Juden in Mähren

 

Judengemeinden in Südmähren

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zusammengetragen und verfasst

 

von

 

Gerhard Hanak

 

 

 

 

 

 

 

Juden in Mähren –

 

Judengemeinden in Südmähren

 

 

 

 

 

 

nach Unterlagen von:

                               Hugo Gold

                               Willibald Müller

                               Christian d’Elvert

                               Alfred Engel

                               Gregor Wolny

                               Wilma Iggers

                               u.a.

 

 

 

Zusammengetragen und verfasst

 

 

 

 

von

Gerhard Hanak

 


 

Inhaltsverzeichnis

 

                                                                                                                       Seite

Vorwort                                                                                                  4

 

Juden in Mähren, Judengemeinden in Südmähren                          6

 

Wie und wann kamen die Juden nach Mähren                                  7

 

Verlauf der Geschichte der Juden in Mähren                                    9

 

Die Judenmaut                                                                                   14

 

Die besondere Judentracht                                                               15

 

Die Paradiesapfelsteuer                                                                   16

 

Glaubenssachen                                                                                 20

 

Tschechen und Juden                                                                        21

 

Berufe und „moderner“ Antisemitismus                                           23

 

Die Gemeinden:

 

-                                          Althart                                                                             24

-                                          Eisgrub                                                                          25

-                                          Irritz                                                                                 28

-                                          Lundenburg                                                                   29

-                                          Misslitz                                                                           33

-                                          Nikolsburg                                                                     39

-                                          Piesling                                                                          45

-                                          Pullitz                                                                              50

-                                          Pohrlitz                                                                           47

-                                          Schaffa                                                                          50

-                                          Zlabings                                                                         52

-                                          Znaim                                                                             54

Anhang:

Das mährische Toleranzpatent Josef II.                                                       63

Der jüdisch-mährische Landesmassafond                                                  66

Kleine Wörterkunde                                                                                       69


Vorwort

Angeregt durch eine Ausstellung im Brünner Künstlerhaus zu Ende des Jahres 2000, begann ich, mich mit der Geschichte der Juden in Mähren zu befassen. Insbesondere interessierte und interessiert mich die Geschichte der Juden in Südmähren. Immerhin lag für lange Zeit eines der jüdischen Hauptzentren im südmährischen Nikolsburg, als Sitz des mährischen Landesrabbinats.

Ich möchte auch zwei weitere Anstöße nicht unerwähnt lassen:

Da war zum einen der Bericht von Gerhard Walke über die Juden in Lundenburg, der im „Südmährer“ veröffentlicht wurde. Es war meiner Kenntnis nach der erste Artikel zu diesem Thema im Heimatblatt der Südmährer.

Zum Zweiten der Irritzer jüdische Friedhof. Wie sind als Kinder von Damitz immer einen Feldweg, den Judenweg, nach Irritz zur Kirche gegangen. Außerdem gab es die Judengasse, ich wusste auch, dass es einen jüdischen Friedhof gab. In meiner Erinnerung grenzte er direkt an den christlichen. Als ich ihn aber bei meinen Besuchen nicht dort vorfand, glaubte ich, er sei weggeräumt worden. Tatsächlich war er nur total überwachsen, so dass man wissen musste, wo er gewesen war, um ihn wiederzufinden. Später entdeckte ich, dass sich die MIP, die „Jugend für Interkulturelle Verständigung“ seiner angenommen und ihn von der Natur zurückerobert hat. Jetzt ist er wieder da, mit teilweise gut erhaltenen Grabsteinen. Im Sommer 2002 wurde von der MIP eine Erinnerungstafel aufgestellt und vom örtlichen Bürgermeister enthüllt.

In diesem Jahr 2002 besuchten 2 Ehepaare aus Israel, wieder betreut von den Mitgliedern der MIP, Irritz, auf den Spuren ihrer Vorfahren.

Zu meinem großen Leidwesen habe ich nirgends etwas über die jüdische Gemeinde in Irritz gefunden, obwohl diese doch über Jahrhunderte existierte. Beim „Anschluß“ 1938 gab es zumindest noch eine jüdische Familie. Auch über deren Schicksal konnte ich nichts in Erfahrung bringen.

Nachdem allenthalben Erinnerungstafeln und andere Zeugnisse der Deutschen Vergangenheit in Südmähren errichtet werden, machte ich es mir zur Aufgabe, auch der jüdischen Miteinwohner der südmährischen Gemeinden unserer Vorfahren zu gedenken. Sie selber können es ja nicht, es gibt sie nicht mehr.

So begann ich zunächst auf meiner Internet-Seite www.europas-mitte.de eine Rubrik „Jüdische Gemeinden“ einzurichten. Der Nachteil dieser ist, dass man sie zwar ausdrucken kann, aber die Formatierung geht dabei weitgehend verloren, außerdem können Bilder zerschnitten werden.  Um das zu vermeiden, begann ich „zweigleisig“ vorzugehen, nämlich die einzelnen Beiträge im html-Format fürs Internet aufzubereiten und parallel dazu auch im gängigen Word-Format. So entstand dieses Büchlein.

Die Internetpräsentation wird laufend erweitert, außerdem stehen dort Beiträge, die den Umfang dieses Büchleins sprengen würden wie z.B. zum alltäglichen Leben in der mährischen Judengasse, oder die „Eibenschitzer Tempelsitzordnung“.

Jede dieser Erweiterungen hängt natürlich auch vom Auffinden entsprechender Quellen ab.

 

 

Krailling, Oktober 2002

 

 


 

Die Quellen, derer ich mich hauptsächlich bediente:

 

Hugo Gold:                          Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, Brünn 1929

 

Hugo Gold:                          Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974

 

Chr. D’Elvert:                      Zur Geschichte der Juden in Mähren und österr. Schlesien, Brünn 1895

 

Willibald Müller:                  Beiträge zur Geschichte der mähr. Judenschaft (1903?)

 

Prof. Dr. Alfred Engel:       „Gedenkbuch“, Nikolsburg 1936

 

Gregor Wolny:                    Die Markgrafschaft Mähren, Brünn 1837

 

Wilma Iggers                      Die Juden in Böhmen und Mähren, München 1986

 

 

Mein besonderer Dank geht an Erich Pillwein für seine Korrekturarbeit und seine stilistischen Anregungen.

 

Juden in Mähren, Judengemeinden in Südmähren

 

Neben der tschechischen und deutschen Bevölkerung Mährens gab es seit Menschengedenken auch einen jüdischen Bevölkerungsteil, der allerdings im Vergleich zu den beiden anderen Volksgruppen recht klein war. Je nach den politischen und örtlichen Verhältnissen, sowie den Gesetzen, die die jeweilige Obrigkeit erließ, lebten die Juden verstreut innerhalb der christlichen Gemeinden, abgesondert in den sogenannten Judengassen (Ghettos) oder, ebenso abgesondert in politischen Judengemeinden. Diese hatten eine eigene Verwaltung. Anfangs war diese politische Gemeinde mit der Kultusgemeinde identisch, später aber erfolgte auch hier eine gewisse Trennung. Die enge Verwobenheit blieb trotzdem erhalten, das ergab sich schon aus den religiösen Regeln und Vorschriften, die auch das Alltagsleben betrafen, aber auch  durch das enge zusammenwohnen in den Judengassen.  

Für die Obrigkeit war dies zudem wahrscheinlich die bequemste Alternative, weil sie über diese Organisationsform die Juden pauschal besteuern konnte, ohne sich um Details zu kümmern. Diese Details regelten die Juden unter sich, wobei weitgehend soziale Gesichtspunkte für die individuelle Besteuerung Berücksichtigung fanden. Für die damalige Zeit sicher ein bemerkenswertes Vorgehen.

Die Karte zeigt die südmährischen Gemeinden mit jüdischen Einwohnern, außerdem jene Gemeinden, in denen, neben der christlichen, auch eine politische Judengemeinde bestand.

Wie schon im Vorwort angesprochen, war Nikolsburg der Sitz des Landesrabbinats  und auch einer Rabbinatshochschule. Es war bis zur Öffnung der königlichen Städte nach 1848 so etwas wie der religiöse Mittelpunkt der mährischen Judenschaft. Lundenburg hingegen scheint eher die „weltliche“ Rolle gespielt zu haben, denn einige organisatorische Initiativen, wie die Übernahme der Verwaltung des mährisch-jüdischen Landesmassafondes, gingen von Lundenburg aus. Nach 1848 verblieb der Sitz des Landesrabbinats in Nikolsburg, obwohl diese Gemeinde sich infolge der Abwanderung von Bewohnern erheblich verkleinerte. Die vor 1848 von Lundenburg ausgehenden Aktivitäten verlagerten sich hingegen weitgehend nach Brünn.

 

 

Wie und wann kamen die Juden nach Mähren?

 

Eine völlig zuverlässige Auskunft gibt es nicht. Wolny führt in „Die Markgrafschaft Mähren – Brünner Kreis“ eine Inschrift am Tempel in Pohrlitz an, die besagt, dass dort bereits (umgerechnet) im 6. Jahrhundert ein Tempel erbaut wurde. Nach Hugo Gold ist das ausgeschlossen, weil eine erste Erwähnung von Pohrlitz erst im 11. Jahrhundert nachzuweisen ist. Es wird für ausgeschlossen gehalten, dass der Judentempel Jahrhunderte vor der Stadtgründung erbaut wurde. Außerdem weist Gold an verschiedenen Details nach, dass die besagte Inschrift nicht von Juden stammen könne.

Unzweifelhaft ist aber die Raffelstettener Zoll- und Schifffahrtsurkunde aus dem Jahre 906, das erste vorhandene Dokument, in dem Juden in Mähren erwähnt werden. Sowohl für Christian d’Elvert als auch für Hugo Gold ist das der erste schriftliche Beleg für die Anwesenheit von Juden im mährisch –niederösterreichischen Raum.

Der lateinische Text dieses Dokumentes lautet in der deutschen Übersetzung: „Die Juden und alle übrigen Kaufleute, woher sie immer kommen mögen, aus diesem Lande oder aus anderen (Böhmen oder Mähren), sollen ebenfalls von den Sklaven als auch von den anderen Sachen gebührend Zoll zahlen, wie es zu Zeiten der früheren Könige üblich war.“ Spuren dieser wandernden Kaufleute wurden in Mähren allerdings nicht gefunden.

Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelte Juden bereits mit den Römern in die Gegend kamen. Einen Beweis dafür gibt es nicht.

Der erste große Einwandererschub kam als Folge der Kreuzzüge. Diese kamen über Frankreich in die Städte am Rhein und Main und wüteten dort unter den jüdischen Bewohnern, die als Mörder des Heilandes galten. Es war sicher nicht nur religiöser Eifer, sondern auch Gier nach dem jüdischen Besitz, der sie leitete.

Jedenfalls flohen viele der Juden, die sich vor den Pogromen retten konnten, nach Osten, so auch nach Böhmen und Mähren. Die so aus Deutschland eingewanderten Juden trugen deutsche Namen. Gold ermittelt den Zeitraum dieser Einwanderung über die Schreibweise der Städte. Diese in Verbindung mit den Familiennamen gebracht, ergibt einen ungefähren Eindruck, wann sich Juden dort angesiedelt haben. Viele der damaligen Städtenamen haben sich im jüdischen bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts erhalten.

Interessant ist, dass die Juden, die auf Grund der Pogrome infolge der fanatisierten Kreuzzügler aus den deutschen Landen flohen, ihr „Deutschtum“ beibehielten. Dazu können wir in „Caro, Geschichte Polens“ nachlesen: „Ihren deutschen Ursprung kündet noch heute – als ein eigenthümliches und beachtenswerthes Denkmal – das trotz aller Verderbtheit und trotz der Einwirkung von Jahrhunderten bewahrte deutsche Idiom, dessen sich um die gleiche Zeit eingewanderten deutschen Colonisten nicht rühmen können“.

Für Mähren und Schlesien kann wohl gleiches angenommen werden.

Es gab sicher schon im 12. Jahrhundert jüdische Gemeinwesen um die Burgen in Brünn, Olmütz und Hradisch, Urkundliches über deren Schicksale hat sich nicht erhalten.

Erst ab dem 13. Jahrhundert gibt es mehr Quellenmaterial.

Als im Jahre 1229 die Stadt Brünn erweitert wurde, gab es bereits eine Judengasse innerhalb der Stadt. König Přemysl Ottokar II. erließ 1254 das Judenprivilegium , das den Juden in allen seinen Ländern gewisse Rechte und Freiheiten verlieh.

Natürlich wurden neben den verbürgten Rechten, den Juden auch Pflichten auferlegt, so wurden sie dazu verpflichtet, den vierten Teil zur Ausbesserung der Stadtbefestigung beizutragen. 

Daß solche besonderen Verordnungen notwendig waren, bezeugt, dass die Juden eines besonderen Schutzes in der Diaspora, in der sie ja lebten, bedurften. Daneben wurden ihnen aber auch stets hohe Abgaben auferlegt, höhere als den Christen, man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass z.B. der oben erwähnte Beitrag zur Stadtbefestigung nicht dem Bevölkerungsanteil entsprach.

Das Judenprivileg von Ottokar hatte lange Zeit Wirksamkeit, so hat z.B. der Brünner Stadtrat, an der Spitze der Richter Jakob de Kor, öffentlich bezeugt, dass er die „Rechte und Verordnungen, welche weiland König Ottokar II. den mährischen Juden gab, in einer wörtlich genauen Abschrift eingesehen habe“.

Aus einer weiteren Verordnung aus dem Jahre 1343, die zur „Wahrung des Friedens zwischen den christlichen und jüdischen Metzgern“ erlassen wurde, schließt Gold auf eine jüdische Gemeinde in Brünn von ca. 2000 Seelen.

1345 befielt Karl, Markgraf von Mähren, der Stadt Brünn, behufs Aufbesserung seiner Kammereinkünfte „alle Juden, aus welchen Gegenden auch sie sich in der Stadt ansässig machen wollten, heranzuziehen, sie in die Gemeinde aufzunehmen und bei ihren Rechten zu wahren und nach ihren Stadtrechten behandeln zu dürfen“.

Im gleichen Jahr, am 25. August 1345 wurde die Judengemeinde Iglau durch eine Verordnung des Markgrafen Karl gegründet.

Er versprach sich davon eine Belebung der darniederliegenden Tuchfabrikation, weil die Juden die „Vertriebswege“ kannten. Diese reichten bis in die Levante.

Karl erließ den Juden die üblichen Steuern bis auf die Vermögenssteuer, die sie an seine Kammer abliefern mussten.  Unter diesem Schutz entwickelte sich die Gemeinde, die Juden, sparsam und fleißig, wurden wohlhabend, konnten Gelder an die christlichen Bürger verleihen.

Das wurde ihnen zum Verhängnis. Davon aber später.

In ländlichen Gemeinden wurden Juden wahrscheinlich erst später sesshaft.

Eine blutige Hostie, die in Pulkau gesehen wurde, führte in Niederösterreich zu einer Judenverfolgung, die bis ins südliche Mähren reichte. Markgraf Johann besah sich dieses „Wunder“ anlässlich eines Besuches in Znaim 1338, verhinderte aber doch größere Ausschreitungen in Mähren. Viele Juden siedelten in dieser Zeit nach Mähren über und so entstanden auch ländliche Judengemeinden im südlichen Mähren.

Einen weiteren „Schub“ an Einwanderern gab es, als Markgraf Johann 1420 in seinen Erblanden Österreich „ad majorem gloriam“ eine generelle Judenaustreibung anbefahl. Vorwand war eine unterstellte Verbindung mit den Hussitten.

Einen weiteren großen Zustrom fremder Flüchtlinge, diesmal aus dem Osten, brachte der Chmelnickyaufstand und die kosakisch-polnischen Kriege 1648 – 1665 nach Mähren. Die Familiennamen Pollak, Polacek, Krakauer, Lemberger, die in Mähren häufig vorkamen, erinnerten an diese traurige Begebenheit.

Der letzte große Zustrom von außen kam als Folge der letzten Judenvertreibung aus Wien und Niederösterreich im Jahre 1670. Die Gemeinden hatten sich noch nicht wieder vollständig von der „polnischen Flüchtlingsflut“ erholt als dieser neue Flüchtlingsstrom sich über Mähren ergoß. Dabei hatte Nikolsburg den größten Zufluß. Der Fürst von Dietrichstein nahm 80 jüdische Familien auf, die reichlich Zuzugs- oder Niederlassungsgelder in seine Kasse zahlten. Auch die Gemeinden Kostel, Jamnitz, Eisgrub, Althart, Pullitz und Piesling bekamen reichlich Zuwachs. Die Juden von Weitterfeld nahm Fürst Starhemberg in Schaffa auf.

 

In diesem Kapitel wurde die Einwanderung der Juden beschrieben, die, wie wir sahen, zum großen Teil auf Vertreibung und Flucht zurückzuführen war. Im nächsten Abschnitt wollen wir den geschichtlichen Ablauf und das Schicksal der Juden im Lande selbst verfolgen.

 

 

 

 

Verlauf der Geschichte der Juden in Mähren

 

Bei der Betrachtung des Verlaufes der Geschichte der Juden in den christlichen Ländern und hier besonders im Mitteleuropäischen Raum, sollten wir einige Feststellungen an den Beginn stellen, weil damit so manches Ereignis besser verstanden und auch eingeordnet werden kann.

-          Die Zuwanderung: Die Juden sind immer wieder von irgendwoher zugewandert und sie waren danach im neuen Wohngebiet eine verhältnismäßig kleine Gruppe. Damit aber behielten sie immer wieder, mehr als die Christen, ihre Verbindungen zu relativ weit entfernten Gebieten und/oder Glaubensgenossen aufrecht. Das förderte den Handel, brachte den Juden Wohlstand, weil sie die Waren dorthin absetzen konnten, wo der größtmögliche Gewinn zu erwarten war. So ergab es sich z.B., dass der überwiegende Teil des „Landhandels“ bis in die Neuzeit, bis zur Entstehung der Genossenschaften (Raiffeisen u.ä.) zu Beginn des 20. Jahrhunderts überwiegend in jüdischen Händen war.

