es war aber seit dem 11 Jahrhundert in den böhmischen
Ländern Juden verboten, Christen für sich arbeiten zu lassen oder gar diese als
Leibeigene zu „besitzen“. Nun waren aber in jener Zeit der noch bestehenden
Leibeigenschaft Menschen immer Bestandteil der Güter, wären also auch quasi in
jüdischen Besitz übergegangen und hätten für den jüdischen Besitzer arbeiten
müssen. Das aber war ungesetzlich. Daraus folgt, dass was theoretisch möglich
war, praktisch kaum umgesetzt werden konnte. Das änderte sich erst mit dem von
Josef II. erlassenen Toleranzpatent 1783.
Ich lasse bei dieser Betrachtung den Faktor „Religion“
absichtlich beiseite, weil sie beim geschichtlichen Ablauf kaum eine Rolle
spielt . Dies mag vielleicht eine gewagte Behauptung sein, weil ja sehr viele,
ja die meisten Pogrome und Verfolgungen religiös untermauert waren. Tatsache
aber ist, dass es immer auf eine Enteignung, auf einen erzwungenen
Schuldenerlaß hinauslief. Das hat aber nichts mit der Religion zu tun.
Die erste bekannte Erwähnung der Anwesenheit von Juden in
Mähren findet sich im „Raffelstettener Zollvertrag“ aus dem Jahre 906. Dieser
Vertrag, geschlossen zwischen dem deutschen König und den Bischöfen von Passau
und Salzburg, bezog sich auf den Handel nach Mähren und aus Mähren. Darin wird
der Zollsatz festgelegt .Darin werden z.B. Schotten begünstigt, sie mussten mit
der Ausnahme von Salz, welches dem Zoll unterlag für Sklaven und andere Waren
keinen Zoll entrichten.
Wer aber mit den Mährern handeln wollte, musste auf der
Heimreise einen Schilling entrichten, bei der Rückkehr konnte er ohne Abgabe
die Mauth überschreiten. „Juden müssen
überall, wie es herkömmlich ist, einen mäßigen Zoll von Sklaven und anderen
Dingen zahlen.“
Dudik berichtet in der „Geschichte Mährens“, „dass als
Käufer und Verkäufer der wegen eines Verbrechens zu Sklaverei Verurteilter, die
im Lande verbreiteten Juden erscheinen“.
Am 22. Juli 1124 gab der Herzog Wladislav I. den Befehl,
dass von nun an „kein Christ einem Juden dienen solle“. Anlaß war das
Todesurteil gegen einen Juden in Prag, wegen Begehung eines Sakrilegs. Die
Judengemeinde sammelte daraufhin 1000 Pfd. In Gold und 3000 Pfd. In Silber und
erkaufte sich damit die Nichtvollstreckung des Todesurteils. Für dieses Geld
löste wiederum Herzog Wladisav alle christlichen Sklaven aus.
Nach dem Chronisten Dudik waren die Juden seit „undenklichen
Jahren“ ansässig. Als Beispiel zieht er
den Bau der landesfürstlichen Burg Podivin durch einen Juden namens Podiva an.
Wir können festhalten, dass sie im Lande waren, sicherlich
von der christlichen Bevölkerung nicht besonders geliebt, was sich in immer
wiederkehrenden Verfolgungen zeigte. Als im Jahre 1096 die Judenverfolgungen im
Gefolge der Kreuzzüge auch Böhmen und Mähren erreichten, hat das die reichsten Juden veranlasst, mit
ihrem Besitze nach Polen und Ungarn zu fliehen. Manche von Ihnen wurden auf
Befehl des Herzogs Břetislav von Häschern ergriffen und vom Landeskämmerer
„rein ausgeplündert“. „Nicht einmal aus dem brennenden Troja hätte man so viel
Geld zusammengebracht als an jenem Tage von den unglücklichen Juden“ berichtet
der Geschichtsschreiber Cosmas.
Das Schicksal der Juden bewegte sich immer zwischen extremer
Verfolgung und privilegierter Ausnahmestellung.
Die von Kaiser Heinrich IV. (das war der, der nach Canossa
ging) am 13.September 1084 verfaßte
Urkunde stattete sie mit enormen Rechten aus, nur noch übertroffen von der
Urkunde von 1090, in der die Judenschaft von Speyer geradezu privilegiert
wurde, um wenig später beraubt und aus der Stadt vertrieben zu werden. Laut
Dudik gab es niemals, weder vorher noch nachher ein solch ungerechtes Gesetz,
welches eine Rasse so in den Vorteil setzte. Er schreibt: „Was wunder also,
wenn die Juden bei solch kaiserlichen Begünstigungen das heilige römische Reich
deutscher Nation als ihr wiedergefundenes Vaterland priesen und sich mit
Vorliebe Deutsche nannten. Daß ihnen diese Vorliebe vom deutschen Volke gar
bitter vergolten wurde, schien sie nicht so stark zu genieren.“
Man kann davon ausgehen, dass diese Privilegien auch eine
Auswirkung auf die böhmischen Länder hatten.
König Wenzel erließ bereits einen Schutzbrief für die
Judenschaft, dessen Inhalt nicht bekannt ist, Aber es war sein Sohn Ottokar
II., der den Juden in den böhmischen Ländern 1254 einen umfassenden Schutzbrief
ausstellte. Man kann ruhig annehmen, dass er sich diesen von der „Judengasse“
vergolden ließ, aber immerhin gab er den Juden weitreichende bürgerliche
Rechte, sie selbst bezeichneten diesen Schutzbrief als die „Magna Charta
Libertatum“. Der Schutzbrief besteht aus zwei Teilen, einmal die Judenschaft in
Mähren und Böhmen, und weiter speziell die Juden in Brünn betreffend.
Der Schluß der Urkunde lautet:
„Desgleichen nehme
kein Jude, welcher in der Brünner Gemeinde verweilt, nach Sonnenuntergang von
Niemanden, sei es ein Bekannter oder Unbekannter, ein Pfand an, ebenso soll er
sich bei Tage in Betreff von Pferden, Kühen, Ochsen und anderen Sachen, von
welchen er Verdacht hat, daß sie gestohlen sind, nicht einmischen, es wäre denn
bei Zeugenschaft zweier Geschworenen aus der Gemeinde. Die Juden sind auch
verpflichtet, zur Ausbesserung der städtischen Schanzen und Gräben den vierten
Teil beizutragen.“
König Rudolf, nach dem Sturze von Ottokar II. für kurze Zeit
Herr in Böhmen und Mähren, gedachte in den von ihm „begnadigten“ Städten auch
der Juden, indem er anordnete, „dass die Stadtjuden angehalten werden sollen, die Landes- und Stadtsteuern und
Contributionen gleich den anderen Bürgern zu entrichten.“
Es folgte eine Zeit der relativen Sicherheit für die Juden.
Aus dieser Zeit, nämlich aus dem Jahre 1311 berichtet Dudik folgende Begebenheit
aus Brünn: König Johann war zum Landtage nach Brünn gekommen. Seine Ankunft
glich einer Prozession, bei der sich die jüdischen Bewohner besonders
hervortaten. Sie gingen dem königlichen Zuge schon eine weite Strecke entgegen
und geleiteten ihn unter Absingen hebräischer Lieder und Psalmen in die Stadt,
wo sich der mährische Adel zahlreich einfand um den König als neuen Markgrafen
zu begrüßen.
Johann dankte den Empfang durch die Juden auf seine Weise:
Als er im Jahre 1333 in Parma der Stadt Brünn ein Privilegium verlieh, welches
den Grund zu ihrem Handel legte, bedachte er auch die Juden, indem er
verordnete, dass diese, sooft die Stadtmauern repariert werden, den vierten
Teil der hierzu erforderlichen Auslagen beisteuern müssen, da sie die Bequemlichkeit
der Stadt genossen, aber nicht deren Lasten trugen,
König Karl erneuerte 1348 die Privilegien Ottokars II., so
dass es für die Juden ein günstiges Zeichen für den Beginn der Herrschaft Karls
bedeutete. Es wurde aber in Wirklichkeit eine Schreckenszeit.
Wie überall in Mitteleuropa brach um diese Zeit die Pest aus
und wütete schlimm. Weil man keine Erklärung für diese Epidemie hatte,
beschuldigte man vielfach die Juden der Brunnenvergiftung. Es kam auch in
Mähren zu Ausschreitungen und Plünderungen, insbesondere im Jahre 1349. Um dem
zu entgehen, flohen viele in den angrenzenden Landesteil Ungarns, der Slowakei.
Es sei aber anzumerken, dass sowohl die Judenverfolgungen
während der Kreuzzüge, als auch während der Pestepidemie, in Mähren, vielleicht
bedingt durch die Randlage, weit weniger extrem waren als in Deutschland und
auch in Böhmen.
Kaiser Karl IV. erneuerte 1356 die den Juden günstigen
Privilegien des Königs Přemysl Ottokar II..
Während der Regierungszeit von Kaiser Sigismund, des Sohnes
von Karl IV., der auch als König über Böhmen und Mähren herrschte, fand unter
der Herrschaft des Habsburger Herzogs Albrecht II. im Jahre 1421 in Wien eine
blutige Judenverfolgung statt, die „Wiener Gesera“. Wie schon im Jahre zuvor
die aus Niederösterreich vertriebenen Juden, wandten sich viele der Wiener
Juden nach Mähren, wo sie in der Nähe der österreichischen Grenze eine Reihe
von Judengemeinden gründeten. (siehe auch Nikolsburg, Lundenburg, Znaim,
Pohrlitz).
Zu ihrem Pech wurden sie hier wieder von ihrem Wiener
Vertreiber eingeholt. Herzog Albrecht II. vermählte sich 1422 mit der Tochter
des Kaisers Sigismund. Dieser trat ihm zur Sicherstellung des zugesagten
Heiratsgutes die südmährischen Städte Iglau, Jamnitz, Znaim und Pohrlitz ab,
welche durchwegs starke Einwohnergruppen
jüdischer Emigranten aus Wien aufwiesen. Albrechts Einfluß wurde noch
bedeutender, als ihm Kaiser Sigismund 1423 ganz Mähren überließ, damit er sich
besser auf die Führung der Hussitenkriege konzentrieren konnte. Eine der ersten
Maßnahmen war die 1426 verfügte Vertreibung der Juden aus Iglau. Sie wurden der
Zusammenarbeit mit den Hussiten beschuldigt.
Diese judenfeindliche Einstellung vererbte sich von Albrecht
auf seinen nachgeborenen Sohn Ladislav (Posthumus). Dieser war stark dem Einfluß
des fanatischen Franziskanermönches Johann von Capistrano ausgesetzt, und
verfügte unmittelbar nach erlangter Großjährigkeit, 1454, die Vertreibung der
Juden aus den königlichen Städten Brünn, Olmütz, Znaim und Mähr. Neustadt. Alle
diese Vertreibungen erfolgten auf Antrag der christlichen Bürgerschaft und war
immer mit einem erzwungenen Schuldenerlaß und der Enteignung verbunden. Weil
aber die Juden ohnehin höhere Steuern zu bezahlen hatten, mussten sich die
christlichen Bürger verpflichten, diese Steuern in voller Höhe weiterhin zu
entrichten.
Der Wortlaut dieses Vertreibungsdekretes lautet:
“Zur Behebung der
Verderbnüs und Beschwehrung, so meingvelticlich den Christen und sunder unsern Lieben
getreuen, den Bürgern und der Gemain zu Brünn geschehen, dadurch sy in groß
Armuth und Schaden kommen möchten: solichen nun zu widersteen, so haben wir die
Sachen gewegen und für zeitigen Rat für uns genomen und in unserm Gemüt
be-tracht und von sundern Genaden durch Aufnehmung willen der bemelten unser
Stat, haben wir denselben Unsern Bürgern und der Gemaln zu Brünn und ihren
Hundersassen soliche Genad gethan. Dass wir sy als ein Kunig zu Behern und ein
Margraf zu Merhern der Juden daselbs zu Brünn ganz entladen und gemussigt
haben; entladen und massigen auch wissentliche in Kraft diese Briefs von
behemischer kuniglicher Macht in solichem Masse, dass sich alle Juden und
Judin, jung und alt, keiner aus genomen, von Brün mit irer farunder Hab fegen
und wegziehen sollen zwische hie und Sct. Martinstag nechst künftig unvorzogenlich,
auch sollen die Christen daselbs zu Brün die Cernuin ir Hundersassen, denselben
Juden und ändern Juden die bei in gewont und von in gezogen haben, ihr gelihen
Haubtgut, weliche in das noch schuldig sind, bezalen und ausrichten, nach
Inhalt der Begnadung, so wir denselben von Brün und den inen vonmds von der
Juden Geltschuld wegen getan haben und damit von in ledig sein.
Wir haben auch den
obgenannten unsern Burgern zu Brün aber noch mehr Genad getan. Dass wir in alle
Judenheuser, ir Synagog und Freythof verlihen, gegeben und ganz zugeaignet
haben, die mit Christen zu besetzen und hinfur die Juden in dieselbigen, noch
in andere Heuser daselbs zu besizen nicht mehr kommen lassen, und sollen und
mögen mit denselben Heuser handeln und thuen nach ihrer und derselben Stat
Notdurf so sy das am besten und nüzlichsten bedenken ohn allermeinelich
Beirrung, doch in solichen Masse, dass dieselben unsere Burger daselbs zu Brün,
uns unsern Erben und Nachkomen Margrafen zu Merhern soliche Zinse und Rent, so
uns die Lemelten Juden in unser Kammer jerlich geraicht und geben haben, das
ist sechzig Schock Groschen gewonlich und gengiger Munez in unserem Land zu
Mehrern, auch jerlich raichen und geben sollen.“
Die aus den Städten vertriebenen Juden siedelten sich zum
großen Teil in den Gemeinden an, in denen vorher schon Vertriebene aus Wien und
Niederösterreich eine Bleibe fanden (siehe z.B. Mißlitz).
Im 16. Jahrhundert waren es die Religions- und Türkenkriege,
die den Juden zu schaffen machten. Sie wurden immer wieder verdächtigt, mit dem
Feind, also den Türken und Protestanten zusammenzuarbeiten. Das taten sie
zweifellos, aber nicht als Verbündete dieser Parteien, sondern als
Geschäftsleute.
Jedenfalls nahm Kaiser Ferdinand I. dies zum Anlaß, die
Ausweisung der Juden aus Böhmen und Mähren zu verfügen. Diese Anordnung wurde
auf Grund des Widerstandes der Stände jedoch nicht befolgt.
Die Zeit des dreißigjährigen Krieges brachte keine besonderen Nachteile für die
Juden, sie litten ebenso wie die übrige Bevölkerung und wurde offensichtlich
„nur“ im gleichen Maße dezimiert, so dass es nach Beendigung desselben in ganz
Mähren nur 773 bewohnte und 341 unbewohnte Judenhäuser gab.
Erneut gab es einen Zustrom von Außen: Während des
Aufstandes des Kosakenhejtmannes Chmelnicky wurden die Juden scharf verfolgt
und es flohen viele nach Galizien, aber auch nach Mähren, was hier zu einer
bedeutenden Zunahme der jüdischen Bevölkerung führte. Dies wiederum empörte die
christliche Bevölkerung so sehr, dass der mähr. Landtag im Jahre 1650 beschloß,
in keiner Herrschaft und keiner Stadt Juden zu dulden, wo sie nicht schon 1618
angesiedelt waren. Das bedeutete, dass keine neuen Judengemeinden gegründet
werden durften. Auch dieser Beschluß wurde nicht vollständig durchgeführt, machte
aber den Juden deutlich, wie unsicher ihre Lage im Prinzip war, so dass sich
viele entschlossen, das Land zu verlassen. Unter anderem zogen sie in die Mark
Brandenburg, wo sie einen erheblichen Anteil an der Entwicklung der Hauptstadt
Berlin haben. (Dr. Theodor Haas, Statistische Betrachtungen…).
Kaiser Leopold I. verfügte 1670 erneut die Vertreibung der
Juden aus Wien. Er beschuldigte sie, während des dreißigjährigen Krieges mit
den Protestanten, den ungarischen Aufständischen und den Türken zusammengearbeitet
zu haben. Diese Ausweisung erfolgte, obwohl Kaiser Ferdinand II. noch vorher
den Juden einen eigenen Stadtteil, die heutige Leopoldstadt, als Wohngebiet
zuwies.
Trotz des vorgenannten Beschlusses des mähr. Landtages
ließen sich die aus Wien vertriebenen Juden im grenznahen Gebiet in Mähren
nieder, gründeten auch neue Gemeinden, wie z.B. Schaffa.
Eine solche Neugründung war nur möglich, wenn sich der
zuständige Grundherr über den Landtagsbeschluß wegsetzte, so wie es im Falle
Schaffa Graf Maximilian Starhemberg tat.
Jedenfalls erfuhren die im 30jährigen Krieg stark
dezimierten Gemeinden eine Blutauffrischung, wahrscheinlich auch in
intellektueller Hinsicht.
Kaiser Leopold sah es nicht gerne, dass die von ihm aus Wien
vertriebenen Juden innerhalb seines Herrschaftsbereiches eine neue Heimstatt
fanden und so ließ er den mähr. Landtag erneut einen Entschluß fassen, der
besagt, dass „nur jene Juden dort ferner geduldet werden sollten, welche im
Jahre 1657 in der betreffenden Stadt nach Anzahl der Häuser sich befunden haben
und dass die überzählige Judenschaft aus dem Lande geschafft werden sollte“.
Auch diese Anordnung wurde nicht voll durchgeführt, zu viele
Wirtschaftsinteressen liefen dem zuwider.
Weil diese gewaltsamen Maßnahmen mit Rücksicht auf die Bedeutung
der Juden auf Handel und Verkehr sich immer weniger durchsetzen ließen, wurden
andere Verfügungen getroffen, um die Anzahl der im Lande lebenden Juden zu
limitieren.
Kaiser Karl VI. verbot in einem „Hofrescript“ vom 31.Juli
1726 bei einer Strafe von 1000 Dukaten die Neuansiedlung von Juden in
Gemeinden, in denen es bisher keine Juden gab. Darin wurden auch für ganz
Mähren die Höchstzahl der „Systemisierten“ Judenfamilien mit 5106
bestimmt, bzw. festgelegt. Mittels des nachgeschobenen Hofgesetzes vom Oktober
1726 wurde die Verehelichung von Juden nur in der Weise gestattet, dass immer
nur der älteste Sohn nach dem Tode des Vaters eine gültige Ehe eingehen durfte.
Nur so konnte er die durch den Tod des Vaters freigewordene Familienstelle übernehmen.
Gleichzeitig erfolgte die örtliche Absonderung der jüdischen
von der christlichen Bevölkerung und die Errichtung eigener Judenviertel in
systemisierter Weise mittels der Dekrete vom Dezember 1726 und Juni 1727. Auf
diese Weise entwickelten sich an manchen Orten ganze Gassen und Stadtteile,
welche ausschließlich von Juden bewohnt waren. Damit wurde auch der Grundstein für die Judengemeinden gelegt.
Den letzten Versuch, die Juden aus Böhmen, Mähren und
Schlesien zu vertreiben, machte ausgerechnet die fromme „Kaiserin“ Maria
Theresia 1745 (Tochter und Nachfolgerin von Kaiser Karl VI., die genau genommen
nur die Frau des Kaisers war), nachdem sie bereits ein Jahr zuvor verfügte,
diese aus Prag, Brünn und Olmütz zu vertreiben. Der böhmische Hofkanzler Graf
Kinsky konnte sie nur mit Mühe dazu bewegen, diese Anordnung zu mildern. Erst
als die Stände ihr den zu erwartenden Steuerausfall vorrechneten, verschob sie
den Ausweisungsbefehl um 10 Jahre. Danach wurde er quasi „vergessen“.
Im mährischen Toleranzpatent, erlassen von Kaiser Josef II.
wurden viele der bis dahin bestehenden Beschränkungen der Juden aufgehoben. So
durften die Juden Schulen einrichten, der Zugang zu fast allen Berufen wurde
ihnen gestattet und sie durften auch landwirtschaftliche Betriebe für 20 Jahre
pachten, bzw. im Besitz behalten. Weil sie aber der Landwirtschaft unkundig
waren, wurde ihnen auch die zeitweilige Beschäftigung von christlichen Knechten
gestattet. In kleinen Gemeinden ohne eine eigene Schule wurde den Kindern der
Besuch der christlichen Schule erlaubt „und befohlen“. Die sogenannte Judenmaut
wurde abgeschafft, jedoch konnten die davon betroffenen königlichen Städte den
Steuerausfall anderweitig kompensieren.
Daß es Josef dabei
weniger um das Wohlergehen der Juden, als um die Sicherstellung deren
Steuerkraft ging, bezeugen seine folgenden Aussprüche:
„Meine Absicht… geht
keineswegs dahin, die jüdische Nation in den Erblanden mehr auszubreiten, aber
da wo sie ist, und in dem Maß wie sie als toleriert besteht, dem Staate
nützlich zu machen“.
„… ist es, weil sie
keine Christen, so sind es Menschen, Consumenten, zahlen, also nutzbar, wenn
man sie in Schranken hält.“
Ein Patent aus dem Jahre 1787 erhöhte die Anzahl der
zugelassenen jüdischen Familien von 5106 auf 5400, diese Oberzahl der jüdischen
Familien hatte bis 1848 Gültigkeit. Das Eingehen einer Ehe bedurfte weiterhin
der behördlichen Genehmigung, so dass sich die Abwanderung der „überzähligen“
jüdischen Bevölkerung weiter fortsetzte.
Eine systematische Regelung der Ansiedlungsverhältnisse der
Juden in Mähren erfolgte durch das Patent des Kaisers Franz II. 1798, in dem 52
Judengemeinden in Mähren geschaffen wurden. Es waren Gemeinden, in denen Juden
und jüdische Einrichtungen seit langem existierten.
Die größte Anzahl der systemisierten Judenfamilien besaßen
die Städte Nikolsburg mit 620, Proßnitz mit 328 und Boskowitz mit 326.
Die königlichen Städte Brünn, Iglau, Znaim und Ung. Hradisch
blieben den Juden weiterhin verschlossen, das deutsche Nordmähren war ohnehin
fast ohne jüdische Bewohner.
Die bedeutendste Veränderung für die jüdischen Einwohner
brachte das Jahr 1848, in welchem die bis dort geltenden Beschränkungen der
Freizügigkeit aufgehoben wurden. 1860 wurde ihnen auch der Erwerb unbeweglicher
Güter gestattet und schließlich erfolgte 1867 die Deklaration der völligen
Freizügigkeit im gesamten Staatsgebiet.
Als mittels eines Gesetzes 1862 selbstständige Ortschaften
geschaffen wurden, erstreckte sich das auch auf die Judengemeinden, welche ein
eigenes geschlossenes Territorium sowie die Mittel zur selbstständigen
Verwaltung besaßen. In ganz Mähren wurden so 27 selbstständige (politische)
Judengemeinden gebildet.
Obwohl zunächst die Gesamtzahl der Juden zunahm, erlitten
die Landgemeinden einen zunehmenden Bevölkerungsverlust. Das hatte vor allem
wirtschaftliche Gründe. Mit der verkehrstechnischen Erschließung des Landes
durch die Eisenbahn und durch die Gründung landwirtschaftlicher
Genossenschaften, wurde dem traditionellen jüdischen Landhandel die Basis
entzogen. In den Städten ergaben sich neue Möglichkeiten, so dass sich die
jüdische Landbevölkerung rasch verringerte. Von den ursprünglich 27 politischen
Judengemeinden bestanden bei der Gründung der Tschechoslowakischen Republik
1918 nur noch 2. Die letzte davon, Mißlitz (jüdisch Mislap) ging 1924 in die
deutsch geprägte politische Gemeinde Mißlitz auf. Die Juden hatten danach noch
3 garantierte Sitze im Gemeinderat.
Erstmals findet sich ein Hinweis auf eine solche Maut in
einer Urkunde aus dem Jahre 1341. König Johann bestätigte darin dem Kloster
Willimow die Abnahme der Mauth, fordert aber zugleich auf, die Maut für die
lebenden und toten Juden nach der „Sitte“ der Christen abzunehmen. Das bedeutet
aber, dass die Juden vorher eine höhere Abgabe zahlen mussten.
Nach der Vertreibung der Juden aus den königlichen Städten,
war das Betreten derselben, auch wenn es nur für einen Tag war, erheblichen
Beschränkungen unterworfen. Sie hatten insbesondere ein Einlassgeld oder
Leibmaut zu entrichten. Der Ertrag aus dieser Gebühr floß zunächst in die
städtischen Kassen, später aber wurde diese Abgabe für die königl. Kasse
eingezogen. 1708 z.B. war diese mit 15 und 7 Kr. Je nach dem Orte festgesetzt,
später wurde sie für alle Orte einheitlich auf 17 Kr. Festgesetzt.
Die k.u. k- mähr. Landes-Deputation verpachtete die Leibmaut
oder „Einlassgelder“ „mit allerhöchster Genehmigung“ von 1749 an für 3 Jahre an
Conrad Leopold Donatius und den Trebitscher Juden Simon Hirschl um einen
monatlich in die k.k. Cameralcasse zu Brünn abzuführenden jährlichen
Pachtschilling von 7500 Gulden. In dem Kontrakt vom Januar 1749 heißt es: „Nachdem nun Vierthens bis anhero jederzeit
die Thorschreiber in den königl. Städten diese jüdische Einlassgelder und die
ihnen behändigte gedruckte Mauthzettel ganz getreu verrechnet und die
empfangenen Gelder seiner Behörde ganz richtig abgeführtet; Alß lasst man ihnen
Contrahenten anheimb gestellt ob sie mit diesen Thorschreibern continuiren oder
aber mit dieser collecte unter den Stadtthoren in demjenigen Stübl, welcheß in
denen Marktzeithen dazu gebraucht wird, eine andere Bestellung, jedoch allemal
durch christliche Personen einzurichten intentionirt seyen.“
Unter fünftens wird weiter ausgeführt, dass die Juden
gestattet wird, gegen diese Einlaßgebühr die Stadt an jedem Tag zu betreten.. „hingegen hiemith ernstlich verbothen, dass
sich keiner unterstellen solle, an einem Sonn- oder Feiertage in die Stadt zu
gehen..“. Selbst wenn ein Jude von einer Behörde in die Stadt gerufen
wurde, durfte er diese an Sonn- und Feirtagen nur nachmittags betreten.
Eine weitere Festlegung von 1749 erlaubt den Juden, an jedem
Tag die Städte zu betreten, außer an den oben erwähnten Sonn- und Feiertagen.
Die Leibmaut wurde unter Josef II 1782 aufgehoben.
Zu den vielen Beschränkungen, die man den Juden auferlegte,
gehörte auch eine besondere Tracht, die zu tragen sie verpflichtet waren. Das
Wiener Konzil von 1267 erneuerte frühere päpstliche Befehle, nach denen die
Juden einen gezackten Hut zu tragen verpflichtet sind, „damit man sie, wie es
erforderlich ist, von den Christen
unterscheiden könne.
Es war Juden bei Androhung einer Geldstrafe verboten,
ohne dieses äußere Zeichen in der
Öffentlichkeit aufzutreten. Diese äußeren Zeichen waren nicht einheitlich.
Um die Juden sogleich von den Christen unterscheiden zu
können, befahl König Ferdinand I. für die böhmischen Länder 1551, dass die
Juden auf der Gasse eine Art „Weibermantel“ mit auf der linken Seite
eingenähten, aus gelbem Tucher gefertigten Rädchen tragen sollen. Zusätzlich
gab es noch den Zwang zum tragen eines Bartes.
Der Kleider- bzw. Kennzeichnungszwang wurde erst 1782 durch
das Toleranzpatent Josefs des Zweiten abgeschafft

Das Bild zeigt die
Anordnung Ferdinand I. für die Judenkleidung
Die Paradiesapfelsteuer.
Von Willibald Müller, aus „Beiträge zur
Geschichte der mähr. Judenschaft“
Im Jahre 1736 machte ein Prager Handelsmann, Namens David Heinrich
Lehmann der böhmischen Hofkanzlei den Vorschlag, auf die Einfuhr der von der
Judenschaft zur Feier des Laubhüttenfestes gebrauchten »Adamsäpfel«*) eine
»besondere Maut« zu legen. Diese besondere Maut werde „dem höchsten Aerario ein
sicheres Quantum abwerfen“ und es in die Lage setzen davon dem Antragsteller
eine Gratifikation von zweitausend Dukaten auszuzahlen.
Der Vorschlag kam unter Karl VI. nicht zur Erledigung und ruhte auch
während der Kriegswirren in den ersten Jahren der Regierung Maria Theresias in
irgend einem Prager oder Wiener Aktenschranke. Erst im Jahre 1744 mag sich
Jemand wieder des Vorschlages erinnert und der Kaiserin darüber Vortrag
gehalten haben.