-          Der Geldverkehr: Weil es Christen nach kanonischem Recht verboten war, Zinsen zu geben und zu nehmen, blieb während des gesamten Mittelalters der Geldverkehr in der Hand der Juden. Wer als Christ Geld hatte, gab es den Juden, der dafür Zinsen bezahlte, bezahlen durfte. Wer Geld benötigte, lieh es sich beim Juden, der dafür Zins nehmen konnte. Teilweise wurde der Zinssatz beschränkt, d.h. die Obergrenze festgelegt, aber es ist menschlich dass sich daraus immer der Vorwurf der Wucherei ableiten ließ. Für den Schuldner sind Zinsen immer zu hoch, daran hat sich bis heute ja nichts grundsätzliches geändert. Es ist dabei müssig, Überlegungen anzustellen, ob das Naturell des Juden sich besonders für solche Geschäfte eignet, oder ob er in diese Rolle hineinwuchs. Tatsache ist, dass die Juden im Prinzip nicht zu entbehren waren.

-          Die Landwirtschaft: Es war den Juden nicht immer verboten, Land zu besitzen. Verpfändete Güter konnten über weite Zeiträume eingezogen werden, d.h. in das Eigentum des jüdischen Geldverleihers übergehen. Es war aber seit dem 11 Jahrhundert in den böhmischen Ländern Juden verboten, Christen für sich arbeiten zu lassen oder gar diese als Leibeigene zu „besitzen“. Nun waren aber in jener Zeit der noch bestehenden Leibeigenschaft Menschen immer Bestandteil der Güter, wären also auch quasi in jüdischen Besitz übergegangen und hätten für den jüdischen Besitzer arbeiten müssen. Das aber war ungesetzlich. Daraus folgt, dass was theoretisch möglich war, praktisch kaum umgesetzt werden konnte. Das änderte sich erst mit dem von Josef II. erlassenen Toleranzpatent 1783.

 

Ich lasse bei dieser Betrachtung den Faktor „Religion“ absichtlich beiseite, weil sie beim geschichtlichen Ablauf kaum eine Rolle spielt . Dies mag vielleicht eine gewagte Behauptung sein, weil ja sehr viele, ja die meisten Pogrome und Verfolgungen religiös untermauert waren. Tatsache aber ist, dass es immer auf eine Enteignung, auf einen erzwungenen Schuldenerlaß hinauslief. Das hat aber nichts mit der Religion zu tun.

 

Die erste bekannte Erwähnung der Anwesenheit von Juden in Mähren findet sich im „Raffelstettener Zollvertrag“ aus dem Jahre 906. Dieser Vertrag, geschlossen zwischen dem deutschen König und den Bischöfen von Passau und Salzburg, bezog sich auf den Handel nach Mähren und aus Mähren. Darin wird der Zollsatz festgelegt .Darin werden z.B. Schotten begünstigt, sie mussten mit der Ausnahme von Salz, welches dem Zoll unterlag für Sklaven und andere Waren keinen Zoll entrichten.

Wer aber mit den Mährern handeln wollte, musste auf der Heimreise einen Schilling entrichten, bei der Rückkehr konnte er ohne Abgabe die Mauth überschreiten. „Juden müssen überall, wie es herkömmlich ist, einen mäßigen Zoll von Sklaven und anderen Dingen zahlen.“

Dudik berichtet in der „Geschichte Mährens“, „dass als Käufer und Verkäufer der wegen eines Verbrechens zu Sklaverei Verurteilter, die im Lande verbreiteten Juden erscheinen“.

Am 22. Juli 1124 gab der Herzog Wladislav I. den Befehl, dass von nun an „kein Christ einem Juden dienen solle“. Anlaß war das Todesurteil gegen einen Juden in Prag, wegen Begehung eines Sakrilegs. Die Judengemeinde sammelte daraufhin 1000 Pfd. In Gold und 3000 Pfd. In Silber und erkaufte sich damit die Nichtvollstreckung des Todesurteils. Für dieses Geld löste wiederum Herzog Wladisav alle christlichen Sklaven aus.

Nach dem Chronisten Dudik waren die Juden seit „undenklichen Jahren“ ansässig.  Als Beispiel zieht er den Bau der landesfürstlichen Burg Podivin durch einen Juden namens Podiva an.

Wir können festhalten, dass sie im Lande waren, sicherlich von der christlichen Bevölkerung nicht besonders geliebt, was sich in immer wiederkehrenden Verfolgungen zeigte. Als im Jahre 1096 die Judenverfolgungen im Gefolge der Kreuzzüge auch Böhmen und Mähren erreichten,  hat das die reichsten Juden veranlasst, mit ihrem Besitze nach Polen und Ungarn zu fliehen. Manche von Ihnen wurden auf Befehl des Herzogs Břetislav von Häschern ergriffen und vom Landeskämmerer „rein ausgeplündert“. „Nicht einmal aus dem brennenden Troja hätte man so viel Geld zusammengebracht als an jenem Tage von den unglücklichen Juden“ berichtet der Geschichtsschreiber Cosmas.

Das Schicksal der Juden bewegte sich immer zwischen extremer Verfolgung und privilegierter Ausnahmestellung.

Die von Kaiser Heinrich IV. (das war der, der nach Canossa ging) am 13.September  1084 verfaßte Urkunde stattete sie mit enormen Rechten aus, nur noch übertroffen von der Urkunde von 1090, in der die Judenschaft von Speyer geradezu privilegiert wurde, um wenig später beraubt und aus der Stadt vertrieben zu werden. Laut Dudik gab es niemals, weder vorher noch nachher ein solch ungerechtes Gesetz, welches eine Rasse so in den Vorteil setzte. Er schreibt: „Was wunder also, wenn die Juden bei solch kaiserlichen Begünstigungen das heilige römische Reich deutscher Nation als ihr wiedergefundenes Vaterland priesen und sich mit Vorliebe Deutsche nannten. Daß ihnen diese Vorliebe vom deutschen Volke gar bitter vergolten wurde, schien sie nicht so stark zu genieren.“

Man kann davon ausgehen, dass diese Privilegien auch eine Auswirkung auf die böhmischen Länder hatten.

König Wenzel erließ bereits einen Schutzbrief für die Judenschaft, dessen Inhalt nicht bekannt ist, Aber es war sein Sohn Ottokar II., der den Juden in den böhmischen Ländern 1254 einen umfassenden Schutzbrief ausstellte. Man kann ruhig annehmen, dass er sich diesen von der „Judengasse“ vergolden ließ, aber immerhin gab er den Juden weitreichende bürgerliche Rechte, sie selbst bezeichneten diesen Schutzbrief als die „Magna Charta Libertatum“. Der Schutzbrief besteht aus zwei Teilen, einmal die Judenschaft in Mähren und Böhmen, und weiter speziell die Juden in Brünn betreffend.

Der Schluß der Urkunde lautet:

„Des­gleichen nehme kein Jude, welcher in der Brünner Gemeinde verweilt, nach Sonnenuntergang von Nie­manden, sei es ein Bekannter oder Unbekannter, ein Pfand an, ebenso soll er sich bei Tage in Betreff von Pferden, Kühen, Ochsen und anderen Sachen, von welchen er Verdacht hat, daß sie gestohlen sind, nicht einmischen, es wäre denn bei Zeugenschaft zweier Ge­schworenen aus der Gemeinde. Die Juden sind auch verpflichtet, zur Ausbesserung der städtischen Schan­zen und Gräben den vierten Teil beizutragen.“

König Rudolf, nach dem Sturze von Ottokar II. für kurze Zeit Herr in Böhmen und Mähren, gedachte in den von ihm „begnadigten“ Städten auch der Juden, indem er anordnete, „dass die Stadtjuden angehalten werden  sollen, die Landes- und Stadtsteuern und Contributionen gleich den anderen Bürgern zu entrichten.“

Es folgte eine Zeit der relativen Sicherheit für die Juden. Aus dieser Zeit, nämlich aus dem Jahre 1311 berichtet Dudik folgende Begebenheit aus Brünn: König Johann war zum Landtage nach Brünn gekommen. Seine Ankunft glich einer Prozession, bei der sich die jüdischen Bewohner besonders hervortaten. Sie gingen dem königlichen Zuge schon eine weite Strecke entgegen und geleiteten ihn unter Absingen hebräischer Lieder und Psalmen in die Stadt, wo sich der mährische Adel zahlreich einfand um den König als neuen Markgrafen zu begrüßen.

Johann dankte den Empfang durch die Juden auf seine Weise: Als er im Jahre 1333 in Parma der Stadt Brünn ein Privilegium verlieh, welches den Grund zu ihrem Handel legte, bedachte er auch die Juden, indem er verordnete, dass diese, sooft die Stadtmauern repariert werden, den vierten Teil der hierzu erforderlichen Auslagen beisteuern müssen, da sie die Bequemlichkeit der Stadt genossen, aber nicht deren Lasten trugen,

König Karl erneuerte 1348 die Privilegien Ottokars II., so dass es für die Juden ein günstiges Zeichen für den Beginn der Herrschaft Karls bedeutete. Es wurde aber in Wirklichkeit eine Schreckenszeit.

Wie überall in Mitteleuropa brach um diese Zeit die Pest aus und wütete schlimm. Weil man keine Erklärung für diese Epidemie hatte, beschuldigte man vielfach die Juden der Brunnenvergiftung. Es kam auch in Mähren zu Ausschreitungen und Plünderungen, insbesondere im Jahre 1349. Um dem zu entgehen, flohen viele in den angrenzenden Landesteil Ungarns, der Slowakei.

Es sei aber anzumerken, dass sowohl die Judenverfolgungen während der Kreuzzüge, als auch während der Pestepidemie, in Mähren, vielleicht bedingt durch die Randlage, weit weniger extrem waren als in Deutschland und auch in Böhmen.

Kaiser Karl IV. erneuerte 1356 die den Juden günstigen Privilegien des Königs Přemysl Ottokar II..

Während der Regierungszeit von Kaiser Sigismund, des Sohnes von Karl IV., der auch als König über Böhmen und Mähren herrschte, fand unter der Herrschaft des Habsburger Herzogs Albrecht II. im Jahre 1421 in Wien eine blutige Judenverfolgung statt, die „Wiener Gesera“. Wie schon im Jahre zuvor die aus Niederösterreich vertriebenen Juden, wandten sich viele der Wiener Juden nach Mähren, wo sie in der Nähe der österreichischen Grenze eine Reihe von Judengemeinden gründeten. (siehe auch Nikolsburg, Lundenburg, Znaim, Pohrlitz).

Zu ihrem Pech wurden sie hier wieder von ihrem Wiener Vertreiber eingeholt. Herzog Albrecht II. vermählte sich 1422 mit der Tochter des Kaisers Sigismund. Dieser trat ihm zur Sicherstellung des zugesagten Heiratsgutes die südmährischen Städte Iglau, Jamnitz, Znaim und Pohrlitz ab, welche durchwegs starke Einwohnergruppen  jüdischer Emigranten aus Wien aufwiesen. Albrechts Einfluß wurde noch bedeutender, als ihm Kaiser Sigismund 1423 ganz Mähren überließ, damit er sich besser auf die Führung der Hussitenkriege konzentrieren konnte. Eine der ersten Maßnahmen war die 1426 verfügte Vertreibung der Juden aus Iglau. Sie wurden der Zusammenarbeit mit den Hussiten beschuldigt.

Diese judenfeindliche Einstellung vererbte sich von Albrecht auf seinen nachgeborenen Sohn Ladislav (Posthumus). Dieser war stark dem Einfluß des fanatischen Franziskanermönches Johann von Capistrano ausgesetzt, und verfügte unmittelbar nach erlangter Großjährigkeit, 1454, die Vertreibung der Juden aus den königlichen Städten Brünn, Olmütz, Znaim und Mähr. Neustadt. Alle diese Vertreibungen erfolgten auf Antrag der christlichen Bürgerschaft und war immer mit einem erzwungenen Schuldenerlaß und der Enteignung verbunden. Weil aber die Juden ohnehin höhere Steuern zu bezahlen hatten, mussten sich die christlichen Bürger verpflichten, diese Steuern in voller Höhe weiterhin zu entrichten.

Der Wortlaut dieses Vertreibungsdekretes lautet:

“Zur Behebung der Verderbnüs und Beschwehrung, so meingvelticlich den Christen und sunder unsern Lieben getreuen, den Bürgern und der Gemain zu Brünn geschehen, dadurch sy in groß Armuth und Schaden kommen möchten: solichen nun zu widersteen, so haben wir die Sachen gewegen und für zei­tigen Rat für uns genomen und in unserm Gemüt be-tracht und von sundern Genaden durch Aufnehmung willen der bemelten unser Stat, haben wir denselben Unsern Bürgern und der Gemaln zu Brünn und ihren Hundersassen soliche Genad gethan. Dass wir sy als ein Kunig zu Behern und ein Margraf zu Merhern der Juden daselbs zu Brünn ganz entladen und gemussigt haben; entladen und massigen auch wissentliche in Kraft diese Briefs von behemischer kuniglicher Macht in solichem Masse, dass sich alle Juden und Judin, jung und alt, keiner aus genomen, von Brün mit irer farunder Hab fegen und wegziehen sollen zwische hie und Sct. Martinstag nechst künftig unvorzogenlich, auch sollen die Christen daselbs zu Brün die Cernuin ir Hundersassen, denselben Juden und ändern Ju­den die bei in gewont und von in gezogen haben, ihr gelihen Haubtgut, weliche in das noch schuldig sind, bezalen und ausrichten, nach Inhalt der Begnadung, so wir denselben von Brün und den inen vonmds von der Juden Geltschuld wegen getan haben und da­mit von in ledig sein.

Wir haben auch den obgenannten unsern Burgern zu Brün aber noch mehr Genad getan. Dass wir in alle Judenheuser, ir Synagog und Freythof verlihen, gegeben und ganz zugeaignet haben, die mit Christen zu besetzen und hinfur die Juden in dieselbigen, noch in andere Heuser daselbs zu besizen nicht mehr kom­men lassen, und sollen und mögen mit denselben Heu­ser handeln und thuen nach ihrer und derselben Stat Notdurf so sy das am besten und nüzlichsten beden­ken ohn allermeinelich Beirrung, doch in solichen Masse, dass dieselben unsere Burger daselbs zu Brün, uns unsern Erben und Nachkomen Margrafen zu Merhern soliche Zinse und Rent, so uns die Lemelten Ju­den in unser Kammer jerlich geraicht und geben haben, das ist sechzig Schock Groschen gewonlich und gengiger Munez in unserem Land zu Mehrern, auch jerlich raichen und geben sollen.“

 

Die aus den Städten vertriebenen Juden siedelten sich zum großen Teil in den Gemeinden an, in denen vorher schon Vertriebene aus Wien und Niederösterreich eine Bleibe fanden (siehe z.B. Mißlitz).

Im 16. Jahrhundert waren es die Religions- und Türkenkriege, die den Juden zu schaffen machten. Sie wurden immer wieder verdächtigt, mit dem Feind, also den Türken und Protestanten zusammenzuarbeiten. Das taten sie zweifellos, aber nicht als Verbündete dieser Parteien, sondern als Geschäftsleute.

Jedenfalls nahm Kaiser Ferdinand I. dies zum Anlaß, die Ausweisung der Juden aus Böhmen und Mähren zu verfügen. Diese Anordnung wurde auf Grund des Widerstandes der Stände jedoch nicht befolgt.

Die Zeit des dreißigjährigen Krieges  brachte keine besonderen Nachteile für die Juden, sie litten ebenso wie die übrige Bevölkerung und wurde offensichtlich „nur“ im gleichen Maße dezimiert, so dass es nach Beendigung desselben in ganz Mähren nur 773 bewohnte und 341 unbewohnte Judenhäuser gab.

Erneut gab es einen Zustrom von Außen: Während des Aufstandes des Kosakenhejtmannes Chmelnicky wurden die Juden scharf verfolgt und es flohen viele nach Galizien, aber auch nach Mähren, was hier zu einer bedeutenden Zunahme der jüdischen Bevölkerung führte. Dies wiederum empörte die christliche Bevölkerung so sehr, dass der mähr. Landtag im Jahre 1650 beschloß, in keiner Herrschaft und keiner Stadt Juden zu dulden, wo sie nicht schon 1618 angesiedelt waren. Das bedeutete, dass keine neuen Judengemeinden gegründet werden durften. Auch dieser Beschluß wurde nicht vollständig durchgeführt, machte aber den Juden deutlich, wie unsicher ihre Lage im Prinzip war, so dass sich viele entschlossen, das Land zu verlassen. Unter anderem zogen sie in die Mark Brandenburg, wo sie einen erheblichen Anteil an der Entwicklung der Hauptstadt Berlin haben. (Dr. Theodor Haas, Statistische Betrachtungen…).

Kaiser Leopold I. verfügte 1670 erneut die Vertreibung der Juden aus Wien. Er beschuldigte sie, während des dreißigjährigen Krieges mit den Protestanten, den ungarischen Aufständischen und den Türken zusammengearbeitet zu haben. Diese Ausweisung erfolgte, obwohl Kaiser Ferdinand II. noch vorher den Juden einen eigenen Stadtteil, die heutige Leopoldstadt, als Wohngebiet zuwies.

Trotz des vorgenannten Beschlusses des mähr. Landtages ließen sich die aus Wien vertriebenen Juden im grenznahen Gebiet in Mähren nieder, gründeten auch neue Gemeinden, wie z.B. Schaffa.

Eine solche Neugründung war nur möglich, wenn sich der zuständige Grundherr über den Landtagsbeschluß wegsetzte, so wie es im Falle Schaffa Graf Maximilian Starhemberg tat.

Jedenfalls erfuhren die im 30jährigen Krieg stark dezimierten Gemeinden eine Blutauffrischung, wahrscheinlich auch in intellektueller Hinsicht.

Kaiser Leopold sah es nicht gerne, dass die von ihm aus Wien vertriebenen Juden innerhalb seines Herrschaftsbereiches eine neue Heimstatt fanden und so ließ er den mähr. Landtag erneut einen Entschluß fassen, der besagt, dass „nur jene Juden dort ferner geduldet werden sollten, welche im Jahre 1657 in der betreffenden Stadt nach Anzahl der Häuser sich befunden haben und dass die überzählige Judenschaft aus dem Lande geschafft werden sollte“.

Auch diese Anordnung wurde nicht voll durchgeführt, zu viele Wirtschaftsinteressen liefen dem zuwider.

Weil diese gewaltsamen Maßnahmen mit Rücksicht auf die Bedeutung der Juden auf Handel und Verkehr sich immer weniger durchsetzen ließen, wurden andere Verfügungen getroffen, um die Anzahl der im Lande lebenden Juden zu limitieren.