Die Folge davon war ein Hofdekret an die böhmische Hofkanzlei und an das
königliche Amt in Brünn, in dem die Kaiserin, sich auf den erwähnten Antrag
berufend, mitteilte, daß derselbe „wohl zu akzeptieren“ wäre, daß man aber
dennoch über ihn zur Tagesordnung übergehen und es den Juden nach wie vor
freistellen wolle, die Adamsäpfel zu kaufen, wo und wie es ihnen belieben
würde. Nur müsste die Judenschaft in Böhmen, Mähren und Schlesien für diese ihr
gnädigst gewährte Einkaufs-Freiheit alljährlich den Betrag von 40.000 fl. an
die Aerarialkasse in Wien abführen. Für das Jahr 1744 – das Hofdekret ist vom
17. Juli datiert - sei der
vorgeschriebene Betrag sogleich zu erlegen, widrigenfalls die Judenschaft vom
1. Jänner 1745 an gezwungen sein werde, ihre Adamsäpfel um festgesetzte Preise
und in einem bestimmten Ausmaße nach Weisung der Regierung zu beziehen. Die
verlangten 40.000 Gulden waren in der Weise aufzuteilen, daß die Juden in
Böhmen sieben Zwölftel, die mährischen vier Zwölftel und die schlesischen Juden
ein Zwölftel der Summe erlegen sollten.
Die sonderbare Motivierung der neuen Steuer hatte für die Judenschaft
nichts Ueberraschendes, denn sie war seit langer Zeit gewohnt, jede
Erleichterung ihrer Existenz mit barem Gelde zu bezahlen.
Selbstverständlich hatten sie unter den Kriegswirren ebenso gelitten,
wie die übrige Bevölkerung, so daß sie kaum im Stande waren, ihr jährliches
„Kontributionale“ aufzubringen. Und nun verlangte man abermals von ihnen eine
neue Jahressteuer von 13.333 fl. 20 kr.
Die Summe war für die mährische Judenschaft einfach unerschwinglich. Das
königliche Tribunal in Brünn stellte aber zunächst keine Untersuchung darüber
an, ob die neue Steuer zu erschwingen sei, sondern ließ sie durch den
Landesrabbiner ganz einfach den einzelnen Gemeinden zurepartieren.
Diese Repartitionstabelle des
Landesrabbiners Berend Gabriel Eskeles liegt vor. Wir ersehen aus ihr, daß die
Anzahl der für die Repartition in Betracht kommenden mährischen Judengemeinden
14 betrug, u. zw. Entfielen auf den Olmützer Kreis 8, auf der Prerauer 6, auf
den Brünner 10, auf den Znaimer 9, auf den Iglauer 5 und auf den Hradischer 6
Gemeinden. Der weitaus reichste Kreis war der Brünner mit der Nikolsburger
Judengemeinde, der allein 2971 fl. 9 kr. Vorgeschrieben wurden, während die 9
Gemeinden des Znaimer Kreises zusammen nur 1132 fl. 81/2 kr. als Vorschreibung erhielten.
Die Steuerrepartition wurde den Judengemeinden im Monate März 1745 durch
die Kreisämter vorgelegt und es sollte die Schuldigkeit für das Jahr 1744
sofort eingetrieben werden. Selbstverständlich ließ die Judenschaft eine
Protesteingabe verfassen, die sie am 9. April 1745 beim königlichen Amte in
Brünn vorlegte.
Diese Protesteingabe hat folgenden Worlaut:
„Nachdem nun Ermelter jüdischer Landrabiner diese allerhöchste
Resolution und Verordnung der gesambten Mährischen Judenschaft zu intimiren
unermanglet hat, so war sellbte im gegentheil entschlossen, bey allerhöchst
gedacht Ihro zu Hungam und Böheimb königlichen Majestät allerunterthänigst
Supplicando Einzukommen, die wahre Beschaffenheit wegen Erkauffung und gebrauch
deren ParadeyßÄpffel und Palmzweigen allergehorsamst zu Eröffnen, dagegen,
wienach der projectant solche Beschaffenheit entweder ignoranter oder
voluntarie verschwiegen habe, anzuzeigen, und untereinst allerdemüthigst zu
Bitten : Allerhöchst-dieselbe geruheten Besonders in ansehung derer einige Jahr
her gethanen nahmhafften Anticipationen und anderen Imposts, auch der von mehr
alß 200.000 fl. Habenden Schuldenlast, den sich mit Verschweigung der wahren
Umständen angegebenen projectanten mit seinem ungleichen project
allergerechtest abweyßen, und der Judenschafft den bisherigen freyen Erkauft
der Paradeyß-Äpffel noch fernerhin allermildest zu Verstatten, im
unverhoffenden Fall aber, daß wann jedannoch Ihro königl. Majestät mit
herbeischaffung sothaner Äpffel ein anderes zu verordnen gnädigst anbefehlen
zu lassen, daß die Mährische Judenschafft zwar Jährlich höchstens 150 Stück
Äpffel. Daß Stück ä 4 fl., im Fall aber gleichwohl über derley Zahl von der
Judenschaft einige Äpffel genommen werden wollten, solche Stück Äpffel um
denjenigen Preyß, wie es immer hochtaxiret würde, anzunehmen schuldig und
keinen Einzigen Paradeyß-Äpffel in Mähren anderswoher unter gröster Straff
einzuführen befugt seyn sollen.
Gleich wie aber gnädig bekannt ist, daß bald nach
oberwähnter allerhöchster Resolution das Marggraffthumb Mähren feindlich
angefallen worden, mithin die Mährische Judenschafft sich außer dem stände
befunden, etwas fruchtbahrliches in Sachen vorzunehmen, und da auch zu
selbiger zeith von derselben eine neue Extraansaag oder Praestation pr. .15000
fl. Zur Land-Defension, vermög allergnädigsten Rescripti vom 10ten Septembris
1744 anverlanget worden, sie auch solche so willig alß schuldig entrichtet, und
nichts anderes geglaubet hat, alß daß sothane Extrapraestation pr. 15000 fl.
Demjenigen quanto surrogiert worden, welches sonsten Vermög obangeführter
allerhöchsten Resolution occasione fernerer Beybehaltung der vorhin gehabter
Freyheit in Erkauffung deren Paradeyß-Äpffel und Palm-zweigen von dem quanto
integrali pr. 40000 fl., nehmlich 4 zwölfftel von der Mährischen Judenschafft
zu erlegen gewesen wäre, also hat sie Judenschafft damahls Ihro zu Hungarn und
Böheimb königl. Mayt mit ihrem allerdemüthigsten Supplicato nicht belästigen
wollen, und solches zu der wörtlichen Introduction oder Einreichung nicht
gelangen lassen.
Wie nun aber anjetzo wiederumb verlauthet, samb unter die Individua der
Mährischen Judenschafft ihre quota occasione der rementionirten 40 000 fl.
Repartirt, und vielleicht auch eingehoben werden wolle, dahingegen nicht nur in
offtbesagter allerhöchster Resolution (daß in jenem Fall, wenn die Judenschafft
ihr Contingent oder quotam respectu deren 40000 fl. In tempore nicht erlegen
ich, das project mit anfang Januarii dieses Jahres seinen anfang nehmen werde)
außdrücklich Enthalten ist, sondern auch dieser Terminus a quo bereits vorbey,
und so fast der anfang zur ausübung sothanen projects würklich vorhanden, alß
können wir nicht begreiffen, wie die diesfällige Repartition und gefolgliche
Einhebung bey so befindenden dingen stattfinden möge, wo vielmehr scheinen
will, daß die Mährische Judenschafft sich nunmehro dem Einmahl Erfolgten
allerhöchsten Außspruch lediglich aller unterthänigst unterwerfen, und
demjenigen, was etwa intuitu besagten projects Ihro zu Hungarn und Böheimb
königliche Mayt. Annoch allermildest zu resolviren geruhen werden, allergehorsamst
nachkommen müsse, Verfolgends auch zu etwaßiger Erlaag ihrer quota von denen
40000 fl. Zuschreitten sich nicht unterstehen dörffe, noch auch, wann
allenfalls dießes nicht wäre, dermahlen zu dem diesfälligen Erlaag angehalten
werden könne, in weitherer gnädig- und billigsten Erwägung:
daß, wann
allenfalls die Emigration der sammentlichen mährischen Judenschafft (obschon
wir der allerunterthänigsten Hoffnung leben, Ihro königl. Mayth. Dörfften sich
endlichen unßer allermildreichst Erbarmen, und unß von sothaner Emigration
allergnädigst entheben) Biß ult: Junij gegenwärthigen Jahrs vor sich gehen
ich, dieße diejenige Festivität, worzu sie deren Paradeyß-Äpffel und
Palmzweigen benöthig ist, allererst in Septembri begehen, consequenter sothane
Festivitäts-Begehung in einem anderen Land Erfolgen, und erst daselbst die
Judenschafft wegen Herbeyschaffung der Paradeyß-Äpffel und Palmzweigen sorge zu
tragen haben werde. Wann aber, wieder all besseres verhoffen, vermuthet werden
sollte, daß die Mähr. Judenschafft ihre quotam respectu Bemelter 40000 fl. Vor
das letztverflossene 1744te Jahr zu Erlegen habe, da können wir nicht umbhin,
Einem Hochlöblichen königlichen Ambt unterthänig gehorsamst zu Eröffnen
welchergestalts in besagtem Jahr die auch besagte Jüdische Festivität fast gleich
nach der berührten allerhöchsten
Resolution nehmlich in Septembri gehalten, hierzu aber in Mähren, wie
wir’s allzeith zu Erweyßen
Erbiethig seyn, wegen deren Chriegs-Troublen etliche wenige Hundert Stücken
Paradeyß-Äpffel und Palmzweigen
gebrauchet, Ein dergleichen Apftel a 1 bis 2 fl. Erkauffet, und diesfalls
höchstens 500 fl. Außgelegt, Einfolglichen sothane Erkauffung in der ansonsten
Einem jeden Menschen zustehenden Kauff-Freyheit lang vor dem eclatirien Project
und zwar allschon im Aprili in außerwärtigen Ländern besorget, und von dannen
her verschrieben worden, daß also dermahlen der projectant nicht
menschenmöglich im stände gewesen, in so kurtzer zeith nehmlich a dato
Intimationis, das ist, wie Eingangs besagt, den 7ten August bis zu Bestimbter
Festivitätszeith nehmlich bis Monath Sepembr 1744 die erforderliche quantität
Paradeyß-Äpffel und Palmzweige herbeyzuschaffen. Es müste dahero der Mährischen
Judenschafft die Erlaag der vorerwähnten quote pro anno praeterito höchst
schmertzlich ja unmöglich fallen, bevorab, da selbte, wie vorgedacht,
vorgehalten dieser quotae geführte und willigst erlegte 15000 fl, zur
Land-Defension Surrogirt worden zu seyn, wie dann auch, wann man es nur oculo
Fugitivo betrachtet, dieße quota das im vorigen Jahr für die Paradeyß-Apffel
und Palmzweigen außgelegte obspecificirte Geldquantum pr. 500 fl. Umb etliche
Tausend gülden übersteiget, und anbey die Judenschafft, obberührtermaßen, durch
die bisherige große und vielfaltige Praestationes publicas tarn ordinarias quam
ixtraordinrias Vollends enerviert ist.
Wann dann ex adductis hervorgeht, daß bey denen dermahligen umbständen
unter die Individua der Mährischen Judenschafrt ihre quota occasione offt
mentionirter 40000 fl. Nicht mehr repartirt, noch auch von ihnen Eingehoben
werden möge,
Solchem nach gelangt an Ein Hochlöbliches königl. Ambt inßer
unterthänig-gehorsahmstes Bitten, Hochselbes geruhe unß von sothaner
Repartition und Erlaag gnädig zu entledigen, oder aber, jedoch ohne unserer
mindesten Vorschreibung, den Statum rei allerhöchsten Orths anzuzeigen, und unß
zur Einlangung der allerhöchsten königlichen Resolution mit gedachter
Repartition und Eintreibung der quote mildreich zu supersediren.“
Die
Erledigung auf diese Eingabe lautete kurz und bündig:
„Man könne
auf diese ihre Remonstration keine Reflexion machen und die diesfällige Quote
sei ehestens abzuführen“.
Die Kreisämter erhielten gleichzeitig den Auftrag, mit der Einhebung der
übrigen Kontributionsgelder auch die der Paradiesäpfelsteuer vorzunehmen.
Aber nur der Kreishauptmann von Hradisch hatte einigen Erfolg. Dieser
Verwaltungsbeamte — Franz Sigbert Zialkowsky von Zialkowitz hieß er — verstand
es aber auch, sehr summarisch vorzugehen. Seinem Berichte an das königl Amt vom
8. Mai 1745 ist zu entnehmen, daß er den Wirtschaftshauptleuten in allen von
Juden bewohnten Gemeinden den Auftrag gegeben hat „provisorio modo sowohl in
genere als in specie auf all jüdisches Vermögen, es möge solches der Gemeinde
insgesammt oder einem Juden in individuo gehörig sein – Beschlag zu legen und
wohl zu invigilieren, daß denen Juden nicht gestattet werde, ein oder die
andere Mobilien oder Effekten zu veralienieren“.
Und das königl. Amt in Brünn billigte diese Vorkehrung und nannte sie
lobend „wohl geschehen“. Wirklich hatte der Herr Kreishauptmann am 9. Mai schon
einen Teil des Contributionales aus seinem Kreise beisammen und hoffte auch
noch den Rest in kurzer Zeit einzutreiben. Mittlerweile war auch das die
Judenschaft mit Ausweisung bedrohende Hofdekret zurückgezogen worden. Trotzdem
stieß die Einhebung der neuen Steuer fast überall auf die größten
Schwierigkeiten. Bis auf die kleinen Beträge aus dem Hradischer Kreise, die
dort mit drakonischer Strenge aufgebracht wurden, war bis zum Herbste des
Jahres 1745 kein Kreuzer mehr aufzutreiben, so daß sich die Hofkammer Ende
Oktober entschloß, bei dem königlichen Amte in Brünn aufzufragen, inwieweit das
jüdische Kontributionale durch die neue Steuer leide oder gelitten habe und ob
die Juden die ihnen auferlegte Steuer überhaupt bezahlen könnten.
Die Frage wurde von dem königlichen Amte nunmehr an die Kreishauptleute
gestellt und diese berichteten ausnahmslos, daß „die Impost ohne Abbruch des
Kontributionales nicht eingehoben werden könne“. Nur der strebsame Kreishauptmann
von Hradisch hielt die Sache für möglich.
Auf Grund dieser Gutachten blieb dem königlichen Amte in Brünn kaum
etwas anderes übrig, als die fast einstimmig ausgesprochene Meinung der
Kreishauptleute an die Hofkammer zu berichten.
Die Sache verzögerte sich jedoch bis in den August des Jahres 1746, weil
der referierende Gubernialrat Herr von Hertod — die Akten verlegt hatte. Sie
wurden erst anfangs August von zwei Registratursbeamten im Zimmer des Herrn
Referenten, dem sie am 10. Jänner übergeben worden waren, aufgefunden und nun
erst ging das Referat des Governo an die Kaiserin ab.
Es wurde beantragt, entweder dem Projektanten das gewünschte
Privllegium zu erteilen und die mährische Judenschaft nur zur Abnahme von 150
Stück Paradeisäpfeln ä 4 fl. Zu verhalten, oder die neue Steuer jedenfalls
beträchtlich herabzusetzen.
Die Folge dieses Vorschlages war endlich ein Hofdekret vom 25. Jänner
1747 mit der Ermäßigung der Steuer auf 4000 fl. Und zwar vom Jahre 1746
angefangen. Die Reparation dieser Summe auf die Judengemeinden erfolgte durch
den Landesrabbiner am 13. März und nun gelang endlich die Eintreibung der
ermäßigten Steuer.
Am 20. April 1748 quittiert der
Kammerat Grömmling in Prag den Eingang der gesammten Steuer für die Jahre 1746
und 1747 in der Höhe von 8000 fl. — Dem Projektanten David Heinrich Lehmann
wurden davon 1000 Dukaten als Renumeration bezahlt, so daß dem Aerar aus dem
Ertrage der Steuer in Mähren kein nennenswerter Teil verblieb.
Die wohlhabende Judenschaft in Böhmen hatte größere Betrage
zusammengebracht, doch enthalten die mir vorliegenden Akten darüber keine
näheren Angaben.
Am 26. November 1748 war auch die Schuldigkeit für das |ahr 1748 bis auf
400 Gulden abgeführt. Dieser Rest wurde wie es scheint, nicht mehr bezahlt,
denn noch am Ende des Jahres 1748 erfolgte die Konvertierung sämtlicher
Judensteuern n Mähren. Sie wurden fortan mit 87.700 fl. Kontribution und 10.758
fl. Für den Domestikalfond festgesetzt und es verschwindet also auch die
Paradiesäpfelsteuer wieder. Dreiundzwanzig Jahre später ist von ihr noch einmal
die Rede. Am 24. Juli 1771 reicht der im 82. Jahre seines Alters stehende
„Projektant“ David Heinrich Lehmann ein Majestätsgesuch um Auszahlung der ihm
als Remuneration noch gebürenden tausend Dukaten ein.
Es scheint dem Manne, in dessen erfinderischem Kopfe die Idee zu der
neuen Judensteuer entstanden war, nicht besonders gut gegangen zu sein, denn er
erzählt in seinem Gesuche an die Kaiserin, daß ihm „ohne Zuwendung dero mütterlichen Gnade kein anderes mittel übrig ist
als den Bettelstab anzutretten.“ Er sei in Folge der „ausgestandenen
Mühseligkeiten nicht mehr im Stande, die nothwendigen Lebensmittel
beyzuschaffen.“
Aus meinen Akten ist nicht
ersichtlich, ob das Majestätsgesuch einen Erfolg gehabt hat oder nicht.
Verdient wäre derselbe wohl kaum gewesen.
*) Es handelt sich um die
Frucht einer Spielart des Zitronenbaumes (Citrus auratus). Die Bibel spricht
von der Frucht des Baumes „hadar“, der Talmud bezeichnet sie als „esrog“ und
dieser Name ist noch heute in der jüdischen Liturgie gebräuchlich. Bis auf die
jüngste Zeit wurde Citrus auratus, ein kleines Bäumchen, das zweimal im Jahre
blüht, nur in Korfu gebaut, erst in den lezten Jahren ist die Anpflanzung des
Baumes auch in Palästina mit Erfolg versucht worden, aber noch heute liefert
Korfu fast ausschließlich den Bedarf für die Judenschaft der ganzen Welt.
Die Paradiesapfelsteuer war vielleicht
nicht die wichtigste Sondersteuer, die die Juden zu bezahlen hatten, sie zeigt
aber doch wie die starke Bindung an religiöse Bräuche ausgenutzt wurde, die
Juden damit letztlich erpresst werden konnten.
Glaubenssachen
Es wäre anmaßend, hier über den Glauben der Juden zu
schreiben, es würde vermutlich auch den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Ich
möchte deshalb ausdrücklich betonen, dass ich hier meine ureigenste Ansicht zu
diesem Thema zum Ausdruck bringe, und zwar so wie ich es im Zusammenhang zu dem
geschichtlichen Ablauf sehe.
Die Glaubensunterschiede:
Das Christentum sieht es als Glaubenswahrheit an, dass Jesus Christus der
im Alten Testament von den Propheten angekündigte Messias ist. Er ist in die
Welt gekommen, um ein neues Zeitalter einzuleiten. Das Alte Testament hat damit
seinen Abschluß erreicht, das Neue hat begonnen. Es fand seinen äußeren
Ausdruck darin, dass der christliche Kalender mit Christi Geburt im Jahre NULL
beginnt.
Für die Juden hingegen war Christus zwar ein durchaus respektabler Rabbi
und Prophet, er war aber nicht der angekündigte Messias. Dieser ist bis heute
nicht erschienen, somit haben sich die Weissagungen noch nicht erfüllt. Mit dem
Messias soll eine völlig neue Zeit beginnen, mit nur einer Religion und einer
Herrschaft des Friedens. Diese Aussage hat sich in Christus nicht erfüllt,
folglich kann er auch nicht der angekündigte Messias sein. Logischerweise gab
es damit für die Juden keinen Grund, einen neuen Kalender einzuführen.
Anzumerken sei noch, dass auch der Islam wie das Christentum auf dem Judentume aufbaut, dort seine
Wurzel hat. Auch der Islam sieht in Jesus (Isa) einen Propheten, aber nicht den
Messias, allerdings wird dieser auch nicht erwartet, vielmehr war Mohammed der
letzte Prophet, nach ihm kommt nur noch das Endgericht. Folgerichtig beginnt
die heutige islamische Zeitrechnung mit Mohammed, im Jahre 610 der christlichen
Zeitrechnung
Alle drei Religionen erkennen die 10 Gebote, die Moses auf
dem Sinai empfing, als ihre Grundlage an.
Wir sehen also, dass die Glaubensunterschiede nicht so
gewaltig sind. Woher kam also der Haß der Christen im Abendland auf die Juden?
Rein materielle Gründe dafür haben wir schon untersucht und
betrachtet; wir haben aber auch gesehen, dass religiöse Gründe oder Vorwände
immer den Beginn von Verfolgungen markierten.
Die Hauptursache ist sicher im Ritual zu sehen. Während im
Christentum jener Zeit vermutlich noch große Unterschiede selbst in der
Liturgie bestanden, blickte das Judentum schon auf eine mehrtausendjährige
Geschichte zurück. Religiös begründete Gebräuche und Regeln waren gefestigt,
starre Riten im Gebrauch.
Überall wo sich Juden niederließen bauten sie sich ihre
Gemeinde auf, deren Fundament sich aus der „Einheit des theoretischen und
praktischen, des religiösen und des sozialen Moments zusammensetzte. Nirgends
tritt die [religiöse] Lehre für sich gesondert auf, überall wird sie Gesetz.“ (Meyers
Konversationslexikon) Bei aller praktischen Anpassung, zu der die Juden fähig
waren, mussten sie immer Außenseiter in ihren „Wirtsländern“ bleiben, auch wenn
die vorgenannten Prinzipien, insbesondere in ihrer sozialen Komponente, für die
Zeit der Verfolgungen und Diskriminierungen äußerst fortschrittlich anmuten.
Die religiösen Feiern wurden in Hebräisch abgehalten. Das
war etwas fremdes, konnte nicht verstanden werden. Auch wenn Christen bei
religiösen Feiern nicht zugegen waren, konnten sie doch an den
Grabesinschriften auf den jüdischen Friedhöfen feststellen, dass da etwas
Andersartiges unter ihnen weilte. Fremdes und Unbekanntes aber erweckt immer
Misstrauen, besonders wenn man es nicht verstehen kann. (Im Gegensatz zu den
Christen, die die lateinische Sprache
der Messfeiern nicht verstanden, kann man voraussetzen, dass die Juden ihre
Sprache weitgehend verstehen konnten.)
Vielfach wurden sie beschuldigt, bei ihren Feiern
christliche Kinder, vornehmlich Knaben zu opfern. Das kann ich mir leicht vorstellen
und mit der missverstandenen Beschneidung erklären: Bei dieser blutet der Knabe
natürlich mehr oder weniger stark. Nun kann man sich lebhaft vorstellen, dass
Christen manchmal neugierig waren und versucht haben, solchen Feiern heimlich
zuzuschauen. Dann aber sahen sie vielleicht einen blutenden Knaben und schon
begann ein Gerücht seinen Weg zu machen, bis aus dem blutenden Knaben ein
Menschenopfer und in der weiteren Abfolge ein christlicher Knabe das Opfer war.
Die von der Obrigkeit verordnete Kennzeichnung durch die
Kleidung, trug bestimmt auch das Ihrige dazu bei, obwohl sich die Juden ja
nicht freiwillig in diese Absonderung begaben.
Dann war natürlich die unselige Beschuldigung, dass die
Juden den Heiland umgebracht haben, welche zu den Pogromen während der
Kreuzzüge führte und die sich im Prinzip bis in die Neuzeit hielt. Nüchtern
betrachtet war das in zweierlei Hinsicht eine unsinnige Beschuldigung:
Einmal, weil nach christlichem Glaubensgrundsatz der Tod am
Kreuze ja erst die Erlösung der Menschheit bewirkte, also eine absolute
Notwendigkeit in der Sendung des Messias darstellte. Bekanntlich riß ja der
Tempelvorhang mit den Todesworten von Jesus Christus und das neue Zeitalter
begann. Deshalb haben die Juden höchstens als Erfüllungswerkzeug gedient, in
dieser Logik mussten sie Christus auch aus christlicher Sicht töten.
Zum Zweiten haben sie in ihren Augen einen abtrünnigen
Rabbi zum Tode am Kreuze verurteilt, nicht aber den Begründer einer neuen
Religion.
Aber Logik spielt bei solchen, teilweise bewusst
hervorgerufenen Emotionen keine Rolle.
Tschechen und Juden
Vor dem Toleranzpatent von Josef II. ist in den
geschichtlichen Abhandlungen nur von Christen und Juden die Rede. Wir nehmen
deshalb automatisch an, dass letztere sich eher dem deutschen Kulturkreis
zurechneten, was nach Herkunft und Umgangssprache vielleicht verständlich ist.
Erst im Mährischen Toleranzpatent wird angeordnet, dass die Juden deutsche
Schulen einrichten sollen und wo das nicht möglich war, sie deutsche christliche
Schulen besuchen sollen. Ob sie das von sich aus nicht ohnehin gemacht hätten,
auch ohne kaiserlichen Erlaß, ist heute müßig zu hinterfragen. Mit dieser
Festlegung aber waren die Weichen gestellt, dass der überwiegende Teil der
Judenschaft deutsch, besser vielleicht jüdisch-deutsch war. Auch in der Satzung
des jüdisch–mährischen Landesmassafond wird nur die Unterstützung der
jüdisch-deutschen Schulen festgelegt. Der Tschechischunterricht als
Fremdsprache wurde erst nach 1918 an den jüdischen Schulen generell eingeführt.
Offensichtlich gab es in Mähren bis in die 30er Jahre des
20. Jahrhunderts keine besonderen Konflikte. Ein gutes Beispiel dafür bietet
Eisgrub. Als bei einer Gebietsverwaltungsreform nach 1848 Eisgrub dem
überwiegend tschechsprachigen Bezirk Lundenburg zugeordnet wurde, haben die
Vorsteher der Christen– und Judengemeinde gemeinsam dagegen Einspruch erhoben
und nach einiger Zeit die Zuordnung zum deutschsprachigen Bezirk Nikolsburg
erreicht.
In Böhmen gab es Mitte des 19. Jahrhunderts unter jüdischen
Intellektuellen eine tschechojüdische Bewegung, also eine Hinwendung zu den
Tschechen. Sie wurden nicht gut aufgenommen, wie die nachfolgende Beurteilung
durch Karel Havliček zeigt:
(Karel Havliček: Rezension von Siegfried Kappers Ceske
listy (Tschechische Blätter) in Ceskä vcela (Tschechische Biene), November 1846
(übersetzt von Wilma Iggers entnommen aus „Die Juden in Böhmen und Mähren“,
Herausgegeben von Wilma Iggers).
Denn bei den Israeliten muß man
nicht nur auf den Glauben und die Religion Rücksicht nehmen, so wie Tschechen,
was Religion anbelangt, Katholiken, Protestanten, . . . oder auch Mohammedaner
sein könnten, sondern auch auf den Ursprung und die Nationalität.
Und wie können die Israeliten zum
tschechischen Volk gehören, wenn sie semitischen Ursprungs sind? Eher können
wir die Deutschen, Franzosen, Spanier, Engländer usw. zu unserem Volke
rechnen, als die Juden, denn alle diese Völker sind uns verwandter als die
Juden. Man darf also nicht sagen, daß die in Böhmen oder Mähren lebenden Juden
Tschechen mosaischer Religion sind, sondern wir müssen sie für eine eigene
Nation betrachten, eine semitische, die zufällig bei uns lebt, und manchmal
unsere Sprache versteht oder sie kann. Und die Erfahrung zeigt, daß der
Standpunkt, von dem wir das Judentum betrachten, der richtige ist. Denn alle
Juden, in welchem Land immer sie leben und in welchem Erdteil, betrachten sich
sicher als ein Volk, als Brüder und nicht nur als Glaubensgenossen, und dieser
Bund, der sie zusammenbindet, ist viel stärker als der, der sie mit dem Land
verbindet, in dem sie leben. Und daß man nicht zu gleicher Zeit zwei Heimaten,
zwei Nationalitäten haben und zwei Herren dienen kann, das müssen wir
hoffentlich nicht beweisen. Darum muß, wer Tscheche sein will, aufhören, ein
Jude zu sein. Einen passenden Beweis davon können wir an Herrn Kapper und
seinen Gedichten zeigen. Mit einem Auge schaut er auf Jerusalem, das verheißene
Land, mit dem anderen auf die böhmischen Fluren und sagt, daß er sie liebt,
aber deutlich hört man aus seinem Gesang, daß er mehr –etwas anderes, eigenes
liebt, was auch natürlich und darum lobenswert st. Warum sich also Gewalt antun
und sich zur Liebe zur tschechischen Heimat und den Tschechen zwingen? Wir
können uns doch selber genug lieben und haben wirklich auf Papier und in
Gedichten so viel Heimatliebe, daß wir über unseren Bedarf hinaus noch genug
verkaufen oder verpachten könnten.....
In Prag
gab es im Jahre 1848 noch einmal eine Plünderung des Ghettos durch die
fanatisierte Arbeiterschaft. Die Juden wurden für so ziemlich alle Übel der
beginnenden Industrialisierung verantwortlich gemacht, einschließlich der hohen
Kartoffelpreise, weil sie diese zum Branntwein brennen aufkaufen würden.
Von einem
Übergreifen dieser Unruhen auf Mähren ist nichts bekannt.
Zu Beginn
des 20. Jahrhunderts wurde in Brünn das „Deutsche Haus“ erweitert, finanziert
überwiegend durch Spenden jüdischer Bürger, die sich demnach dem deutschen
Kulturkreis zugehörig fühlten. Die Liste der in diesem Hause aufgetretenen
jüdischen Künstler ist lang und äußerst prominent.
Auch der
aus Deutschland übergreifende Antisemitismus blieb in den 30er Jahren auf die
böhmischen Randgebiete beschränkt. Allerdings wurde in Znaim die Synagoge in
der „Reichskristallnacht“ am 9.11.1938 vom deutschen Pöbel zerstört.
Ein
zeitlicher Sprung in eine Zeit, die nicht in den gewählten Zeitrahmen fällt, sei
hier doch gestattet: Nach 1945 mußten die Juden um die tschechische
Staatsbürgerschaft nachsuchen, auch wenn sie im KZ waren oder auf westlicher
Seite ihren Beitrag zur Bekämpfung des Nazismus aktiv leisteten, sie bekamen
die reduzierten „deutschen“ Lebensmittelrationen und mussten die Kennzeichnung
als „Deutsche“ tragen. Benesch erklärte 1945, dass sie willige Helfer der
Deutschen gewesen seien und dass sie, um gleichberechtigt zu sein, für die Befreiung aktiv gekämpft haben müssten. (Die tschechische
Befreiungsarmee im Westen bestand zur Hälfte aus Juden!)
Von den
ca 20 000 verbliebenen Juden haben mehr als zwei Drittel das Land verlassen.
Berufe und „moderner“ Antisemitismus
Der „moderne“ Antisemitismus, wie er im 19. Jarhundert
entstand und der mit dem Holocaust seinen perversen Höhepunkt erreichte, hat zu
einem Teil sicherlich wieder mit den ausgeübten Berufen der Juden zu tun. Seit
den Toleranzpatenten von 1783 sind den Juden so gut wie alle Berufe zugänglich
gemacht worden. Man hätte also annehmen können, dass sich in kurzer Zeit eine
ähnliche Berufszusammensetzung ergeben würde, wie unter den Christen. Das war
aber nicht der Fall, es ergab sich im Laufe der Jahre ein anderes „Berufsbild“.
Prozentual gesehen gab es unter den Juden mehr Ärzte und andere akademische
Berufe, auch mehr Bankiers, aber weniger Handwerker und Landwirte als unter der
übrigen Bevölkerung. Warum sich das so ergab, lässt sich so erklären: Wenn nach
Josef II den Juden gestattet wurde, Handwerksberufe auszuüben, so musste zunächst
ein christlicher Meister gefunden werden, der bereit war, einen jüdischen
Lehrling auszubilden. Das hatte so seine Probleme, weil in der damaligen Zeit
die Lehrlinge üblicherweise im Hause des Meisters wohnten, das war aber
generell erst ab 1848 möglich. Selbst wenn ein solcher Anfang gemacht werden
konnte, dauert es doch Generationen, bis durch weitere Ausbildung eine echte
handwerkliche Struktur enstehen kann. Ähnlich ist es auch mit der
Landwirtschaft, im der traditionellen Bauernbetrieb „wächst“ der Hoferbe von
Kind an in den Beruf hinein, lernen lässt sich das nur sehr mühsam, zumal im
19. Jahrhundert landwirtschaftliche Schulen erst im Entstehen waren. Im
Toleranzpatent wird zwar den Juden zugestanden, im Bedarfsfall und zeitlich
begrenzt einen christlichen Knecht zur Vermittlung von Kenntnissen zu
beschäftigen, aber das machte es den Juden auch nicht leichter, Bauer zu
werden.
Bei den akademischen Berufen verhält es sich anders. Mit der
Zulassung jüdischer Studenten zu einem Studium erhielten sie ohne Einschränkung
sofort die gleiche Ausbildung wie ihre christlichen Komilitonen und danach
konnten sie ihren Beruf ausüben.
Vor die Wahl gestellt, mühsam einen Ausbildungsplatz im
Handwerk zu suchen, oder sich an der Hochschule einzutragen, gingen sicher
viele den zweiten Weg, prozentual mehr als bei den Christen. Daß sie dann auch
noch hervorragende Ärzte und Anwälte wurden, hatte vielleicht auch damit zu
tun, dass sie sich schon während des Studiums mehr anstrengen mussten als ihre
christlichen Mitstudenten um eine annähernd gleichwertige Beurteilung zu
erreichen.
Der vollständige Text
des „Mährischen Toleranzpatentes“ von Kaiser Josef II. ist im Anhang zu finden.
Die südmährischen Judengemeinden:
ALTHART
Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen
Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen
Die
„Topographie Mährens“ von Wolny behauptet, die Juden seien in Althart erstmals
1685 erwähnt. Aus einem im Mährischen Landesarchiv aufbewahrten „Urbary Undt
Grundtbuch“ geht jedoch hervor, daß die Juden schon vor 1685 dem Rittmeister
Heinrich Burkhard von Schneidau einen Judenzins entrichteten und zwar in Form
von „ein Clafter Holtz“ für das sie der Herrschaft 21 Kronen bezahlen müssen
und „ein Gans mästen“. Am 13. März 1685 wird zwischen Schneidau und der Gräfin
Marie Margarete Trautsohn von Falkenstein ein Kaufvertrag unterzeichnet,
demzufolge in den Besitz der Gräfin u.a. „sieben
andere Häusseln, worinnen Juden undt andere fremde Handwerkhs Leuth Sich
aufhalten“ übergehen. Es ist also anzunehmen, daß die ersten Juden von
Althart zu den Opfern der von Kaiser Leopold I. am 28. Februar 1670 verfügten
Vertreibung der Juden aus Wien gehörten.
Im
Jahre 1685 dürften hier nur 4 Judenfamilien ansässig gewesen sein, doch hat
sich die Zahl, in den folgenden neun Jahren um weitere elf Familien vermehrt
haben. Als Gräfin Trautsohn am 28. April 1694 vom Prämonstratenserstift Brück
bei Znaim das „Obergut“ ersteht und mit dem bisher als selbständige Gemeinde
geltenden „Untergut“ vereinigt, zählt die ganze Ortschaft Hardt 65
Christenhäuser mit 538 Katholiken und 10 Judenhäuser mit 71 Juden in 15
Familien. Diese Häuser bildeten eine Gasse und 1739 erfolgt der Bau eines
Tempels, der auf einem vom Freiherm Franz Anton Deblin erworbenen Grundstück
entstanden war.
Als
1805 Franzosen auf ihrem Eroberungszuge auch Althart berührten, mussten die
Juden „den Wein hergeben“, während „Essen und Pferdfutter“ die Gemeinde
beistellte. Das jeweils einen Bestandteil des obrigkeitlichen Besitzes
bildende Branntweinhaus bewirtschafteten bis 1806 jüdische Randare namens Löbl
und Rubin Friedmann. Das Haus wird am l. Dezember 1806 vom Grundherrn Johann
Peter Flick ins Eigentum des „Altharter Handelsjuden“ Michael Singer
übergeführt. Die Söhne des Grundherrn von Althart, Johann Max und Josef Ritter
von Flick, gestatten auch anderen Juden den Erwerb von Häusern in der
Christengemeinde.
Im
Jahre 1827 zählt Althart unter 951 Einwohnern 90 Juden; die gleiche jüdische
Bewohnerzahl gibt Wolny für das Jahr 1846 an. Die Judengemeinde war von der
Christengemeinde durch ein Drahtgitter abgesondert, dessen Reste erst 1848
gänzlich beseitigt wurden.
Als
die in Althart in der ersten Hälfte des 19. Jh. Blühenden
Industrieunternehmungen verfielen, begann eine jüdische Abwanderung aus
Althart. 1873 gab es hier nur noch 5 jüdische Familien: den Branntweinhausbesitzer
Michael Singer, den Glaser Moses Fuchs, den Tabakverleger Wolfgang Grossmann,
den Essigsieder Abraham Gutfreund und den gewesenen Pottaschesieder Simon
Stark. Deshalb wird die Judengemeinde Althart 1890 aufgelassen und die
Jamnitzer israelitische Kultusgemeinde als Rechtsnachfolgerin bestellt, die
den Tempel, nachdem alle ehemaligen Judenhäuser in fremden Besitz übergegangen
waren, am 21. September 1903 dem Michael Singer für Wohnzwecke verkaufte. Am
8. Januar 1927 übergeht dieses Gebäude mit dem Branntweinhaus in den Besitz des
„Družstevni
lihovar ve Starém Hobzi“. Die Matriken der einstigen Judengemeinde Althart wurden
nach Jamnitz überführt. Die Eintragungen im Geburtsbuch beginnen am 28.
Dezember 1784, die Eintragungen im Sterbebuch reichen bis 30 Oktober 1891.
1900 hatte Althart unter 815 Einwohnern noch 12, 1921 unter 758 Einwohnern nur
mehr 9 Juden. 1928 zogen die letzten jüdischen Bewohner aus der Gemeinde weg.
Aus den Matriken geht hervor, welche
jüdische Familien einst in Althart lebten: Appelfeld, Bodascher, Ebstein (Abraham
Ebstein füngierte 1884 als Schächter), Fuchs, Friedmann, Fleischmann,
Gutfreund, Hermann, Kraus, Kohn, Mayer, Singer, Spitz, Schön, Schüler, Stark,
Weiss, Wurmfeld.
Die Gemeinde hatte keinen eigenen Rabbiner. Als ihre
Funktionäre weisen die Matriken aus: Beschneider — Johann Kiridus, Arzt, bis
1824; Emanuel Lampl bis 1849; Leopold Spitz, Arzt, 1849—1859 und Salomon
Appelfeld, Arzt, 1859—1870. Als Kantoren und Schulsinger betätigten sich
Daniel Mayer (1824—1829), Jakob Hermann Sofer (1865—1866), Gabriel Gottlieb
(1887). Schächter waren Daniel Mayer (1824—1829), Simon Fröhlich (1839—1849)
und Abraham Ebstein (1884).
EISGRUB
Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen
Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen
Ob Eisgrub zu den ungefähr 1100
slawischen Geschlechtsdörfern in Mähren, deren Entstehung vor oder spätestens
im 10. Jahrhundert n. Ch. erfolgte, gehörte, ist durch nichts nachweisbar. Von
Eisgrub findet man bis zum Anfange des 13. Jahrhundertes weder in Urkunden,
noch in der Landtafel eine Erwähnung. Nach der Form der Anlage als Langdorf
ist zu vermuten, daß es erst nach dem 10. oder 11. Jahrhundert gegründet worden
ist. Die erste geschichtliche Nachricht von Eisgrub ist vom Jahre 1222. Es
unterfertigten die Brüder Adamarus und Libertus als Zeugen eine Urkunde des
Bischofs Norbert von Olmütz für das Kloster Welehrad und diese zwei Zeugen
nannten sich „von Ysgrube“.
Im Jahre 1244, also 22 Jahre später,
findet man Eisgrub landesfürstlich. König Wenzel von Böhmen verlieh als Anerkennung
für besondere Verdienste die Dörfer Pulgarn (Pulgram), Nideke (Neudek) und
Ysgrube (Eisgrub) an Sifried den Weisen. Seit der Verleihung der Herrschaft
Nikolsburg und eines Teiles von Eisgrub im Jahre 1249 durch den Markgrafen
Přemysl Ottokar an Heinrich I. von Liechtenstein blieb Eisgrub immer mit
diesem hochedIen Geschlechte innigst verbunden. Eisgrub, urkundlich bereits
im Jahre 1629 zur Marktgemeinde erhoben, hat seine heutige Bedeutung und große
Berühmtheit nur dem fürstlichen Hause Liechtenstein zu verdanken. Die mit
königlichem Aufwande seit dem Jahre 1600 begonnenen und vollführten
Gartenanlagen, welche bis zur gegenwärtigen Zeit eine beständige Erweiterung
und Verschönerung erhielten, die Schaffung der Parkteiche und der drei großen
Teiche an der Südseite von Eisgrub, die Erbauung des orientalischen Turmes,
des kunstvollen Wasserwerkes, des Amtshauses, des Reitstallgebäudes, der
Hansenburg, des Musentempels, des Teichschlosses, des Apollotempels, des
Grenzschlosses, des Neuhofes und endlich die ginzliche Umbauung des Schlosses
und der Kirche machten Eisgrub zu einem bevorzugten Orte Mährens und dessen
Bewohner erlangten durch einige Jahrhunderte andauernden Erwerb. Daran nahmen
auch die Juden Anteil; sie besaßen auch Häuser und waren, während der
Geltungsdauer des Judenrechtes, dem Landrechte nicht unterworfen.
Wann
Juden nach Eisgrub kamen, lässt sich nicht mit Sicherheit ermitteln. Es ist
anzunehmen, daß sich schon im 14. Jahrhundert einzelne Juden unter dem Schutze
der Herrschaft dort niederließen. Da aber der alte Teil des Friedhofes längst
nicht mehr besteht, kann das Alter der jüdischen Siedlung selbst nach Grabsteinen
nicht eruiert werden. Allgemein wird angenommen, daß die Judengemeinde in
Eisgrub, wie die meisten in Südmähren, nach der Vertreibung der Juden aus Wien
und Niederösterreich unter Kaiser Leopold I. um das Jahr 1670 entstanden war.
Durch häufige Brände in früherer Zeit sind geschichtliche Aufzeichnungen
vernichtet worden, vor allem im Verlaufe der Feuersbrunst im Jahre 1785, bei
der sowohl der Tempel als auch Wohnhäuser jüdischer Ortsbewohner eingeäschert
wurden. Im Jahre 1884 wurden auch auf Anordnung des Gutsverwalters Johann
Protiwinsky in Eisgrub alle dort im alten obrigkeitlichen Archiv vorhandenen
Bücher und Schriften – fünf Wagen voll – verbrannt.
Mit
Bestimmtheit ist anzunehmen, daß die selbstständige politische Judengemeinde
von Eisgrub Jahrhunderte hindurch bestanden hatte und 23 Hausnummern umfasste.
Die Gemeinde hatte ihren eigenen Rabbiner und Vorbeter und unterhielt die
üblichen Kultusanstalten: Tempel, Friedhof, rituelles Tauchbad und Religionsschule.
Im Archiv der Christengemeinde Eisgrub und im Nachlass des
Rabbiner David Herrisch wurden einige Materialien und Urkunden zur Geschichte
der längst abgestorbenen Gemeinde entdeckt. Der Sohn des Rabbiners, Isidor
Herrisch, fand zusätzliche Aktenstücke im Fürstlich Liechtensteinschen
Hausarchiv in Wien.
Die erste
authentische Nachricht über den Aufenthalt von Juden in Eisgrub finden wir in
der „Eisgruber Gemeinderechnung (Christen) für die Zeit von Michaeli 1592 bis
wieder Michaeli 1593“, wo unter „Allerlei Ausgaben“ ein „Post Nr. 7. Dem Juden
für die Fenstern im unteren und oberen Zimmer im Pfarrhof gegeben ... 7
Gulden, 19 Groschen, 2 Putschandeln“ figuriert. Jüdische Namen tauchen im Jahre
1700 in dem Schriftstück „Einnahmen der herrschaftlichen Amtsverwaltung aus
der Zeit vom 18. März bis 16. September 1700“ auf. Im Jahre 1730 wurde der
Hofjude Isak Nathan Oppenheimer vom Fürsten Anton Florian Liechtenstein zum
Oberfaktor der 1715 in Eisgrub errichteten Seidenspinnerei ernannt. Am 13.
März 1755 erhielt die Eisgruber politische Judengemeinde die Bewilligung, ein
eigenes Gemeindehaus zu erbauen. Zu diesem Zwecke, sowie zur Ausbesserung des
Judenbrunnens hatte die jüdische Gemeinde beim Fürsten von Liechtenstein
Darlehen aufgenommen.
Bei dem Brand in der Nacht vom 9. zum 10. September 1808
fielen neben 53 christlichen auch 13 jüdische Häuser, in denen 31 jüdische Familien
wohnten, den Flammen zum Opfer.
Um
1800 hatte Eisgrub 30 jüdische und 35 christliche Gewerbetreibende:
Fleischhauer, Schneider, Glaser, Kürschner, Tabaktrafikant, Brantweinhaus- und
Lederei-Besitzer, Besitzer einer Mälzerei, später auch einer Ziegelei, und
1865 haben zwei Juden sich auch als Landwirte betätigt.
Im Jahre 1900 hatte die Christengemeinde 2231, die
Judengemeinde 142 Einwohner, aber die Gesamtzahl der Juden in beiden Gemeinden
betrug nur 88 Personen. Als erster Rabbiner der Gemeinde, dessen Name bekannt
ist, wird Rabbiner Göding (1778) genannt. Der zweite bekannte Rabbiner war
Moses Hirsch Fleisch aus Pohrlitz, der in Eisgrub beigesetzt wurde. Nach seinem
Ableben 1862 wurde David Herrisch aus Schattmannsdorf in seine Heimatgemeinde
Eisgrub als Rabbiner berufen und wirkte hier 33 Jahre lang. Das Bethaus von
Eisgrub diente zu den hohen Feiertagen auch den Juden von Bischofswarth,
Feldsberg, Prittlach, Pulgram, Seitz und Voitelsbrunn.
Im Jahre 1890 wurde die Kultusgemeinde Eisgrub aufgelöst und
der Kultusgemeinde Kostel angeschlossen. In der Zwischenkriegszeit lebten noch
zehn jüdische Familien in Eisgrub, und der Gottesdienst wurde an Feiertagen
und Jahrzeittagen mit Hilfe von jüdischen Schülern an der Eisgruber Obst- und
Gartenbauschule mit Mühe aufrechterhalten.
Noch einige zusätzliche Datails zu den Gewerbetreibenden,
dem Wechsel der Bezirkshauptmannschaft
und der Auflösung der politischen Israelitengemeinde:
Um das Jahr 1800 hatte Eisgruh 30
jüdische und 35 christliche Gewerbetreibende. Als die ältesten industrie‑,
handel‑ und gewerbetreibenden jüdischen Personen sind urkundlich bekannt:
Fleischhauer Isak Eysig um 1746; Samuel Bauer 1802 bis 1808. Schneider um 1770:
Jakob Meier, Markus Simon, Michael Simon und seit dem Jahre 1780 Joachim Löb
für kroatische Nationaltracht. Glaser Simon Fröschl um 1776. Kürschner Joachim
Moser vom Jahre 1776. Die Lederei erkaufte Moises Abeles im Jahre 1807 von der
hohen Obrigkeit. Das Brantweinhaus samt Brennerei und Ausschank verkaufte die
fürstliche Herrschaft am 13. Oktober 1808 an den gewerbetreibenden Herrschl
Kohn aus Nikolsburg; selbes wurde am 7. Oktober 1828 an Ernestine Küffner aus
Lundenburg und am 9. Juli 1830 an Abraham Redlich, Familiant von Aussee, weiter
verkauft. Eine Tabaktrafik in der Israelitengemeinde erhielt im Jahre 1862
Salomon Neuspiel. Landwirtschaft betrieben bereits im Jahre 1865 Wilhelm Lampl
mit 28 Joch und David Bauer mit 15 Joch eigenen Feldern. Eine Mälzerei wurde im
Jahre 1876 und eine Ziegelei im Jahre 1869 von Wilhelm Lampl errichtet. Eine
Sodawasserfabrik gründete im Jahre 1897 Siegmund Rothschild.
Mit dem Aufhören der
Patrimonialgerichte wurden im Jahre 1850 für die juridischen Angelegenheiten die
Bezirksämter, für politische Sachen die Bezirkshauptmannschaften errichtet.
Eisgrub ist zum Bezirksamte Lundenburg und zur Bezirkshauptmannschaft Ausspitz
zugeteilt worden. Weil zu Lundenburg mit Ausnahme von Eisgrub und Neudek nur
böhmische Gemeinden gehörten, der Weg nach Auspitz weit und schlecht war, so
ersuchten die Gemeinden Eisgrub-Christen, Eisgrub-Israeliten und Neudek um
Zuteilung nach Nikolsburg. Am 18. Mai 1868 reisten die Vorsteher dieser
Gemeinden Matthias Lerch, Adolf Herisch und Matthias Stefan mit dieser Bitte zum Minister des
Innern nach Wien, von wo eine Abweisung erfolgte. Nach weiteren Bemühungen in
dieser Angelegenheit erfolgte vom 1. August 1869 angefangen die Zuteilung nach
Nikolsburg.
Im Jahre 1900 hatte die
Christengemeinde 2231, die Israelitengemeinde 142 Einwohner. Hievon waren in
der Christengemeinde bei der letzterwähnten Volkszählung 34 Israeliten, in der
Israelitengemeinde 54 Israeliten, 85 Katholiken und 3 Protestanten, so daß im
Jahre 1900 die Gesamtzahl der Israeliten in beiden Gemeinden in Eisgrub 88
Personen betragen hat. Interessant ist bei diesen Einwohnerzahlen die
Vermischung der Konfessionen in den beiden Ortsteilen.
Die politische israelitische
Gemeinde Eisgrub wurde auf Grund des Gesetzes vom 7. Februar 1919, welches die
Regierung zur Trennung und Vereinigung von Gemeinden ermächtigte, mit Erl. d.
Ministeriums des Innern im Jahre 1920 aufgelöst und mit der gleichnamigen
Christengemeinde vereinigt .
Irritz
Nach Angabe von Wolny zählte in
Irritz in den 30-er Jahren des 19. Jahrhunderts die katholische Bevölkerung
„teutscher“ Zunge 580 (280 männl., 300 weibl.) und jüdische 138 (68 männl. , 70
weibl.) Seelen. Die erstere lebte von der Landwirtschaft, und die andere vom
Hausierhandel. „..1 katholische Trivialschule ist in Irritz, in der auch die
jüdische Jugend den Normal-Unterricht erhält.
.. Auch die Judengemeinde hat hier
eine Synagoge.“ Der Ort litt danach unter Feuersbrünsten, namentlich im Jahre
1774, als die ganze Judengasse samt der Synagoge abbrannte, auch 1790, in
diesem Jahr brannte die Judengasse und der gesamte Markt mit Ausnahme des
Schlösschens und der Kirche und nochmals 1831, als die Kirche samt Turm
verbrannte und dazu „27 christliche Häuser“. Nach Wolny gab es in Irritz um
1835 kein erwähnenswetes Gewerbe, nur unter den Juden sei ein solches zu
vermerken: Unter Ihnen gäbe es 5 Hausierer, Marktlieferanten und Krämer, sowie
11 Garn-, Leinwand-, Kotton-, und Baumwollhandler. Der übrige Handel hätte sich
auf den von österreichischen Fruchthändlern gesuchten Weizen und auf Hirse
beschränkt. Man kann annehmen, dass auch dieser bescheidene Handel über die
Juden abgewickelt wurde, obwohl Wolny das nicht ausdrücklich erwähnt.
Mehr aus der Vergangenheit konnte
ich –bisher- nicht finden.
Die oben genannten Zahlen zeigen
aber, dass um diese Zeit Irritz eine große Judengemeinde hatte, ohne dass uns
etwas genaueres über deren Organisation überliefert ist.
Eine Theorie über die Ansiedlung der
Juden wäre denkbar:
Das Gut Irritz gehörte ab 1634 dem
jeweiligen Probst des Nikolsburger Kollegialstiftes. Diesem schenkte es der
Olmützer Bischof Kardinal Fürst Franz von Dietrichstein unter gewissen
Auflagen, die in diesem Zusammenhang bedeutungslos sind. Nachdem die Fürsten
von Dietrichstein, den Zuzug von Juden nach Nikolsburg förderten, wäre es
durchaus denkbar, dass über diese Verbindung auch die Irritzer Judengemeinde
entstand.
Auf dem jüdischen Friedhof finden
sich u.a. die Familiennamen Fuchs, Weiss und Kofler. 1938, beim Anschluß an das
Deutsche Reich, lebte zumindest noch eine Familie Fuchs, seines Zeichens
Getreidehändler in Irritz und zwar in einem großen Haus an der Ecke der
„Judengasse“ in Richtung Damitz. Eine jüdische Familie namens Weiss verzog nach
Brünn und hat 1936 ihr Anwesen in der
Judengasse an die kath. Kirchengemeinde verkauft. Diese richtete dort ein
Jugendhaus ein und erweiterte das Anwesen um einen Saal, in dem Theater- und
später Filmvorführungen stattfanden.
Der jüdische Friedhof existiert
immer noch. Nach Auskunft eines Sachverständigen soll er interessante
Grabsteine aufweisen, die nach jüdischer Gepflogenheit eine recht gute Auskunft
über den Verstorbenen geben. Ein Grabsteinornament von besonderer Seltenheit
(es kommt neben dem Irritzer in der heutigen Tschech. Republik nur noch einmal
vor), ist den Fachleuten bis heute ein Rätsel geblieben: Es ist eine Schlange,
die den Grabstein umrahmt und so einen geschlossenen Ring bildet, weil sie sich
von hinten zu verschlingen versucht. Die „Jugend für interkulturelle
Verständigung“ aus Brünn hat sich der Pflege angenommen und im Sommer 2002 eine
Gedenktafel aufgestellt (Bild)

LUNDENBURG
Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen
Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen
Obwohl
die ersten Juden bereits kurz nach der Jahrtausendwende in Lundenburg gewohnt
haben dürften, stammt die erste schriftliche Aufzeichnung erst aus dem Jahre
1411: das im Wiener Fürst Liechtensteinschen Archiv befindliche Urbarium aus
diesem Jahre enthält jüdische Namen wie Schändel, ferner Lewbel Scheker. In den
Brünner Gerichtsakten aus dem Jahre 1525 wird ein Jude Seml aus Lundenburg
erwähnt.
Im
16. Jahrhundert bestand hier bereits eine größere jüdische Gemeinde, die einen
Tempel besaß. 1572 hielt die jüdische Vorsteherschaft unter Vorsitz des
Landesrabbiners R. Jehuda Löw ben Bezalel die Generalsynode in Lundenburg ab.
Wie in anderen mährischen Städten waren 1574 auch die Juden in Lundenburg
Verfolgungen und Misshandlungen seitens eines durch falsche Beschuldigungen
verhetzten Pöbels ausgesetzt, bis sich Kaiser Maximilian II. der verfolgten
Judenschaft annahm.
Die
Kriegsjahre 1605, 1619—1622 und 1643 zogen die Bewohner von Lundenburg,
insbesondere aber dessen Juden stark in Mitleidenschaft, weil die Stadt oft zum
Kriegsschauplatz wurde. Am 28. Juli 1605 drangen die Truppen des ungarischen
Fürsten Bocakay in der Stadt ein und plünderten sie. Zu Beginn des
Dreissigjährigen Krieges wurden Schloss und Stadt infolge des Abfalles des
damaligen Herrschaftsbesitzers Ladislaus Welen von Zerotin von den kaiserlichen
Truppen geplündert und niedergebrannt, 1622 wurde die Stadt von den Türken und
Tartaren schwer heimgesucht. Der Einfall der Schweden am 3. Mai 1643 und die
darauf einsetzende Pest versetzten der Lundenburger Judenschaft den Todesstoss,
Tempel und Friedhof wurden zerstört und die Ge
meinde spurlos vernichtet. Nur der
Name „der jüdische wüste Platz“ gab in der Folgezeit Kunde von der einstigen
jüdischen Ansiedlung.
Im Jahre 1651 ‚kam es zur zweiten
Ansiedlung der Juden, nachdem die jüdischen Bewohner von Feldsberg vertrieben
wurden und Fürst Karl Eusebius Liechtenstein und dessen Gemahlin Johanna
Beatrix ihnen die Ansiedlung in Lundenburg, Kostel und Eisgrub gestatteten.
Herrschaftshauptmann Johann Pokomy verwendete sich aus rein materiellen und
praktischen Erwägungen für die jüdischen Ansiedler. Im Jahre 1672 lebten 30
jüdische Familien in 12 Häusern und zahlten den ansehnlichen Betrag von 327 fl.
Jährlich an Kontributionsgeldern. Das Gotteshaus dieser zweiten Judengemeinde
wurde 1672 erbaut, dessen Gewölbe 1697 einstürzte, wobei jedoch durch eine
glückliche Schicksalsfügung niemand zu Schaden kam, weil der Einsturz zu einer
Stunde erfolgte, zu der die Synagogenbesucher vor dem Gebäude warteten, weil
der Tempeldiener die Schlüssel verlegt hatte. Diese wunderbare Rettung
veranlasste den damaligen Rabbiner ein religiöses Gedicht zu verfassen und der
11. Tobet blieb ein Gedenk- und Fasttag bis in die jüngste Zeit. Die Gemeinde
trat schliesslichh nach dem Einsturz zur Renovierung und Vergrösserung der
Synagoge heran.
Eine
zweite bemerkenswerte Episode betrifft den Pächter des Liechtensteinschen
Branntweinhauses in Lundenburg, einem passionierten Schachspieler, der vom
Fürsten Joseph Wenzel von und zu Liechtenstein speziell nach Wien gebracht
wurde, um für ihn eine bereits an den französischen Gesandten, einen Marquis,
verlorene Partie zu retten, was diesem auch gelungen war. Dafür durfte der
Pächter Juda Lob auf fürstlichem Grund und Boden ein Haus bauen, das vom Jahre
1723 bis 1871 von Mitgliedern der begüterten Familie Kuffner, Nachfolgen von
Juda Lob, bewohnt wurde.