Kaiser Karl VI. verbot in einem „Hofrescript“ vom 31.Juli 1726 bei einer Strafe von 1000 Dukaten die Neuansiedlung von Juden in Gemeinden, in denen es bisher keine Juden gab. Darin wurden auch für ganz Mähren die Höchstzahl der „Systemisierten“ Judenfamilien mit 5106 bestimmt, bzw. festgelegt. Mittels des nachgeschobenen Hofgesetzes vom Oktober 1726 wurde die Verehelichung von Juden nur in der Weise gestattet, dass immer nur der älteste Sohn nach dem Tode des Vaters eine gültige Ehe eingehen durfte. Nur so konnte er die durch den Tod des Vaters freigewordene  Familienstelle übernehmen.

Gleichzeitig erfolgte die örtliche Absonderung der jüdischen von der christlichen Bevölkerung und die Errichtung eigener Judenviertel in systemisierter Weise mittels der Dekrete vom Dezember 1726 und Juni 1727. Auf diese Weise entwickelten sich an manchen Orten ganze Gassen und Stadtteile, welche ausschließlich von Juden bewohnt waren. Damit wurde auch der  Grundstein für die Judengemeinden gelegt.

Den letzten Versuch, die Juden aus Böhmen, Mähren und Schlesien zu vertreiben, machte ausgerechnet die fromme „Kaiserin“ Maria Theresia 1745 (Tochter und Nachfolgerin von Kaiser Karl VI., die genau genommen nur die Frau des Kaisers war), nachdem sie bereits ein Jahr zuvor verfügte, diese aus Prag, Brünn und Olmütz zu vertreiben. Der böhmische Hofkanzler Graf Kinsky konnte sie nur mit Mühe dazu bewegen, diese Anordnung zu mildern. Erst als die Stände ihr den zu erwartenden Steuerausfall vorrechneten, verschob sie den Ausweisungsbefehl um 10 Jahre. Danach wurde er quasi „vergessen“.

Im mährischen Toleranzpatent, erlassen von Kaiser Josef II. wurden viele der bis dahin bestehenden Beschränkungen der Juden aufgehoben. So durften die Juden Schulen einrichten, der Zugang zu fast allen Berufen wurde ihnen gestattet und sie durften auch landwirtschaftliche Betriebe für 20 Jahre pachten, bzw. im Besitz behalten. Weil sie aber der Landwirtschaft unkundig waren, wurde ihnen auch die zeitweilige Beschäftigung von christlichen Knechten gestattet. In kleinen Gemeinden ohne eine eigene Schule wurde den Kindern der Besuch der christlichen Schule erlaubt „und befohlen“. Die sogenannte Judenmaut wurde abgeschafft, jedoch konnten die davon betroffenen königlichen Städte den Steuerausfall anderweitig kompensieren.

Daß es Josef dabei weniger um das Wohlergehen der Juden, als um die Sicherstellung deren Steuerkraft ging, bezeugen seine folgenden Aussprüche:

„Meine Absicht… geht keineswegs dahin, die jüdische Nation in den Erblanden mehr auszubreiten, aber da wo sie ist, und in dem Maß wie sie als toleriert besteht, dem Staate nützlich zu machen“.

„… ist es, weil sie keine Christen, so sind es Menschen, Consumenten, zahlen, also nutzbar, wenn man sie in Schranken hält.“

Ein Patent aus dem Jahre 1787 erhöhte die Anzahl der zugelassenen jüdischen Familien von 5106 auf 5400, diese Oberzahl der jüdischen Familien hatte bis 1848 Gültigkeit. Das Eingehen einer Ehe bedurfte weiterhin der behördlichen Genehmigung, so dass sich die Abwanderung der „überzähligen“ jüdischen Bevölkerung weiter fortsetzte.

Eine systematische Regelung der Ansiedlungsverhältnisse der Juden in Mähren erfolgte durch das Patent des Kaisers Franz II. 1798, in dem 52 Judengemeinden in Mähren geschaffen wurden. Es waren Gemeinden, in denen Juden und jüdische Einrichtungen seit langem existierten.

Die größte Anzahl der systemisierten Judenfamilien besaßen die Städte Nikolsburg mit 620, Proßnitz mit 328 und Boskowitz mit 326.

Die königlichen Städte Brünn, Iglau, Znaim und Ung. Hradisch blieben den Juden weiterhin verschlossen, das deutsche Nordmähren war ohnehin fast ohne jüdische Bewohner.

Die bedeutendste Veränderung für die jüdischen Einwohner brachte das Jahr 1848, in welchem die bis dort geltenden Beschränkungen der Freizügigkeit aufgehoben wurden. 1860 wurde ihnen auch der Erwerb unbeweglicher Güter gestattet und schließlich erfolgte 1867 die Deklaration der völligen Freizügigkeit im gesamten Staatsgebiet.

Als mittels eines Gesetzes 1862 selbstständige Ortschaften geschaffen wurden, erstreckte sich das auch auf die Judengemeinden, welche ein eigenes geschlossenes Territorium sowie die Mittel zur selbstständigen Verwaltung besaßen. In ganz Mähren wurden so 27 selbstständige (politische) Judengemeinden gebildet.

Obwohl zunächst die Gesamtzahl der Juden zunahm, erlitten die Landgemeinden einen zunehmenden Bevölkerungsverlust. Das hatte vor allem wirtschaftliche Gründe. Mit der verkehrstechnischen Erschließung des Landes durch die Eisenbahn und durch die Gründung landwirtschaftlicher Genossenschaften, wurde dem traditionellen jüdischen Landhandel die Basis entzogen. In den Städten ergaben sich neue Möglichkeiten, so dass sich die jüdische Landbevölkerung rasch verringerte. Von den ursprünglich 27 politischen Judengemeinden bestanden bei der Gründung der Tschechoslowakischen Republik 1918 nur noch 2. Die letzte davon, Mißlitz (jüdisch Mislap) ging 1924 in die deutsch geprägte politische Gemeinde Mißlitz auf. Die Juden hatten danach noch 3 garantierte Sitze im Gemeinderat.

 

 

 

 

 

Die Judenmaut in den königlichen Städten Mährens

 

Erstmals findet sich ein Hinweis auf eine solche Maut in einer Urkunde aus dem Jahre 1341. König Johann bestätigte darin dem Kloster Willimow die Abnahme der Mauth, fordert aber zugleich auf, die Maut für die lebenden und toten Juden nach der „Sitte“ der Christen abzunehmen. Das bedeutet aber, dass die Juden vorher eine höhere Abgabe zahlen mussten.

Nach der Vertreibung der Juden aus den königlichen Städten, war das Betreten derselben, auch wenn es nur für einen Tag war, erheblichen Beschränkungen unterworfen. Sie hatten insbesondere ein Einlassgeld oder Leibmaut zu entrichten. Der Ertrag aus dieser Gebühr floß zunächst in die städtischen Kassen, später aber wurde diese Abgabe für die königl. Kasse eingezogen. 1708 z.B. war diese mit 15 und 7 Kr. Je nach dem Orte festgesetzt, später wurde sie für alle Orte einheitlich auf 17 Kr. Festgesetzt.

Die k.u. k- mähr. Landes-Deputation verpachtete die Leibmaut oder „Einlassgelder“ „mit allerhöchster Genehmigung“ von 1749 an für 3 Jahre an Conrad Leopold Donatius und den Trebitscher Juden Simon Hirschl um einen monatlich in die k.k. Cameralcasse zu Brünn abzuführenden jährlichen Pachtschilling von 7500 Gulden. In dem Kontrakt vom Januar 1749 heißt es: „Nachdem nun Vierthens bis anhero jederzeit die Thorschreiber in den königl. Städten diese jüdische Einlassgelder und die ihnen behändigte gedruckte Mauthzettel ganz getreu verrechnet und die empfangenen Gelder seiner Behörde ganz richtig abgeführtet; Alß lasst man ihnen Contrahenten anheimb gestellt ob sie mit diesen Thorschreibern continuiren oder aber mit dieser collecte unter den Stadtthoren in demjenigen Stübl, welcheß in denen Marktzeithen dazu gebraucht wird, eine andere Bestellung, jedoch allemal durch christliche Personen einzurichten intentionirt seyen.“

Unter fünftens wird weiter ausgeführt, dass die Juden gestattet wird, gegen diese Einlaßgebühr die Stadt an jedem Tag zu betreten.. „hingegen hiemith ernstlich verbothen, dass sich keiner unterstellen solle, an einem Sonn- oder Feiertage in die Stadt zu gehen..“. Selbst wenn ein Jude von einer Behörde in die Stadt gerufen wurde, durfte er diese an Sonn- und Feirtagen nur nachmittags betreten.

Eine weitere Festlegung von 1749 erlaubt den Juden, an jedem Tag die Städte zu betreten, außer an den oben erwähnten Sonn- und Feiertagen.

Die Leibmaut wurde unter Josef II 1782 aufgehoben.

 

 

Die besondere Judentracht

 

Zu den vielen Beschränkungen, die man den Juden auferlegte, gehörte auch eine besondere Tracht, die zu tragen sie verpflichtet waren. Das Wiener Konzil von 1267 erneuerte frühere päpstliche Befehle, nach denen die Juden einen gezackten Hut zu tragen verpflichtet sind, „damit man sie, wie es erforderlich ist, von den Christen

 unterscheiden könne.

Es war Juden bei Androhung einer Geldstrafe verboten, ohne  dieses äußere Zeichen in der Öffentlichkeit aufzutreten. Diese äußeren Zeichen waren nicht einheitlich.

 

 

Um die Juden sogleich von den Christen unterscheiden zu können, befahl König Ferdinand I. für die böhmischen Länder 1551, dass die Juden auf der Gasse eine Art „Weibermantel“ mit auf der linken Seite eingenähten, aus gelbem Tucher gefertigten Rädchen tragen sollen. Zusätzlich gab es noch den Zwang zum tragen eines Bartes.

Der Kleider- bzw. Kennzeichnungszwang wurde erst 1782 durch das Toleranzpatent Josefs des Zweiten abgeschafft

Das Bild zeigt die Anordnung Ferdinand I. für die Judenkleidung

 

 

 

Die Paradiesapfelsteuer.

 

 Von Willibald Müller, aus „Beiträge zur Geschichte der mähr. Judenschaft“

Im Jahre 1736 machte ein Prager Handelsmann, Namens David Heinrich Lehmann der böhmischen Hofkanzlei den Vorschlag, auf die Einfuhr der von der Judenschaft zur Feier des Laub­hüttenfestes gebrauchten »Adamsäpfel«*) eine »besondere Maut« zu legen. Diese besondere Maut werde „dem höchsten Aerario ein sicheres Quantum abwerfen“ und es in die Lage setzen davon dem Antragsteller eine Gratifikation von zweitausend Dukaten auszuzahlen.

Der Vorschlag kam unter Karl VI. nicht zur Erledigung und ruhte auch während der Kriegswirren in den ersten Jahren der Regierung Maria Theresias in irgend einem Prager oder Wiener Aktenschranke. Erst im Jahre 1744 mag sich Jemand wieder des Vorschlages erinnert und der Kaiserin darüber Vortrag gehalten haben.

Die Folge davon war ein Hofdekret an die böhmische Hofkanzlei und an das königliche Amt in Brünn, in dem die Kaiserin, sich auf den erwähnten Antrag berufend, mitteilte, daß derselbe „wohl zu akzeptieren“ wäre, daß man aber dennoch über ihn zur Tagesordnung übergehen und es den Juden nach wie vor freistellen wolle, die Adamsäpfel zu kaufen, wo und wie es ihnen belieben würde. Nur müsste die Judenschaft in Böhmen, Mähren und Schlesien für diese ihr gnädigst gewährte Einkaufs-Freiheit alljährlich den Betrag von 40.000 fl. an die Aerarialkasse in Wien abführen. Für das Jahr 1744 – das Hof­dekret ist vom 17. Juli datiert  - sei der vorgeschriebene Betrag sogleich zu erlegen, widrigenfalls die Judenschaft vom 1. Jänner 1745 an gezwungen sein werde, ihre Adamsäpfel um festgesetzte Preise und in einem bestimmten Ausmaße nach Weisung der Regierung zu beziehen. Die verlangten 40.000 Gulden waren in der Weise aufzuteilen, daß die Juden in Böhmen sieben Zwölftel, die mährischen vier Zwölftel und die schlesischen Juden ein Zwölftel der Summe erlegen sollten.

Die sonderbare Motivierung der neuen Steuer hatte für die Judenschaft nichts Ueberraschendes, denn sie war seit langer Zeit gewohnt, jede Erleichterung ihrer Existenz mit barem Gelde zu bezahlen.

Selbstverständlich hatten sie unter den Kriegswirren ebenso gelitten, wie die übrige Bevölkerung, so daß sie kaum im Stande waren, ihr jährliches „Kontributionale“ aufzubringen. Und nun verlangte man abermals von ihnen eine neue Jahressteuer von 13.333 fl. 20 kr.

Die Summe war für die mährische Judenschaft einfach unerschwinglich. Das königliche Tribunal in Brünn stellte aber zunächst keine Untersuchung darüber an, ob die neue Steuer zu erschwingen sei, sondern ließ sie durch den Landesrabbiner ganz einfach den einzelnen Gemeinden zurepartieren.

Diese Repartitionstabelle des Landesrabbiners Berend Gabriel Eskeles liegt vor. Wir ersehen aus ihr, daß die Anzahl der für die Repartition in Betracht kommenden mährischen Judengemeinden 14 betrug, u. zw. Entfielen auf den Olmützer Kreis 8, auf der Prerauer 6, auf den Brünner 10, auf den Znaimer 9, auf den Iglauer 5 und auf den Hradischer 6 Gemeinden. Der weitaus reichste Kreis war der Brünner mit der Nikolsburger Judengemeinde, der allein 2971 fl. 9 kr. Vorgeschrieben wurden, während die 9 Gemeinden des Znaimer Kreises zusammen nur 1132 fl. 81/2  kr. als Vorschreibung erhielten.

Die Steuerrepartition wurde den Judengemeinden im Monate März 1745 durch die Kreisämter vorgelegt und es sollte die Schuldigkeit für das Jahr 1744 sofort eingetrieben werden. Selbstverständlich ließ die Judenschaft eine Protesteingabe verfassen, die sie am 9. April 1745 beim königlichen Amte in Brünn vorlegte.

Diese Protesteingabe hat folgenden Worlaut:

„Nachdem nun Ermelter jüdischer Landrabiner diese aller­höchste Resolution und Verordnung der gesambten Mährischen Ju­denschaft zu intimiren unermanglet hat, so war sellbte im gegentheil entschlossen, bey allerhöchst gedacht Ihro zu Hungam und Böheimb königlichen Majestät allerunterthänigst Supplicando Einzukommen, die wahre Beschaffenheit wegen Erkauffung und gebrauch deren ParadeyßÄpffel und Palmzweigen allergehor­samst zu Eröffnen, dagegen, wienach der projectant solche Beschaffenheit entweder ignoranter oder voluntarie verschwiegen habe, anzuzeigen, und untereinst allerdemüthigst zu Bitten : Allerhöchst-dieselbe geruheten Besonders in ansehung derer einige Jahr her gethanen nahmhafften Anticipationen und anderen Imposts, auch der von mehr alß 200.000 fl. Habenden Schuldenlast, den sich mit Verschweigung der wahren Umständen angege­benen projectanten mit seinem ungleichen project allergerechtest abweyßen, und der Judenschafft den bisherigen freyen Erkauft der Paradeyß-Äpffel noch fernerhin allermildest zu Verstatten, im unverhoffenden Fall aber, daß wann jedannoch Ihro königl. Majestät mit herbeischaffung sothaner Äpffel ein anderes zu ver­ordnen gnädigst anbefehlen zu lassen, daß die Mährische Juden­schafft zwar Jährlich höchstens 150 Stück Äpffel. Daß Stück ä 4 fl., im Fall aber gleichwohl über derley Zahl von der Judenschaft einige Äpffel genommen werden wollten, solche Stück Äpffel um denjenigen Preyß, wie es immer hochtaxiret würde, anzu­nehmen schuldig und keinen Einzigen Paradeyß-Äpffel in Mähren anderswoher unter gröster Straff einzuführen befugt seyn sollen.

Gleich wie aber gnädig bekannt ist, daß bald nach oberwähnter allerhöchster Resolution das Marggraffthumb Mähren feindlich angefallen worden, mithin die Mährische Judenschafft sich außer dem stände befunden, etwas fruchtbahrliches in Sachen vor­zunehmen, und da auch zu selbiger zeith von derselben eine neue Extraansaag oder Praestation pr. .15000 fl. Zur Land-Defension, vermög allergnädigsten Rescripti vom 10ten Septembris 1744 anverlanget worden, sie auch solche so willig alß schuldig entrichtet, und nichts anderes geglaubet hat, alß daß sothane Extrapraestation pr. 15000 fl. Demjenigen quanto surrogiert worden, welches sonsten Vermög obangeführter allerhöchsten Resolution occasione fernerer Beybehaltung der vorhin gehabter Freyheit in Erkauffung deren Paradeyß-Äpffel und Palm-zweigen von dem quanto integrali pr. 40000 fl., nehmlich 4 zwölfftel von der Mährischen Judenschafft zu erlegen gewesen wäre, also hat sie Judenschafft damahls Ihro zu Hungarn und Böheimb königl. Mayt mit ihrem allerdemüthigsten Supplicato nicht belästigen wollen, und solches zu der wörtlichen Introduction oder Ein­reichung nicht gelangen lassen.