Die
1651 neugegründete Lundenburger Judengemeinde erfuhr in der Folgezeit so manche
Heimsuchungen, erhielt sich aber trotz der bösen Kriegszeiten, Drangsalierungen
und den bis 1848 und auch später bestehenden Beschränkungen. Am 4. November
1663 waren die Türken und Tartaren in der Stadt eingedrungen: die Einwohner
flüchteten in die Schlossfestung, der Ort aber ging in Flammen auf. Die
Pestepidemie zwischen 1678 und 1680 dürfte an der Judengemeinde gleichfalls nicht
spurlos vorübergegangen sein. Am 18. Februar 1706 drangen schliesslich die
Kuruzzen in Lundenburg ein und brandschatzten es.
Zur Zeit des Erbfolgekrieges der
Kaiserin Maria Theresia mit dem Preussenkönig Friedrich II. brach in Lundenburg
ein Feuer aus, das den ganzen Ort in Asche legte.
Was
das innere Leben der Juden anbetrifft, so unterlagen sie den mit Hofdekret vom
24. Oktober 1726 bestimmten Beschränkungen für die Judenschaft Mährens. Die
Höchstzahl der systemisierten Familien betrug 66.
Die
Matriken von Lundenburg datieren seit dem Jahre 1784, als Kaiser Josef II. die
Juden veranlasste, deutsche Vornamen und Familiennamen zu tragen. Im
Lundenburger Fürst Liechtensteinschen Schloß Archiv befand sich noch ein
Dokument aus dem Jahre 1787 über Namensverteilung auf Grund dieses kaiserlichen
Patentes.
Durch Patent vom 15. Februar 1789
wurden 52 Judengemeinden in Mähren reorganisiert, an deren Spitze Richter
standen. In der Lundenburger Gemeinde waren folgende Richter zu verzeichnen:
Alexander Süsskind (1734), Isak Hirsch Schwoner (1787), Samuel Goldreich
(1801), Wolf Kuffner (1803—1806), Jakob Stemfeld (1810), Jakob Schück (1819,
1832), David Kuffner (1827—1829, 1831), Markus Rosenbaum (1830), Simon
Schwitzer (1833—1835), Markus Goldschmidt (1836), Markus Bittner (1840—1845),
Jakob Rosenbaum (1846), Jakob Kuffner (1847—1848).
Von
1849 bis zur Auflösung der politischen Judengemeinden im Umsturzjahr 1918
wirkten folgende Bürgermeister: Markus Goldschmidt (1849), Jakob Rosenbaum
(1850—1856), Hermann Kuffner (1857—1860, 1867), Markus Bittner (1860—1866),
Gabriel Stein (1866—1867, 1872—1876), David Kuffner (1868—1871), Leopold Stein
(1871—1872), Jakob Hoffmann (1876— 1879), Samuel ‚Goldschmidt (1879—1882),
Samuel Glück (1882—1887), Jakob Fischer (1887—1902), Moritz Holländer
(1902—1918).
Im
Jahre 1882 wurde die politische Agenda der Judengemeinde von der religiösen
definitiv getrennt, der Bürgermeister war nicht mehr auch gleichzeitig
Kultusvorsteher. Die Kultusvorsteher seit 1883 waren: Hermann Stern (1883—1886),
Adolf Schreiber (1886—1904), Josef Holländer 1904—1919), Karl Frank
(1919—1922), Wilhelm Gold (ab 1922).
Im
Jahre 1794 bestand die Lundenburger Judengemeinde aus 66 systemisierten
Familien. Die Kopfzahl der jüdischen Bevölkerung betrug im Jahre 1797 325
Seelen, im Jahre 1830 — 363, im Jahre 1848 — 434, im Jahre 1857 — 457, im Jahre
1869 — 532, im Jahre 1879 — 649, im Jahre 1890 — 740, im Jahre 1900 — 759 und
1930 — 589 Seelen (d. h. 4,3% der Gesamtbevölkerung), von denen sich 432 auch
zur jüdischen Nationalität bekannten.
Die Lundenburger Rabbiner waren:
Salomo Schmol b. Chajim Meisterl,
der 1606 bereits in Erez Israel lebte; Simson; Meir aus Feldaberg; Pe-tachja b.
Mosche aus Eisenstadt; Elieser b. Jizchak Halewi (rund um 1697, später auch
nach Erez Israel ausgewandert) ; Nata Katz; Efraim Katz Hakadosch (starb als
Märtyrer); Eljokim Götzl b. Zewi Halewi; Kalonymos (Kaiman) Hakohen; Josef
Morgenstern (rund um 1760); Jechiel b. Nesanel Schemuel (starb 1786 in
Lundenburg) ; Mordechai Banet (1787—1789, danach zum Landesrabbiner in
Nikolsburg gewählt); Juda Lob Glück (1789—1809); Abraham Back (1809—1819);
Salomo Fried (1819—1830); Israel Chaim Schrötter (1833— 1839); Abraham Rabel b.
Mosche aus Austerlitz (starb 1841 im Alter von 29 Jahren in Lundenburg); Wolf
Mühlrad (1841—1862); Dr. Nathan Müller (1862— 1872); Dr. Siegmund Gross
(1872—1911); Dr. Heinrich Schwenger (1907—1911).
Am
21. November 1805 haben vor der Dreikaiserschlacht von Austerlitz französische
Truppen Lundenburg besetzt. Die Judengemeinde musste eine Kriegskontribution
von 3000 fl. Erlegen und hatte unter der bis zum 3. Januar 1806 dauernden
Besatzung viel zu leiden. Am 30. Juli 1809 kamen nach der Schlacht bei Wagram
abermals die französischen Truppen in die Stadt und brandschatzten sie. Am 24.
März 1812 brach in einer jüdischen Fleischbank ein Feuer aus, das alle Häuser
der Judengemeinde bis zum Tempel in Asche legte. Am 13. Oktober 1831 kam es zum
Ausbruch einer Cholera-Epidemie, die sechs Wochen lang wütete und das Leben von
16 Juden erforderte. Während der preussischen Invasion brach am 23. Juli 1866
erneut die Cholera aus und währte bis zum 20. Oktober. Von 160 Opfern dieser
Epidemie waren zehn Juden.
Der
Tempel in Lundenburg wurde 1868 vom damaligen Bürgermeister und Kultusvorsteher
David Kuffner anstelle des alten erbaut; die Renovierung wurde 1888 unter
Kultusvorsteher Adolf Schreiber vorgenommen. Er war im maurischen Stil gehalten
und umfasste 417 Sitze.
Während
des Ersten Weltkrieges, den 16 Lundenburger Juden mit dem Leben bezahlten, waren
mehrere Tausend jüdische Flüchtlinge aus Galizien und der Bukowina in der Stadt
untergebracht und von den Gemeindemitgliedem auch materiell unterstützt worden.
Im Jahre 1942 wurden alle Juden der Stadt deportiert und
keiner von den Verschickten hat die nazistische „Endlösung“ überlebt. Die
Synagogeneinrichtung wurde ins Prager Jüdische Zentralmuseum überführt.
Aus Hugo Gold:, Die Juden und
Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, ed. Hugo Gold, Brünn
1929 und Ergänzungen
Die allgemeine Vermutung, die Juden hätten sich
bereits im 15. Jahrhundert in Misslitz ansässig gemacht, erscheint glaubwürdig.
Als die Juden 1454 aus Brünn und Znaim vertrieben wurden, kamen manche von
ihnen wohl nach Misslitz, da diese Stadt in der Mitte der Strecke zwischen den
beiden liegt. Die Existenz von Juden in Misslitz zur Zeit der Türkenkriege im
18. Jahrhundert ist verbürgt. Von einem Gerichtsdokument, betreffend einen
Misslitzer Juden, berichtet Prof. Dr. Alfred Engel: „Am 28. April 1581 ergeht die
Weisung nach Hosterlitz, „belanget den
handel Zwischen Muschel Juden zu Mieslicz alsz khlagern und Georg schneider Zu
Pohrlicz alsz beklagten“, Am 16. Januar des folgenden Jahres wird die
Auskunft erweitert, am 26. Januar eröffnet, da der ganze Handel in dem Markt
Hosterlitz angefangen, sollen auch die Zeugen beider Parteien vor dem
Marktgerichte befragt werden, am 4.Mai 1582 erfolgt die vierte und letzte
Belehrung in der Sache über die Höhe der beträchtlichen Prozesskosten. Aus
alledem geht hervor, dass Jude Muschel zu dieser Zeit in Mieslicz ansässig ist. Auch Israel Miesliczer, einer der
Zeugen, der nach Kromau ausgewandert ist, gehört der Zeit vor Gründung der
Misslitzer Gemeinde an.
Die Herrschaft Misslitz wurde von
Kaiser Ferdinand II. im Jahre 1626 an Georg Grafen von Nachod für 30.000
mährische Gulden verkauft. 1661 ging sie durch Kauf von seinem Sohne Leopold an
Rudolf von Kaunitz über. Dann kam der Besitz an das Graf von Schaumburgsche
Haus und von dessen Erben ging es 1692 an das Brucker Kloster über.
Bilder: Tempel und Almemor
Die
Judengemeinde teilte das Schicksal der Herrschaft; den Grafen von Nachod und
den Herren von Kaunitz waren auch die Juden Untertan. Etwa um die Mitte des 17.
Jahrhundert scheinen sie den Schutz der geistlichen Herren von Klosterbruck
angesprochen zu haben. Die Judengemeinde erscheint nämlich im Lahnenregister
von Klosterbruck, während die übrigen Untertanen der Herrschaft im
Lahnenregister von Misslitz ausgewiesen sind. Es steht fest, daß der
Klosterbrucker Abt Dr. Theol. Norbert Pleyer, der sein Amt zwischen 1660 und
1679 bekleidete, mit den Juden von Misslitz in reger Verbindung stand. Als 1784
das Stift Brück aufgelöst wurde, fiel die Herrschaft dem k.k. Religionsfonds
zu. 1824 erstand sie Dr. med. Josef Edler von Hopfen um 130.000 fl.
Gewissen
Quellen ist die Existenz einer blühenden Judengemeinde in Misslitz vor dem
Dreissigjährigen Krieg zu entnehmen, doch schrumpfte diese infolge des Krieges
auf drei Familien zusammen. Allerdings dürfte starker und rascher Zuwachs aus
dem Osten gekommen sein, als viele Juden während des Chmelnicky-Aufstandes aus
Russland nach Mähren flüchteten. Daß sie auch nach Misslitz kamen, bezeugt der
Umstand, daß 1666 die Judengemeinde darüber klagte, der Forderung des damaligen
Gutsherrn, des Grafen Rudolf von Schaumburg, nicht nachkommen zu können, da
der frühere Besitzer, Graf Georg von Nachod, 20 jüdische Bewohner in Eisen
gelegt und weggeführt habe. Demnach hatte sich die beinahe gänzlich aufgelöste
Judengemeinde in der Zwischenzeit durch die Einwanderung ziemlich erholt.
Gegen die
Gewalttätigkeiten des Herrn von Schaumburg und gegen dessen rücksichtslose
Erpressungen wandte sich die Judengemeinde um Schutz an Abt Pleyer. Sie wiesen
darauf hin, daß sie durch die hohen Abgaben an den Nachoder Grafen „arm und
elend“ wurden und deshalb nicht mehr in der Lage wären die früheren Abgaben zu
leisten:
An den Abt des Brucker Klosters
Norbert Pleyer.
Hochwürdig in Gott andächtig Edl.
Vnd Hochgelehrter gnädiger Herr Herr.
Eur Hochwirten vnd Genaden, hier mit
gehorsamblich zuewiedern demnach daß Mir Jütische Gemein dem Herrn von
Schamburg in den Roboth Zinßen sein abgeschäezt worden, durbei Thuen Mir vnß
gegen Eur Hochwirten vnd genaden ganz dhemietig vnd hoch beschwüren Wegen deß
Vergangen dürckhisehen Lauff vnd damalen Mir alle haben Entlauffen müesßen,
auch Mir vmd all vnßere Sachen sein khomen bei nebensß seint auch all vnßere
Heüßer ruiniert vnd zu Nichtig gemacht worden, daß Miers Juten biss dato Woll
Empfinden, dargegen Wüll Herr von Schamburg gleichwol, seine Schultigkheit
völligkhlich haben, Eur Hochwirten vnd genaden, werden auch Wol chlus daß bei
Fürsten und Graffcn, wo Juden seindt gewest, in dem dürckhischen lauff, alle
Schulden sein Eingestelt worden vnd Herr von Schamburg seine schultigkheit
gleichwoll völlig haben Will dass es vnss Vnmiglicit ist, also biten Mir Eur
Hochwirden vnd genaden, Sie Ich doch für vnß bei dem Herr von Schamburg eine
Vorbit thuen daß vnß deß 63ist Jahr nachgelassen khan werden Damit Mir arme vnd
schwache gemein auß vnßeren Schulten khinnen khommen, for solche vnß Erzeugte
genadt von Eur Hochwierden vnd genaden Wollen Mir biten vmb langes leben,
frische gesundheit vnd glickhliche Regierung, daß gott der Her verleihen wole
einer aller gnädige resollution vnd Eur Hochwierden vnd. Genaden in den schuez
deß Allmächtigen bevelhent.
Eur hochwirten vnd genaden
geliorsambe vnderthan Richter vnd
Geschworne vnd Jüdische geinein alhier.
An den Abt Pleyer:
Hochwürdig in Gott Andächtiger, Edl vnd Hochgelerter Gnädiger
Herr Herr.
Ihro Hochwürden vnd Gnaden, Jn
Demueth
zueberichten, Kennen wier arme Juden nit vmbgehen, vnd aldieweillen von denen
Nicolspurger Juden, vnßer alhieige kleine Juden Gemein, also Hoch gesteüyert,
vnd mit der c o n t r i b u t i o n überladen wierdt, daß wier eß nit
erschwingen kennen; (Zuemalllen Herr Graff von Nachodt, in die 20. Juden, von
vnßerer Gemein, vnterschiedliciier orthen, gewallhätig hinweggenohmen) Allß
gelanget an Ihro Hochwürden vnd gnaden vnßer Hoch flehentliches ansinnen, vnd
Bitten, die geruehen Allß vnßer g. obrigkheit vnßerer sich, genädig amuenehmen
vnd bey Ihro Hochfürstl. Genaden von Dietrichstein vnß arme Juden, die genadt
zuerlangen, damit vnß die Kontribution geringen, vndt ein erleident-liches
Khenfftig, auferleget werden möchte; Biß solang sich die die weggenohmene, oder
verloffene Juden, wider einfinden werden; Solliche genadt wollen wier vnß
Jederzeit befleißen, vmb Ihro Hochwürden vnd genaden threygehorsambist
abzuedienen, vnd Gott der Allmächtige, wierdt chlus Ewer Hochwürden vnd genade
Reichlicher belohner sein; dieselben in den Göttlichen schutz, vnd vnß zue
derobeharrliche genaden demüetig
empfehlent.
Ewer Hochwürden vnd g:
Ihre gehorsambiste Richter vnd
geschworne, sambt der gantzen Juden gemein in Mießlitz.
Unter der oben
angeführten Signatur finden wir nachstehendes Dokument, in welchem die Namen
der verschleppten Mißlitzer Juden enthalten sind:
Der H. graff vor
Nachodt von Mieslitz weggenomen.
S p e c i f i c a t i
o n, der ienigen Juden, Welliche
Vnterschiedlicher ohrten, abzuehollen.
Zue Lissitz.
Joseph gewester Juden Richter, -
Cheimb Prager,
Alt gersti, mit
verheiraten Zwei Söhnen. - Klein
abrahamb, (Maly.)
Abrahamb
v: Prossnitz, mit ein
verheyeraten Sohn, vnd Tochter,
Markus Pollackh,
- Zotich Rosshandler, - Jacob v. Horzaminkh,
Dauidt, mit ein
verheiraten Sohn, vnd Tochter,
Abrahamb Krauss Kopff,
Abrahamb Pollackh,
- Hirschel Baader,
Zue Tuleschitz, - Hirschel Löderer,
Zue Nicolspurg,- Itzigel
Roßhandler.
Mit diessen Juden, ist denen
hieiegen, mit weggenohmen: Ein
Silberner Köllich, Ein Messgewandt, vnd ein Leichter.
Da diese
verschleppten Juden mehr als die Hälfte aller ansässigen betragen haben, ist
anzunehmen, daß vorher über 40 Juden in Mißlitz wohnten. — Der Name
„Horzaminkh“ ist wohl durch einen Fehler entstanden und sollte „Horzepnik“
heißen.
Der Abt
intervenierte, aber keineswegs aus Menschenfreundlichkeit: die vorhandenen
Aktenstücke beweisen, vielmehr, daß sich der Abt in bezug auf Geldgier und
Hartherzigkeit mit dem Herrn von Schaumburg ruhig messen konnte. Aus den
Schriftstücken der Jahre 1666—1668 und 1669 ist klar ersichtlich, daß die Juden
von beiden Obrigkeiten schamlos ausgebeutet wurden. Es ist auch nicht bekannt,
was aus den Verschleppten wurde.
Im
Jahre 1672 gab es in Misslitz 15 Judenhäuser und drei neue Ödungen (d.h.
Häuser, welche infolge des Dreissigjährigen Krieges verlassen und erst später
neu besetzt wurden), in denen 18 Familien wohnten. Im Jahre 1753, also 81
Jahre später, wohnten in derselben Zahl von Häusern 64 Familien. Daraus geht
hervor, daß sich die Judengemeinde inzwischen erneut vergrössert hatte, was
vermutlich auf die Vertreibung der Juden aus Wien im Jahre 1670 zurückzuführen
war. Ein Grabstein aus dem Jahre 1700 beweist es, weil die Inschrift den
Hinweis enthält, daß es sich um eines der Opfer der Vertreibung aus Wien
handelt.
Im
Laufe des 18. Jahrhunderts teilten die Misslitzer Juden das Los ihrer Brüder in
ganz Mähren. Unter Kaiser Karl VI. kam 1726 das bekannte Heiratspatent heraus.
Über das Ergebnis der Konskription der Juden in Misslitz gibt es keine Angaben.
Zu den Gemeinden, in welchen die strenge Trennung der Juden vor sich ging,
gehörte auch Misslitz. Zu jener Zeit gehörte die ganze Herrschaft dem Kloster
Bruck. Aus der Fassionstabelle 1750 geht hervor, daß der Misslitzer ,Judengemeindezüns mit Schutzgeld“ 400 Gulden jährlich
betragen hat.
Im
Jahre 1753 waren 82 Familienstellen auf 19 Katastern verteilt. Außer diesen 19
katastrierten Häusern besaß die Judengemeinde eine Synagoge, ein jüdisches
Spital, ein Gemeindehaus als Rabbinerwohnsitz, ferner eine Fleischbank mit vier
Ställen und zwei Wohnungen, die aber der Herrschaft gehörten. 1789 wurden in
Misslitz den Einwohnern Grundflächen für Bauten zur Verfügung gestellt, wovon
auch die ansässigen Juden profitierten.
Die
Anzahl der Juden wird in der Konskriptionsliste des Jahres 1801 mit 119
Familien (448 Seelen) angegeben. Die Gesamtbewohnerzähl betrug damals 2626
Seelen. Über die Zustände der Judengemeinde zu Beginn des 19. Jahrhunderts gibt
die „Historische Beschreibung des kais. königl. Religionsfondguths Misslitz
1802“ einige Auskunft:
„Die Häuser der Juden sind viel
unregelmässig, winkelhaft und weniger standhaft, auch nur zum minderen Teil
mit Schindeln eingedeckt und werden aus Armuth ihrer Besitzer nur aufs
nothdürftigste konserviert.
Die Kamine der Häuser sind so bei
Christen als bei Juden durchaus gemauert und zur Feuersicherheit in
proportionierter Höhe aufgeführt. Die Obrigkeit unterstützte die Bauten
dadurch, daß sie die Ziegel für die Kamine zum Erzeugungspreise überließ, ...
In der Judengasse sind Brunnen und Wasserbehälter.“
Über den Handelsverkehr gibt die „Historische Beschreibung“
folgende Auskunft:
„In Ansehung der Judenschaft kann man annehmen:
daß 2 Drietteile ihrer Gemeinde meistens durch den Feuerschaden welchen sie in
einem Jahrzehend zweimal und zwar ao. 1794 und 1798 erlitten, fast gänzlich
verarmt sind, obschon es schwer hält, den wahren Vermögensstand eines Juden zu
ergründen, so ist man doch aus verschiedenen Vorfällen überzeugt, daß nur sehr
wenige von ihnen gut fortkommen, die übrigen leben schlecht, sehr viele höchst
elend, denn sie nähren sich von einem Tag zum anderen von unbedeutenden
Kramhandel bei Hause, vom Hausieren und von geringfügigem Ertrag der ihrer Nazion
eigenen Spekulationen.“
Im
Nachtrage zur „Historischen Beschreibung“, der an Erzherzog Karl gerichtet ist,
wird erwähnt, daß die Untertanen und Fleischhacker jährlich etwa 160
Ochsenhäute, 60 Kuhhäute, 180 Kalbfelle und 300 Schaffelle an die Juden verkaufen,
die diese auf den Märkten in Znaim, Hosterlitz, Prosmeritz u.a. absetzen.
Über den Handel gibt Wolnys „Vlastivěda moravska“
folgende Auskunft:
„Die
meisten hiesigen Juden sind Leinwand-, Kotton- und Baumwollhändler (28) oder
Hausierer, Marktfieranten und Krämer (44). Der Handel, der meist von Juden
getrieben wird, bezieht sich auch auf jährlich etwa 130 q Federn und 6000
Stück Hasenbälge, welche nach Wien gehen; 10.000 Stück Schaffelle, 1000 Stück
Ochsen- und ebensoviel in der Umgegend und in Österreich erkaufte Kuhhäute, die
nach Brünn abgesetzt werden und auf 250—3000 q Wolle, mit welcher Kommissionshandel
getrieben wird und zu dem der Bezirk dieser Herrschaft 50—60 q beiträgt.
Auch über die inneren Verhältnisse der Juden gibt es
Informationen: In der Gemeinde gab es kein Krankenhaus, sondern die
althergebrachte Gewohnheit, daß zu Anfang des Jahres bei der Berechnung der
Steuern und Gemeindeauslagen auch ein Betrag für Almosen erhoben wird. Die
Bedürftigen erhielten wöchentlich zu 6 und 12 Kr. Je Person und zur Zeit
jüdischer Feiertage das Doppelte. Die Judengemeinde unterhielt eine Hebamme
für 25 fl. Jährlich. Für Beschneidungen von Knaben wird nichts gezahlt. Bei
Trauungen war es üblich, daß die Schulväter von jeden 100 fl. Der Mitgift 17
kr, der Rabbiner von den ersten 100 fl. Den Betrag von 1,30 und von jeden
weiteren 100 fl. Nur l fl. Bezog. Die Schulsänger erhielten von den ersten 100
fl. 45 kr. Und von jeden weiteren 100 fl. 30 kr. Der Gemeindebeglaubigte
erhielt 30 bzw. 221/2 kr. Je 100 fl,
die Gemeinde für den Gebrauch des Traubaldachins 6 fl.
Im beengten Misslitzer Ghetto wohnten im Jahre 1820 in 94
Häusern mit 141 Zimmern
119
Familien. Die meisten besaßen nur einen Raum, wenige hatten zwei Räume und nur
drei Familien bewohnten drei Räume. Bis 1867 bildete die sogenannte Judengasse
auch die Judengemeinde. Die Namen einiger der Judenrichter dieser Gemeinde sind
erhalten geblieben: Moyses Abra-tiam (um 1753), Isak b. Moses (gest. 1755),
Salomon b. Abraham (gest. 1755), Jakob b. Dawid, Israel b. Gerson (Herzog),
Vorstand der Chewra Kadischa (starb 1793), Salomon Kumte (gest. 1802), Perez
Jehuda b. Aron (gest. 1816), Salomon König (gest. 1821), Salo-mon Arje Tausk
(gest. 1828), Meir ben Salomon Weiniger (gest. 1833), Zwi Grossheim (gest.
1835), Moses Eisner (gest. 1840), Moses Kramer (gest. 1840), Aren Weiniger
(gest. 1841), Salomon Frankl (gest. 1841), Isak Ries (gest. 1843), Josef König
(gest. 1854), Abraham Gassinger (gest. 1855), Isak b; Elieser Eisner (1856),
Elieser Deutsch (gest. 1856), Jona Schmiedl (gest. 1857), Isak Spitzer (gest.
1871), Salomon Herzog (gest. 1872), Jakob Herzog (gest. 1881), Rafael König
(gest.
1894), Salomon Schmidl (gest. 1895), Salomon Lipmann Deutsch (gest. 1899),
Michael Kramer (gest. 1901), Adolf König (gest. 1914), Josef Hauser (1890 bis
1895), Josef Pollenz (1902—1921), Isidor Deutsch (ab 1922).
Seit 1867 war die politische Judengemeinde von der
Kultusgemeinde getrennt. Bürgermeister der selbständigen Israelitengemeinde
waren : Hermann Ehrenreich (1867—1870), Salomon Schmidl (1870—1873), Adolf
König (1874—1877), Isidor Herzog (1877—1880), Michael Kramer (1881—1890), Isidor
Herzog (1890 bis 1894), Leopold Eisner (1894—1900), Leopold Ornstein
(1901—1902), Josef Häuser (1902—1924).

Der
Misslitzer „Tempelschatz“
Am 23. Dezember 1924 wurde die politische Judengemeinde
aufgelöst. Im Stadtrat von Misslitz wurden die Juden von Misslitz durch Isidor
Deutsch und Dr. Max Hauser (Jüdisch-National) und Josef Pollenz (Deutsche)
vertreten. Zum Vorstand der Judengemeinde wurde 1927 Isidor Deutsch gewählt.
Zu jener Zeit zählte die Gemeinde 450 Mitglieder, davon 145 steuerzahlende.
Schon
1827 hat die Gemeinde ein stattliches Gemeindehaus errichtet. Das
ursprüngliche Gotteshaus, die „Rabbinerkapelle“ wurde behördlich aufgelöst und
die Gemeinde errichtete daraufhin einen Tempel, dessen Bau 1845 abgeschlossen
war. Trotz des Widerstände» mancher konservativen Mitglieder wurde
beschlossen, den modernen Wiener Gottesdienst einzuführen.
Eine jüdische Schule hat es in Misslitz schon im 18.
Jahrhundert gegeben. Ab 1782 wurde an der Schule auch Deutsch unterrichtet,
nach dem Ersten Weltkrieg kam es auch zu einem verbindlichen
Tschechisch-Unterricht. Im Ende des Schuljahres 1922/23 wurde die jüdische
Schule aufgelöst und damit fand eine Anstalt ein Ende, die vielen Generationen
die erste Erziehungs- und Bildungsstätte gewesen ist.
Die Schülerzahlen im Überblick:
Jahr
|
Knaben
|
Mädchen
|
Zus.
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
1895
|
41
|
45
|
96
|
|
1896
|
39
|
48
|
87
|
|
1897
|
46
|
52
|
98
|
|
1898
|
50
|
52
|
102
|
|
1899
|
47
|
50
|
97
|
|
1900
|
48
|
49
|
97
|
|
1901
|
48
|
46
|
94
|
|
1902
|
53
|
54
|
107
|
|
1903
|
27
|
35
|
62
|
|
1904
|
30
|
32
|
62
|
|
1905
|
29
|
33
|
62
|
|
1906
|
22
|
31
|
53
|
|
1907
|
22
|
23
|
55
|
|
1908
|
25
|
17
|
42
|
|
1909
|
23
|
16
|
39
|
|
1910
|
19
|
14
|
33
|
|
1911
|
24
|
13
|
37
|
|
1912
|
17
|
13
|
30
|
|
1913
|
15
|
13
|
28
|
|
1914
|
13
|
12
|
25
|
|
1915
|
?
|
?
|
80
|
*)
|
1916
|
?
|
?
|
81
|
*)
|
1917
|
30
|
33
|
63
|
*)
|
1918
|
19
|
21
|
40
|
|
1919
|
7
|
14
|
21
|
|
1920
|
6
|
10
|
16
|
|
1921
|
5
|
9
|
14
|
|
1922
|
3
|
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*) Die Schülerzahlen waren in diesen Kriegsjahren duch
Aufnahme von Flüchtlingen aus den östlichen
Kriegsgebieten besonders hoch.
Nachweisbare Misslitzer Rabbiner waren: Baruch b. Menachem
Brunschwik (gest. 1720, Zewi b. Salomo (gest. 1761), R. Isak Jehuda b. Jesaja
alias Itzig Leb Maggid (gest. 1789), Elieser Josef Jakob b. Benjamin Seev
Schäfer (gest. 1824), Jesaja b. Hagaon Hagadol Mordechai Benet, Ascher b. Meir
Lemberg (gest. 1876), Dr. Michael Wolf (bis 1887), Dr. Simon Stern (1888 bis
1891), Dr. Berthold Oppenheim (1891—1892), Dr. Leopold Goldschmied (1893—1897),
Dr. Moriz Bauer (1898—1902), Dr. Nachum Schorstein (1903—1912), Prof. Bela
Diamant (1912—1920), Dr. Ernst Reich (ab 1922).
Der Tempel wurde am letzten Kriegstag, dem 7.5.1945 durch
einen Bombentreffer zerstört. An seiner Stelle befindet sich heute das
Gemeinde- Kulturhaus.