Wie nun aber anjetzo wiederumb verlauthet, samb unter die Individua der Mährischen Judenschafft ihre quota occasione der rementionirten 40 000 fl. Repartirt, und vielleicht auch eingehoben werden wolle, dahingegen nicht nur in offtbesagter allerhöchster Resolution (daß in jenem Fall, wenn die Judenschafft ihr Contingent oder quotam respectu deren 40000 fl. In tempore nicht erlegen ich, das project mit anfang Januarii dieses Jahres seinen anfang nehmen werde) außdrücklich Enthalten ist, sondern auch dieser Terminus a quo bereits vorbey, und so fast der anfang zur ausübung sothanen projects würklich vorhanden, alß können wir nicht begreiffen, wie die diesfällige Repartition und gefolgliche Einhebung bey so befindenden dingen stattfinden möge, wo vielmehr scheinen will, daß die Mährische Judenschafft sich nunmehro dem Einmahl Erfolgten allerhöchsten Außspruch lediglich aller unterthänigst unterwerfen, und demjenigen, was etwa intuitu besagten projects Ihro zu Hungarn und Böheimb königliche Mayt. Annoch allermildest zu resolviren geruhen werden, allergehorsamst nachkommen müsse, Verfolgends auch zu etwaßiger Erlaag ihrer quota von denen 40000 fl. Zuschreitten sich nicht unterstehen dörffe, noch auch, wann allenfalls dießes nicht wäre, dermahlen zu dem diesfälligen Erlaag angehalten werden könne, in weitherer gnädig- und billigsten Erwägung:

daß, wann allenfalls die Emigration der sammentlichen mährischen Judenschafft (obschon wir der allerunterthänigsten Hoffnung leben, Ihro königl. Mayth. Dörfften sich endlichen unßer allermildreichst Erbarmen, und unß von sothaner Emigration allergnädigst ent­heben) Biß ult: Junij gegenwärthigen Jahrs vor sich gehen ich, dieße diejenige Festivität, worzu sie deren Paradeyß-Äpffel und Palmzweigen benöthig ist, allererst in Septembri begehen, consequenter sothane Festivitäts-Begehung in einem anderen Land Erfolgen, und erst daselbst die Judenschafft wegen Herbeyschaffung der Paradeyß-Äpffel und Palmzweigen sorge zu tragen haben werde. Wann aber, wieder all besseres verhoffen, vermuthet werden sollte, daß die Mähr. Judenschafft ihre quotam respectu Bemelter 40000 fl. Vor das letztverflossene 1744te Jahr zu Erlegen habe, da können wir nicht umbhin, Einem Hochlöblichen königlichen Ambt unterthänig gehorsamst zu Eröffnen welchergestalts in besagtem Jahr die auch besagte Jüdische Festivität fast  gleich   nach der berührten allerhöchsten   Resolution nehmlich in Septembri gehalten, hierzu aber in Mähren, wie wir’s allzeith zu Erweyßen Erbiethig seyn, wegen deren Chriegs-Troublen etliche wenige Hundert Stücken Paradeyß-Äpffel und  Palmzweigen gebrauchet, Ein dergleichen Apftel a 1 bis 2 fl. Erkauffet, und diesfalls höchstens 500 fl. Außgelegt, Einfolglichen sothane Erkauffung in der ansonsten Einem jeden Menschen zustehenden Kauff-Freyheit lang vor dem eclatirien Project und zwar allschon im Aprili in außerwärtigen Ländern besorget, und von dannen her verschrieben worden, daß also dermahlen der projectant nicht menschenmöglich im stände gewesen, in so kurtzer zeith nehmlich a dato Intimationis, das ist, wie Eingangs besagt, den 7ten August bis zu Bestimbter Festivitätszeith nehm­lich bis Monath Sepembr 1744 die erforderliche quantität Paradeyß-Äpffel und Palmzweige herbeyzuschaffen. Es müste dahero der Mährischen Judenschafft die Erlaag der vorerwähnten quote pro anno praeterito höchst schmertzlich ja unmöglich fallen, bevorab, da selbte, wie vorgedacht, vorgehalten dieser quotae geführte und willigst erlegte 15000 fl, zur Land-Defension Surrogirt worden zu seyn, wie dann auch, wann man es nur oculo Fugitivo betrachtet, dieße quota das im vorigen Jahr für die Paradeyß-Apffel und Palmzweigen außgelegte obspecificirte Geld­quantum pr. 500 fl. Umb etliche Tausend gülden übersteiget, und anbey die Judenschafft, obberührtermaßen, durch die bisherige große und vielfaltige Praestationes publicas tarn ordinarias quam ixtraordinrias Vollends enerviert ist.

Wann dann ex adductis hervorgeht, daß bey denen dermahligen umbständen unter die Individua der Mährischen Judenschafrt ihre quota occasione offt mentionirter 40000 fl. Nicht mehr repartirt, noch auch von ihnen Eingehoben werden möge,

Solchem nach gelangt an Ein Hochlöbliches königl. Ambt inßer unterthänig-gehorsahmstes Bitten, Hochselbes geruhe unß von sothaner Repartition und Erlaag gnädig zu entledigen, oder aber, jedoch ohne unserer mindesten Vorschreibung, den Statum rei allerhöchsten Orths anzuzeigen, und unß zur Einlangung der allerhöchsten königlichen Resolution mit gedachter Repartition und Eintreibung der quote mildreich zu supersediren.“

Die Erledigung auf diese Eingabe lautete kurz und bündig:

„Man könne auf diese ihre Remonstration keine Reflexion machen und die diesfällige Quote sei ehestens abzuführen“.

Die Kreisämter erhielten gleichzeitig den Auftrag, mit der Einhebung der übrigen Kontributionsgelder auch die der Paradiesäpfelsteuer vorzunehmen.

Aber nur der Kreishauptmann von Hradisch hatte einigen Erfolg. Dieser Verwaltungsbeamte — Franz Sigbert Zialkowsky von Zialkowitz hieß er — verstand es aber auch, sehr summarisch vorzugehen. Seinem Berichte an das königl Amt vom 8. Mai 1745 ist zu entnehmen, daß er den Wirtschaftshauptleuten in allen von Juden bewohnten Gemeinden den Auftrag gegeben hat „provisorio modo sowohl in genere als in specie auf all jüdisches Vermögen, es möge solches der Gemeinde insgesammt oder einem Juden in individuo gehörig sein – Beschlag zu legen und wohl zu invigilieren, daß denen Juden nicht gestattet werde, ein oder die andere Mobilien oder Effekten zu veralienieren“.

Und das königl. Amt in Brünn billigte diese Vorkehrung und nannte sie lobend „wohl geschehen“. Wirklich hatte der Herr Kreishauptmann am 9. Mai schon einen Teil des Contributionales aus seinem Kreise beisammen und hoffte auch noch den Rest in kurzer Zeit einzutreiben. Mittlerweile war auch das die Judenschaft mit Ausweisung bedrohende Hofdekret zurück­gezogen worden. Trotzdem stieß die Einhebung der neuen Steuer fast überall auf die größten Schwierigkeiten. Bis auf die kleinen Beträge aus dem Hradischer Kreise, die dort mit dra­konischer Strenge aufgebracht wurden, war bis zum Herbste des Jahres 1745 kein Kreuzer mehr aufzutreiben, so daß sich die Hofkammer Ende Oktober entschloß, bei dem königlichen Amte in Brünn aufzufragen, inwieweit das jüdische Kontributionale durch die neue Steuer leide oder gelitten habe und ob die Juden die ihnen auferlegte Steuer überhaupt bezahlen könnten.

Die Frage wurde von dem königlichen Amte nunmehr an die Kreishauptleute gestellt und diese berichteten ausnahmslos, daß „die Impost ohne Abbruch des Kontributionales nicht ein­gehoben werden könne“. Nur der strebsame Kreishauptmann von Hradisch hielt die Sache für möglich.

Auf Grund dieser Gutachten blieb dem königlichen Amte in Brünn kaum etwas anderes übrig, als die fast einstimmig ausgesprochene Meinung der Kreishauptleute an die Hofkammer zu berichten.

Die Sache verzögerte sich jedoch bis in den August des Jahres 1746, weil der referierende Gubernialrat Herr von Hertod — die Akten verlegt hatte. Sie wurden erst anfangs August von zwei Registratursbeamten im Zimmer des Herrn Referenten, dem sie am 10. Jänner übergeben worden waren, aufgefunden und nun erst ging das Referat des Governo an die Kaiserin ab.

Es wurde beantragt, entweder dem Projektanten das ge­wünschte Privllegium zu erteilen und die mährische Judenschaft nur zur Abnahme von 150 Stück Paradeisäpfeln ä 4 fl. Zu ver­halten, oder die neue Steuer jedenfalls beträchtlich herabzusetzen.

Die Folge dieses Vorschlages war endlich ein Hofdekret vom 25. Jänner 1747 mit der Ermäßigung der Steuer auf 4000 fl. Und zwar vom Jahre 1746 angefangen. Die Reparation dieser Summe auf die Judengemeinden erfolgte durch den Landesrabbiner am 13. März und nun gelang endlich die Eintreibung der ermäßigten Steuer.

Am 20. April 1748 quittiert der Kammerat Grömmling in Prag den Eingang der gesammten Steuer für die Jahre 1746 und 1747 in der Höhe von 8000 fl. — Dem Projektanten David Heinrich Lehmann wurden davon 1000 Dukaten als Renumeration bezahlt, so daß dem Aerar aus dem Ertrage der Steuer in Mähren kein nennenswerter Teil verblieb.

Die wohlhabende Judenschaft in Böhmen hatte größere Betrage zusammengebracht, doch enthalten die mir vorliegenden Akten darüber keine näheren Angaben.

Am 26. November 1748 war auch die Schuldigkeit für das |ahr 1748 bis auf 400 Gulden abgeführt. Dieser Rest wurde wie es scheint, nicht mehr bezahlt, denn noch am Ende des Jahres 1748 erfolgte die Konvertierung sämtlicher Judensteuern n Mähren. Sie wurden fortan mit 87.700 fl. Kontribution und 10.758 fl. Für den Domestikalfond festgesetzt und es verschwindet also auch die Paradiesäpfelsteuer wieder. Dreiundzwanzig Jahre später ist von ihr noch einmal die Rede. Am 24. Juli 1771 reicht der im 82. Jahre seines Alters stehende „Projektant“ David Heinrich Lehmann ein Majestätsgesuch um Auszahlung der ihm als Remuneration noch gebürenden tausend Dukaten ein.

Es scheint dem Manne, in dessen erfinderischem Kopfe die Idee zu der neuen Judensteuer entstanden war, nicht besonders gut gegangen zu sein, denn er erzählt in seinem Gesuche an die Kaiserin, daß ihm „ohne Zuwendung dero mütterlichen Gnade kein anderes mittel übrig ist als den Bettelstab anzutretten.“ Er sei in Folge der „ausgestandenen Mühseligkeiten nicht mehr im Stande, die nothwendigen Lebensmittel beyzuschaffen.“

Aus meinen Akten ist nicht ersichtlich, ob das Majestätsgesuch einen Erfolg gehabt hat oder nicht. Verdient wäre der­selbe wohl kaum gewesen.

*) Es handelt sich um die Frucht einer Spielart des Zitronenbaumes (Citrus auratus). Die Bibel spricht von der Frucht des Baumes „hadar“, der Talmud bezeichnet sie als „esrog“ und dieser Name ist noch heute in der jüdischen Liturgie gebräuchlich. Bis auf die jüngste Zeit wurde Citrus auratus, ein kleines Bäumchen, das zweimal im Jahre blüht, nur in Korfu gebaut, erst in den lezten Jahren ist die Anpflanzung des Baumes auch in Palästina mit Erfolg versucht worden, aber noch heute liefert Korfu fast ausschließlich den Bedarf für die Judenschaft der ganzen Welt.

Die Paradiesapfelsteuer war vielleicht nicht die wichtigste Sondersteuer, die die Juden zu bezahlen hatten, sie zeigt aber doch wie die starke Bindung an religiöse Bräuche ausgenutzt wurde, die Juden damit letztlich erpresst werden konnten.

 

Glaubenssachen

 

Es wäre anmaßend, hier über den Glauben der Juden zu schreiben, es würde vermutlich auch den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Ich möchte deshalb ausdrücklich betonen, dass ich hier meine ureigenste Ansicht zu diesem Thema zum Ausdruck bringe, und zwar so wie ich es im Zusammenhang zu dem geschichtlichen Ablauf sehe.

Die Glaubensunterschiede:

Das Christentum sieht es als Glaubenswahrheit an, dass Jesus Christus der im Alten Testament von den Propheten angekündigte Messias ist. Er ist in die Welt gekommen, um ein neues Zeitalter einzuleiten. Das Alte Testament hat damit seinen Abschluß erreicht, das Neue hat begonnen. Es fand seinen äußeren Ausdruck darin, dass der christliche Kalender mit Christi Geburt im Jahre NULL beginnt.

Für die Juden hingegen war Christus zwar ein durchaus respektabler Rabbi und Prophet, er war aber nicht der angekündigte Messias. Dieser ist bis heute nicht erschienen, somit haben sich die Weissagungen noch nicht erfüllt. Mit dem Messias soll eine völlig neue Zeit beginnen, mit nur einer Religion und einer Herrschaft des Friedens. Diese Aussage hat sich in Christus nicht erfüllt, folglich kann er auch nicht der angekündigte Messias sein. Logischerweise gab es damit für die Juden keinen Grund, einen neuen Kalender einzuführen.

Anzumerken sei noch, dass auch der Islam wie das Christentum auf dem Judentume aufbaut, dort seine Wurzel hat. Auch der Islam sieht in Jesus (Isa) einen Propheten, aber nicht den Messias, allerdings wird dieser auch nicht erwartet, vielmehr war Mohammed der letzte Prophet, nach ihm kommt nur noch das Endgericht. Folgerichtig beginnt die heutige islamische Zeitrechnung mit Mohammed, im Jahre 610 der christlichen Zeitrechnung

Alle drei Religionen erkennen die 10 Gebote, die Moses auf dem Sinai empfing, als ihre Grundlage an.

Wir sehen also, dass die Glaubensunterschiede nicht so gewaltig sind. Woher kam also der Haß der Christen im Abendland auf die Juden?

Rein materielle Gründe dafür haben wir schon untersucht und betrachtet; wir haben aber auch gesehen, dass religiöse Gründe oder Vorwände immer den Beginn von Verfolgungen markierten.

Die Hauptursache ist sicher im Ritual zu sehen. Während im Christentum jener Zeit vermutlich noch große Unterschiede selbst in der Liturgie bestanden, blickte das Judentum schon auf eine mehrtausendjährige Geschichte zurück. Religiös begründete Gebräuche und Regeln waren gefestigt, starre Riten im Gebrauch.

Überall wo sich Juden niederließen bauten sie sich ihre Gemeinde auf, deren Fundament sich aus der „Einheit des theoretischen und praktischen, des religiösen und des sozialen Moments zusammensetzte. Nirgends tritt die [religiöse] Lehre für sich gesondert auf, überall wird sie Gesetz.“ (Meyers Konversationslexikon) Bei aller praktischen Anpassung, zu der die Juden fähig waren, mussten sie immer Außenseiter in ihren „Wirtsländern“ bleiben, auch wenn die vorgenannten Prinzipien, insbesondere in ihrer sozialen Komponente, für die Zeit der Verfolgungen und Diskriminierungen äußerst fortschrittlich anmuten.

Die religiösen Feiern wurden in Hebräisch abgehalten. Das war etwas fremdes, konnte nicht verstanden werden. Auch wenn Christen bei religiösen Feiern nicht zugegen waren, konnten sie doch an den Grabesinschriften auf den jüdischen Friedhöfen feststellen, dass da etwas Andersartiges unter ihnen weilte. Fremdes und Unbekanntes aber erweckt immer Misstrauen, besonders wenn man es nicht verstehen kann. (Im Gegensatz zu den Christen, die die lateinische  Sprache der Messfeiern nicht verstanden, kann man voraussetzen, dass die Juden ihre Sprache weitgehend verstehen konnten.)

Vielfach wurden sie beschuldigt, bei ihren Feiern christliche Kinder, vornehmlich Knaben zu opfern. Das kann ich mir leicht vorstellen und mit der missverstandenen Beschneidung erklären: Bei dieser blutet der Knabe natürlich mehr oder weniger stark. Nun kann man sich lebhaft vorstellen, dass Christen manchmal neugierig waren und versucht haben, solchen Feiern heimlich zuzuschauen. Dann aber sahen sie vielleicht einen blutenden Knaben und schon begann ein Gerücht seinen Weg zu machen, bis aus dem blutenden Knaben ein Menschenopfer und in der weiteren Abfolge ein christlicher Knabe das Opfer war.

Die von der Obrigkeit verordnete Kennzeichnung durch die Kleidung, trug bestimmt auch das Ihrige dazu bei, obwohl sich die Juden ja nicht freiwillig in diese Absonderung begaben.

Dann war natürlich die unselige Beschuldigung, dass die Juden den Heiland umgebracht haben, welche zu den Pogromen während der Kreuzzüge führte und die sich im Prinzip bis in die Neuzeit hielt. Nüchtern betrachtet war das in zweierlei Hinsicht eine unsinnige Beschuldigung:

Einmal, weil nach christlichem Glaubensgrundsatz der Tod am Kreuze ja erst die Erlösung der Menschheit bewirkte, also eine absolute Notwendigkeit in der Sendung des Messias darstellte. Bekanntlich riß ja der Tempelvorhang mit den Todesworten von Jesus Christus und das neue Zeitalter begann. Deshalb haben die Juden höchstens als Erfüllungswerkzeug gedient, in dieser Logik mussten sie Christus auch aus christlicher Sicht töten.

Zum Zweiten haben sie in ihren Augen einen abtrünnigen Rabbi zum Tode am Kreuze verurteilt, nicht aber den Begründer einer neuen Religion.

Aber Logik spielt bei solchen, teilweise bewusst hervorgerufenen Emotionen keine Rolle.

 

 

 

 

 

Tschechen und Juden

 

Vor dem Toleranzpatent von Josef II. ist in den geschichtlichen Abhandlungen nur von Christen und Juden die Rede. Wir nehmen deshalb automatisch an, dass letztere sich eher dem deutschen Kulturkreis zurechneten, was nach Herkunft und Umgangssprache vielleicht verständlich ist. Erst im Mährischen Toleranzpatent wird angeordnet, dass die Juden deutsche Schulen einrichten sollen und wo das nicht möglich war, sie deutsche christliche Schulen besuchen sollen. Ob sie das von sich aus nicht ohnehin gemacht hätten, auch ohne kaiserlichen Erlaß, ist heute müßig zu hinterfragen. Mit dieser Festlegung aber waren die Weichen gestellt, dass der überwiegende Teil der Judenschaft deutsch, besser vielleicht jüdisch-deutsch war. Auch in der Satzung des jüdisch–mährischen Landesmassafond wird nur die Unterstützung der jüdisch-deutschen Schulen festgelegt. Der Tschechischunterricht als Fremdsprache wurde erst nach 1918 an den jüdischen Schulen generell eingeführt.

Offensichtlich gab es in Mähren bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts keine besonderen Konflikte. Ein gutes Beispiel dafür bietet Eisgrub. Als bei einer Gebietsverwaltungsreform nach 1848 Eisgrub dem überwiegend tschechsprachigen Bezirk Lundenburg zugeordnet wurde, haben die Vorsteher der Christen– und Judengemeinde gemeinsam dagegen Einspruch erhoben und nach einiger Zeit die Zuordnung zum deutschsprachigen Bezirk Nikolsburg erreicht.

In Böhmen gab es Mitte des 19. Jahrhunderts unter jüdischen Intellektuellen eine tschechojüdische Bewegung, also eine Hinwendung zu den Tschechen. Sie wurden nicht gut aufgenommen, wie die nachfolgende Beurteilung durch Karel Havliček zeigt:

(Karel Havliček: Rezension von Siegfried Kappers Ceske listy (Tschechische Blätter) in Ceskä vcela (Tschechische Biene), November 1846 (übersetzt von Wilma Iggers entnommen aus „Die Juden in Böhmen und Mähren“, Herausgegeben von Wilma Iggers).

 

Denn bei den Israeliten muß man nicht nur auf den Glauben und die Religion Rücksicht nehmen, so wie Tschechen, was Religion anbelangt, Katholiken, Protestanten, . . . oder auch Mohammedaner sein könnten, sondern auch auf den Ursprung und die Nationalität.

Und wie können die Israeliten zum tschechischen Volk gehören, wenn sie semitischen Ursprungs sind? Eher können wir die Deutschen, Fran­zosen, Spanier, Engländer usw. zu unserem Volke rechnen, als die Ju­den, denn alle diese Völker sind uns verwandter als die Juden. Man darf also nicht sagen, daß die in Böhmen oder Mähren lebenden Juden Tsche­chen mosaischer Religion sind, sondern wir müssen sie für eine eigene Nation betrachten, eine semitische, die zufällig bei uns lebt, und manch­mal unsere Sprache versteht oder sie kann. Und die Erfahrung zeigt, daß der Standpunkt, von dem wir das Judentum betrachten, der richtige ist. Denn alle Juden, in welchem Land immer sie leben und in welchem Erdteil, betrachten sich sicher als ein Volk, als Brüder und nicht nur als Glaubensgenossen, und dieser Bund, der sie zusammenbindet, ist viel stärker als der, der sie mit dem Land verbindet, in dem sie leben. Und daß man nicht zu gleicher Zeit zwei Heimaten, zwei Nationalitäten ha­ben und zwei Herren dienen kann, das müssen wir hoffentlich nicht beweisen. Darum muß, wer Tscheche sein will, aufhören, ein Jude zu sein. Einen passenden Beweis davon können wir an Herrn Kapper und seinen Gedichten zeigen. Mit einem Auge schaut er auf Jerusalem, das verheißene Land, mit dem anderen auf die böhmischen Fluren und sagt, daß er sie liebt, aber deutlich hört man aus seinem Gesang, daß er mehr –etwas anderes, eigenes liebt, was auch natürlich und darum lobenswert st. Warum sich also Gewalt antun und sich zur Liebe zur tschechischen Heimat und den Tschechen zwingen? Wir können uns doch selber genug lieben und haben wirklich auf Papier und in Gedichten so viel Heimatliebe, daß wir über unseren Bedarf hinaus noch genug verkaufen oder verpachten könnten.....

In Prag gab es im Jahre 1848 noch einmal eine Plünderung des Ghettos durch die fanatisierte Arbeiterschaft. Die Juden wurden für so ziemlich alle Übel der beginnenden Industrialisierung verantwortlich gemacht, einschließlich der hohen Kartoffelpreise, weil sie diese zum Branntwein brennen aufkaufen würden.

Von einem Übergreifen dieser Unruhen auf Mähren ist nichts bekannt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde in Brünn das „Deutsche Haus“ erweitert, finanziert überwiegend durch Spenden jüdischer Bürger, die sich demnach dem deutschen Kulturkreis zugehörig fühlten. Die Liste der in diesem Hause aufgetretenen jüdischen Künstler ist lang und äußerst prominent.

Auch der aus Deutschland übergreifende Antisemitismus blieb in den 30er Jahren auf die böhmischen Randgebiete beschränkt. Allerdings wurde in Znaim die Synagoge in der „Reichskristallnacht“ am 9.11.1938 vom deutschen Pöbel zerstört.

Ein zeitlicher Sprung in eine Zeit, die nicht in den gewählten Zeitrahmen fällt, sei hier doch gestattet: Nach 1945 mußten die Juden um die tschechische Staatsbürgerschaft nachsuchen, auch wenn sie im KZ waren oder auf westlicher Seite ihren Beitrag zur Bekämpfung des Nazismus aktiv leisteten, sie bekamen die reduzierten „deutschen“ Lebensmittelrationen und mussten die Kennzeichnung als „Deutsche“ tragen. Benesch erklärte 1945, dass sie willige Helfer der Deutschen gewesen seien und dass sie, um gleichberechtigt zu sein,  für die Befreiung aktiv gekämpft  haben müssten. (Die tschechische Befreiungsarmee im Westen bestand zur Hälfte aus Juden!)

Von den ca 20 000 verbliebenen Juden haben mehr als zwei Drittel das Land verlassen.

 

 

Berufe und „moderner“ Antisemitismus

 

Der „moderne“ Antisemitismus, wie er im 19. Jarhundert entstand und der mit dem Holocaust seinen perversen Höhepunkt erreichte, hat zu einem Teil sicherlich wieder mit den ausgeübten Berufen der Juden zu tun. Seit den Toleranzpatenten von 1783 sind den Juden so gut wie alle Berufe zugänglich gemacht worden. Man hätte also annehmen können, dass sich in kurzer Zeit eine ähnliche Berufszusammensetzung ergeben würde, wie unter den Christen. Das war aber nicht der Fall, es ergab sich im Laufe der Jahre ein anderes „Berufsbild“. Prozentual gesehen gab es unter den Juden mehr Ärzte und andere akademische Berufe, auch mehr Bankiers, aber weniger Handwerker und Landwirte als unter der übrigen Bevölkerung. Warum sich das so ergab, lässt sich so erklären: Wenn nach Josef II den Juden gestattet wurde, Handwerksberufe auszuüben, so musste zunächst ein christlicher Meister gefunden werden, der bereit war, einen jüdischen Lehrling auszubilden. Das hatte so seine Probleme, weil in der damaligen Zeit die Lehrlinge üblicherweise im Hause des Meisters wohnten, das war aber generell erst ab 1848 möglich. Selbst wenn ein solcher Anfang gemacht werden konnte, dauert es doch Generationen, bis durch weitere Ausbildung eine echte handwerkliche Struktur enstehen kann. Ähnlich ist es auch mit der Landwirtschaft, im der traditionellen Bauernbetrieb „wächst“ der Hoferbe von Kind an in den Beruf hinein, lernen lässt sich das nur sehr mühsam, zumal im 19. Jahrhundert landwirtschaftliche Schulen erst im Entstehen waren. Im Toleranzpatent wird zwar den Juden zugestanden, im Bedarfsfall und zeitlich begrenzt einen christlichen Knecht zur Vermittlung von Kenntnissen zu beschäftigen, aber das machte es den Juden auch nicht leichter, Bauer zu werden.

Bei den akademischen Berufen verhält es sich anders. Mit der Zulassung jüdischer Studenten zu einem Studium erhielten sie ohne Einschränkung sofort die gleiche Ausbildung wie ihre christlichen Komilitonen und danach konnten sie ihren Beruf ausüben.

Vor die Wahl gestellt, mühsam einen Ausbildungsplatz im Handwerk zu suchen, oder sich an der Hochschule einzutragen, gingen sicher viele den zweiten Weg, prozentual mehr als bei den Christen. Daß sie dann auch noch hervorragende Ärzte und Anwälte wurden, hatte vielleicht auch damit zu tun, dass sie sich schon während des Studiums mehr anstrengen mussten als ihre christlichen Mitstudenten um eine annähernd gleichwertige Beurteilung zu erreichen.

 

Der vollständige Text des „Mährischen Toleranzpatentes“ von Kaiser Josef II. ist im Anhang zu finden.

 

 

 

 

 

Die südmährischen Judengemeinden:

 

ALTHART

Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen

 

Die „Topographie Mährens“ von Wolny behauptet, die Juden seien in Althart erstmals 1685 erwähnt. Aus einem im Mährischen Landesarchiv aufbewahrten „Urbary Undt Grundtbuch“ geht jedoch hervor, daß die Juden schon vor 1685 dem Rittmeister Heinrich Burkhard von Schneidau einen Judenzins entrichteten und zwar in Form von „ein Clafter Holtz“ für das sie der Herrschaft 21 Kronen bezahlen müssen und „ein Gans mästen“. Am 13. März 1685 wird zwischen Schneidau und der Gräfin Marie Margarete Trautsohn von Falken­stein ein Kaufvertrag unterzeichnet, demzufolge in den Besitz der Gräfin u.a. „sieben andere Häusseln, worinnen Juden undt andere fremde Handwerkhs Leuth Sich aufhalten“ übergehen. Es ist also anzunehmen, daß die ersten Juden von Althart zu den Opfern der von Kaiser Leopold I. am 28. Februar 1670 verfügten Vertreibung der Juden aus Wien gehörten.

Im Jahre 1685 dürften hier nur 4 Judenfamilien ansässig gewesen sein, doch hat sich die Zahl, in den folgenden neun Jahren um weitere elf Familien vermehrt haben. Als Gräfin Trautsohn am 28. April 1694 vom Prämonstratenserstift Brück bei Znaim das „Obergut“ ersteht und mit dem bisher als selbständige Gemeinde geltenden „Untergut“ vereinigt, zählt die ganze Ort­schaft Hardt 65 Christenhäuser mit 538 Katholiken und 10 Judenhäuser mit 71 Juden in 15 Familien. Diese Häuser bildeten eine Gasse und 1739 erfolgt der Bau eines Tempels, der auf einem vom Freiherm Franz Anton Deblin erworbenen Grundstück entstanden war.

Als 1805 Franzosen auf ihrem Eroberungszuge auch Althart berührten, mussten die Juden „den Wein her­geben“, während „Essen und Pferdfutter“ die Gemeinde beistellte. Das jeweils einen Bestandteil des obrigkeitli­chen Besitzes bildende Branntweinhaus bewirtschafteten bis 1806 jüdische Randare namens Löbl und Rubin Fried­mann. Das Haus wird am l. Dezember 1806 vom Grund­herrn Johann Peter Flick ins Eigentum des „Altharter Handelsjuden“ Michael Singer übergeführt. Die Söhne des Grundherrn von Althart, Johann Max und Josef Ritter von Flick, gestatten auch anderen Juden den Er­werb von Häusern in der Christengemeinde.

Im Jahre 1827 zählt Althart unter 951 Einwohnern 90 Juden; die gleiche jüdische Bewohnerzahl gibt Wolny für das Jahr 1846 an. Die Judengemeinde war von der Christengemeinde durch ein Drahtgitter abgesondert, dessen Reste erst 1848 gänzlich beseitigt wurden.

Als die in Althart in der ersten Hälfte des 19. Jh. Blühenden Industrieunternehmungen verfielen, begann eine jüdische Abwanderung aus Althart. 1873 gab es hier nur noch 5 jüdische Familien: den Branntweinhaus­besitzer Michael Singer, den Glaser Moses Fuchs, den Tabakverleger Wolfgang Grossmann, den Essigsieder Abraham Gutfreund und den gewesenen Pottaschesieder Simon Stark. Deshalb wird die Judengemeinde Althart 1890 aufgelassen und die Jamnitzer israelitische Kultus­gemeinde als Rechtsnachfolgerin bestellt, die den Tempel, nachdem alle ehemaligen Judenhäuser in fremden Besitz übergegangen waren, am 21. September 1903 dem Mi­chael Singer für Wohnzwecke verkaufte. Am 8. Januar 1927 übergeht dieses Gebäude mit dem Branntweinhaus in den Besitz des „Družstevni lihovar ve Starém Hobzi“. Die Matriken der einstigen Judengemeinde Althart wur­den nach Jamnitz überführt. Die Eintragungen im Ge­burtsbuch beginnen am 28. Dezember 1784, die Eintra­gungen im Sterbebuch reichen bis 30 Oktober 1891. 1900 hatte Althart unter 815 Einwohnern noch 12, 1921 unter 758 Einwohnern nur mehr 9 Juden. 1928 zogen die letz­ten jüdischen Bewohner aus der Gemeinde weg.

Aus den Matriken geht hervor, welche jüdische Familien einst in Althart lebten: Appelfeld, Bodascher, Ebstein (Abraham Ebstein füngierte 1884 als Schäch­ter), Fuchs, Friedmann, Fleischmann, Gutfreund, Her­mann, Kraus, Kohn, Mayer, Singer, Spitz, Schön, Schü­ler, Stark, Weiss, Wurmfeld.

Die Gemeinde hatte keinen eigenen Rabbiner. Als ihre Funktionäre weisen die Matriken aus: Beschneider — Johann Kiridus, Arzt, bis 1824; Emanuel Lampl bis 1849; Leopold Spitz, Arzt, 1849—1859 und Salomon Appelfeld, Arzt, 1859—1870. Als Kantoren und Schulsin­ger betätigten sich Daniel Mayer (1824—1829), Jakob Hermann Sofer (1865—1866), Gabriel Gottlieb (1887). Schächter waren Daniel Mayer (1824—1829), Simon Fröhlich (1839—1849) und Abraham Ebstein (1884).

 

 

EISGRUB

Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen

 

Ob Eisgrub zu den ungefähr 1100 slawischen Ge­schlechtsdörfern in Mähren, deren Entstehung vor oder spätestens im 10. Jahrhundert n. Ch. erfolgte, gehörte, ist durch nichts nachweisbar. Von Eisgrub findet man bis zum Anfange des 13. Jahrhundertes weder in Urkunden, noch in der Landtafel eine Er­wähnung. Nach der Form der Anlage als Langdorf ist zu vermuten, daß es erst nach dem 10. oder 11. Jahrhundert gegründet worden ist. Die erste ge­schichtliche Nachricht von Eisgrub ist vom Jahre 1222. Es unterfertigten die Brüder Adamarus und Libertus als Zeugen eine Urkunde des Bischofs Nor­bert von Olmütz für das Kloster Welehrad und diese zwei Zeugen nannten sich „von Ysgrube“.

Im Jahre 1244, also 22 Jahre später, findet man Eisgrub landesfürstlich. König Wenzel von Böhmen verlieh als Anerkennung für besondere Verdienste die Dörfer Pulgarn (Pulgram), Nideke (Neudek) und Ysgrube (Eisgrub) an Sifried den Weisen. Seit der Verleihung der Herrschaft Nikolsburg und eines Tei­les von Eisgrub im Jahre 1249 durch den Markgrafen Přemysl Ottokar an Heinrich I. von Liechtenstein blieb Eisgrub immer mit diesem hochedIen Ge­schlechte innigst verbunden. Eisgrub, urkundlich be­reits im Jahre 1629 zur Marktgemeinde erhoben, hat seine heutige Bedeutung und große Berühmtheit nur dem fürstlichen Hause Liechtenstein zu verdanken. Die mit königlichem Aufwande seit dem Jahre 1600 begonnenen und vollführten Gartenanlagen, welche bis zur gegenwärtigen Zeit eine beständige Erweite­rung und Verschönerung erhielten, die Schaffung der Parkteiche und der drei großen Teiche an der Süd­seite von Eisgrub, die Erbauung des orientalischen Turmes, des kunstvollen Wasserwerkes, des Amts­hauses, des Reitstallgebäudes, der Hansenburg, des Musentempels, des Teichschlosses, des Apollotempels, des Grenzschlosses, des Neuhofes und endlich die ginzliche Umbauung des Schlosses und der Kirche machten Eisgrub zu einem bevorzugten Orte Mährens und dessen Bewohner erlangten durch einige Jahr­hunderte andauernden Erwerb. Daran nahmen auch die Juden Anteil; sie besaßen auch Häuser und waren, während der Geltungsdauer des Judenrechtes, dem Landrechte nicht unterworfen.

Wann Juden nach Eisgrub kamen, lässt sich nicht mit Sicherheit ermitteln. Es ist anzunehmen, daß sich schon im 14. Jahrhundert einzelne Juden unter dem Schutze der Herrschaft dort niederließen. Da aber der alte Teil des Friedhofes längst nicht mehr besteht, kann das Alter der jüdischen Siedlung selbst nach Grabstei­nen nicht eruiert werden. Allgemein wird angenommen, daß die Judengemeinde in Eisgrub, wie die meisten in Südmähren, nach der Vertreibung der Juden aus Wien und Niederösterreich unter Kaiser Leopold I. um das Jahr 1670 entstanden war. Durch häufige Brände in frü­herer Zeit sind geschichtliche Aufzeichnungen vernichtet worden, vor allem im Verlaufe der Feuersbrunst im Jahre 1785, bei der sowohl der Tempel als auch Wohnhäuser jüdischer Ortsbewohner eingeäschert wurden. Im Jahre 1884 wurden auch auf Anordnung des Gutsverwalters Johann Protiwinsky in Eisgrub alle dort im alten obrig­keitlichen Archiv vorhandenen Bücher und Schriften – fünf Wagen voll – verbrannt.

Mit Bestimmtheit ist anzunehmen, daß die selbst­ständige politische Judengemeinde von Eisgrub Jahr­hunderte hindurch bestanden hatte und 23 Hausnummern umfasste. Die Gemeinde hatte ihren eigenen Rabbiner und Vorbeter und unterhielt die üblichen Kultusanstal­ten: Tempel, Friedhof, rituelles Tauchbad und Religions­schule.

Im Archiv der Christengemeinde Eisgrub und im Nachlass des Rabbiner David Herrisch wurden einige Materialien und Urkunden zur Geschichte der längst ab­gestorbenen Gemeinde entdeckt. Der Sohn des Rabbiners, Isidor Herrisch, fand zusätzliche Aktenstücke im Fürst­lich Liechtensteinschen Hausarchiv in Wien.