NIKOLSBURG
Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen
Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen
Mit einiger Sicherheit kann die
Ansiedlung von Juden in Nikolsburg um das Jahr 1450 angenommen werden, da das
Baujahr der alten, grossen Synagoge nächst dem Schlossberg von Experten auf
dieses Jahr bestimmt wurde. Die glänzende und kostbare Innenausstattung dieser
Synagoge blieb bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts erhalten. Die Ansiedlung
der ersten Juden dürfte also innerhalb des Zeitraumes zwischen 1414 und 1450
erfolgt sein. Bereits am 18. August 1509 wurde den Nikolsburger Juden die
Hoffreiheit verliehen und der Gouverneur Franz Cardinal und Fürst von Dietrichstein
bestätigten ihnen diese am 22. August 1628 wieder. Über Auftrag des Christoph
von Liechtenstein und Nikolsburg wurde am 29. September 1560 ein Urbarium
betreffend der Güter der Herrschaft Nikolsburg vorgelegt und es befanden sich
damals bereits 32 jüdische Untertanen in der Stadt, die jährlich 40 Robottage
zu leisten hatten.
Der Gutsherr Maximilian I.,
Reichsfreiherr von Dietrichstein, übernahm nach dem Tode seines Vaters Adam die
väterliche Herrschaft Nikolsburg und gab der Judenschaft am l. November 1591
ein Privilegium, mit dem ihnen unter anderem auch die freie Wahl ihres
Judenrichters mit zweijähriger Amtsdauer eingeräumt wurde. Franz Seraph
Cardinal und Fürst von Dietrichstein bestätigte und verbesserte am l. Januar
1612 die Privilegien der Nikolsburger Judenschaft. Dem Rabbiner wird die
Jurisdiktion als erste Instanz einberaumt, die Robotpflicht gegen 300 fl.
Jährlich erlassen.
Am 5. Juni 1625 kam Kaiser Ferdinand
II. mit Gemahlin und Gefolge zum Gouverneur Dietrichstein zu Besuch nach
Nikolsburg. Der Sage zufolge wurde ein Edelmann aus dem Gefolge des Kaisers bei
einer Fahrt durch die Judenstadt von einem Ziegelstein getroffen und getötet.
Ferdinand II. dachte an ein Attentat und drohte mit der Vertreibung der
Nikolsburger Judenschaft, wenn sich binnen drei Tagen der Schuldige nicht
melde. Da dies nicht geschah, opferte sich der damalige Rabbiner Eljakum für
seine Gemeinde und bekannte sich als den Täter, wofür er mit dem Ausstechen des
rechten Auges büssen musste. Eine andere Version besagt, Rabbi Eljakum sei
enthauptet worden. Immerhin wurde das Grab Eljakums als Märtyrergrab bis in die
Neuzeit auf dem jüdischen Friedhofe der Stadt gepflegt und erhalten.
Die erste Chewra Kadischa wurde in
Nikolsburg bereits 1653 errichtet. Im Jahre 1657 wohnten in der Stadt 146
jüdische Familien in 98 Häusern. Im Jahre 1663 waren die Türken in die Stadt
eingedrungen, plünderten und verheerten sie. Inwieweit die jüdische Gemeinde
darunter litt, ist nicht bekannt.
Aus älteren Quellen geht hervor, dass
infolge der letzten Judenvertreibung um 1670 zahlreiche Familien aus Wien nach
Mähren einwanderten. Fürst Dietrichstein soll in Nikolsburg 80 Familien
aufgenommen haben, die sich in der weiteren Folge rasch entwickelten und auch
viele hervorragende Männer hervorbrachten. Für diese Duldung mussten natürlich
die Juden überaus hohe Zahlungen leisten.
Das kaiserliche Reskript, das am 10.
Oktober 1681 durch das Amt der Landeshauptmannschaft veröffentlicht wurde,
hatte zum Ziel, die Zahl der Juden in Nikolsburg wieder auf den Stand von 1657
zu beschränken und die übrigen sollten „ausser Landes geschafft werden“. Es
ist aber anzunehmen, dass dies trotzdem nicht geschehen sei, da es in dem
Judenprivilegium des Fürsten Walter Franz Xaver von Dietrichstein (1664—1708)
erneut heisst, dass „die Juden nicht vertrieben werden“.
Am 24. April 1680 wandte sich der
Nikolsburger Hauptmann an den Brünner Magistrat mit der Bitte, den Nikolsburger
Juden die Besuche der Brünner Jahrmärkte zu ermöglichen, was auch bis zum Pestausbruch
geschehen war.
Die Pest hatte auch die
Judengemeinden mit Sorge erfüllt. Man hatte im sogenannten Judengarten ein Lazarett
errichtet.
Der Landtagsbeschluss des Jahres
1681, der „die Abschaffung der seit 1657 vermehrten Judenschaft“ an ordnete und
nur noch die bis 1657 in ihren Wohnorten und Häusern lebenden Juden tolerieren
wollte, blieb in Nikolsburg unbeachtet. Am 2. September 1682 beriet sogar der
Brünner Magistrat über eine Bitte des Nikolsburger Magistrats, den St.
Michaeler Jahrmarkt wegen des jüdischen Neujahrsfestes zu verschieben. Mit
Zustimmung des Fürsten wurde der Antrag bewilligt.
Schon 1647 bestand in Nikolsburg
eine eigene Judengemeinde, deren Statuten 1658 und 1659 noch verbessert und
vom Fürsten Ferdinand Josef von Dietrichstein bestätigt wurden. 1673 musste
der Fürst Leopold Ignaz von Dietrichstein in der Schneiderzunft Ordnung
schaffen. Nur acht jüdische Schneidermeister waren zugelassen, die je einen
Gesellen und einen Lehrling halten durften. In christlichen Häusern durften
keine jüdischen Läden errichtet werden und die Juden mussten in ihrer eigenen
Gasse bleiben, die mit einer Schnur von den anderen Stadtteilen abgegrenzt war.
Inzwischen haben einige Juden
bereits eine namhafte Rolle im Handel zu spielen begonnen. Im Jahre 1702 hat
der Fürst dem Juden Jakob Lipert gestattet, eines von zwei Handlungsgewölben,
die er erbaut hatte, dem Isaak Hirschl zu vermieten. Der fürstliche Hofjude
Jakob Gabriel Rebkine und Abraham Bauer erhielten beim oberen Stadttor ein
Gelände zum Bau von Gewölben.
Am 2. August 1715
brachte die Nikolsburger Judenschaft ein Majestätsgesuch ein, einen jüdischen
Arzt halten zu dürfen. Diese Bitte wurde abgelehnt. Am 10. August 1719 hat ein
Feuer fast die ganze Judenstadt eingeäschert. Die um ihre Wohnungen gekommenen
Juden flohen bis gegen Pohrlitz, wurden aber unterwegs überfallen und beraubt.
Auch sonst kam es bei dem Brand zu Plünderungen der geretteten Habe. Viele Juden
mussten den Winter hindurch im Freien kampieren, weil eine Untersuchung der
Brandursachen und der damit verbundenen Nebenerscheinungen die Bewilligung zum
Wiederaufbau der zerstörten Häuser hinauszögerte. Am l. Oktober 1721 kam es
erst zu einem Vergleich:
Die Häuser von vier Familien, die in
den Schlossberg eingegraben waren, durften nicht aufgebaut werden. Diejenigen,
die ihren Hausbesitz von der Judenschule an bis an das kleine Gassei hatten,
mussten das Hinterhaus bis an das Vordergebäude abtragen, doch stand es ihnen
frei, anstelle des früheren Hintergebäudes einige Keller und Gewölbe
aufzubauen, diese durften aber nicht für Wohnzwecke dienen. Die übrigen
Hausbesitzer in kleinen Gassen hatten ihre Häuser in früherer Höhe und Breite
zu erbauen, doch die Dächer mussten niedriger und zum Schloss hin mit Ziegeln
bedeckt sein.
In einer viel besseren Verfassung
als in anderen Orten und Ländern der Donaumonarchie scheint die Judenschule zu
Nikolsburg der Sitz des Landesrabbiners gewesen zu sein, denn hier genossen
mehrere namhafte jüdische Gelehrte ihre Grundausbildung, wie David ben Abraham
Oppenheimer aus Worms, Neffe des Wiener Hoffaktors Samuel Oppenheimer.
Im Jahre 1754 gab es in der Stadt
107 Judenhäuser einschliesslich des Gemeindehauses und des Spitals. Im Jahre
1748 amtierte Berusch Gabriel Eskeles als Landesrabbiner mit dem Sitz in
Nikolsburg, im Jahre 1754 ist Moses Lemberger als Oberlandesrabbiner bekannt,
als Landesrabbiner wird 1757 Gerson Mose Pollitzer genannt.
Das Judentoleranzpatent Josefs II.
vom 13. Februar 1782 führte zur Aufhebung der Leibmaut und der doppelten
Gerichtstaxe für Juden, die nun frei und beliebig oft die königlichen Städte
zum Zwecke ihrer Geschäfte besuchen konnten und dort nach eigenem Belieben für
Unterkunft und Verköstigung in jüdischen Garküchen sorgen durften.
Als Johann Karl Fürst von Dietrichstein
am 20. Dezember 1781 von seinem Vater, den Fürsten Carl Maximilian, den
Gutsbesitz übernahm, liess es sich die Judengemeinde nicht nehmen, dem neuen
Regierenden der Stadt Nikolsburg ihre Ergebenheit und Huldigung durch eine in
der bilderreichen, alttestamentarischen Sprache verfasste Schrift
entgegenzubringen.
Das Stammvermögen der Gemeinde
betrug 1784 etwa 6975 fl. W.W., womit sie 136 Bedürftige unterstützte. Die
Armen-, Gebet-, Lehrer- und Studentenstiftungen in Nikolsburg beliefen sich 1784
auf 16.000 fl.W.W., und die Bernhard Enkeles-Stiftung vom 3. November 1784
bestimmte einen Betrag von 29.000 fl. Für jüdische Lehrer an der Nikolsburger
Schule nebst 21.000 fl. Für die Ausstattung eines Waisenmädchens, für Lehringe
der Thora und für die Normalschule.
Am 4. September 1787
verfügte ein kaiserliches Dekret, dass sämtliche Juden ab l. Januar 1787 einen
deutschen Vor- und Familiennamen annehmen und ihn in einem der Obrigkeit
vorgelegten Meldezettel anführen müssen. Oberlandesrabbiner Gerson Abraham
Chajes und Samson Auspitz, Landesältester im Brünner Kreise zu Nikolsburg,
bestätigten die Richtigkeit der früheren und der neu angenommenen Namen.
Mit Patent
vom 15. Februar 1789 wurden in Mähren 52 Judengemeinden organisiert, darunter
war Nikolsburg die stärkste und zählte 600 Familien, die dem Fürsten
Dietrichstein Untertan waren.
Bis zum Jahre 1880 zählte man noch in Nikolsburg 168
Judenhäuser, solange das Familiantentum noch üblich war, gab es 620 Familien.
Die Zahl jüdischer Seelen betrug im Jahre 1793 nur 3020, 1829 hingegen 3237, im
Jahre 1836 waren es 3520. Die Zahl sinkt im Jahre 1869 auf 1917 herab und geht
1880 weiter auf 1139 Seelen zurück. 1907 und 1908 ist der grösste Tiefstand
mit 149 Seelen erreicht. Im Jahre 1913 gibt es erneut 778 und 1921 802 Seelen.
Durch den Bau der Eisenbahnen verlor die natürliche Verkehrs- und Handelsstrasse
Wien—Nikolsburg—Pohrlitz—Brünn immer mehr an Bedeutung. Lundenburg und Wien
waren mit der Bahn im direkten Anschluss eher zu erreichen als auf dem Umwege
über Nikolsburg und zahlreiche vermögendere Geschäftsleute wählten Lundenburg
oder Wien zum festen Wohnsitz.
Der Weltkrieg 1914—1918 hat nicht
nur hemmend auf Handel und Verkehr gewirkt, sondern gab auch Veranlassung zur
ausgiebigen Betätigung in der Nächstenliebe, der Kriegsflüchtlingsfürsorge.
Vornehmlich auf diesem Gebiete war die Gemeinde vollauf beschäftigt. Tausende,
meist streng konservative Juden flohen aus Galizien nach Mähren und mussten
ihre Heime für Baracken am Muschelberge eintauschen. Dort wurde sogar eine
besondere Schule für die Flüchtlingskinder eingerichtet, die von rund 800
Kindern besucht wurde. Eine zweite Schule, mit deutscher
Unterrichtssprache, in Nikolsburg
selbst, zählte 120 Kinder.
Der Ursprung der altehrwürdigen
jüdischen Schule in Nikolsburg geht auf den Landesrabbiner David Oppenheim
zurück, der für sie eine Stiftung errichtet hatte. Der Zeit entsprechend
handelte es sich zumeist um Ohederschulen, aber Nikolsburg war auch Sitz einer
berühmten Jeschiwa, einer Hochschule der rabbinischen Wissenschaften. Die
Reformen Kaiser Josef II. liessen dann auch hier eine neue Schule erstehen.
Eine Chronik teilt die Entwicklung der Schule in vier Abschnitte und umfasst
die Zeit von 1839 bis 1843/44. 1839 wurde ein langgehegter Plan verwirklicht,
nämlich eine deutsch-hebräische Hauptschule und eine von ihr unabhängige Trivialschule
für Mädchen zu errichten. In der zweiten Periode (1844—1854) festigte sich der
Bestand der Schule vor allem durch den Gubernialerlass, nach welchem die
Winkelschulen an den Orten, wo die deutschen und hebräischen Schulen gesetzlich
verbunden waren, aufzuhören hatten. Die dritte Periode währte von 1854 bis
1868 und brachte die Nikolsburger jüdische Hauptschule zum Aufblühen, bis 1869
ein Reichsvolksschulgesetz neue Bestimmungen brachte. Diese waren vom Geiste
der Freiheit umweht, der allen Völkern der Monarchie die Tore der Bildung
öffnen sollte. Aus der Hauptschule wurde eine fünfklassige Volksschule, die
zunehmend allgemeinen Charakter gewann.
Nikolsburg hatte einen Ehrenplatz in
der Schulgeschichte durch das israelitische Taubstummeninstitut, die der
Kaufmann Hirsch Kollisch, ein grosszügiger Philantrop, geschaffen hatte.
Die Seelsorge wurde von altersher
durch den Landesrabbiner ausgeübt, welcher zumeist auch die Geschäfte des
Nikolsburger Lokalrabbiners versah, da in der Judenpolizeiordnung vom Jahre
1754 diese Stadt als Sitz des Landesrabbiners bestimmt wurde.
An dieser Stelle seien nur die
Nikolsburger Rabbiner nach dem Abgange von S. R. Hirsch angeführt. Es wirkten:
Hirsch Teltscher (1851—1858), Salomo Quetsch (1855—1856), Isak Weinberger
(1853—1855 und 1856— 1861), Dr. Meier Feuchtwang (1861—1888), dessen Sohn Dr.
David Feuchtwang (1892—1903), Dr. Moritz Lewin (1903—1918), Dr. Alfred Willmann
(nach 1919).
Bis zum Jahre 1868 hatte die
Gemeinde 12 Synagogen, von denen die meisten nach ihren Gründern benannt
wurden. Diese schmolzen im Laufe der Zeit auf fünf zusammen und schliesslich
auf zwei, die Altschul oder Dom-Synagoge und die Neuschul.
In dem uralten Gemeindehause befand
sich die sogenannte Schatzkammer, die eine Sammlung kostbarer jüdischer
Altertümer barg, darunter Pergamenthandschriften von unschätzbarem Wert,
prächtig gestickte Thoravorhänge, Gefässe für rituelle Zwecke, hervorragende
Edelmetallschmiedekunst-Werke, das Statutenbuch der Chewra Kadischa aus dem
Jahre 1653 mit schönen Malereien und viele unerforschte Handschriften in Buchform.
Dr. Ignaz
Bachrach war von 1848 bis 1859 Bürgermeister und behördlich bestellter Matrikenführer.
Ihm folgte Sigmund Blau, der von 1859 bis 1896 als Bürgermeister wirkte und in
Anbetracht der grossen Verdienste zum ersten Ehrenbürger der Judengemeinde von
Nikolsburg ernannt wurde. Danach kam Adolf Frankfurter ab 1896 und Moritz
Abeies, der das Amt bis Juni 1912 versah. Adolf Kohn wurde zu seinem Nachfolger
und zugleich Obmann des Ortsschulrates. Der letzte Bürgermeister war Franz
Deutsch (1915—1918).
Vorsteher
der Kultusgemeinde waren Sigmund Blau (1859—1896), Philipp Kohn (1896—1913),
Gustav Pissk (1913—1920), Eugen Teltscher (1920—1925) und danach Viktor
Spitzer.
Die
Nikolsburger Judengemeinde besaß nicht nur zahlreiche Stiftungen, sondern auch
ein Fülle von Vereinen. Die Chewra Kadischa wurde spätestens 1653 gegründet,
weil aus diesem Jahre ein prächtig mit farbigen Abbildungen geziertes
Statutenbuch erhalten geblieben war. Im Jahre 1898 wurde ein „Bekleidungsverein“
gegründet. Schliesslich hatte die Kultusgemeinde auch einen Frauenverein. Im
Jahre 1918 wurde der zionistische Turnverein „Makkabi“ und 1920 bereits ein
„Zionsverein“ geschaffen.
Im Jahre 1930 lebten
in Nikolsburg noch 437 Juden, die 5,6 Prozent der Gesamtbevölkerung
darstellten. Im Jahre 1936 wurde dort ein Mährisch-Jüdisches Museum
geschaffen, das während der Sudetenkrise nach Brünn überführt wurde und
schliesslich während der Naziära an das Zentrale jüdische Museum nach Prag
angeschlossen wurde. Auch diese Gemeinde fand in den Jahren der jüdischen
Katastrophe in Europa ihr Ende. Die meisten Gemeindemitglieder wurden 1941 und
1942 aus Brünn in die Vernichtungslager deportiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die
Gemeinde nicht mehr erneuert und die Synagoge der Gemeinde wurde 1950 als
baufällig und gemeingefährlich abgetragen..
Die Ansichtskartenmotive zeigen die
Israelitenstadt in Nikolsburg und sind sicher eine Rarität. Mehr dazu ist im
Internet unter www.europas-mitte.de,
„Südmährische Gemeinden nach Postkartenmotiven“ zu finden.
Piesling
Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen
Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen
Auch
über den Beginn der jüdischen Ansiedlung in Piesling fehlen genaue Angaben.
Einer mündlichen Überlieferung zufolge ist die Gemeinde später als ihre
Schwestergemeinde Althart — also nach 1676 — begründet worden, doch die erste
urkundliche Nachricht über ein jüdisches Gemeindeleben in Piesling stellt ein
Steuerverzeichnis aus dem Jahre 1727 dar. Aus einer Beschwerdeschrift der
Pieslinger Juden gegen den Gutsherrn Anton Kasimir Grafen von Hartig geht
hervor, daß 1769 die der Herrschaft zu leistende Abgabe der Judengemeinde 182
fl. 6 kr. 3 h. betrug. Dann meldet uns das spärlich vorhandene Urkundenmaterial
ein ganzes Jahrhundert hindurch nichts über Geldleistungen der Juden und erst
zum Jahre 1839 erfahren wir aus einer am 30. Mai 1839 an das Landesgubernium
gerichteten Eingabe, daß die „k. k. jüd. Verzehrungssteuer“ mit 310 fl. C.M.
pauschaliert ist, die von 62 Familien, - darunter 16 steuerunfähige und „47
ledige familienlose Steuerglieder“ aufzubringen waren.
Aus der erwähnten Beschwerde der
Pieslinger Juden geht hervor, daß dort 1769 nur 24 jüdische Familien ansässig
waren. Ihre Zahl erfährt in der Folgezeit eine Vermehrung und beträgt im Jahre
1782 32 Familien.
Im
Jahre 1869 werden in Piesling 64, 1880 — 39, 1890 — 46 und 1900 — 41 jüdische
Hausbesitzer gezählt, deren Zahl dann rapid zurückging.
Bis
in die Mitte des 18. Jahrhunderts scheint sich der Großteil der Pieslinger
Judenschaft mit der Erzeugung von Schwarzbrot und anderem Gebäck den kargen
Lebensunterhalt erworben zu haben und die Vermögenslage der Juden war äußerst
trist.
Zu
den traurigsten Jahren in der Geschichte der Judengemeinde gehören die Jahre
1840 und 1867 infolge der durch Feuer und Wasser verursachten Verwüstungen.
Die
schwer heimgesuchten jüdischen Bewohner des Ortes wurden durch Unterstützungen
der Glaubensbrüder in ganz Mähren notdürftig rehabilitiert.
Bis
1920 bestand auch eine politisch selbständige Israelitengemeinde in Piesling.
Bis 1874 waren folgende Richter bzw. Vorsteher und Bürgermeister im Amte, die
gleichzeitig Vorsteher der jüdischen Glaubensgenossenschaft waren: Salomon
Lazar (um 1777), Isaac La-zar (um 1782), Isaac Löbl, Aron Salzer (1826—1827),
Leopold Eyss (1829), Abraham Färber (1883—1836), Markus Stieber (1837—1840),
Abraham Färber (um 1842), Hermann Salzer (um 1849), Sigmund Färber (1861), J.
L. Fürst (1860—1864), Lazar Salzer (1864 bis 1869), Dr. Josef Salzer
(1872—1882).
In
der Gemeindeausschuß-Sitzung wird der Beschluß gefaßt, die politische Gemeinde
von der Kultusgemeinde zu trennen. Als Kultusvorsteher fungierten:
Leopold
Österreicher (1882—1888), Julius Kaufmann (1889—1900), Michael Färber
(1901—1906), Julius Kaufmann (1906—1909), Siegfried Österreicher (1910 bis
1920).
Nach
der Trennung der Kultusangelegenheiten von denen der politischen Gemeinde
versahen das Amt eines Kultusvorstehers : Leopold Österreicher (1874—1884),
Michael Färber (1887—1890), Leopold Österreicher (1890—1893), Hermann Landsmann
(1893—1896), Hermann Bix (1896—1900 und 1906—1908, Sigmund Salzer (1909),
Julius Kaufmann jun. (1910—1912), Siegfried Österreicher (1912), Sigmund
Kaufmann (1912—1916), Adolf Neumann (bis 1918), Dr. Ludwig Schön (1918),
Siegfried Österreicher (bis 1923), Artur Beckmann (nach 1923).
Einer seit 1766 geführten
Geburtsmatrik und dem Protokollbuch der Gemeinde Piesling ist die Tätigkeit
folgender Rabbiner zu entnehmen: Josef Feilbogen (1811 bis 1812), Lazar Fürth
(um 1816), Salomon Holzmann (gest. 1824), Moses Hirsch (1819—1826), Salomon Quetsch
(1828—1829), Joachim Lob Zilzer (1830—1836), Jakob Lob Pollak (um 1836),
Michael Lazar Kohn (1841 bis 1893), Dr. Nathan Frankl (1893—1901). Seither
versah der Rabbiner von Jamnitz die Rabbinatsfunktionen und Kantoren besorgten
die rituellen Funktionen. Am 14. Juli 1928 ist die Kultusgemeinde Piesling dem
Rabbinat in Triesch angeschlossen worden.
Eine
„jüdisch-deutsche Trivialschule“ wurde in Piesling im Jahre 1782 errichtet.
Zu den berühmten Söhnen der Pieslinger Gemeinde zählt in
erster Reihe Alexander Ritter von Eiss, der in der k.u.k.-Armee den Rang eines
Generalmajors erreichte und zahlreiche Verdienstorden trug. Er war mit Theodor
Herzi persönlich befreundet und in den letzten Lebensjahren Zionist und
Chefadministrator der „Welt“. Ferner Hofrat Dr. Michael Holzmann,
Universitätsbibliothekar und Autor zahlreicher Werke und schliesslich Berta
(Bella) Maretschek, die vielumstrittene Freundin Richard Wagners. Ferner ist
Ludwig Tobias Jakob Freiherr von Österreicher, Konteradmiral und Sektionschef
des öst. Kriegsministeriums, der allerdings zum Christentum übergetreten war,
zu erwähnen.
POHRLITZ
Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen
Judengemeinden Mährens, TelAviv 1974 und Ergänzungen
Die Pohrlitzer Judengemeinde soll
der Sage nach die älteste in Mähren sein. Als ihre Gründer werden drei Juden
genannt, die den Römern auf ihren Zügen in das mährische Gebiet gefolgt sein
sollen. Wenn es hierfür auch keine historischen Belege gibt, so chlus wir die
Möglichkeit, daß Juden noch vor den Christen dieses Land bewohnt haben, also
noch zu einer Zeit, als diese Gegend heidnisch war, in Rechnung ziehen. Die
Inschrift im alten, 1853 abgetragenen Tempel wies auf das Jahr 4475 jüdischer
Zeitrechnung hin, doch handelt es sich wahrscheinlich um ein Apokryph. Ganz in
das Reich der Märchen gehören die sagenhaften Überlieferungen schon deshalb
nicht, weil die Sage einen wahren Kern enthält. Nach dem Raffelstettener
Zollvertrag dürfte die Gemeinde um das Jahr 903—906 bereits bestanden haben.
Ausdrücklich erwähnt finden wir die Pohrlitzer Juden erst in einer Urkunde aus
dem Jahre 1490, in welcher sich der Jude Meyer, Judenmeister des Königreiches
Böhmen und der Markgrafschaft Mähren, mit neun Bürgern verpflichtet, für alle
Juden von Mähren jährlich fünfzig ungarische Gulden an den Obersthofmeister des
Königreiches Böhmen, Wilhelm von Fernstem und Helfenstein, bis zu dessen Tode
zu bezahlen, wofür dieser den Juden, wenn sie sich an ihn wenden, mit Rat
beistehen und „was gut ist, für sie tun werde“.
Bild: Ghetto von
Pohrlitz
Diesen Vertrag, der in tschechischer
Sprache chlussbe wurde, haben einige jüdische Bürger aus Eibenschitz, Straßnitz
und Pohrlitz unterzeichnet. Daß Juden aus Pohrlitz ihn im Namen der ganzen
mährischen Judenheit zeichnen, kann nicht als Beweis für das wohl vorhandene
Ansehen der Pohrlitzer Judengemeinde gedeutet werden, vielmehr dürfte es damit
zusammenhängen, daß zu der Zeit, aus der die Urkunde herrührt, die Grafen von
Pemstein die Herren von Pohrlitz waren. Das Leben der Pohrlitzer Juden vom
Jahre 1490 bis zur Zeit, da wir neuerlich Kunde darüber erhalten, dürfte trotz
des erkauften Schutzes die Tragödie gewesen sein, die sich Mittelalter nennt,
wenn auch die Quellen keine Nachrichten darüber enthalten.
Erst im Dreißigjährigen Krieg schluchzt
das vielfach gehäufte Leid auf, das die Pohrlitzer Juden ebenso wie die
christliche Bevölkerung traf. Die Kriegsgeißel muß auch hier schrecklich
gewütet haben. Von 43 Judenhäusern blieben 20 besiedelt, während die Insassen
der anderen 23 entweder gestorben oder verzogen sind. Nach dem Jahre 1657
wurden zwei andere Judenhäuser verödet und leer, dagegen sechs neu besiedelt.
In eines zog Rabbi Löw, der
Ortsrabbiner, ein zweites diente dem Judenbader Moses als Wohnung.
Im Jahre 1673 gibt es in Pohrlitz 21
jüdische Hausvorstände. Allmählich nimmt dann die Bevölkerung zu, so daß die im
Jahre 1749 vorhandenen 35 Häuser lange nicht mehr ausreichten und in manchen
bis zu neun Familien zusammen wohnten. Die Wohnungsnot verschärft sich noch
weiter, sei es infolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse, oder weil den
Juden von der gehässigen Obrigkeit keine Baulizenzen erteilt werden. Die Stadt
verfällt weiter, und im Jahre 1790 gibt es nur noch 26 Judenhäuser. Diese Zahl
nimmt bis 1788 auf 37 und 100 Familianten zu und zwar bei einer im selben Jahre
festgestellten Einwohnerzahl von 453. Durchschnittlich wohnen also 17 Personen
in einem Hause von sehr mäßiger Größe.
Wahrscheinlich
wegen der günstigen Lage mietete die Judengemeinde während des Dreißigjährigen
Krieges von der Christengemeinde fünf auf deren Gebiete liegende Gewölbe, für
die außer der gewöhnlichen Robot-Arbeit auch 15 Gulden zu zahlen waren.
Die Juden besaßen auch manches Wirtshaus, das auch von
Christen besucht wurde, was auf ein gutes Einvernehmen zwischen den Angehörigen
beider Konfessionen schließen lässt. Auch sonst wird von judenfeindlichen
Ausschreitungen nicht berichtet. Die ursprünglich strenge örtliche Trennung
zwischen beiden Gemeinden wurde nach dem Dreißigjährigen Kriege durchbrochen.
Höfe und Äcker lagen öde und verlassen und wer sich als Käufer meldete, war
ohne Rücksicht auf sein religiöses Bekenntnis willkommen.