Die erste authentische Nachricht über den Aufent­halt von Juden in Eisgrub finden wir in der „Eisgruber Gemeinderechnung (Christen) für die Zeit von Mi­chaeli 1592 bis wieder Michaeli 1593“, wo unter „Aller­lei Ausgaben“ ein „Post Nr. 7. Dem Juden für die Fen­stern im unteren und oberen Zimmer im Pfarrhof gege­ben ... 7 Gulden, 19 Groschen, 2 Putschandeln“ figuriert. Jüdische Namen tauchen im Jahre 1700 in dem Schrift­stück „Einnahmen der herrschaftlichen Amtsverwaltung aus der Zeit vom 18. März bis 16. September 1700“ auf. Im Jahre 1730 wurde der Hofjude Isak Nathan Oppen­heimer vom Fürsten Anton Florian Liechtenstein zum Oberfaktor der 1715 in Eisgrub errichteten Seidenspin­nerei ernannt. Am 13. März 1755 erhielt die Eisgruber politische Judengemeinde die Bewilligung, ein eigenes Gemeindehaus zu erbauen. Zu diesem Zwecke, sowie zur Ausbesserung des Judenbrunnens hatte die jüdische Ge­meinde beim Fürsten von Liechtenstein Darlehen aufge­nommen.

Bei dem Brand in der Nacht vom 9. zum 10. September 1808 fielen neben 53 christlichen auch 13 jüdische Häuser, in denen 31 jüdische Fa­milien wohnten, den Flammen zum Opfer.

Um 1800 hatte Eisgrub 30 jüdische und 35 christ­liche Gewerbetreibende: Fleischhauer, Schneider, Glaser, Kürschner, Tabaktrafikant, Brantweinhaus- und Lederei-Besitzer, Besitzer einer Mälzerei, später auch einer Zie­gelei, und 1865 haben zwei Juden sich auch als Landwirte betätigt.

Im Jahre 1900 hatte die Christengemeinde 2231, die Judengemeinde 142 Einwohner, aber die Gesamtzahl der Juden in beiden Gemeinden betrug nur 88 Personen. Als erster Rabbiner der Gemeinde, dessen Name bekannt ist, wird Rabbiner Göding (1778) genannt. Der zweite be­kannte Rabbiner war Moses Hirsch Fleisch aus Pohrlitz, der in Eisgrub beigesetzt wurde. Nach seinem Ableben 1862 wurde David Herrisch aus Schattmannsdorf in seine Heimatgemeinde Eisgrub als Rabbiner berufen und wirk­te hier 33 Jahre lang. Das Bethaus von Eisgrub diente zu den hohen Feiertagen auch den Juden von Bischofswarth, Feldsberg, Prittlach, Pulgram, Seitz und Voitelsbrunn.

Im Jahre 1890 wurde die Kultusgemeinde Eisgrub aufgelöst und der Kultusgemeinde Kostel angeschlossen. In der Zwischenkriegszeit lebten noch zehn jüdische Fa­milien in Eisgrub, und der Gottesdienst wurde an Feier­tagen und Jahrzeittagen mit Hilfe von jüdischen Schü­lern an der Eisgruber Obst- und Gartenbauschule mit Mühe aufrechterhalten.

 

Noch einige zusätzliche Datails zu den Gewerbetreibenden, dem Wechsel der Bezirkshauptmannschaft  und der Auflösung der politischen Israelitengemeinde:

 

Um das Jahr 1800 hatte Eisgruh 30 jüdische und 35 christliche Gewerbetreibende. Als die ältesten industrie‑, handel‑ und gewerbetreibenden jüdischen Personen sind urkundlich bekannt: Fleischhauer Isak Eysig um 1746; Samuel Bauer 1802 bis 1808. Schneider um 1770: Jakob Meier, Markus Simon, Michael Simon und seit dem Jahre 1780 Joachim Löb für kroatische Nationaltracht. Glaser Simon Fröschl um 1776. Kürschner Joachim Moser vom Jahre 1776. Die Lederei erkaufte Moises Abeles im Jahre 1807 von der hohen Obrigkeit. Das Brantweinhaus samt Brennerei und Ausschank verkaufte die fürstliche Herrschaft am 13. Oktober 1808 an den gewerbetreibenden Herrschl Kohn aus Nikolsburg; selbes wurde am 7. Oktober 1828 an Ernestine Küffner aus Lundenburg und am 9. Juli 1830 an Abraham Redlich, Familiant von Aussee, weiter verkauft. Eine Tabaktrafik in der Israelitengemeinde erhielt im Jahre 1862 Salomon Neuspiel. Landwirtschaft betrieben bereits im Jahre 1865 Wilhelm Lampl mit 28 Joch und David Bauer mit 15 Joch eigenen Feldern. Eine Mälzerei wurde im Jahre 1876 und eine Ziegelei im Jahre 1869 von Wilhelm Lampl errichtet. Eine Sodawasserfabrik gründete im Jahre 1897 Siegmund Rothschild.

 

Mit dem Aufhören der Patrimonialgerichte wurden im Jahre 1850 für die juridischen Angelegenheiten die Bezirksämter, für politische Sachen die Bezirkshauptmannschaften errichtet. Eisgrub ist zum Bezirksamte Lundenburg und zur Bezirkshauptmannschaft Ausspitz zugeteilt worden. Weil zu Lundenburg mit Ausnahme von Eisgrub und Neudek nur böhmische Gemeinden gehörten, der Weg nach Auspitz weit und schlecht war, so ersuchten die Gemeinden Eisgrub-Christen, Eisgrub-Israeliten und Neudek um Zuteilung nach Nikolsburg. Am 18. Mai 1868 reisten die Vorsteher dieser Gemeinden Matthias Lerch, Adolf Herisch und Matthias Stefan mit dieser Bitte zum Minister des Innern nach Wien, von wo eine Abweisung erfolgte. Nach weiteren Bemühungen in dieser Angelegenheit erfolgte vom 1. August 1869 angefangen die Zuteilung nach Nikolsburg.

Im Jahre 1900 hatte die Christengemeinde 2231, die Israelitengemeinde 142 Einwohner. Hievon waren in der Christengemeinde bei der letzterwähnten Volkszählung 34 Israeliten, in der Israelitengemeinde 54 Israeliten, 85 Katholiken und 3 Protestanten, so daß im Jahre 1900 die Gesamtzahl der Israeliten in beiden Gemeinden in Eisgrub 88 Personen betragen hat. Interessant ist bei diesen Einwohnerzahlen die Vermischung der Konfessionen in den beiden Ortsteilen.

Die politische israelitische Gemeinde Eisgrub wurde auf Grund des Gesetzes vom 7. Februar 1919, welches die Regierung zur Trennung und Vereinigung von Gemeinden ermächtigte, mit Erl. d. Ministeriums des Innern im Jahre 1920 aufgelöst und mit der gleichnamigen Christengemeinde vereinigt .

 

 


 

 

Irritz

 

Nach Angabe von Wolny zählte in Irritz in den 30-er Jahren des 19. Jahrhunderts die katholische Bevölkerung „teutscher“ Zunge 580 (280 männl., 300 weibl.) und jüdische 138 (68 männl. , 70 weibl.) Seelen. Die erstere lebte von der Landwirtschaft, und die andere vom Hausierhandel. „..1 katholische Trivialschule ist in Irritz, in der auch die jüdische Jugend den Normal-Unterricht erhält.

.. Auch die Judengemeinde hat hier eine Synagoge.“ Der Ort litt danach unter Feuersbrünsten, namentlich im Jahre 1774, als die ganze Judengasse samt der Synagoge abbrannte, auch 1790, in diesem Jahr brannte die Judengasse und der gesamte Markt mit Ausnahme des Schlösschens und der Kirche und nochmals 1831, als die Kirche samt Turm verbrannte und dazu „27 christliche Häuser“. Nach Wolny gab es in Irritz um 1835 kein erwähnenswetes Gewerbe, nur unter den Juden sei ein solches zu vermerken: Unter Ihnen gäbe es 5 Hausierer, Marktlieferanten und Krämer, sowie 11 Garn-, Leinwand-, Kotton-, und Baumwollhandler. Der übrige Handel hätte sich auf den von österreichischen Fruchthändlern gesuchten Weizen und auf Hirse beschränkt. Man kann annehmen, dass auch dieser bescheidene Handel über die Juden abgewickelt wurde, obwohl Wolny das nicht ausdrücklich erwähnt.

Mehr aus der Vergangenheit konnte ich –bisher- nicht finden.

Die oben genannten Zahlen zeigen aber, dass um diese Zeit Irritz eine große Judengemeinde hatte, ohne dass uns etwas genaueres über deren Organisation überliefert ist.

Eine Theorie über die Ansiedlung der Juden wäre denkbar:

Das Gut Irritz gehörte ab 1634 dem jeweiligen Probst des Nikolsburger Kollegialstiftes. Diesem schenkte es der Olmützer Bischof Kardinal Fürst Franz von Dietrichstein unter gewissen Auflagen, die in diesem Zusammenhang bedeutungslos sind. Nachdem die Fürsten von Dietrichstein, den Zuzug von Juden nach Nikolsburg förderten, wäre es durchaus denkbar, dass über diese Verbindung auch die Irritzer Judengemeinde entstand.

Auf dem jüdischen Friedhof finden sich u.a. die Familiennamen Fuchs, Weiss und Kofler. 1938, beim Anschluß an das Deutsche Reich, lebte zumindest noch eine Familie Fuchs, seines Zeichens Getreidehändler in Irritz und zwar in einem großen Haus an der Ecke der „Judengasse“ in Richtung Damitz. Eine jüdische Familie namens Weiss verzog nach Brünn und  hat 1936 ihr Anwesen in der Judengasse an die kath. Kirchengemeinde verkauft. Diese richtete dort ein Jugendhaus ein und erweiterte das Anwesen um einen Saal, in dem Theater- und später Filmvorführungen stattfanden.

Der jüdische Friedhof existiert immer noch. Nach Auskunft eines Sachverständigen soll er interessante Grabsteine aufweisen, die nach jüdischer Gepflogenheit eine recht gute Auskunft über den Verstorbenen geben. Ein Grabsteinornament von besonderer Seltenheit (es kommt neben dem Irritzer in der heutigen Tschech. Republik nur noch einmal vor), ist den Fachleuten bis heute ein Rätsel geblieben: Es ist eine Schlange, die den Grabstein umrahmt und so einen geschlossenen Ring bildet, weil sie sich von hinten zu verschlingen versucht. Die „Jugend für interkulturelle Verständigung“ aus Brünn hat sich der Pflege angenommen und im Sommer 2002 eine Gedenktafel aufgestellt (Bild)

 

 

LUNDENBURG

Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen

Obwohl die ersten Juden bereits kurz nach der Jahrtausendwende in Lundenburg gewohnt haben dürften, stammt die erste schriftliche Aufzeichnung erst aus dem Jahre 1411: das im Wiener Fürst Liechtensteinschen Archiv befindliche Urbarium aus diesem Jahre enthält jüdische Namen wie Schändel, ferner Lewbel Scheker. In den Brünner Gerichtsakten aus dem Jahre 1525 wird ein Jude Seml aus Lundenburg erwähnt.

Im 16. Jahrhundert bestand hier bereits eine größere jüdische Gemeinde, die einen Tempel besaß. 1572 hielt die jüdische Vorsteherschaft unter Vorsitz des Landesrabbiners R. Jehuda Löw ben Bezalel die Generalsynode in Lundenburg ab. Wie in anderen mährischen Städten waren 1574 auch die Juden in Lundenburg Verfolgungen und Misshandlungen seitens eines durch falsche Beschuldigungen verhetzten Pöbels ausgesetzt, bis sich Kaiser Maximilian II. der verfolgten Judenschaft annahm.

Die Kriegsjahre 1605, 1619—1622 und 1643 zogen die Bewohner von Lundenburg, insbesondere aber dessen Juden stark in Mitleidenschaft, weil die Stadt oft zum Kriegsschauplatz wurde. Am 28. Juli 1605 drangen die Truppen des ungarischen Fürsten Bocakay in der Stadt ein und plünderten sie. Zu Beginn des Dreissigjährigen Krieges wurden Schloss und Stadt infolge des Abfalles des damaligen Herrschaftsbesitzers Ladislaus Welen von Zerotin von den kaiserlichen Truppen geplündert und niedergebrannt, 1622 wurde die Stadt von den Türken und Tartaren schwer heimgesucht. Der Einfall der Schweden am 3. Mai 1643 und die darauf einsetzende Pest versetzten der Lundenburger Judenschaft den Todesstoss, Tempel und Friedhof wurden zerstört und die Gemeinde spurlos vernichtet. Nur der Name „der jüdische wüste Platz“ gab in der Folgezeit Kunde von der einstigen jüdischen Ansiedlung.

Im Jahre 1651 ‚kam es zur zweiten Ansiedlung der Juden, nachdem die jüdischen Bewohner von Feldsberg vertrieben wurden und Fürst Karl Eusebius Liechtenstein und dessen Gemahlin Johanna Beatrix ihnen die Ansiedlung in Lundenburg, Kostel und Eisgrub gestatteten. Herrschaftshauptmann Johann Pokomy verwendete sich aus rein materiellen und praktischen Erwägungen für die jüdischen Ansiedler. Im Jahre 1672 lebten 30 jüdische Familien in 12 Häusern und zahlten den ansehnlichen Betrag von 327 fl. Jährlich an Kontributionsgeldern. Das Gotteshaus dieser zweiten Judengemeinde wurde 1672 erbaut, dessen Gewölbe 1697 einstürzte, wobei jedoch durch eine glückliche Schicksalsfügung niemand zu Schaden kam, weil der Einsturz zu einer Stunde erfolgte, zu der die Synagogenbesucher vor dem Gebäude warteten, weil der Tempeldiener die Schlüssel verlegt hatte. Diese wunderbare Rettung veranlasste den damaligen Rabbiner ein religiöses Gedicht zu verfassen und der 11. Tobet blieb ein Gedenk- und Fasttag bis in die jüngste Zeit. Die Gemeinde trat schliesslichh nach dem Einsturz zur Renovierung und Vergrösserung der Synagoge heran.

Eine zweite bemerkenswerte Episode betrifft den Pächter des Liechtensteinschen Branntweinhauses in Lundenburg, einem passionierten Schachspieler, der vom Fürsten Joseph Wenzel von und zu Liechtenstein speziell nach Wien gebracht wurde, um für ihn eine bereits an den französischen Gesandten, einen Marquis, verlorene Partie zu retten, was diesem auch gelungen war. Dafür durfte der Pächter Juda Lob auf fürstlichem Grund und Boden ein Haus bauen, das vom Jahre 1723 bis 1871 von Mitgliedern der begüterten Familie Kuffner, Nachfolgen von Juda Lob, bewohnt wurde.

Die 1651 neugegründete Lundenburger Judengemeinde erfuhr in der Folgezeit so manche Heimsuchungen, erhielt sich aber trotz der bösen Kriegszeiten, Drangsalierungen und den bis 1848 und auch später bestehenden Beschränkungen. Am 4. November 1663 waren die Türken und Tartaren in der Stadt eingedrungen: die Einwohner flüchteten in die Schlossfestung, der Ort aber ging in Flammen auf. Die Pestepidemie zwischen 1678 und 1680 dürfte an der Judengemeinde gleichfalls nicht spurlos vorübergegangen sein. Am 18. Februar 1706 drangen schliesslich die Kuruzzen in Lundenburg ein und brandschatzten es.

Zur Zeit des Erbfolgekrieges der Kaiserin Maria Theresia mit dem Preussenkönig Friedrich II. brach in Lundenburg ein Feuer aus, das den ganzen Ort in Asche legte.

Was das innere Leben der Juden anbetrifft, so unterlagen sie den mit Hofdekret vom 24. Oktober 1726 bestimmten Beschränkungen für die Judenschaft Mährens. Die Höchstzahl der systemisierten Familien betrug 66.

Die Matriken von Lundenburg datieren seit dem Jahre 1784, als Kaiser Josef II. die Juden veranlasste, deutsche Vornamen und Familiennamen zu tragen. Im Lundenburger Fürst Liechtensteinschen Schloß Archiv befand sich noch ein Dokument aus dem Jahre 1787 über Namensverteilung auf Grund dieses kaiserlichen Patentes.

Durch Patent vom 15. Februar 1789 wurden 52 Judengemeinden in Mähren reorganisiert, an deren Spitze Richter standen. In der Lundenburger Gemeinde waren folgende Richter zu verzeichnen: Alexander Süsskind (1734), Isak Hirsch Schwoner (1787), Samuel Goldreich (1801), Wolf Kuffner (1803—1806), Jakob Stemfeld (1810), Jakob Schück (1819, 1832), David Kuffner (1827—1829, 1831), Markus Rosenbaum (1830), Simon Schwitzer (1833—1835), Markus Goldschmidt (1836), Markus Bittner (1840—1845), Jakob Rosenbaum (1846), Jakob Kuffner (1847—1848).

Von 1849 bis zur Auflösung der politischen Judengemeinden im Umsturzjahr 1918 wirkten folgende Bürgermeister: Markus Goldschmidt (1849), Jakob Rosenbaum (1850—1856), Hermann Kuffner (1857—1860, 1867), Markus Bittner (1860—1866), Gabriel Stein (1866—1867, 1872—1876), David Kuffner (1868—1871), Leopold Stein (1871—1872), Jakob Hoffmann (1876— 1879), Samuel ‚Goldschmidt (1879—1882), Samuel Glück (1882—1887), Jakob Fischer (1887—1902), Moritz Holländer (1902—1918).

Im Jahre 1882 wurde die politische Agenda der Judengemeinde von der religiösen definitiv getrennt, der Bürgermeister war nicht mehr auch gleichzeitig Kultusvorsteher. Die Kultusvorsteher seit 1883 waren: Hermann Stern (1883—1886), Adolf Schreiber (1886—1904), Josef Holländer 1904—1919), Karl Frank (1919—1922), Wilhelm Gold (ab 1922).

Im Jahre 1794 bestand die Lundenburger Judengemeinde aus 66 systemisierten Familien. Die Kopfzahl der jüdischen Bevölkerung betrug im Jahre 1797 325 Seelen, im Jahre 1830 — 363, im Jahre 1848 — 434, im Jahre 1857 — 457, im Jahre 1869 — 532, im Jahre 1879 — 649, im Jahre 1890 — 740, im Jahre 1900 — 759 und 1930 — 589 Seelen (d. h. 4,3% der Gesamtbevölkerung), von denen sich 432 auch zur jüdischen Nationalität bekannten.

Die Lundenburger Rabbiner waren:

Salomo Schmol b. Chajim Meisterl, der 1606 bereits in Erez Israel lebte; Simson; Meir aus Feldaberg; Pe-tachja b. Mosche aus Eisenstadt; Elieser b. Jizchak Halewi (rund um 1697, später auch nach Erez Israel ausgewandert) ; Nata Katz; Efraim Katz Hakadosch (starb als Märtyrer); Eljokim Götzl b. Zewi Halewi; Kalonymos (Kaiman) Hakohen; Josef Morgenstern (rund um 1760); Jechiel b. Nesanel Schemuel (starb 1786 in Lundenburg) ; Mordechai Banet (1787—1789, danach zum Landesrabbiner in Nikolsburg gewählt); Juda Lob Glück (1789—1809); Abraham Back (1809—1819); Salomo Fried (1819—1830); Israel Chaim Schrötter (1833— 1839); Abraham Rabel b. Mosche aus Austerlitz (starb 1841 im Alter von 29 Jahren in Lundenburg); Wolf Mühlrad (1841—1862); Dr. Nathan Müller (1862— 1872); Dr. Siegmund Gross (1872—1911); Dr. Heinrich Schwenger (1907—1911).

Am 21. November 1805 haben vor der Dreikaiserschlacht von Austerlitz französische Truppen Lundenburg besetzt. Die Judengemeinde musste eine Kriegskontribution von 3000 fl. Erlegen und hatte unter der bis zum 3. Januar 1806 dauernden Besatzung viel zu leiden. Am 30. Juli 1809 kamen nach der Schlacht bei Wagram abermals die französischen Truppen in die Stadt und brandschatzten sie. Am 24. März 1812 brach in einer jüdischen Fleischbank ein Feuer aus, das alle Häuser der Judengemeinde bis zum Tempel in Asche legte. Am 13. Oktober 1831 kam es zum Ausbruch einer Cholera-Epidemie, die sechs Wochen lang wütete und das Leben von 16 Juden erforderte. Während der preussischen Invasion brach am 23. Juli 1866 erneut die Cholera aus und währte bis zum 20. Oktober. Von 160 Opfern dieser Epidemie waren zehn Juden.

Der Tempel in Lundenburg wurde 1868 vom damaligen Bürgermeister und Kultusvorsteher David Kuffner anstelle des alten erbaut; die Renovierung wurde 1888 unter Kultusvorsteher Adolf Schreiber vorgenommen. Er war im maurischen Stil gehalten und umfasste 417 Sitze.

Während des Ersten Weltkrieges, den 16 Lundenburger Juden mit dem Leben bezahlten, waren mehrere Tausend jüdische Flüchtlinge aus Galizien und der Bukowina in der Stadt untergebracht und von den Gemeindemitgliedem auch materiell unterstützt worden.

Im Jahre 1942 wurden alle Juden der Stadt deportiert und keiner von den Verschickten hat die nazistische „Endlösung“ überlebt. Die Synagogeneinrichtung wurde ins Prager Jüdische Zentralmuseum überführt.

 

MISSLITZ

Aus Hugo Gold:, Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, ed. Hugo Gold, Brünn 1929  und Ergänzungen

 

 

Die allgemeine Vermutung, die Juden hätten sich bereits im 15. Jahrhundert in Misslitz ansässig gemacht, erscheint glaubwürdig. Als die Juden 1454 aus Brünn und Znaim vertrieben wurden, kamen manche von ihnen wohl nach Misslitz, da diese Stadt in der Mitte der Strecke zwischen den beiden liegt. Die Existenz von Juden in Misslitz zur Zeit der Türkenkriege im 18. Jahrhundert ist verbürgt. Von einem Gerichtsdokument, betreffend einen Misslitzer Juden, berichtet Prof. Dr. Alfred Engel: „Am 28. April 1581 ergeht die Weisung nach Hosterlitz, „belanget den handel Zwischen Muschel Juden zu Mieslicz alsz khlagern und Georg schneider Zu Pohrlicz alsz beklagten“, Am 16. Januar des folgenden Jahres wird die Auskunft erweitert, am 26. Januar eröffnet, da der ganze Handel in dem Markt Hosterlitz angefangen, sollen auch die Zeugen beider Parteien vor dem Marktgerichte befragt werden, am 4.Mai 1582 erfolgt die vierte und letzte Belehrung in der Sache über die Höhe der beträchtlichen Prozesskosten. Aus alledem geht hervor, dass Jude Muschel zu dieser Zeit  in Mieslicz ansässig ist. Auch Israel Miesliczer, einer der Zeugen, der nach Kromau ausgewandert ist, gehört der Zeit vor Gründung der Misslitzer Gemeinde an.

Die Herrschaft Misslitz wurde von Kaiser Ferdi­nand II. im Jahre 1626 an Georg Grafen von Nachod für 30.000 mährische Gulden verkauft. 1661 ging sie durch Kauf von seinem Sohne Leopold an Rudolf von Kaunitz über. Dann kam der Besitz an das Graf von Schaumburgsche Haus und von dessen Erben ging es 1692 an das Brucker Kloster über.

Bilder: Tempel und Almemor

 

Die Judengemeinde teilte das Schicksal der Herr­schaft; den Grafen von Nachod und den Herren von Kaunitz waren auch die Juden Untertan. Etwa um die Mitte des 17. Jahrhundert scheinen sie den Schutz der geistlichen Herren von Klosterbruck angesprochen zu haben. Die Judengemeinde erscheint nämlich im Lahnen­register von Klosterbruck, während die übrigen Unter­tanen der Herrschaft im Lahnenregister von Misslitz ausgewiesen sind. Es steht fest, daß der Klosterbrucker Abt Dr. Theol. Norbert Pleyer, der sein Amt zwischen 1660 und 1679 bekleidete, mit den Juden von Misslitz in reger Verbindung stand. Als 1784 das Stift Brück aufgelöst wurde, fiel die Herrschaft dem k.k. Religions­fonds zu. 1824 erstand sie Dr. med. Josef Edler von Hopfen um 130.000 fl.

Gewissen Quellen ist die Existenz einer blühenden Judengemeinde in Misslitz vor dem Dreissigjährigen Krieg zu entnehmen, doch schrumpfte diese infolge des Krieges auf drei Familien zusammen. Allerdings dürfte starker und rascher Zuwachs aus dem Osten gekommen sein, als viele Juden während des Chmelnicky-Aufstandes aus Russland nach Mähren flüchteten. Daß sie auch nach Misslitz kamen, bezeugt der Umstand, daß 1666 die Judengemeinde darüber klagte, der Forderung des damaligen Gutsherrn, des Grafen Rudolf von Schaum­burg, nicht nachkommen zu können, da der frühere Besitzer, Graf Georg von Nachod, 20 jüdische Bewohner in Eisen gelegt und weggeführt habe. Demnach hatte sich die beinahe gänzlich aufgelöste Judengemeinde in der Zwischenzeit durch die Einwanderung ziemlich erholt.

Gegen die Gewalttätigkeiten des Herrn von Schaum­burg und gegen dessen rücksichtslose Erpressungen wandte sich die Judengemeinde um Schutz an Abt Pleyer. Sie wiesen darauf hin, daß sie durch die hohen Abgaben an den Nachoder Grafen „arm und elend“ wurden und deshalb nicht mehr in der Lage wären die früheren Abgaben zu leisten:

An den Abt des Brucker Klosters Norbert Pleyer.

Hochwürdig in Gott andächtig Edl. Vnd Hochgelehrter gnädiger Herr Herr.

Eur Hochwirten vnd Genaden, hier mit gehorsamblich zuewiedern demnach daß Mir Jütische Gemein dem Herrn von Schamburg in den Roboth Zinßen sein abgeschäezt worden, durbei Thuen Mir vnß gegen Eur Hochwirten vnd genaden ganz dhemietig vnd hoch beschwüren Wegen deß Vergangen dürckhisehen Lauff vnd damalen Mir alle haben Entlauffen müesßen, auch Mir vmd all vnßere Sachen sein khomen bei nebensß seint auch all vnßere Heüßer ruiniert vnd zu Nichtig gemacht worden, daß Miers Juten biss dato Woll Empfinden, dargegen Wüll Herr von Schamburg gleichwol, seine Schultigkheit völligkhlich ha­ben, Eur Hochwirten vnd genaden, werden auch Wol chlus daß bei Fürsten und Graffcn, wo Juden seindt gewest, in dem dürckhischen lauff, alle Schulden sein Eingestelt worden vnd Herr von Schamburg seine schultigkheit gleichwoll völlig haben Will dass es vnss Vnmiglicit ist, also biten Mir Eur Hochwirden vnd genaden, Sie Ich doch für vnß bei dem Herr von Scham­burg eine Vorbit thuen daß vnß deß 63ist Jahr nachgelassen khan werden Damit Mir arme vnd schwache gemein auß vnßeren Schulten khinnen khommen, for solche vnß Erzeugte genadt von Eur Hochwierden vnd genaden Wollen Mir biten vmb langes leben, frische gesundheit vnd glickhliche Regierung, daß gott der Her verleihen wole einer aller gnädige resollution vnd Eur Hochwierden vnd. Genaden in den schuez deß Allmächtigen bevelhent.

Eur hochwirten vnd genaden

geliorsambe vnderthan Richter vnd Geschworne vnd Jüdische geinein alhier.

 

An den Abt Pleyer:

Hochwürdig in Gott Andächtiger, Edl vnd Hochgelerter Gnä­diger Herr Herr.

Ihro Hochwürden vnd Gnaden, Jn Demueth zueberichten, Kennen wier arme Juden nit vmbgehen, vnd aldieweillen von denen Nicolspurger Juden, vnßer alhieige kleine Juden Gemein, also Hoch gesteüyert, vnd mit der c o n t r i b u t i o n überladen wierdt, daß wier eß nit erschwingen kennen; (Zuemalllen Herr Graff von Nachodt, in die 20. Juden, von vnßerer Gemein, vnterschiedliciier orthen, gewallhätig hinweggenohmen) Allß gelanget an Ihro Hochwürden vnd gnaden vnßer Hoch flehentliches ansinnen, vnd Bitten, die geruehen Allß vnßer g. obrigkheit vnßerer sich, genädig amuenehmen vnd bey Ihro Hochfürstl. Genaden von Dietrichstein vnß arme Juden, die genadt zuerlangen, da­mit vnß die Kontribution geringen, vndt ein erleident-liches Khenfftig, auferleget werden möchte; Biß solang sich die die weggenohmene, oder verloffene Juden, wider einfinden werden; Solliche genadt wollen wier vnß Jederzeit befleißen, vmb Ihro Hochwürden vnd genaden threygehorsambist abzuedienen, vnd Gott der Allmächtige, wierdt chlus Ewer Hochwürden vnd genade Reichlicher belohner sein; dieselben in den Göttlichen schutz, vnd vnß zue derobeharrliche genaden demüetig empfehlent.

Ewer Hochwürden vnd g:

Ihre gehorsambiste Richter vnd geschworne, sambt der gantzen Juden gemein in Mießlitz.

Unter der oben angeführten Signatur finden wir nachstehendes Dokument, in welchem die Namen der verschleppten Mißlitzer Juden enthalten sind:

 

 

 

Der H. graff vor Nachodt von Mieslitz weggenomen.

S p e c i f i c a t i o n, der ienigen Juden, Welliche Vnterschiedlicher ohrten, abzuehollen.

Zue Lissitz.

Joseph gewester Juden Richter, -  Cheimb Prager,

Alt gersti, mit verheiraten Zwei Söhnen. -  Klein abrahamb, (Maly.)

Abrahamb v: Prossnitz, mit ein verheyeraten Sohn, vnd Tochter,

Markus Pollackh, -  Zotich Rosshandler, -  Jacob v. Horzaminkh,

Dauidt, mit ein verheiraten Sohn, vnd Tochter,

Abrahamb Krauss Kopff,

Abrahamb Pollackh, -   Hirschel Baader,

Zue Tuleschitz, - Hirschel Löderer,

Zue Nicolspurg,- Itzigel Roßhandler.

Mit diessen Juden, ist denen hieiegen, mit weggenohmen: Ein Silberner Köllich, Ein Messgewandt, vnd ein Leichter.

Da diese verschleppten Juden mehr als die Hälfte aller ansässigen betragen haben, ist anzu­nehmen, daß vorher über 40 Juden in Mißlitz wohn­ten. — Der Name „Horzaminkh“ ist wohl durch einen Fehler entstanden und sollte „Horzepnik“ heißen.

Der Abt intervenierte, aber keineswegs aus Menschenfreundlichkeit: die vor­handenen Aktenstücke beweisen, vielmehr, daß sich der Abt in bezug auf Geldgier und Hartherzigkeit mit dem Herrn von Schaumburg ruhig messen konnte. Aus den Schriftstücken der Jahre 1666—1668 und 1669 ist klar ersichtlich, daß die Juden von beiden Obrigkeiten schamlos ausgebeutet wurden. Es ist auch nicht bekannt, was aus den Verschleppten wurde.

Im Jahre 1672 gab es in Misslitz 15 Judenhäuser und drei neue Ödungen (d.h. Häuser, welche infolge des Dreissigjährigen Krieges verlassen und erst später neu be­setzt wurden), in denen 18 Familien wohnten. Im Jahre 1753, also 81 Jahre später, wohnten in derselben Zahl von Häusern 64 Familien. Daraus geht hervor, daß sich die Judengemeinde inzwischen erneut vergrössert hatte, was vermutlich auf die Vertreibung der Juden aus Wien im Jahre 1670 zurückzuführen war. Ein Grab­stein aus dem Jahre 1700 beweist es, weil die Inschrift den Hinweis enthält, daß es sich um eines der Opfer der Vertreibung aus Wien handelt.

Im Laufe des 18. Jahrhunderts teilten die Misslitzer Juden das Los ihrer Brüder in ganz Mähren. Unter Kaiser Karl VI. kam 1726 das bekannte Heiratspatent heraus. Über das Ergebnis der Konskription der Juden in Misslitz gibt es keine Angaben. Zu den Gemeinden, in welchen die strenge Trennung der Juden vor sich ging, gehörte auch Misslitz. Zu jener Zeit gehörte die ganze Herrschaft dem Kloster Bruck. Aus der Fas­sionstabelle 1750 geht hervor, daß der Misslitzer ,Judengemeindezüns mit Schutzgeld“ 400 Gulden jährlich betragen hat.

Im Jahre 1753 waren 82 Familienstellen auf 19 Katastern verteilt. Außer diesen 19 katastrierten Häu­sern besaß die Judengemeinde eine Synagoge, ein jü­disches Spital, ein Gemeindehaus als Rabbinerwohnsitz, ferner eine Fleischbank mit vier Ställen und zwei Woh­nungen, die aber der Herrschaft gehörten. 1789 wurden in Misslitz den Einwohnern Grundflächen für Bauten zur Verfügung gestellt, wovon auch die ansässigen Ju­den profitierten.

Die Anzahl der Juden wird in der Konskriptions­liste des Jahres 1801 mit 119 Familien (448 Seelen) angegeben. Die Gesamtbewohnerzähl betrug damals 2626 Seelen. Über die Zustände der Judengemeinde zu Beginn des 19. Jahrhunderts gibt die „Historische Beschreibung des kais. königl. Religionsfondguths Misslitz 1802“ eini­ge Auskunft:

„Die Häuser der Juden sind viel unregelmässig, winkelhaft und weniger standhaft, auch nur zum min­deren Teil mit Schindeln eingedeckt und werden aus Armuth ihrer Besitzer nur aufs nothdürftigste kon­serviert.

Die Kamine der Häuser sind so bei Christen als bei Juden durchaus gemauert und zur Feuersicherheit in proportionierter Höhe aufgeführt. Die Obrigkeit un­terstützte die Bauten dadurch, daß sie die Ziegel für die Kamine zum Erzeugungspreise überließ, ... In der Judengasse sind Brunnen und Wasserbehälter.“

Über den Handelsverkehr gibt die „Historische Be­schreibung“ folgende Auskunft:

In Ansehung der Judenschaft kann man anneh­men: daß 2 Drietteile ihrer Gemeinde meistens durch den Feuerschaden welchen sie in einem Jahrzehend zweimal und zwar ao. 1794 und 1798 erlitten, fast gänzlich verarmt sind, obschon es schwer hält, den wahren Vermögensstand eines Juden zu ergründen, so ist man doch aus verschiedenen Vorfällen überzeugt, daß nur sehr wenige von ihnen gut fortkommen, die übrigen leben schlecht, sehr viele höchst elend, denn sie nähren sich von einem Tag zum anderen von un­bedeutenden Kramhandel bei Hause, vom Hausieren und von geringfügigem Ertrag der ihrer Nazion eigenen Spekulationen.

Im Nachtrage zur „Historischen Beschreibung“, der an Erzherzog Karl gerichtet ist, wird erwähnt, daß die Untertanen und Fleischhacker jährlich etwa 160 Ochsenhäute, 60 Kuhhäute, 180 Kalbfelle und 300 Schaf­felle an die Juden verkaufen, die diese auf den Märk­ten in Znaim, Hosterlitz, Prosmeritz u.a. absetzen.

Über den Handel gibt Wolnys „Vlastivěda moravska“ folgende Auskunft:

„Die meisten hiesigen Juden sind Leinwand-, Kot­ton- und Baumwollhändler (28) oder Hausierer, Marktfieranten und Krämer (44). Der Handel, der meist von Juden getrieben wird, bezieht sich auch auf jähr­lich etwa 130 q Federn und 6000 Stück Hasenbälge, welche nach Wien gehen; 10.000 Stück Schaffelle, 1000 Stück Ochsen- und ebensoviel in der Umgegend und in Österreich erkaufte Kuhhäute, die nach Brünn abgesetzt werden und auf 250—3000 q Wolle, mit welcher Kom­missionshandel getrieben wird und zu dem der Bezirk dieser Herrschaft 50—60 q beiträgt.

Auch über die inneren Verhältnisse der Juden gibt es Informationen: In der Gemeinde gab es kein Kran­kenhaus, sondern die althergebrachte Gewohnheit, daß zu Anfang des Jahres bei der Berechnung der Steuern und Gemeindeauslagen auch ein Betrag für Almosen erhoben wird. Die Bedürftigen erhielten wöchentlich zu 6 und 12 Kr. Je Person und zur Zeit jüdischer Feier­tage das Doppelte. Die Judengemeinde unterhielt eine Hebamme für 25 fl. Jährlich. Für Beschneidungen von Knaben wird nichts gezahlt. Bei Trauungen war es üblich, daß die Schulväter von jeden 100 fl. Der Mit­gift 17 kr, der Rabbiner von den ersten 100 fl. Den Betrag von 1,30 und von jeden weiteren 100 fl. Nur l fl. Bezog. Die Schulsänger erhielten von den ersten 100 fl. 45 kr. Und von jeden weiteren 100 fl. 30 kr. Der Ge­meindebeglaubigte erhielt 30 bzw. 221/2  kr. Je 100 fl, die Gemeinde für den Gebrauch des Traubaldachins 6 fl.