Die meisten der Pohrlitzer Juden werden wohl Handel
getrieben haben oder sind Geldverleiher gewesen. In welcher Ferne sie
Handelsbeziehungen unterhalten haben mögen, geht aus einer beim Brünner
Gubemium vom Advokaten Josef Friedrich Großbauer im Jahre 1768 erhobenen Klage
hervor. In ihr werden Pohriitzer Juden beschuldigt, das Baby einer zum
Christentum übertretenen Jüdin, nämlich das jüdische Kind Rifka Vögerle, aus
Ofen nach Trebitsch entführt zu haben. Sehr sorgfältige Erhebungen haben die
völlige Unschuld der verdächtigten Juden ergeben, aber der Fall zeigt auf, daß
die Pohrlitzer Juden ihre Geschäfte bis nach Ofen trieben.
Auch sonst führte ihr Weg in weite
Fernen. Es war aber der Weg des Hausierers, der, von Weib und Kind monatelang
fern, in Niederösterreich und anderen ehemaligen Kronländem seinen armseligen
Handel betrieb und nur zu den Feiertagen in die Heimat zurückkehrte. Die
Heimat selbst zeigt nach den Quellen, die alle aus dem 17. und 18. Jahrhundert
stammen, das Bild eines geregelten Gemeindelebens. Die Gemeinde hat einen
Rabbiner, einen Vorsänger und einen Diener. Sie hält zwei Nachtwächter — einen
Juden und einen Christen. Kultusgemeinde und politische Gemeinde fallen
zusammen und der Vorsteher der ersteren ist zugleich Bürgermeister oder
„Judenrichter“. Erst unter dem Vorsteher-Bürgermeister Wilhelm Schnabl wurden
Verwaltung und Führung der beiden Gemeinden getrennt. Im Jahre 1919 verlor die
Judengemeinschaft ihre politische Selbständigkeit und wurde mit der
Christenstadt vereinigt.
Die jüdische Gemeinde verfügte
ferner über eigene Schulen, eine Jeschiwa des Rabbi Jehuda Lob Freund, der 30
Jahre lang in Pohrlitz wirkte, sowie über verschiedene Stiftungen für Kultus-,
Schul- und Wohlfahrtszwecke. Sie setzt sich das schönste Denkmal in der
Gründung einer Schule, dem Bau eines rituellen Badehauses (1885) und einer
Synagoge. Bis zum Jahre 1835, da die Judengemeinde eine eigene Schule
errichtete, dürften die Kinder privat durch selbständige Lehrer unterrichtet
worden sein. In der neu gegründeten Gemeindeschule wurden besonders jüdische
Lehrgegenstände unterrichtet. Den Profanunterricht erhielten die jüdischen
Kinder in christlichen Schulen, wo sie getrennt von den nichtjüdischen Schülern
in bestimmten Stunden des Tages unterrichtet wurden. 1845 begannen Verhandlungen
über die Errichtung einer „deutsch-jüdischen Trivialschule“ und die
Genehmigung zur Eröffnung der Schule wurde im Jahre 1847 erteilt. Unter der
Leitung des berühmten Erziehers und pädagogischen Schriftstellers Emanuel
Bondi hat sie ein hohes Niveau erreicht. Im Jahre 1857 wurde die Schule
dreiklassig, 1870 vierklassig, 1913 zweiklassig und im Februar 1919 wurde sie
aufgelöst.
Die altertümliche Synagoge, längst
baufällig und zu klein, wurde abgetragen und unter der Führung von Veit
Schnabl, der durch fast 40 Jahre das Amt des Kultusvorstehers und
Bürgermeisters innehatte, wurde im Jahre 1852 an den Bau eines neuen
Gotteshauses geschritten, das am 1. Oktober 1856 vom Proßnitzer Rabbiner Dr.
Adolf Schmiedl eingeweiht wurde.
Als Rabbiner fungierten in Pohrlitz, soweit feststellbar:
Rabbi Löw (1657); Rabbi Jona ben Jekutiel Halevy; Rabbi David ben Arie Jehuda;
Rabbi Avigdor ben Paltiel; Rabbi Jacob Abraham Trischet; Rabbi Elieser ben Zwi
Hirsch; Rabbi Baruch ben Benjamin Seew; Rabbi Jehuda Lob Freund; Rabbi
Jehoschua Weiß (1862—1911); Dr. Moses Friediger (1912 bis 1913); Dr. Rudolf
Ferda (1914—1921) und Dr. Heinrich Gescheit (ab 1.4.1922).
Vorsteher der Pohrlitzer
Judengemeinde waren: Jehuda Lob; Abraham Hirsch Pollak (1794, 1810—1815,
1832); Moses Schnabi (1795—1799, 1802, 1804—1807, 1809, 1816); Aron Frischauer
(1800 bis 1801, 1803);
Bernhard Schnabi (1817, 1819—1821, 1832, 1829, 1830);
Joachim Mandl (1822, 1828); Markus Pollak (1824); Veit Schnabi (1825, 1834,
1837—1838, 1839 und dann von 1848).
An Vereinen besaß die Pohrlitzer Judengemeinde früher den
Talmudverein „Chewrat Schaß“, die „Talmud Thora“ und den Verein der Jünglinge.
Später wirkten nur noch die „Chewrat Kadischa“, der Frauenverein und der
Turnverein „Makkabi“. In den Gemeindeaußchuß entsandte die Pohriitzer
Judenschaft drei Vertreter. Zur Pohrlitzer Judengemeinde gehörten auch einige
Ortschaften aus dem Pohrlitzer und Groß-Seelowitzer Gerichtsbezirk. In
Groß-Seelowitz hat es einen jüdischen Betverein mit eigenen Beamten gegeben, in
späteren Jahren waren dort nur noch zwei Judenfamilien übriggeblieben.
Im Jahre 1925 gab es in Pohriitz
noch 400 Juden, die Zahl ging jedoch bis 1930 auf 277 zurück. Der Großteil der
im Orte zurückgebliebenen Juden wurde deportiert und hat die Naziära nicht
überlebt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gemeinde nicht mehr erneuert.
PULLITZ
Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen
Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen
Die
Entstehung der seit 1890 aufgelassenen Judengemeinde Pullitz ist in
sagenhaftes Dunkel gehüllt. Einer mündlichen Überlieferung zufolge soll sich
ein Teil der 1454 aus Znaim vertriebenen Juden in Pullitz niedergelassen und
die Judengemeinde gegründet haben. Auf Gerichtsdokumente und alte Grabsteine
gestützt, stellte der einstige Pieslinger Bezirksrabbiner L. M. Kohn fest, dass
Pullitz im Jahre 1523 deutliche Spuren eines jüdischen Gemeindelebens
aufzuweisen hatte. Immerhin wird in einem Lahnenregister aus dem Jahre 1671 die
vorhandene jüdische Siedlung als „neugestiftet“ bezeichnet. Und da zur
Unterbringung der Juden erst zwei Häuser neu erbaut wurden, liegt die
Vermutung nahe, dass vor dem Jahre 1671 in Pullitz keine Juden wohnten. Daraus
ergibt sich die Vermutung, dass die Gemeinde von den 1670 aus Wien vertriebenen
Juden gegründet wurde.
Im
Jahre 1723 wurde eine Judengasse errichtet und die Judengemeinde von der
Christengemeinde separiert. Im Jahre 1758 werden alle Judenhäuser
einschliesslich einer Holzsynagoge Opfer eines Brandes. Retter in Not wurde der
wohlhabende Judenrichter Isak Landesmann, der seinen Glaubensbrüdern zum
Wiederaufbau ihrer Häuser und zu einer neuen Synagoge verhalf. Er war es auch,
der im Jahre 1782 ein Frauenbad und im eigenen Hause auch eine Normalschule
erbaute. Sein Hausrabbi, den er aus eigener Tasche besoldete, übte gleichzeitig
die Rabbinerfunktionen in der kleinen Gemeinde aus.
Die
Zahl der Judenfamilien in Pullitz wurde 1787 mit 22 festgesetzt. Bei diesem bis
1848 unverändert gebliebenem Familienstand betrug die Kopfzahl: 1830 – 161,
1848 – 118, 1857 -131, 1868 – 43, 1880 – 46, 1890 – 61. Der letzte Pullitzer
Jude, Leopold Landesmann, übersiedelte 1913 nach Jamnitz. Mit der Neuordnung
der jüdischen Angelegenheiten im Jahre 1890 wurde die Judengemeinde Pullitz
aufgelöst und die Juden der Kultusgemeinde Jamnitz zugewiesen. Auch der Tempel
und der Friedhof gingen in den Besitz der Jamnitzer Kultusgemeinde über. Der
Friedhof wurde bis zum Ersten Weltkrieg von der Jamnitzer Gemeinde gepflegt und
die Umzäunung repariert. Gegenwärtig erinnert nichts mehr an die Existenz
dieser einstigen jüdischen Gemeinde in Mähren, der auch die italienische
Adelsfamilie Weiss di Valbranca entstammt.
SCHAFFA
Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen
Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen
Die Geschichte der
Judengemeinde Schaffa beginnt mit dem Jahre 1670. Sie wurde nach der
Vertreibung der Juden Niederösterreichs von Flüchtlingen aus Weitersfeld und
Pulkau gegründet. Der Frainer Herrschaftsbesitzer, Graf Maximilian
Starhemberg, gewährte den vertriebenen Juden eine Freistätte, da der Ort seit
seiner Verheerung durch die Schweden 1645 noch halb verödet war. Von den in
Schaffa angesiedelten 85 Judenfamilien besiedelte nur ein Teil die ihm zugewiesene
Freistätte, die heute noch die Bezeichnung Judengasse führt, ein Teil erwarb
Baustellen im Marktteil von Schaffa, so auf dem Platz nördlich der Kirche und
beim Petreinetor.
Mündliche Überlieferungen berichten, dass diese
Weitersfelder Juden das nackte Leben und ihre Thorarollen gerettet hätten. Bis
1938 wurde im Tempel von Schaffa eine der guterhaltenen Rollen mit der Aufschrift
„weit im Felde“, d.h. Weitersfeld, aufbewahrt.
Als 1734 die
Gutsherrin von Frain, Gräfin Maria Anna von Althau, auf dem Pfarrplatz von
Schaffa eine Kirche erbauen liess, ordnete sie den Umzug der nördlich der
Kirche wohnenden Juden in. Die Judengasse an.
1778 wurde den Juden von Schaffa
zur Vergrösserung ihres Friedhofes von der Herrschaft Frain eine Parcelle
abgegeben. Im folgenden Jahr wurde die neue Synagoge vollendet. Nach dem
Toleranzpatent Josefs II. von 1781 wurde den Juden gestattet Schulen zu errichten.
1800 wurde auch in Schaffa eine Judenschule gegründet, deren erster Lehrer L.
Lederer aus Trebitsch war. Ab 1805 erteilte der Lehrer der Christenschule,
Johann Bauer, zwei Stunden täglich in der Judenschule Unterricht und bezog
dafür 80 Gulden jährlich. Die Christen- wie die Judenschule standen bis zur Verabschiedung
des Reichsvolksschulgesetzes von 1869 unter Aufsicht der Pfarrers von Schaffa.
Am 13. Juni
1822 wurde das ganze Judenviertel, mit Ausnahme eines einzigen Hauses, zusammen
mit 45 Häusern der Christengemeinde, Opfer eines Brandes. Beim Wiederaufbau der
120 Judenhäuser wurden die meisten einstöckig erbaut.
Bis 1848 stand die Judensiedlung von Schaffa unter dem
Schutze der Herrschaft Frain. In diesem Jahre konnten die Juden eine eigene
politische Gemeinde neben der Kultusgemeinde errichten, die bis 1919 existierte.
Von 1848 an erlangten 15 Judenfamilien Häuser in der Christengemeinde von
Sehaffa und auch solche in vielen Nachbarorten.
Ein Denkmal
der politischen Freiheit der Schaffaer Juden ist das 1869 vollendete Schul- und
Gemeindehaus. Die 1800 gegründete einklassige Judenschule wurde nach 1848
zweiklassig und nach Erweiterung der Schulpflicht auf acht Jahre ab 1869
dreiklassig.
Die Juden von Schaffa
beherrschten im Raume Znaim — Hollabrunn — Krems — Zwettl — Zlabings und
Jamnitz den Verkauf von Tuch, Leinen und Leder, sowie den Einkauf von
Schafwolle, Flachs, Häuten, Fellen, Hörn, Geweihen und Borsten.
1870 wurde die Franz-Josephs-Bahn
und 1872 die Nordwestbahn eröffnet. Die nächsten Eisenbahnstationen sind
Hötzelsdorf und Schönwald, jeweils 14 km von Schaffa entfernt. Diese
Entfernungen führten zum Untergang der Judensiedlung, da sich Handel und
Industrie entlang der Bahnlinie etablierten.
Die Judengasse
verfiel, die Judenhäuser wurden z.T. an christliche Tagelöhner verkauft. Die
dreiklassige jüdische Schule hielt sich bis 1883. Hatte es 1790 in Schaffa
noch 556 Juden und 540 Christen gegeben, in 1837 633 Juden und 610 Christen,
ging deren Zahl bis 1900 auf 374 Juden und 602 Christen, bis 1910 auf 150 Juden
und 588 Christen und bis 1930 gar auf 65 Juden und 707 Christen zurück.
1938 gab es in 25 Haushalten 52 Juden in Schaffa. Von diesen
gelang es etwa einem Drittel ins Ausland zu gelangen, während der Rest 1939
deportiert wurde.
1919 wurden die Christen- und die Judengemeinde von Schaffa
vereinigt, 15 tschechische Familien siedelten sich in der Judengasse an. 1938
wurde infolge des Münchner Diktats Schaffa an das Nazireich angeschlossen. Die
örtlichen Deutschen begrüßten die deutschen Truppen, weil sie die Tschechen los
werden wollten, ohne daß eine betont antijüdische Stimmung unter ichnen
aufgekommen wäre.
GESCHICHTE DER JUDEN IN ZLABINGS
Bearbeitet von
Rudolf
Hruschka, Althart.(1929)
Nach
Dr. Reutters „Geschichte der Stadt Zlabings (S. 293) durfte sich in dieser
Stadt im ganzen Mittelalter und bis tief in die Neuzeit kein Jude niederlassen.
Der Widerwille gegen die Juden war so groß, daß man sich im 17. Jahrh. gegen
die Ansiedlung eines getauften Juden mit Heftigkeit sträubte und die Zünfte
1678 bei der Lahnenkommission eine Beschwerde gegen den Hausierhandel der Juden
der umliegenden Orte Markwaretz, Wölking, Piesling, Althart, Maires und Pullitz
einreichten.
Zeitweise
war ihnen sogar das Betreten der Stadt verboten; nach der mündlichen
Überlieferung soll dann auf die Dauer des Verbotes der Handel zwischen der
Stadt und den Juden auf der heute noch sogenannten „Judenwiese“ abgewickelt
worden sein.
Für
die judenfeindliche Einstellung des Zlabingser Magistrats in der Mitte des 18.
Jahrhunderts zeugt denn auch das folgende drakonische, beim Appellationsgericht
in Prag gegen den des Raubes beschuldigten Juden Isak Samuel Polatschek
erwirkte Urteil, das an dem Unglücklichen nach der am 23. September 1741
erfolgten Publizierung vollstreckt wurde:
„Im Namen und von wegen der zu Hungarn und Böheimb
Königl. May. Unserer Allergnädigsten Frauen haben Dero Praesident,
Vize-Praesident und Raethe so über denen Appelationen ob dem Königl. Prager
Schloß sitzen, Alß ihnen von dem Zlabinger gericht alß ihnen daselbst ex capite
Latrociny Verhaffteten Juden Isaak Samuel Polatschek eine Kriminal-Frag nebst chlussb
gerichtl . gethanen Aussagen geschicket und darinnen, was rechts seyn möchte
umb Bescheid und Belehrung gebetten worden ; nach geseh und genugsamber
Erwegung derselben so bey Ihnen verbleiben, Sich dahin entschlossen so ferner
die Sachen angebrachter massen sich Verhalten: So wäre eingangs erwehnter Jud
Isaak Samuel Polatschek seines schweren und ärgerlichen Verbrechens halber anderen
zum Abscheu und Beyspiell, ihme aber zur wohlverdiente Straff, Von Gericht aus
auf eine Rindthaut zur Richt-statt zu schleppen, sodann von obenherab mit dem
Rad vom Leben zum Todt zu bringen, in ein Rad einzuflechten und mit solchem in
die Lufft aufzustellen.
Von Rechtswegen: Zu Urkundt dieses Briefes besiegelt mit
dem hierzu verordneten Königl. Secret-Insigl, der gegeben ist im Königl. Prager
Schloß den 3 Monats Tag im August Anno Domini 1741.
Franz Carrl graff Bratislav“
(Die
Originalurkunde, sowie das Rad, dessen letztes Opfer Polatschek war, befinden
sich im Zlabingser Stadtmuseum.)
Erst
1842 finden wir in Zlabings 6 geduldete Juden, die nach Wolny (V1/520) „fremde
Familianten“ sind; seit 1848 aber wanderten sie stark ein, namentlich aus
Wölking (Bauer, Planer Spiegl), Piesling und Altstadt.
Nach
Dr. Theodor Haas, „Die Juden in Mähren“ (S. 59) wurden in Zlabings gezählt:
1848 27, 1857 23, 1869 63, 1880 75, 1890 73 und 1900 77 Juden. Während 1921
hier noch 58 Juden siedeln, von denen sich 7 Personen zum Judentum als Nation
bekannten, sind gegenwärtig bloß 49, in 14 Familien vereinigte Juden in
Zlabings chlussb; es sind dies die Familien: Allina (5 Personen), Bauer (2
Familien mit je 4 Personen), Dr. Richard Blümel (1), Glaser (3), Kollmann (2),
Lichtwitz (5), Mandl (5), Planer (6), Schwalb (2), Spiegel (3), Stukart sen
(2), Stuckart jun. (4) und Zimmer (3).
Ihrem
Berufe nach sind die Zlabingser Juden hauptsächlich Geschäftsleute.
Von
den 441 Gebäuden der Stadt befinden sich einschließlich zweier Fabriken 14
Häuser in jüdischem Besitz.
Mit
der 1890 erfolgten Neuordnung der Kultussprengel wurden die Zlabingser Juden
als Kultusfiliale zur Gemeinde Piesling zugeteilt. Ihre Andachten verrichteten
sie früher in für diesen Zweck eigens gemieteten Zimmern, die umständehalber
öfter gewechselt werden chluss, und besitzen seit 1895 einen in der Langen
Gasse Nr. 61 liegenden, am 25. Juni desselben Jahres von den Rabbinern Dr.
Nathan Frik (Piesling) und Dr. A. Morgenstern (Jamnitz) eingeweihten Tempel,
dessen Entstehung der Initiative des frommen Geschäftsmannes Lazar Stukhart zu
danken ist. Er stiftete den in damaliger Zeit namhaften Betrag von 5000 K und
führte eine Sammelaktion durch, an welcher sich nachhenannte Personen und
Körperschaften mit Spenden beteiligten: Landesmassafond Brünn (1000 K), Baron
Hirsch, Wien (1000 K), Israel. Allianz Wien (400 K), Baron Nathaniel Rotschild,
Wien (300 K), Baron Guttmann, Wien (200 K), Friedrich Pollak, Wien (200 K), die
Zlabingser Bürger: Emanuel Mandl (200 K), Max Bauer (200 K), Max Stuckhart (200
K), Max Hirschkron (100 K), Ignaz Bauer (IOOK), Moriz Bauer (IOOK),
Unterstützungsverein Zdoke, Zlabings (100K), ferner die Kultusgemeinde Piesling
(200K), Ritter von Fröhlich, Ischl (100 K), Sonnenschein und Landesmann, Prag
(100 K), Dr. Hans Hirschkron, Wien (100 K) u. a.
Der
Tempel enthält außer dem geräumigen Betsaal mit schönem Altar und einer
Frauengalerie im Erdgeschoß ein Vereinszimmer und ein Krankenzimmer des
Zlabingser isr. Armen‑ und Krankenvereines, im 1. Stockwerke eine Wohnung
für den jeweiligen Kantor und stand unter der Verwaltung folgender Herren: Max
Hirschkron, Max Bauer, Ignaz Fürst, Wilhelm Spiegl, Samuel Allina, Emanuel
Mandl und Max Stuckhart.
An
Kantoren wirkten hier: Ruberl (1880), Schüller, Staugl, Adolf Schrötter (1885),
chlussb (1892), Max Friedl (1898 bis 1914; er fiel im Weltkrieg), während des
Krieges der Rabbiner Schap und schließlich Wetzstein. Seit dem Umsturz ist die
Kantorenstelle unbesetzt.
Da
Ziabings einen eigenen jüdischen Friedhof nicht besitzt, finden die
Beerdigungen in Wölking, Altstadt (Böhmen) oder Piesling statt.
Im
Sinne seines großen Lehrers Prof. Dr. Hermann Nothnagel : „Nur ein guter Mensch
kann ein guter Arzt sein“, wirkte durch mehr als drei Dezennien Dr. Wilhelm Goldstein
als Stadtarzt und langjähriges Mitglied der Gemeindevertretung. Geboren am 23.
Dezember 1848 in Radenin (Böhmen), promovierte er in Wien am 24. Dezember 1875
und starb am 5. Mai 1913. Am 13. März 1877 hatte er Marie Stein geheiratet
(geb. in Vlaschim, Böhmen, 16.Dezember 1855). Aus dieser Ehe stammte ein Kind,
Franziska, geh. 3. August 1900, verheiratet seit 14. August 1923 mit Norbert
Wallner, geb. 12. Februar 1898.
Ein
hervorragendes Mitglied war auch Samuel Allina, Chef der Firma Samuel Allina
&. Sohn, geboren in Tucap oder Platz am 6. Oktober 1839, gestorben am 25.
November 1908. Er war ein Sohn des Altstädter Rabbiners David Allina und war
mit Lori Schulz, geboren Datschitz 14. März 1848, gestorben 28. Jänner 1918,
verheiratet. (Mitteilung von Dr. M. Holzmann, Wien.)
Dr. Wilhelm Goldstein
GESCHICHTE DER JUDEN IN ZNAIM.
Bearbeitet von Hugo Beinhorn.,
Znaim.
Redigiert von Dr. B. Wachstein,
Wien.
IN: Die Juden und Judengemeinden
Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, ed. Hugo Gold, Brünn 1929, Seiten
579-585.
ZNAIM ist eine der ältesten
Ansiedlungen in Mähren. Da die Burg bereits 1048 erwähnt wird, kann man
annehmen, dass Juden sich hier sehr frühzeitig niedergelassen haben. Dafür
spricht eine Urkunde aus dem Jahre 1052, in welcher Herzog Břetislav I.
bestimmt, daß Znaim dem Stifte Altbunzlau den Zehent per 6 Denare zu entrichten
hat und in welcher auch von den Abgaben der Juden die Rede ist.
Damals bestand Znaim aus der Burg,
in welcher der Fürst von Znaim mit seinen Kriegern und Beamten wohnte. Herzog
Břetislav I. teilte nämlich Mähren unter seinen drei Söhnen auf (1056).
Der jüngste, Conrad, wurde der erste Fürst von Znaim.
Unterhalb der Burg war das
suburbium, die „Grub“, welche Bezeichnung auch heute noch die volkstümliche für
die Altstadt ist. Sie war die Ansiedlung der Handwerker und Kaufleute, hier
wohnten auch die Juden.
Außerdem standen auf dem Gebiet der
heutigen Stadt neben einzelnen Höfen folgende Dörfer: Culchov (Gegend der
Wienerstraße), Chegost (wahrscheinlich das Areal von der Futtergasse, Schmied-
und Schlossergasse), Ugezdez (Ansiedlung um die Niklaskirche; der untere Teil
der Wenzelskapelle stammt aus der Zeit von 1040 bis 1050, während die
Niklaskirche zirka 1190 zuerst als Kapelle gebaut wurde), Bala (Umgebung der
Michaelerkirche), Ungardorf (auf welche die heutige Kroatengasse zurückgeführt
wird).
Am 19. September 1226 verlieh König
Přemysl Ottokar I. Znaim das Stadtrecht; infolge dessen wurden alle diese
Dörfer zu einer Stadt zusammengefaßt und eine Umgruppierung der Bewohnerschaft
der vorwiegend deutschen Ansiedlungen vorgenommen. Die Böhmen siedelten sich in
dem Sprengel der 1103 gebauten Michaelerkirche, in der Böhmgasse an. Die Juden
wohnten von da ab zusammen im Gebiet der heutigen Großen Fröhlichergasse,
wodurch das Znaimer Ghetto, die Judengasse geschaffen war. Über die Judengasse
orientiert uns eine Schenkungsurkunde vom 5. August 1330, in welcher das
Minoritenkloster (heute Fronfeste) einen Teil seines Gartens dem St.
Klara-Nonnenkloster (Gymnasium, Ottokarschule) abtrat. Als Grenze wird die Judengasse (Vicus Judaeorum,
Judenviertel, im Stadtbuch von 1523 platea Judaeorum) genannt. Ferner wird
verlangt, daß das Judenpförtchen stets geschlossen bleibt. (Es bestand auch
eine obere Judenpforte; anfangs 1800 war am Eckhaus Fröhlichergasse –
Jesuitenplatz noch die Torangel sichtbar.) Neben dem St. Klarakloster lag die
Judenschule. Es ist noch eine Urkunde aus dem Jahre 1390 vorhanden, laut
welcher zwischen dem Nonnenkloster und der Judengemeinde ein Vergleich wegen einer
neben Kloster und Judenschule zu führenden Mauer und Wasserleitung geschlossen
wurde. Neben der Schule stand die Synagoge, anschließend daran die Duke, das rituelle Bad. (Jetzt Große
Fröhlichergasse Nr. 3. Der Brunnen, seit Jahren verschüttet, befindet sich im
Holzschupfen.)
Der alte jüdische Friedhof lag
außerhalb der Befestigungsmauern der Stadt längs der Fröhlichergasse auf der
Lehne des Burgwalles und erstreckte sich vom Teltscherschen Garten bis zum
Hause Burgwall Nr. 13, wo ein Grabstein in der Hauswand, ein zweiter am Hause
Burgwall Nr. 9 eingemauert ist. Die ältesten Grabsteine stammen aus dem Jahre
1256, viele sind im Lapidarium des städt. Museums untergebracht.
Die Gebeine wurden 1869 gesammelt,
am 18. April 1869 im neuen jüdischen Friedhof im gemeinsamen Grabe bestattet;
eine Pyramide mit Inschrift schmückt diese Ruhestätte.
Die Entwicklung der mährischen
Judenschaft auf Grund des von Premysl Ottokar im Jahre 1254 den Juden seines
Reiches verliehenen Privilegiums erlitt eine jähe Unterbrechung durch die
Verfolgungen, die im Jahre 1338 von Pulkau
in Niederösterreich ihren Anfang nahmen und sich in Mähren und Böhmen
fortsetzten. Wieder einmal war es der Vorwand einer Hostienschändung, der den
Anlaß gab, die Menge zu fanatisieren und sich – was die Hauptsache war - der Judenschulden zu entledigen.
1349 war es die Pest, die in ganz
Europa und auch in Mähren schwere Judenverfolgungen herbeiführte, indem, wie
bekannt, sie der Brunnenvergiftung beschuldigt wurden. Trotz der fortwährenden
Bedrohung des Lebens und des Besitzes scheint die Judengemeinde in Znaim im 14.
Jahrhunderte von Bedeutung gewesen zu sein. Von den Gelehrten, die einen
klangvollen Namen in der damaligen Judenheit besaßen, ist uns der Name Rabbi Morchels überliefert. Die Werke
der Zeit, in denen R. Möschel aus Znaim als Autorität angeführt wird, sind von
Carmoly in der Zeitschrift Ben-Chananja VIIL, 736, zusammengestellt, (W,)
Bei der Durchsicht der im Archiv des
hiesigen Museums deponierten Judengerichtsbücher aus den Jahren 1417, 1427,
1428, 1435 findet man, daß die Gemeinde durch Zuwanderung vom Juden aus
Niederösterreich, Mähren, sogar Galizien (Eisak
vom Halicz) immer größer wurde. Die von den Amtsschreibern genau
verzeichneten Darlehensgeschäfte (für jeden Juden respektive Jüdin sind 1 bis 3
Blätter im Buch reserviert), geben Aufschluß über den Umfang der Geldgeschäfte
der hiesigen Juden mit den Bürgern der Stadt, dem Adel und der Bauernschaft der
Umgebung. Im Buche von 1417 ist unter andern Radgym Polonar, der Geldgeber des Markgrafen Prokop erwähnt. Auch
Morchel ist darin verzeichnet
(1417) als Rabbi Maschlein , ferner sein Schwager Nachym von Iglau und dessen Frau Esther. Von Gewerben sind nur Binder- und Schankmeister genannt,
Fleischhacker keine. Das ist wohl darauf zurückzuführen, daß den Juden 1401
durch den Markgrafen Prokop das Fleischausschroten gänzlich verboten wurde. Die
Ursache war ein Streit zwischen den jüdischen und den christlichen
Fleischhackern infolge der neuen Metzgerordnung, die den Preis des Fleisches
einheitlich regelte. Die Juden waren bisher billiger gewesen, hatten, wie die
städt. Fleischbeschauer erklärten, besseres Material. Um der Konkurrenz der
christlichen Fleischer, die ihre Verkaufsstände am Oberen Platz hatten,
auszuweichen, wollten sie am Pöltenberg ihre Ware feilbieten, was ihnen jedoch
verboten wurde .
Als im Jahre 1421 die Hussitenkriege
in Mähren begannen, hielt sich Kaiser
Sigismund mit seinem ganzen Hofstaat während des März 1421 23 Tage lang in
Znaim auf und borgte sich zum Schluß von der Stadt 905 fl. Aus. Dann teilte er
seine Schuld an die Stadt Znaim auf die Juden der königlichen Städte Brünn,
Olmütz und Znaim auf. Am meisten hatten die Znaimer Juden zu zahlen, nämlich
400 fl
Herzog Albrecht hatte im April 1422 Elisabeth, die erst 13 jährige Tochter
Kaiser Sigismunds, geheiratet. Statt der versprochenen Mitgift bekam er als
Pfand Znaim, Budwitz, Pohrlitz, Jamnitz und Iglau, die alle reiche
Judengemeinden zur Brandschatzung hatten. Trotz des anfangs geringen Zinses,
der 1453 auf ½ Groschen pro Schock erhöht wurde, chluss die Juden ihr Geld an
Adel, Klerus, Bürger und Bauern herborgen. Wenn es zum Zahlungstermin kam, der
stets, wie man aus den erwähnten Judengerichtsbüchern entnehmen kann, genau
festgesetzt war, gab es Streitigkeiten. Besonders langwierig waren sie zwischen
Znaimer Juden und Stadt, so daß Ladislaus
V. Posthumus seinen Unterkämmerer Beneš
von Boskowic beauftragte, diesen Streitfall endlich beizulegen. (August
1453.) Da dieser fand, das die Juden im Recht waren, befahl der König den
Znaimern, ihre Schuldem zu bezahlen. Diese erbaten sich Verlängeruug des
Termines und Nachlaß aller Zinsen; trotzdem scheinen sie nichts bezahlt zu
haben, denn als der König anfangs Jänner 1454 in Brünn Landtag hielt, erschien
dort eine Znaimer Abordunug mit Klagen gegen die Juden. Eine zweite Deputation,
bestehend äus Delegierten der Znaimer Bürgerschaft, des Pöltenberger Propstes
und Klosterbrucker Stiftes brachte dem jungen König Geschenke. So kam es, daß
er Ende Feber 1454 bestimmte, der Zahlungstermin wäre zu verlängern, die Stadt
hätte nur die Hauptschuld zu begleichen. Im Mai kamen wieder die Znaimer zum
König, um sich über die Juden zu beschweren.
Zu dieser Zeit hetzte der
Franziskanermönch Capistrano (1386
bis 1456) eifrig in Südmähren gegen die Juden. Aus den Abruzzen gebürtig,
durchzog er fast ganz Europa, gegen Türken, Hussiten, Ketzer, besonders aber
gegen die Juden predigend, ließ sie gelegentlich verbrennen, so z. B. in
Krakau, Breslau
(40 auf einmal). Capistranos
Predigten, die Znaimer Geschenke und Klagen bewogen den erst 14jährigen König
Ladislaus Posthumus, den Streit zwischen Schuldnern und Gläubigern in seinen
königlichen Städten radikal beizulegen, indem er die Juden aus denselben
auswies. Wie an alle anderen königlichen Städte, erging auch an Znaim am 25.
Juli 1454 der Befehl, die Juden auszuweisen. Die Ausweisungsurkunde lautet:
Wir Laßlaw Von Gottes
genaden Zu Hungarn, Zu Behemb, Dalmatien, Croacien, Khunig Herzog zu Osterreich
Vndt Margraf f Zu Mehren bekhennen, daß Wir aigentlich gemerkht haben, solich
Verderbnuß Vndt Beschwerung, so manigfeltig Vnsern liebem gethreüen den burgern
Vndt der Gemein zu Znoym, auch Ihren Vntersassen von den Juden daselbst Zu
Znoym Wohnhafften widergangen vndt beschehen, dar durch Sy in groß armuth vndt
verderbnuß khomen seint, vndt noch vielleicht in größer armuth undt schäden
khommen möchten, ob daß nicht unter khommen würd und dorauß in die Lang unfug
entstehen möchte. Solichen nun zu widerstehen, haben wir die sachen gewogen
vndt mit zeitigem Rath für Vns genommen und zu Vnserm demüth betracht vndt von
sondern gnaden wegen, durch aufnemung Willen der bemelten Statt haben Wir
dieselben Vnsere burger vndt gemein Zu Znoynr, vndt Ihren Untersassen solich
gnad gethan, daß wir Sy alß ein khunig zu Behemb und Margraff Zu Mehren
derselben Juden daselbst Zu Znoym ganz entladen vndt Bemüßigt haben, entladen
vndt müßigen auch wissentlich in Kraft diß Briefs, von behemischer khuniglicher
macht In solichem Maße, daß sich alle Juden vndt Judin, Jung vndt alt kheiner
außgenommen, Von Znoym mit Ihrer Vahrunder hab fügen und weeg ziehen sollen
Zwischen hier vndt Sct. Martinstag schienstkhünfftig, Vnvorzogentlich. Auch
sollen die Khristen daselbst: zu Znoym, die gemain vndt ihr untersassen
denselben Juden vndt andern Juden, die bey in gewohnt vndt sich von in gezogen
haben, Ihr gelihen haubtgueth, welch In das noch schuldig sein, bezahlen vndt
außrichten nach Inhalt der Begnadung so Wir denselben von Znoymb vndt den Ihren
Vormahlen von der Juden geltschuldt wegen gethan haben vndt damit von Ihnen
ledig sein.
Wir haben auch den obgenannien Vnsern Burgern zu Znoym aber noch mehr
gnad gethan, daß Wir In all Judenheuser, Padstuben, Ihr Synagog vndt freithoff
verlihen, gegeben und ganz Zugeaignet haben, die mit Khristen zu besetzen vndt
hinfür die Juden in dieselbigen noch in andere heuser der obgemelten Vnserer
Statt zu besitzen mehr zukhommen lassen, Vndt sollen Vndt mögen mit denselben
heüsern handeln vndt thuen nach ihren Vndt derselben Unserer Statt notthurft,
so in das am besten vndt nützlichisten bedunkhen wird an allermenniglich
ihrrung doch in solichem maße, daß dieselben Unser burger daselbst zu Znoym Vnß
Unsern Erben und nach khommen Marggrafen Zu Mehren solich zinnß vndt Rendt so
Vnß die bemelten Juden In Unser Cammer geraichet Vndt gegeben haben, daß ist
vierzig Schock Broschen gewöndlicher und gengiger munz in Unserm Lande Zu
Mehrern halb auf Sct. Jorgentag Vndt halb zu Sct. Gallentag hinfür järlich
reichen vndt geben sollen: davon gepietten wir den Edeln Unseren lieben
gethreuen, allen Unsern haubtleithen Cammerern, Herrn; Rathen vndt knechten,
Pflegern, Vndt sunderlich Unserem pfleger auf Unserem haus Zu Znoym,
Burggraffen, Burgermaister,: Richtern, Rathen, Burgern, Gemeinden in Stehen
vndt auf dem Lande vndt allen andern Unsern Mauttnern, Zöllnern vndt
Vntherthanen In Unserm Khönigreich Behemb vndt runder in Unserm Marggraffthumb
Zu Mehren gesessen vndt Wohnhafftig, die jetzundt seint oder hinfür in
khünfftigen Zeiten sein werden ernstlich vndt wollen, daß Sy dieselben Unser
Bürger vndt Gemain zu Znoym. Auch Ihr Unterrassen, bey diesen Vnser gnaden
genzlich bleiben lassen, vndt Sy da wider von der bemelten Juden wegen nicht
bekhummern noch beschweren, noch das yemanths andern Zu thun gestatten in
kheine weege, bey vermeydung Unserer schweren Vngnad. Mit Vrkhundt diß brieffs
versiegelt mit Unserem khuniglichen anhangenden Insigl. Geben zu Praag an Sct.
Jakobstag deß heiligen Zwölf polen (am Tage des heiligen Apostels Jakob) Nach
Christi gehurt Vierzehnhundert vndt in funffzigisten Jahre, Unserer Reiche des
hungrischen etc. Im funffzehnden, deß Behemischen Im ersten Jahre
Das St. Clara-Kloster übernahm drei
Häuser neben der Judenschule und die Badestube. Die Synagoge wurde sofort vom
Pfarrer von St. Nikolaus für das Klosterbrucker Stift in Besitz genommen und
ein Jahr später durch den Weihbischof Wilhelm
von Olmütz als St. Bernhardinkapelle eingeweiht. Um das Jahr 1546 wurde aus
dieser Kapelle das Malzhaus, später ein Wohnhaus gemacht, das Ende des 18.
Jahrhunderts dem Chirurgen Franz
Hochleitner gehörte.
Heute ist das Synagogengebäude ein
Teil des rückwärtigen Traktes der Ottokarschule. Den Kapellenrest erkennt man
aus der übertünchten Felderung der Decke des Durchganges und der 1.
Mädchenklasse. Rechts von diesem Gange führt eine niedere Holztreppe zu einem
zweistöckigen Anbau, der einer späteren Zeit entstammt, empor. Dieser Teil der
Schule entspricht in seiner Anlage ganz einem alten Bürgerhause.Den Friedhof
übernahm die Stadt, aus dem Wiesen und Gärten wurden In einer Urkunde vom Jahre
1670 ist die Judengasse „fröhliche Gasse“ genannt. Fröhlichergasse: nach den
dort untergebrachten „Fröhlicherinnen“ Prostituierten genannt. Zur Zeit des
Ghetto in Znaim waren dort bereits Bordelle; aus den Znaimer Verrechnungsbüchern
aus der Zeit König Sigismunds sind Posten angeführt für die Zahlungen, mit
welchen die nächtlichen Ausflüge des Königs und seines Gefolges zu den
„Fröhlicherinnen“ in die Judengasse vom Magistrate beglichen wurden.
Bis 1851 durfte in Znaim kein Jude
sich ansässig machen, doch finden sich Juden in den Losungsbüchern
(Steuerverzeichnissen) als Steuerträger. Wahrscheinlich waren das vereinzelte
privilegierte Familien, die in verschiedenen Vierteln der autonomen Stadt
wohnen durften. Ein Ghetto gab es nicht mehr in Znaim.
Vorübergehend war der Aufenthalt den
Juden in den königlichen Städten nur zum Besuch der Wochen und Jahrmärkte 3
Tage lang durch die Privilegien Kaiser
Ferdinands I. (1529), Kaiser
Ferdinands II. (1628), Kaiser
Ferdinands III. (1657), Kaiser
Leopold I. (1659) gegen Zahlung einer Leibgebühr von 15 Kreuzern und
erhöhter täglicher Mautgebühr und Standgeld gestattet. Dagegen erhoben Brünn,
Znaim, Olmütz, Iglau wiederholt gemeinsamen Einspruch, stets ohne wesentlichen
Erfolg.
In der Geschichte der mährischen
Juden spielt Znaim insoweit eine Rolle, als der mährische Landtag im Znaimer
Franziskanerkloster (früher Minoritenkloster, heute ehemalige Fronfeste) am 12.
Feber 1600 die Kopfsteuer für die Juden auf 12 Groschen jährlich festsetzte,
Kaiser Ferdinand II. auf dem hier
vom 22. Juni bis 3. Juli 1628 abgehaltenen Landtage am 30. Juni ein den Juden
sehr günstiges Privileg erließ, nach welchem ihnen gegen Erlag der bereits
erwähnten Gebühren der Besuch der Wochen- und Jahrmärkte in den königlichen Städten
neuerlich gestattet wurde, ihnen jedes Handwerk offen stand und Handels- und
Gewerbefreiheit garantiert wurde.
1708 betrug für Znaim die Leibmaut
18 Kreuzer und floß der städtischen Kasse, später der königl. Kammer zu. [Wenn
auch in Znaim selbst keine Juden zum dauernden Besitze zugelassen wurden, so
befanden sich doch im Kreis Znaim Judenansiedlungen. So finden wir unter den
sechs Landesältesten der mähr. Judenschaft im Jahre 1775 Juda Singer als Vertreter des Znaimer Kreises.
Die Vereidigung des Landesrabbiners
nahm der Kreishauptmann von Znaim in der Synagoge von Nikolsburg vor. 1789 wird
Enoch Pollak als Rabbiner des
Znaimer Kreises genannt, s. Müller,
Beiträge ete., S. 14, 15. (W)
Von dem bei Znaim gelegenen
Marktflecken Jaispitz wissen wir, dass
schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts dort Juden wohnten, so die Familie Weiss, welche die herrschaftliche
Branntweinerzeugung (Rande) gepachtet hatte. In Krawska wohnte die Familie Wotzilka,
in Winau die Familie Wessely. (Ein
interessanter Mann, der daselbst 1822 geboren wurde, ist der Leutnant Joachim Pollak. Seine Erlebnisse im
ital. Kriege 1848 sind im jüd. Familienblatt 1915, Nr. 23, geschildert.) Ebenso
hatten andere Dörfer unter ihren Bewohnern Juden, deren Nachkommen in den
Jahren 1860 bis 1870 sich in Znaim ansiedelten. Bis dahin wurden die Daten über
die Juden in den Pfarrmatriken der betreffenden Dörfer geführt, so daß z. B. im
Jahre 1861, wo noch wenige Juden in Znaim wähnten, im ganzen Dekanate Znaim 136
Juden gezählt wurden.
Die Stadt Znaim hatte von altersher
eine Konzession zum Betriebe einer rituellen Traitteurwirtschaft zur
Ausspeisung der während des Marktes in Znaim weilenden Juden. Diese Konzession
übertrug sie auf das Haus Pragerstraße Nr. 5. Bei der Adaptierung eines Teiles
dieses Hauses (1924) wurde in geringer Tiefe des Erdbodens eine Menge Skelette
gefunden, Beweis dafür, daß hier die Richtstätte war. Im Hofe dieses Hauses ist
ein Anbau (Küche und Zimmer), die Decke des Zimmers zeigt deutliche
Stuckarbeit, die in Barockkapellen üblich war. Hier war bis ins 17. Jahrhundert
die Richtstätte, zugleich Begräbnisort der Hingerichteten, gewesen. 1705 wurde
hier die Katharinenkirche errichtet,
1825 jedoch aufgelassen, der Platz
zum Besten des Religionsfondes veräußert, von der Stadt gekauft, die hier ein
der Kommune gehöriges Wohnhaus baute, das durchreisenden Juden Unterkunft und
Verpflegung bot. Denn damals durften sie nicht innerhalb der Stadtmauern
wohnen. Das Haus (heute Hauswirth) befand sich ja in der Vorstadt, vor dem 1854
abgetragenen Obertor.
In den 30er Jahren pachtete diese
Konzession Jonas Freiberger aus Eibenschitz und bewohnte das erwähnte Haus.
Ende 1850 übersiedelte der Cousin des Jonas Freiberger, Markus Freibergen aus Eibenschitz nach Znaim. Er konnte bei den
Bürgern kein Quartier finden, bis ihn der Förster Paulas, der mit dem Magistrat Zwistigkeiten hatte, in sein Haus in
der Fröhlichergasse (jetzt Nr. 11) mit seiner Familie aufnahm. Der damalige
Bürgermeister Anton Buchberger fuhr
zur Audienz nach Wien, um die dauernde Ansiedlung zu verhindern. Mit Erlaß des
Ministeriums des Innern vom 25. Mai 1851 wurde trotz Rekurses des
Gemeindeausschusses dem Markus Freiberger und seiner Familie die Niederlassung
in Znaim gestattet. Der zweite, dem das Wohnrecht zuteil wurde, war Simon Pisker aus Schaffa. Bereits 1846
kam er nach Znaim, bewohnte jedoch als Hotelgast ein Zimmer im Gasthof zur
goldenen Rose (schon 1670 in alten Schriften erwähnt, jetzt Hauptpost). Auch er
bekam bei keinem Bürger Unterkunft, durfte seinen Schnittwarenhandel nicht
offen ausüben. Nur seiner Freundschaft mit dem Bürgermeister Eller verdankte er
es, daß er stillschweigend
in Znaim geduldet wurde. Da alle
Versuche, hier das Wohnrecht zu erlangen, fehlschlugen (trotzdem mit der
Pillersdorferschen Verfassung vom 1. April 1848 die Juden als vollwertige
Staatsbürger erklärt worden waren, ihnen das Wahlrecht zuerkannt wurde und am
4. März 1849 die Gleichberechtigung aller
Konfessionen ausgesprochen war), begab sich seine Frau Babette 1852 zu
Kaiser Franz Josef in Audienz, worauf ihm durch kaiserlichen Befehl gestattet
wurde, in Znaim zu wohnen und am Oberen Platz Nr. 9 (jetzt Buchhandlung Klouda)
ein Schnittwarengeschäft zu eröffnen. Kurze Zeit darauf siedelte sich sein
Bruder David Pisker aus Schaffa hier
an. Auch er wohnte zuerst im erwähnten Gasthofe, bis die Aufenthaltsbewilligung
vom Ministerium des Innern (1852) gegen den Rekurs der Stadtgemeinde einlangte.
Als Nathan Skutetzky aus Nikolsburg
nach Znaim übersiedeln wollte, verwehrte es ihm die Gemeinde, so daß er in
Klein-Teßwitz wohnen chlus, gleichzeitig richtete sie eine Eingabe an die
Statthalterei, das weiterem Zuzug von Juden Einhalt geboten werde. Die
entscheidung vom. 12. September 1858 wies das Gesuch ab, so daß von da ab der
weiteren Niederlassung von Juden kein Hindernis entgegenstand.
1860 erschien ein Gesetz, durch
welches Grundbesitz zu erwerben den Juden gestattet wurde. Bald darauf kaufte Abraham Wengraf aus Nikolsburg das Haus
Nr. 18 in der Großen Fröhlichergasse. So hatte nach 400 Jahren der erste
jüdische Hausbesitzer zufällig in der ehemaligen Judengasse sein eigenes Heim.
Trotzdem das österreichische Staatsgrundgesetz vom 21.Dezember 1867 den Juden
vollständige bürgerliche und politische Freiheit gab, erhielt erst am 28. Mai
1876 als erster Jude in Znaim Dr. Med.
Emanuel Ullmann das Heimats- und Bürgerrecht. Er war der erste jüdische
Arzt, hatte sich am 1. April 1870 etabliert, war seinerzeit ob seiner
Tüchtigkeit der gesuchteste Arzt Südmährens und des angrenzenden
Niederösterreich. Ihm verdankt Znaim den modernen Ausbau seines Krankenhauses.
72 Jahre alt, starb er im Herbst 1912. Dr.
Hupka ließ sich als erster judischer Advokat im Jahre 1877 nieder.
Brauereibesitzer Rudolf Wotzilka kam als erster Jude im Jahre
1906 in den Gemeinderat.
Durch die Ansiedlung der Juden nahm
in Znaim vor allem der Getreidehandel einen bedeutenden Aufschwung, auch die
Konservenfabrikation wurde rationeller betrieben, besonders als im Jahre 1870 S. M. Zeisl statt der bisherigen
Verpackung in kleinen Fässern die bekannten Gurkengläser einführte und damit
den Znaimer Gurkenexport zu jenem Aufschwung verhalf, der unsere Stadt so
berühmt machte. Die erste Betstube
war in der Pragerstraße Nr. 5. Als im Jahre 1858 der Minjanverein sich bildete, wurde sie in die Nikolaigasse Nr. 14
verlegt. 1865 entstand die israelitische Kultusgenossenschaft (Protokoll vom z.
Jänner 1865 in der jüdischen Gemeindekanzlei), welche 1868 den neuen jüdischen
Friedhof baute. Bis dahin wurden die Verstorbenen in ihren Heimatsorten
beerdigt. Die Gemeinde hatte 1865 28 Mitglieder, ihr Vorstand war Bernhard Spitz.
Im Jahre 1869 wurde die Chewra – Kadischa gegründet, deren
erster Vorstand David Pisker war.
Als infolge Zuzuges neuer Familien die Zahl der Juden gestiegen war,
wurde am 3. Mai 1870 die Kultusgemeinde geschaffen. Die Betstube
wurde jetzt im 1. Stock des Gasthauses Kopf (derzeit Rakusan), Pragerstraße Nr.
2, untergebracht. Hier verblieb sie bis zur Einweihung der neuen Synagoge am z.
September 1888. Diese wurde nach Abtragung eines Gasthofes nach dem Plane des
Wiener Architekten Ludwig Schöne mit
einem Kostenaufwand von 65.000 fl. Durch den Znaimer Baumeister I. Schweighofer sen., in maurischem
Stile erbaut.
Ein Teil der Baukosten wurde durch
verlosbare Aktien, deren letzte 1910 ausgelost wurden, aufgebracht, ein Teil
vom mährischen jüdischen Landesmassafond geliehen, 33.000 fl von, der Znaimer
Sparkasse geborgt. Das Baukomitee, an dessen Spitze der damalige Kultusvorstand
Hermann Steiner stand, ist auf einer
Marmortafel in der Synagogenvorhalle verewigt; es spendete die Orgel. Der
israelitische Frauenwohltätigkeitsverein gab einen prächtigen Vorhang und eine
Altardecke, sowie die Beleuchtungskörper. Außer den bisherigen Torarollen kamen
als Spende je eine von Zweigental sen.
Und die schönste komplette vom Gemeindediener Hainrich Jellinek, der noch ein Paar silberne Leuchter und eine
silberne ewige Lampe dotierte. Herren und Frauen der Gemeinde widmeten
Geschenke zur Schmückung des Gotteshauses, in welchem am 23.Jänner 1889 die
erste Trauung vollzogen wurde.
Znaims erster Rabbiner der Jetztzeit
war Dr. Samuel Mühsam vom Jahre 1870
bis 1872, Ignaz HoIzer 1894 bis
1899.
Gegenwärtig wirkt seit dem Jahre
1899 Rabb. Prof.Dr. Isidor Kahan. Als
Religionslehrer wirkten an den hiesigen Schulen Heinrich Barth 1860 bis 1872 und Josef Paschkes, Dr. S.
Mühsam 1870 bis 1872, Israel
Wittenberg 1872 bis 1877, Samuel
Grün 1878 bis 1882, Ign. Ho1zer
1884 bis 1899 und Prof. Dr.Isidor Kahan seit
dem Jahre 1899, neben dem S. Handgriff seit
dem Jahre 1902 als Oberkantor und Religionslehrer tätig ist.
Als Vorsteher der Gemeindewirkten:
Hermann Schmiedl 1868 bis 1870; Alois Kob1itz 1870 bis 1871; Julius Benedikt
1871 bis 1872; Dr. Emanuel U1lmann 1872 bis 1873; W. H.Hellmann 1873 bis 1877;
Israel Glaser 1877 bis 1878; Dr.Emanuel U1lmann 1878 bis 1881; Jakob Schick
1881 bis 1886; Hermann Steiner 1886 bis 1907; Rudolf Wotzi1ka 1907 bis 1919;
Dr. Hermann Wo1fenstein seit dem Jahre 1919.
Mit dem Erstarken der Znaimer
jüdischen Gemeinde war auch der Boden zur Bildung von Vereinen geschaffen. Die
Kultusgenossenschaft rief den Talmud Tora Verein,
um jüdisches Wissen zu verbreiten,
ins Leben. Leider war das Interesse an dem Zwecke des Vereines in den letzten
Dezennien so gering, daß er sich 1919 auflöst. Im Jahre 1881 bildete sich der
israelitische Frauenwohltätigkeitsverein, an dessen Spitze nahezu 47 Jahre als
hochverdiente Präsidentin Frau Luise Brüll stand. Stets .bereit, Bedürftigen
und verschämten Armen werktätige Hilfe zu bringen, hat dieser Verein besonders
zu Kriegszeiten die Not der Flüchtlinge –und Kranken mehr als es seine
beschränkten Mittel erlaubten, zu lindern getrachtet. Als Obmann der
Chewra-Kadischa wirkt seit dem Jahre 1919 Adolf Minkus.
1906 wurde der Znaimer Turnklub
begründet dessen erster Obmann Dr. Jur. Sigmund Rosenfeld war. Mit der
Ausbreitung der jüdischnationalen Idee wandelte sich der Klub 1919 in den
Jüdischen Turn- und Sportverein um, nachdem die jüngeren Mitglieder eine Fuß-
und Handball-Sektion geschaffen hatten. Durch den Beitritt zur Makkabi-Weltorganisation
bekam der Verein 1921 den Namen: Jüdischer Turn- und Sportverein Makkabi in
Znaim. Zur Unterstützung der Kolonisten rief am 13. Juli 1913 Prof. Ernst
Gütig, der jetzt als Chaluz in der Nuris-Kolonie in Palästina lebte, den
Jüdischen Volksverein für Znaim und Umgebung ins Leben. Bis zum Kriegsausbruch
war er sein Obmann, jetzt ist es Dr. jur. Ludwig Barth.
Die Znaimer jüdischen Hochschüler
waren in der Zeit von 1895 bis 1902 Mitglieder der deutschfreiheitlichen
Ferialverbindung „Thaya“, jetzt entbehren sie eines formellen
Zusammenschlusses, stehen aber ausnahmslos auf dem jüdischnationalen
Standpunkt. Nicht unerwähnt bleibe hier die Tätigkeit der jüdischnationalen
Mittelschulverbindung „Unitas“, welche 1909 gegründet wurde. Ihre Gründer und
Förderer waren die Herren Stuckhardt (gefallen), Gütig, Dr. Barth, Dr.
Schwarzbart, Emil Wessely.
Im April 1915 wurde von dem
damaligen Einjährig-Freiwilligen stud. Med. Jaques Presser aus Radautz, Josef
Färber und Abraham Rosner aus Bielitz der jüdische Wanderbund „Blau-Weiß“
gegründet. Er hatte bereits im ersten Jahre zirka 80 Mitglieder, heute (1926)
gehört der größte Teil Znaims jüdischer Schüler dem Wanderbunde an. Bald nach
der Begründung des Vereines fiel Abraham Rosner und wurde nachträglich mit der
goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet.
Im Weltkriege 1914 bis 1918 fielen:
Julius Stuckhardt, Isidor Gänsler,
Richard Kollmann, Emil Laufer,
Ernst Reich, Jakob Karpeles,
Josef Schlick, Berth.Bauer
Rudolf Wessely,
Fritz Diamant,
Leo Schön,
Max Frankl,
Artur Witrofsky,
Willi und Oskar
Fischer,
lbert Fischl,
Karl Rattinger,
Lians Spitzer,
Zur Erinnerung an diese Helden wurde
im Tempel ein Heldendenkmal errichtet. (Bild)
Das Aufblühen der jüdischen Gemeinde
in Znaim erfolgte in den 60er Jahren durch Zuwanderung der nunmehr freizügigen
Juden so rasch, daß 1869 bereits 360 Personen gezählt wurden. Bis zum Jahre
1901 zählte Znaim 617 Juden, im Jahre 1922 840 Juden, darunter 207 Familien,
und zählt 1928 786 Seelen.
Zur Zeit der Sudetenkrise von 1938
haben die meisten Juden die Stadt verlassen. Die wenigen Zurückgebliebenen
wurden in ein Konzentrationslager geschickt. Die Synagoge wurde in der
Kristallnacht zerstört. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Gemeinde nicht
mehr erneuert.
Anhang
Das
mährische Toleranzpatent
Joseph des Zweiten
Seit
dem Antritte unserer Regierung haben Wir es einer unserer vorzüglichsten
Augenmerke seyn lassen, daß alle unsere Unterthanen ohne Unterschied der
Nazion, und Religion an dem öffentlichen Wohlstande, den Wir durch Unsere
Sorgfalt zu vergrößern wünschen, gemeinschaftlichen Antheil nehmen, eine
gesetzmäßige Freyheit genießen, und auf jedem ehrbaren Wege zu Erwerbung ihres
Unterhalts und Vergrößerung der allgemeinen Ämsigkeit kein Hindemiß finden
sollten.
Da nun mit dieser
unserer gnädigsten Absicht die gegen die jüdische Nazion in Unserem
Erbmarkgrafthum Mähren bestehenden Gesätze, und so genannten Juden-Ordnungen
nicht durchaus zu vereinbaren sind, so wollen Wir dieselben kraft gegenwärtigen
Patents in sofern abändern, als es die Verschiedenheit der Zeit und Umstände
nöthig machen.
1tens jedoch gehet
unsere höchste Absicht keineswegs dahin, durch diese neue Verordnung die Zahl
der jüdischen Religions-Genossen in unserem Erbmarkgrafthum Mähren zu
vergrössern, oder Fremde ohne wichtige Ursachen, und besondere für sie
sprechende Verdienste herein zu ziehen. Wir wollen vielmehr ausdrücklich, daß
in Absicht auf die Art, wie sie in unserem Erbmarkgrafenthum Mähren gegenwärtig
sich befinden, es unverändert verbleiben, folglich auch die festgesetzte Anzahl
nicht überschritten, noch dort, wo niemals Juden chlussb gewesen, auch künftig
keinen sich chlussb zu machen, zustehen soll, es sey denn, daß sie in irgend
einem Dorfe, Markte, einer Stadt, oder allenfalls auf einem bisher noch
unbebauten Grunde eine Fabrik errichten, ein nützliches Gewerb einführen
wollten, oder Wir selbst nach Umständen und uns zureichenden Beweggründen mit
einem oder anderen eine Ausnahme zu machen, zuträglich gefunden hätten.
2tens Eben so wenig
ist unser höchster Wille der Judenschaft die Errichtung eigener
Buchdruckereien zu erlauben, sondern ist dieselbe wegen ihres Bedürfnisses an
Gebet- und anderen hebräischen Büchern an die schon errichtete jüdische
Buchdruckerei in Brünn und Prag zu verweisen, wollten sie aber jüdische Bücher
aus fremden Landen hereinbringen, so sind sie verbunden, in jedem besonderen
Falle, weil diesfalls das allgemeine Verbot entgegen steht, die Bewilligung
anzusuchen, und die fremden Bücher gleich allen übrigen Unterthanen der Censur
zu unterwerfen.
Es bestehen demnach
die Begünstigungen, welche der jüdischen Nazion durch gegenwärtige Abänderung
Zuflüssen in Folgenden; Da Wir dieselbe hauptsächlich durch besondere bessere
Unterrichtung, Aufklärung ihrer Jugend, und durch Verwendung auf
Wissenschaften, Künste, und Handwerke, dem Staate nützlicher und brauchbarer zu
machen zum Ziele nahmen,
3tens So gestatten
Wir ihnen bey jeder jüdischen Haupt-Synagoge des Landes eine eigene
normalmässig eingerichtete mit Lehrern von ihren Religionsgenossen besetzte
Schule auf ihre Kosten zu errichten, und zu diesem Ende einige taugliche junge
Leute nach Anzahl ihrer Schulen auszusuchen, welche sie zum ordnungsmäßigen
Unterricht in der Normal Lehrart an die Brünner Normalschul-Direktion anweisen
wollen.
Diese ihre künftige
Normalschulen werden unter der nämlichen Oberaufsicht, wie alle anderen
deutschen Schulen stehen, und soll, was derselben nähere Einrichtung vorzüglich
in Ansehung der moralischen Bücher betrifft, das Nöthige ehestens an sie
erlassen werden, wir ihnen vorläufig zu erkennen geben, daß Wir um sie wegen
ihrer Religionsübungen, Meynungen außer Besorgniß zu setzen, geneigt sind, die
Entwerfung der moralischen Bücher ihnen selbst zu überlassen, mit dem
Vorbehalte jedoch, daß sie selbe zur Uibersehung und Bestättigung der Brünner
Schul-Oberaufsicht zu überreichen haben.
4tens An jenen Orten,
wo sie keine deutsche Schule haben, erlauben und befehlen wir ihnen, ihre
Kinder in die christlichen Normal, Real-und Trivial-Schulen zu schicken, in
welchen nach dem von Uns erlassenen strengen Befehle eine solche Einrichtung
wird getroffen werden, daß die Jüdischen gleich den christlichen Kindern alles
erlernen mögen, bei dem Religions-Unterricht hingegen aus der Schule entlassen,
und während des Schulunterrichts selbst zu keiner ihrer Religions Übung
widrigen Handlung gezwungen, oder verleitet werden sollen.
5tens Der
vermöglicheren Jugend der jüdischen Nazion stellen wir frei, sich auch auf die
höheren Wissenschaften auf den erbländischen Universitäten zu verwenden, und
soll kein Anstand genommen werden, diejenige Juden Kinder, welche die Normal,
Real, lateinische, oder höheren Schulen besuchen, in den privilegirten Königl.
Und anderen Municipal-Städten bey Christen wohnen zu lassen, wie dann den
Eltern, wenn sie ihre studirende Kinder nur zuweilen, und auf eine kurze Zeit
zu sehen kommen, bey Christen in solchen Städten Wohnung oder Nachtherberge zu
nehmen, allerdings gestattet wird.
6tens Um ihnen die
Wege ihres Unterhalts und der nöthigen Erwerbung desto mehr zu erleichtern,
wird allen Juden, so der festgesezten Zahl einer Gemeinde einverleibet sind,
den Akerbau zu treiben vergönnt, und daher erlaubt, an sie mit Ausnahme der
Gründe unterthäniger Kontribuenten Grundstücke auf 20 und mehrere Jahre
pachtweise zu überlassen; und obwohlen Wir zwar nicht entgegen sind, daß auch
bereits bearbeitete Grundstücke von ihnen gepachtet werden können; so werden
Wir dennoch vorzüglich gerne sehen, wenn sie unbearbeitete Feldstücke, und
sogenannte Öden zu übernehmen, und durch ihren Fleiß fruchtbar zu machen sich
angelegen sein lassen. Alle Feldarbeiten auf diesen von ihnen gepachteten
Grundstücken haben in Zukunft durch jüdische Hände zu geschehen. Würden sie
aber Christen, so sollen sie auch das Eigenthum derselben gesätzmäßig erwerben
können. Da sie aber anjetzt des Akerbaues, und Feldwirthschaft noch unkundig
sind, so gestatten Wir ihnen, daß sie wenigstens durch die ersten Jahre, um sie
in den Feldbau Arbeiten zu unterrichten, christliche Knechte, in Dienst nehmen,
übrigens aber sich das zu dem Akerbau nötige Zug- und Melkvieh anschaffen, für
solches die gemeine Weide mit genießen, nicht weniger die zu ihrem
Wirtschafts-Triebe erforderlichen Chalupen oder Kleinhäuser bewohnen mögen.
7tens. Nebst dem, daß
weiters der jüdischen Nazion das Fuhrwesen ungehindert zu betreiben erlaubet
wird,
8tens ertheilen Wir
derselben das allgemeine Befugniß zu allen Gattungen von Handwerken, und
Gewerben, zu deren Erlernung sie sich bey christlichen Maystern in den
privilegirten Königl. Und anderen Municipal-Städten als Lehrjunge aufdingen,
oder wenn sie schon unterrichtet sind, als Gesellen arbeiten, und jene (die
christlichen Gewerbsleute) sie ohne Bedenken aufnehmen, und bey sich wohnen
lassen können, welches jedoch nicht dahin zu deuten ist, als wollten Wir Juden
und Christen darinnen einigen Zwang auflegen, sondern wir räumen beiden Theilen
blos die Freyheit ein, sich hierüber nach Wohlgefallen untereinander
einzuverstehen.
9tens. Auch zu dem
Meisterrechte können jüdische Profesionisten, wenn sie es verlangen, zugelassen
werden, allein nur in jenen Orten, wo Judengemeinden sich befinden, und mit der
Vorsicht, daß dadurch die festgesetzte Zahl der Juden-Familien nicht
überschritten werde. Die Mahlerei, die Bildhauerei, und die Ausübung anderer
freyen Künsten ist denselben, wie den Christen überlassen.
10tens. So wie Wir
den jüdischen Religions-Genossen auch unter allen unbürgerlichen (nicht
bürgerlichen) Handlungs-Zweigen vollkommen freie Wahl geben, und sie
berechtigen, sich um das Befugniß der Großhandlung unter den nämlichen
Bedingnißen, und mit eben den Freiheiten zu bewerben, wie sie von Unsern
christlichen Untertanen erhalten und getrieben werden.
Lltens. Da die
Anlegung von Manufakturen, und Fabriken ihnen von jeher erlaubet war, so
ergreifen Wir hier blos die Gelegenheit, indem Wir diese Erlaubniß
gewissermaßen erneuern, sie zu solchen Gemeinnützigen Unternehmungen
öffentlich aufzumuntern.
12tens. Wir gestatten
ihnen ferners zu Unterbringung ihrer Kapitalien, und derer Sicherstellung
aufliegende Güter, oder sogenannte Realitäten leihen zu dürfen, daß sie jedoch
dieselben einschätzen zu lassen nicht befugt seyn sollen.
13tens. Bey so vielen
der Judenschaft eröfneten Erwerbungswegen, und dem dadurch entspringenden
manigfaltigeren Zusammenhange mit Christen fordert die Sorgfalt für die
Aufrechterhaltung des gemeinschaftlichen Zutrauens, daß die hebräische und
hebräisch mit deutsch vermengte sogenannte jüdische Sprache und Schrift
abgeschaffet werde. Wir heben daher den Gebrauch derselben in allen
öffentlichen inn- und außer gerichtlichen Handlungen ausdrücklich auf, und
verordnen, daß sie statt derselben sich künftig der Landesüblichen Sprache
bedienen, um aber allen Ausflichten, und Einwendungen, als wäre eine so
geschwinde Folgeleistung nicht wohl möglich gewesen, vorzubeugen, so bestimmen
Wir vom Tage dieses Unsern Patents zu rechnen, eine Frist von zwei Jahren,
binnen welcher alle dieserwegen nöthigen Änderungen, und Vorkehrungen füglich
getroffen werden können und sollen: Wir erklären daher hiemit alle nach dieser
Zeitfrist in hebräischer Sprache verfaßte, oder auch nur mit hebräischen und
jüdischen Buchstaben geschriebene Instrumente für ungiltig und nichtig.
14tens. Nicht minder
heben Wir nicht nur in den hierländigen königl. Städten die bisher bestandene
jüdische Leibmauth, sondern auch die doppelten Gerichts-Taxen gänzlich auf, und
erlauben den Juden zu Betreibung ihrer Geschäfte von Zeit zu Zeit den freien
Eintritt in unsern königl. Städten, und zwar ohne, daß sie künftig Kost und
Wohnung lediglich bei Juden oder jüdischen Garküchen zu nehmen gezwungen,
sondern ihre Einkehr und Kost für ihr Geld, wo sie wollen, zu nehmen berechtiget
sind: Wir halten uns jedoch gerechtest bevor, wegen Entschädigung derjenigen,
welche die Leibmauth derzeit beziehen, von der Judenschaft ein minder
beschwerliches Äquivalent einzuheben.
15tens. Uiberhaupt
heben Wir alle bisher gewöhnlichen Merkmale, und Unterscheidungen, als das
Tragen der Barte, auszeichnender Kleidungen, das Verbot an Sonn- und
Feyertägen vor 12 Uhr nicht auszugehen, öffentliche Belustigungs Örter zu
besuchen, und dergleichen vollkommen auf, im Gegentheil wird den Honoratioren
auch Degen zu tragen erlaubet.
16tens. Da Wir nun
durch diese Begünstigungen die jüdische Nazion in Absicht auf ihre
Nahrungswege, und den Genuß der bürgerlichen, und häuslichen Bequemlichkeiten
anderen fremden Religions-Verwand-ten beinahe gleich setzen, so weisen Wir
dieselben zugleich zur genauen Beobachtung aller politischen bürgerlichen, und
gerichtlichen Landesgesätze ernstlich an, als an welche sie, gleich allen
übrigen Insassen gebunden, so wie sie in ihren Angelegenheiten, politischen,
und Rechts-Vorfällen der Landesstelle, der Ortsobrigkeit, nach der jeder
Behörde zustehenden Gerichtsbarkeit und Thätigkeit (Aktivität) unterworfen
bleiben, und versehen wir Uns zu ihrer Pflicht sowohl, als zu ihrer
Dankbarkeit, daß sie dieser Unserer Gnade, und der ihnen daher zuflüssenden
Freiheiten nicht misbrauchen, durch Ausschweifungen und Zügellosigkeit kein
öffentliches Ärgerniß geben, und die christliche Religion nirgend irren, noch
gegen dieselbe, und ihre Diener Verachtung zeigen werden, weil ein Frevel dieser
Art auf das strengste bestraft und dem, so ihn begangen, nach Beschaffenheit
der Umstände die Abschaffung aus allen Unseren Erbländern zuziehen würde.
Gegeben in unserer
königl. Stadt Brünn den 13ten Hornung im Jahre 1782.
Der mährisch-jüdische Landesmassafond
Nach einem Aufsatz von Dr. Hugo Meissner, Brünn unter
Verwendung einzelner Informationen von Christian d’Elvert
„Massa“ ist kein hebräischer oder aus dem hebräischen
abgeleiteter Ausdruck, sondern kommt von Masse, weil hier Geldquellen zu einer
„Masse“ zusammengeführt wurden.
Die Gründung der „Mährisch-jüdischen Landesmassafondes“ geht
auf Kaiser Josef II, der damit die Steuerfähigkeit der Juden dauerhaft für den
Staat absichern wollte.
Unter Ferdinand II. zahlten die Juden 12 000 Gulden jährliches Toleranzgeld.
Dieser Betrag wurde unter Maria Theresia auf 90 000 Gulden jährlich erhöht. Die
Juden konnten aber diese für die damalige Zeit enorme Summe nicht aufbringen,
so dass die Summe 1773 auf 82 200 Gulden ermäßigt wurde.
Für die Steuer haftete nicht der einzelne Jude oder die
einzelne Judengemeinde, sondern die Judenschaft als Kollektiv
Es oblag ihrer internen Festlegung diese auf die Gemeinden
und das einzelne Gemeindemitglied umzulegen. Der dafür verwendete
„Umlagenschlüssel“ erfolgte nach den Bestimmungen der jüdischen „Repartierungs-
und Kollektierungs-Norma“ vom 2.Dez. 1752.
Durch das Hofdekret vom 26.Juli 1787 wurde die oben erwähnte
Pauschalbesteuerung (Kontribution) umgewandelt in eine Steuer, die sich aus der
Familientaxe und der Verzehrsteuer zusammensetzte ( 5400 Familien und 5 Gulden
je Familie Familientaxe, der größere Teil wurde über die sogenannte
Verzehrsteuer eingetrieben, das war eine Art Mehrwertsteuer auf Lebensmittel).
Im gleichen Dekret wird bestimmt, dass der aus dem
Pachtschilling für den Fiskus sich ergebende Nutzen und die Hälfte des Gewinnes
des Steuerpächters in eine gemeinsame Masse, daher der Name, s.o., eingebracht
und durch einige Jahre angesammelt werde. Damit sollte ein Kapital angespart
werden, aus dessen Ertrag solchen Gemeinden, die ihre Steuerquote nicht
erfüllen konnten, geholfen werden konnte. (Die Abgaben der Juden waren von 1788
bis 1794 verpachtet).
Dem Fond fielen noch die Familien- und Toleranztaxen der
fremden, keiner Gemeinde angehörigen Juden, die Strafgelder, die bei
gesetzeswidrigen Versuchen, eine Familienstelle zu erlangen vorgeschrieben
waren, zu. Außerdem noch ein Drittel sonstiger von Juden zu bezahlender
Strafgelder, sowie einem Anteil vom Gewinn des Steuerpächters..
Der Gewinn des Steuerpächters war jedoch so gering, dass nie
etwas dem Fond zugeführt werden konnte.
Nach Ablauf der Steuerpacht 1794 trat die normale
Steuerhörde an deren Stelle, wobei aber ausdrücklich betont wurde, dass die
Einkünfte des Landesmassafondes von dieser Änderung nicht betroffen sein
werden.
1831 änderte sich das, ab diesem Jahr wurden dem Fond alle
Einkünfte bis auf die Zinsen aus seinem Kapital und den Strafgeldern zugunsten
des Staates entzogen.
Es scheint auch, als sei der Fond bis auf 2 Ausnahmen nie
für den Zweck, zu dem er gegründet wurde, nämlich die Unterstützung von
Judengemeinden im Interesse der vollen Steuerentrichtung, in Anspruch genommen
worden.
Die sonstigen
Aufgaben, die aus dem Fond bestritten wurden waren folgende
1. ist die Hauptbestimmung
2. Verpflegskosten für inhaftierte fremde Juden,
3. Beiträge für die 6 mährischen und 2 schlesischen
Kreiskassekontrollore,
4. die Remuneration für
die Zahlamtsbeamten,
5. Kanzleierfordernisse
der Provinzialstaatsbuchhaitung, und
6. Reisekosten und Zehrungsgelder
für die Deputierten zur Wahl des Landrabbiners.
7. Die Besoldung des Landrabbiners in
Nikolsburg,
Durch das Hofdekret vom 18. Jänner
1831 wurden folgende Grundsätze über die Unterstützungen aus dem Landesmassafonde festgesetzt:
1. Zur vorzüglichsten Bedachtnahme bei angesuchter Gewährung der Darlehen
aus diesem Fonde eignen sich die durch Brand oder sonstigen Elementarunfälle
verunglückten Judengemeinden, besonders wenn sie einer solchen
Darlehensunterstützung, zur Herstellung
der zerstörten oder beschädigten Gemeindegebäude bedürfen. Denselben können die
Kapitalien wenigstens für die ersten drei Jahre ohne Interessen belassen
werden, welche sodann nach Maßgabe der bewilligten Jahresratenzahlungen von
drei zu drei Jahren auf 2, 4 und 5% bestimmt
werden können, um durch die allmähliche Steigerung der Interessen auch auf die
stipulierte Rückzahlung des Kapitals einzuwirken. Bei besonders
rücksichtswürdigen Umständen kann auch höherenorts auf günstigere Bedingungen
angetragen werden.
2. Die nächste Berücksichtigung verdienen solche Judengemeinden, welche
außer dem Falle einer Elementarverunglückung, zur Herstellung notwendiger und
nützlicher Gemeinde-Etablissements, vorzugsweise zur Erbauung der für den
deutschen Schulunterricht gewidmeten Gebäude, um ein Darlehen vom
Landesmassafonde ansuchen. Auch dürfen denselben nach Umständen die möglichst
günstigsten Bedingungen, wie bei den oben angeführten Fällen gewährt werden.
3. Insoferne es die disponiblen Geldkräfte des Fondes und
dessen sonstige Verpflichtungen erlauben, kann auch mit
Darlehensunterstützungen desselben auf solche jüdische Familianten Bedacht
genommen werden, welche
a) ihre durch Elementarunfälle beschädigten und zerstörten
Häuser den Polizeivorschriften gemäß hergestellt haben,
b) welche, außer dem Falle einer Elementarbeschädigung.
Sich anheischig machen, ihre Mahnungen zu erweitern und zur Verbesserung des
Bauzustandes in den Judengemeinden beizutragen, oder welche,
c) einer Geldunterstützung zu besonders rücksichtswerten
Zwecken ihres Nahrungsbetriebes bedürfen. Diese Letzteren sollen jedoch ein
Darlehen aus dem jüdischen Landesmassafonde, unbeschadet der Hauptunterstützungszwecke
bei vorhandenen disponiblen Mitteln nur gegen volle Pragmatikalsicherheit gegen
landesübliche Interessen und beschränkte Rückzahlungsraten erhalten.
Aus dem Landesmassafond wurden auch Darlehen an einzelne
christl. Parteien gewährt, es wurde aber mit Hofdekret vom 6.6.1814 verordnet
dass Juden vor Christen der Vorzug einzuräumen sei, weil der Fond der gesamten
Judenschaft in Mähren gehöre.
Der Fond stand von Anfang an unter staatlicher Verwaltung
bei der k.k. Landeskassa.
Die Gleichstellung der Juden brachte es mit sich, dass von
der Regierung die Statthalterei in Brünn im Dezember 1860 angewiesen wurde, zu
prüfen, ob es nicht ratsam wäre, den Fond unter die Kontrolle der Judenschaft
zu stellen.
Die Prüfung endete negativ, mit der Begründung, dass kein
jüdisches Gremium vorhanden sei, das mit der Verwaltung beauftragt werden
könne.
Die mähr. Judenschaft unternahm von sich aus in der
Folgezeit einiges, um den Fond unter seine Verwaltung zu bringen. So wurde zu
diesem Zwecke 1862 eine Versammlung der Kultusgemeinden nach Brünn einberufen,
zu der 45 Gemeinden Vertreter sandten, die ein Komitee aus 7 Mitgliedern und 4
Stellvertretern wählte, die geeignete Schritte zur Erreichung des o.g. Zieles
unternehmen sollten.
Dieses Komitee erstellt eine Eingabe und übergab sie dem
Statthalter. Dieser beauftragte das Ratsgremium um Prüfung. Das Ergebnis war
wieder negativ.
Eine neue Beauftragung in dieser Sache ging vom
Staatsministerium am 16.März 1863 an die Statthalterei. Diesmal sollte im
Zusammenwirken mit den 54 Israelitengemeinden eine Grundlage für die künftige
Verwaltung geschaffen werden.
Erst 1868 war alles Material beisammen, dabei kommt die
Statthalterei wieder zu dem Ergebnis, dass „eine grundsätzliche Änderung des
Status des Massafondes nicht angezeigt sei“.
Der Minister des Inneren stimmt dem aber nicht zu, vielmehr
wird der Standpunkt herausgestellt, dass der besagter Fond …. „der gesamten
mähr. Judenschaft gehöre, zu dessen Verwaltung auch diese zunächst berufen
erscheint“.
Am 9. August fand in Lundenburg eine von David Kuffner,
Nathan Löw-Beer und Friedrich Karplus einberufenen Vorbesprechung statt, auf
der der einmütige Beschluß gefasst wurde, die Integrität des Fondes aufrecht zu
erhalten und die Erträge vorzugsweise zu Kultus- und Unterrichtszwecke zu
verwenden. (in Böhmen wurde anders verfahren, dort wurde der Fond aufgelöst und
das Vermögen an die Gemeinden verteilt)
Es wurde wieder ein Komitee gebildet und Julius Gomperz
wurde zum Vorsitzenden gewählt.
Eine von einigen Delegierten ausgearbeitete Denkschrift
diente als Vorlage, nach der schließlich ein Programm ausgearbeitet wurde, das
schon nahezu identisch mit dem späteren Statut war.
Die Statthalterei machte erneut Schwierigkeiten, wollte mehr
staatlichen Einfluß, was jedoch vom Minister des Inneren zurückgewiesen wurde.
„Bereits am 28.
September 1869 geruht Kaiser Franz Josef I. allergnädigst zu gestatten, daß
der mährisch-jüdische Landesmassafond als ein der gesamten Judenschaft Mährens
gehöriges Vermögen in die autonome Verwaltung der Israeliten dieses Landes
übergeben werde. Zugleich haben Seine k. u. k. Apostolische Majestät dem
vorgelegten Entwurfe eines Statutes für die Verwendung und Verwaltung dieses
Fondes die Allerhöchste Genehmigung zu erteilen und anzuordnen geruht, daß die
Übergabe der Verwaltung bis Ende Dezember 1869 durchgeführt werde.“
Bereits am l. Oktober teilt Herr
Julius Gomperz, der Obmann des Delegiertenkomitees, der Kultusgemeinde Brunn
diese für sämtliche Judengemeinden hocherfreuliche Tatsache mit.
Die erste Generalversammlung fand,
einberufen vom Statthalter, am 24. November 1869 in der Statthalterei in Brunn
statt, nachdem zuvor alle Kultusgemeinden durch ihre Repräsentanz einen
Delegierten auf 3 Jahre gewählt hatten. In dieser Generalversammlung wurde
das erste Kuratorium gewählt, worauf dann in Gegenwart sämtlicher Kuratoren am
27. Dezember 1869 die Übergabe des Fondes an das Kuratorium erfolgte. Das
Vermögen betrug damals 960.744 fl. 49 kr.
Das Statut vom Jahre 1869 zerfällt
in vier Abschnitte, von denen der erste vom Fond und dessen Verwendung, der
zweite von den Übergangsbestimmungen, der dritte von der Verwaltung des Fondes
handelt und der vierte Abschnitt chlussbestimmungen enthält. Im § l wird der
Fond nach seiner Entstehung und Bedeutung als ein unteilbares und unveräußerliches Gemeingut der gesamten Judenschaft
Mährens proklamiert.
Die Erträgnisse des Fondes waren nach § 3 zu folgenden
gemeinnützigen Zwecken zu verwenden:
a) zur Subvention der hebräisch-deutschen Volks- oder
Gemeinde-Religionsschule in Mähren,
b) zu Beiträgen für jüdische höhere Bildungs- und
Humanitäts – Anstalten,
c) zu Personalunterstützungen
und Pensionen,
d) zu Stipendien für jüdische Rahhinats- und Lehramtskandidaten aus
Mähren und
e) zu Unterstützungen und Notstandsdarlehen an
hilfsbedürftige jüdische Gemeinden in Mähren.
f) zur Gewährung von unverzinslichen Darlehen an Gemeinden
zur Errichtung von kulturellen oder Schulgebäuden unter hypothekarischer
Absicherung
g) zur Schaffung angemessener Reserven zur Vermehrung des
Fondes
Die Verwaltung des Fondes obliegt
einem elfgliedrigen Kuratorium, das von den Delegierten der mähr. Kultusgemeinden
auf je drei Jahre gewählt wird und das über seine Gebarung alljährlich der
Delegierten-Versammlung Rechenschaft zu erstatten hat.
Dieses Statut blieb, von
geringfügigen Änderungen abgesehen, bis zum Jahre 1926 in Kraft. Auf Initiative
des um das Judentum hochverdienten Kurators Dr. Gustav Zweig aus Proßnitz,
schritt das Kuratorium bereits im Jahre 1924 zur Ausarbeitung neuer Statuten,
da das geltende in vieler Beziehung veraltet war. In der Generalversammlung
der Delegierten vom 17. Mai 1926 wurde die Statutenänderung beschlossen und
klar zum Ausdrucke gebracht, daß der Fond den Interessen der gesamten
Judenschaft Mährens zu dienen habe.
Nach dem neuen Statute müssen
mindestens 40% der Erträgnisse für Unterrichtszwecke verwendet werden.
1938 / 39
findet auch dieses fortschrittliche Werk sein Ende.
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Kleine Wörterkunde
Almemor Zeremonien-Empore innerhalb des
Tempels
Bar-Mizwa „Sohn der Pflicht“
mit Erreichung des 13. Lebensjahres und ein Tag, erreicht der Jude die
religiöse Mündigkeit, Wird in der Synagoge und im Familienkreise als Fest
gefeiert
Baalhabajit Hausvater, Hausherr
Borchu
und Keduscho Wochenbeginngebet,
kann nur gemeinsam mit min. 10 erwachsenen Männern in der Tempelvorhalle
(Polisse) verrichtet werden
Chewra Kadischa Begräbnisbruderschaft,
„Heilige Bruderschaft“
Dajjan,
Dayyan Rabbinatsbeisitzer,
so eine Art Kirchengemeinderat, auch Richter
Dorfgeher Hausierer, einer
der wenigen „Berufe“, die Juden ausüben durften
Esrog Paradeisapfel, Citrusfrucht
Fest der ungesäuerten Pessach Fest
Brote
Gehinnom Hölle
Hawdala Gebet am Ausgang des Sabbats
Ijar Monat
(Mai-Juni)
Jeschiwe Rabbinatshochschule
Jom Kippur siehe Yom Kippur
Kiddusch die Benediktion
bei Beginn der Sabbat- und Festtage, welche die Weihe und Anerkennund des Tages
als Ruhetag und Tag der religiösen Erhebung ausdrückt
Koscher rein, sauber
im rituellen Sinn, nach dem jüdischen Gesetz zum Gebrauch, insbesondere zum
Genuß erlaubt
Laubhüttenfest Hüttenfest, das dritte
der jüdischen Wallfahrtsfeste, wird zur Erinnerung an den göttlichen Schutz
während der Wüstenwanderung und als Erntedankfest (Einsammlungsfest) am Ende
des landwirtschaftlichen Jahres vom 15. – 22. Tischiri (im Oktober) gefeiert.
Neben 3 weiteren Früchten aus dem gelobten Land wird hierzu auch der
Paradeisapfel als Symbol benötigt. (Siehe „Paradeisapfelsteuer“)
Mazewoth Grabsteine, Grabplatten
Mazzot ungesäuertes Brot
Neilah letztes Gebet am Versöhnungstag
Orchim Durchreisender, Gast
Pessach-(Passah-)Fest Das erste der drei jüdischen WallfahrtsfesteFest
der ungesäuerten Brote, erinnert an den Auszug der Juden aus Ägypten, die
Rettung der erstgeborenen Söhne, ( die in der Gefangenschaft getötet wurden),
letztlich an die Geburt des freien mosaischen Judentums.
Pentateuch enthält das schriftliche
jüdische Gesetz
Polisse Tempelvorhalle
Rabbiner Schriftgelehrter,
Funktion nicht unbedingt mit der eines christl. Priesters vergleichbar
Sabbat
(Schabbes) Tag des Herrn,
wird am Samstag gefeiert, jegliche Arbeit hat an diesem Tage zu ruhen.
Schabbesgoite Christl. Aushilfsdienerin
Schebat im jüdischen Kalender der 5. Monat
(Jan.-Feb.)
Semirot heitere Sabbatlieder
Sukot Laubhüttenfest
Siwan Monat (Mai-Juni)
Talmud Studium,
Lehre, Belehrung, Schriftensammlung, die Hauptquelle des rabbinischen
Judentumes, enthält den gesamten gesetzlichen Stoff der jüdischen Tradition,
Ergänzung zum Pentateuch
Tachrichim Sterbegewand
Tempel, Synagoge Gotteshaus
Thora, Lehre,
Unterweisung des im Pentateuch enthaltenen mosaischen Gesetzes, der 5 Bücher
Mose und im weiteren Sinne das Studium des mosaisch-rabbinischen Schrifttumes
Usanekoteph „Macht lasst uns
künden“ Gebet zu Jom Kippur
Verzehrsteuer Steuer auf verzehrte
Lebensmittel (Gesamtsteuer der mähr Juden = 82 200 Gulden, davon
Familientaxe 5400x5= 27000, der Rest
musste über die Verzehrsteuer aufgebracht werden)
Yom
Kippur Jom
ha-Kippurim, Versöhnungsfest, auch Sabbat der Sabbate genannt, der heiligste
der jüdischen Festtage, wird 10. Tischiri (Oktober ) in strengster Sabbatruhe
durch persönliche Kasteiung und Enthaltung von allen Sinnengenüssen gefeiert
Zaddik ein
Gerechter