Im beengten Misslitzer Ghetto wohnten im Jahre 1820 in 94 Häusern mit 141 Zimmern

119 Familien. Die meisten besaßen nur einen Raum, wenige hatten zwei Räume und nur drei Familien bewohnten drei Räume. Bis 1867 bildete die sogenannte Judengasse auch die Judengemeinde. Die Namen einiger der Judenrichter dieser Gemeinde sind erhalten geblieben: Moyses Abra-tiam (um 1753), Isak b. Moses (gest. 1755), Salomon b. Abraham (gest. 1755), Jakob b. Dawid, Israel b. Gerson (Herzog), Vorstand der Chewra Kadischa (starb 1793), Salomon Kumte (gest. 1802), Perez Jehuda b. Aron (gest. 1816), Salomon König (gest. 1821), Salo-mon Arje Tausk (gest. 1828), Meir ben Salomon Weini­ger (gest. 1833), Zwi Grossheim (gest. 1835), Moses Eisner (gest. 1840), Moses Kramer (gest. 1840), Aren Weiniger (gest. 1841), Salomon Frankl (gest. 1841), Isak Ries (gest. 1843), Josef König (gest. 1854), Abra­ham Gassinger (gest. 1855), Isak b; Elieser Eisner (1856), Elieser Deutsch (gest. 1856), Jona Schmiedl (gest. 1857), Isak Spitzer (gest. 1871), Salomon Herzog (gest. 1872), Jakob Herzog (gest. 1881), Rafael König

(gest. 1894), Salomon Schmidl (gest. 1895), Salomon Lipmann Deutsch (gest. 1899), Michael Kramer (gest. 1901), Adolf König (gest. 1914), Josef Hauser (1890 bis 1895), Josef Pollenz (1902—1921), Isidor Deutsch (ab 1922).

Seit 1867 war die politische Judengemeinde von der Kultusgemeinde getrennt. Bürgermeister der selbständi­gen Israelitengemeinde waren : Hermann Ehrenreich (1867—1870), Salomon Schmidl (1870—1873), Adolf König (1874—1877), Isidor Herzog (1877—1880), Mi­chael Kramer (1881—1890), Isidor Herzog (1890 bis 1894), Leopold Eisner (1894—1900), Leopold Ornstein (1901—1902), Josef Häuser (1902—1924).

Der Misslitzer  „Tempelschatz“

 

Am 23. Dezember 1924 wurde die politische Juden­gemeinde aufgelöst. Im Stadtrat von Misslitz wurden die Juden von Misslitz durch Isidor Deutsch und Dr. Max Hauser (Jüdisch-National) und Josef Pollenz (Deutsche) vertreten. Zum Vorstand der Judengemein­de wurde 1927 Isidor Deutsch gewählt. Zu jener Zeit zählte die Gemeinde 450 Mitglieder, davon 145 steuer­zahlende.

Schon 1827 hat die Gemeinde ein stattliches Ge­meindehaus errichtet. Das ursprüngliche Gotteshaus, die „Rabbinerkapelle“ wurde behördlich aufgelöst und die Gemeinde errichtete daraufhin einen Tempel, dessen Bau 1845 abgeschlossen war. Trotz des Widerstände» man­cher konservativen Mitglieder wurde beschlossen, den modernen Wiener Gottesdienst einzuführen.

Eine jüdische Schule hat es in Misslitz schon im 18. Jahrhundert gegeben. Ab 1782 wurde an der Schule auch Deutsch unterrichtet, nach dem Ersten Weltkrieg kam es auch zu einem verbindlichen Tschechisch-Unterricht. Im Ende des Schuljahres 1922/23 wurde die jü­dische Schule aufgelöst und damit fand eine Anstalt ein Ende, die vielen Generationen die erste Erziehungs- ­und Bildungsstätte gewesen ist.

 

Die Schülerzahlen im Überblick:

Jahr

Knaben

Mädchen

Zus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1895

41

45

96

 

1896

39

48

87

 

1897

46

52

98

 

1898

50

52

102

 

1899

47

50

97

 

1900

48

49

97

 

1901

48

46

94

 

1902

53

54

107

 

1903

27

35

62

 

1904

30

32

62

 

1905

29

33

62

 

1906

22

31

53

 

1907

22

23

55

 

1908

25

17

42

 

1909

23

16

39

 

1910

19

14

33

 

1911

24

13

37

 

1912

17

13

30

 

1913

15

13

28

 

1914

13

12

25

 

1915

?

?

80

*)

1916

?

?

81

*)

1917

30

33

63

*)

1918

19

21

40

 

1919

7

14

21

 

1920

6

10

16

 

1921

5

9

14

 

1922

3

10

13

 

 

 

 

 

 

*) Die Schülerzahlen waren in diesen Kriegsjahren duch Aufnahme von Flüchtlingen aus den östlichen  Kriegsgebieten besonders hoch.

 

Nachweisbare Misslitzer Rabbiner waren: Baruch b. Menachem Brunschwik (gest. 1720, Zewi b. Salomo (gest. 1761), R. Isak Jehuda b. Jesaja alias Itzig Leb Maggid (gest. 1789), Elieser Josef Jakob b. Benjamin Seev Schäfer (gest. 1824), Jesaja b. Hagaon Hagadol Mordechai Benet, Ascher b. Meir Lemberg (gest. 1876), Dr. Michael Wolf (bis 1887), Dr. Simon Stern (1888 bis 1891), Dr. Berthold Oppenheim (1891—1892), Dr. Leopold Goldschmied (1893—1897), Dr. Moriz Bauer (1898—1902), Dr. Nachum Schorstein (1903—1912), Prof. Bela Diamant (1912—1920), Dr. Ernst Reich (ab 1922).

Der Tempel wurde am letzten Kriegstag, dem 7.5.1945 durch einen Bombentreffer zerstört. An seiner Stelle befindet sich heute das Gemeinde- Kulturhaus.

 

 

NIKOLSBURG

Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen

Mit einiger Sicherheit kann die Ansiedlung von Juden in Nikolsburg um das Jahr 1450 angenommen werden, da das Baujahr der alten, grossen Synagoge nächst dem Schlossberg von Experten auf dieses Jahr bestimmt wurde. Die glänzende und kostbare Innen­ausstattung dieser Synagoge blieb bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts erhalten. Die Ansiedlung der ersten Juden dürfte also innerhalb des Zeitraumes zwischen 1414 und 1450 erfolgt sein. Bereits am 18. August 1509 wurde den Nikolsburger Juden die Hoffreiheit verliehen und der Gouverneur Franz Cardinal und Fürst von Dietrichstein bestätigten ihnen diese am 22. August 1628 wieder. Über Auftrag des Christoph von Liechtenstein und Nikolsburg wurde am 29. September 1560 ein Ur­barium betreffend der Güter der Herrschaft Nikolsburg vorgelegt und es befanden sich damals bereits 32 jüdi­sche Untertanen in der Stadt, die jährlich 40 Robot­tage zu leisten hatten.

Der Gutsherr Maximilian I., Reichsfreiherr von Dietrichstein, übernahm nach dem Tode seines Vaters Adam die väterliche Herrschaft Nikolsburg und gab der Judenschaft am l. November 1591 ein Privilegium, mit dem ihnen unter anderem auch die freie Wahl ihres Judenrichters mit zweijähriger Amtsdauer eingeräumt wurde. Franz Seraph Cardinal und Fürst von Dietrich­stein bestätigte und verbesserte am l. Januar 1612 die Privilegien der Nikolsburger Judenschaft. Dem Rabbi­ner wird die Jurisdiktion als erste Instanz einberaumt, die Robotpflicht gegen 300 fl. Jährlich erlassen.

Am 5. Juni 1625 kam Kaiser Ferdinand II. mit Gemahlin und Gefolge zum Gouverneur Dietrichstein zu Besuch nach Nikolsburg. Der Sage zufolge wurde ein Edelmann aus dem Gefolge des Kaisers bei einer Fahrt durch die Judenstadt von einem Ziegelstein getroffen und getötet. Ferdinand II. dachte an ein Attentat und drohte mit der Vertreibung der Nikolsburger Juden­schaft, wenn sich binnen drei Tagen der Schuldige nicht melde. Da dies nicht geschah, opferte sich der damalige Rabbiner Eljakum für seine Gemeinde und bekannte sich als den Täter, wofür er mit dem Ausstechen des rechten Auges büssen musste. Eine andere Version be­sagt, Rabbi Eljakum sei enthauptet worden. Immerhin wurde das Grab Eljakums als Märtyrergrab bis in die Neuzeit auf dem jüdischen Friedhofe der Stadt gepflegt und erhalten.

Die erste Chewra Kadischa wurde in Nikolsburg bereits 1653 errichtet. Im Jahre 1657 wohnten in der Stadt 146 jüdische Familien in 98 Häusern. Im Jahre 1663 waren die Türken in die Stadt eingedrungen, plünderten und verheerten sie. Inwieweit die jüdische Gemeinde darunter litt, ist nicht bekannt.

Aus älteren Quellen geht hervor, dass infolge der letzten Judenvertreibung um 1670 zahlreiche Familien aus Wien nach Mähren einwanderten. Fürst Dietrich­stein soll in Nikolsburg 80 Familien aufgenommen ha­ben, die sich in der weiteren Folge rasch entwickelten und auch viele hervorragende Männer hervorbrachten. Für diese Duldung mussten natürlich die Juden über­aus hohe Zahlungen leisten.

Das kaiserliche Reskript, das am 10. Oktober 1681 durch das Amt der Landeshauptmannschaft veröffent­licht wurde, hatte zum Ziel, die Zahl der Juden in Nikolsburg wieder auf den Stand von 1657 zu beschrän­ken und die übrigen sollten „ausser Landes geschafft werden“. Es ist aber anzunehmen, dass dies trotzdem nicht geschehen sei, da es in dem Judenprivilegium des Fürsten Walter Franz Xaver von Dietrichstein (1664—1708) erneut heisst, dass „die Juden nicht vertrie­ben werden“.

Am 24. April 1680 wandte sich der Nikolsburger Hauptmann an den Brünner Magistrat mit der Bitte, den Nikolsburger Juden die Besuche der Brünner Jahr­märkte zu ermöglichen, was auch bis zum Pestausbruch geschehen war.

Die Pest hatte auch die Judengemeinden mit Sorge erfüllt. Man hatte im sogenannten Judengarten ein La­zarett errichtet.

Der Landtagsbeschluss des Jahres 1681, der „die Abschaffung der seit 1657 vermehrten Judenschaft“ an ordnete und nur noch die bis 1657 in ihren Wohnorten und Häusern lebenden Juden tolerieren wollte, blieb in Nikolsburg unbeachtet. Am 2. September 1682 beriet sogar der Brünner Magistrat über eine Bitte des Ni­kolsburger Magistrats, den St. Michaeler Jahrmarkt we­gen des jüdischen Neujahrsfestes zu verschieben. Mit Zustimmung des Fürsten wurde der Antrag bewilligt.

Schon 1647 bestand in Nikolsburg eine eigene Ju­dengemeinde, deren Statuten 1658 und 1659 noch ver­bessert und vom Fürsten Ferdinand Josef von Dietrich­stein bestätigt wurden. 1673 musste der Fürst Leopold Ignaz von Dietrichstein in der Schneiderzunft Ordnung schaffen. Nur acht jüdische Schneidermeister waren zu­gelassen, die je einen Gesellen und einen Lehrling hal­ten durften. In christlichen Häusern durften keine jüdi­schen Läden errichtet werden und die Juden mussten in ihrer eigenen Gasse bleiben, die mit einer Schnur von den anderen Stadtteilen abgegrenzt war.

Inzwischen haben einige Juden bereits eine nam­hafte Rolle im Handel zu spielen begonnen. Im Jahre 1702 hat der Fürst dem Juden Jakob Lipert gestattet, eines von zwei Handlungsgewölben, die er erbaut hatte, dem Isaak Hirschl zu vermieten. Der fürstliche Hofjude Jakob Gabriel Rebkine und Abraham Bauer erhielten beim oberen Stadttor ein Gelände zum Bau von Ge­wölben.

Am 2. August 1715 brachte die Nikolsburger Ju­denschaft ein Majestätsgesuch ein, einen jüdischen Arzt halten zu dürfen. Diese Bitte wurde abgelehnt. Am 10. August 1719 hat ein Feuer fast die ganze Judenstadt eingeäschert. Die um ihre Wohnungen gekommenen Ju­den flohen bis gegen Pohrlitz, wurden aber unterwegs überfallen und beraubt. Auch sonst kam es bei dem Brand zu Plünderungen der geretteten Habe. Viele Ju­den mussten den Winter hindurch im Freien kampieren, weil eine Untersuchung der Brandursachen und der da­mit verbundenen Nebenerscheinungen die Bewilligung zum Wiederaufbau der zerstörten Häuser hinauszögerte. Am l. Oktober 1721 kam es erst zu einem Vergleich:

Die Häuser von vier Familien, die in den Schlossberg eingegraben waren, durften nicht aufgebaut werden. Diejenigen, die ihren Hausbesitz von der Judenschule an bis an das kleine Gassei hatten, mussten das Hinter­haus bis an das Vordergebäude abtragen, doch stand es ihnen frei, anstelle des früheren Hintergebäudes einige Keller und Gewölbe aufzubauen, diese durften aber nicht für Wohnzwecke dienen. Die übrigen Hausbesitzer in kleinen Gassen hatten ihre Häuser in früherer Höhe und Breite zu erbauen, doch die Dächer mussten niedriger und zum Schloss hin mit Ziegeln bedeckt sein.

In einer viel besseren Verfassung als in anderen Orten und Ländern der Donaumonarchie scheint die Ju­denschule zu Nikolsburg der Sitz des Landesrabbiners gewesen zu sein, denn hier genossen mehrere namhafte jüdische Gelehrte ihre Grundausbildung, wie David ben Abraham Oppenheimer aus Worms, Neffe des Wiener Hoffaktors Samuel Oppenheimer.

Im Jahre 1754 gab es in der Stadt 107 Judenhäuser einschliesslich des Gemeindehauses und des Spitals. Im Jahre 1748 amtierte Berusch Gabriel Eskeles als Lan­desrabbiner mit dem Sitz in Nikolsburg, im Jahre 1754 ist Moses Lemberger als Oberlandesrabbiner bekannt, als Landesrabbiner wird 1757 Gerson Mose Pollitzer genannt.

Das Judentoleranzpatent Josefs II. vom 13. Februar 1782 führte zur Aufhebung der Leibmaut und der dop­pelten Gerichtstaxe für Juden, die nun frei und beliebig oft die königlichen Städte zum Zwecke ihrer Geschäfte besuchen konnten und dort nach eigenem Belieben für Unterkunft und Verköstigung in jüdischen Garküchen sorgen durften.

Als Johann Karl Fürst von Dietrichstein am 20. De­zember 1781 von seinem Vater, den Fürsten Carl Maxi­milian, den Gutsbesitz übernahm, liess es sich die Ju­dengemeinde nicht nehmen, dem neuen Regierenden der Stadt Nikolsburg ihre Ergebenheit und Huldigung durch eine in der bilderreichen, alttestamentarischen Sprache verfasste Schrift entgegenzubringen.

 

Das Stammvermögen der Gemeinde betrug 1784 et­wa 6975 fl. W.W., womit sie 136 Bedürftige unterstützte. Die Armen-, Gebet-, Lehrer- und Studentenstiftungen in Nikolsburg beliefen sich 1784 auf 16.000 fl.W.W., und die Bernhard Enkeles-Stiftung vom 3. November 1784 bestimmte einen Betrag von 29.000 fl. Für jüdische Leh­rer an der Nikolsburger Schule nebst 21.000 fl. Für die Ausstattung eines Waisenmädchens, für Lehringe der Thora und für die Normalschule.

Am 4. September 1787 verfügte ein kaiserliches De­kret, dass sämtliche Juden ab l. Januar 1787 einen deut­schen Vor- und Familiennamen annehmen und ihn in ei­nem der Obrigkeit vorgelegten Meldezettel anführen müssen. Oberlandesrabbiner Gerson Abraham Chajes und Samson Auspitz, Landesältester im Brünner Kreise zu Nikolsburg, bestätigten die Richtigkeit der früheren und der neu angenommenen Namen.

Mit Patent vom 15. Februar 1789 wurden in Mäh­ren 52 Judengemeinden organisiert, darunter war Nikolsburg die stärkste und zählte 600 Familien, die dem Fürsten Dietrichstein Untertan waren.

Bis zum Jahre 1880 zählte man noch in Nikolsburg 168 Judenhäuser, solange das Familiantentum noch üblich war, gab es 620 Familien. Die Zahl jüdischer Seelen betrug im Jahre 1793 nur 3020, 1829 hingegen 3237, im Jahre 1836 waren es 3520. Die Zahl sinkt im Jahre 1869 auf 1917 herab und geht 1880 weiter auf 1139 Seelen zurück. 1907 und 1908 ist der grösste Tief­stand mit 149 Seelen erreicht. Im Jahre 1913 gibt es erneut 778 und 1921 802 Seelen. Durch den Bau der Eisenbahnen verlor die natürliche Verkehrs- und Han­delsstrasse Wien—Nikolsburg—Pohrlitz—Brünn immer mehr an Bedeutung. Lundenburg und Wien waren mit der Bahn im direkten Anschluss eher zu erreichen als auf dem Umwege über Nikolsburg und zahlreiche ver­mögendere Geschäftsleute wählten Lundenburg oder Wien zum festen Wohnsitz.

Der Weltkrieg 1914—1918 hat nicht nur hemmend auf Handel und Verkehr gewirkt, sondern gab auch Ver­anlassung zur ausgiebigen Betätigung in der Nächsten­liebe, der Kriegsflüchtlingsfürsorge. Vornehmlich auf die­sem Gebiete war die Gemeinde vollauf beschäftigt. Tau­sende, meist streng konservative Juden flohen aus Galizien nach Mähren und mussten ihre Heime für Barac­ken am Muschelberge eintauschen. Dort wurde sogar ei­ne besondere Schule für die Flüchtlingskinder eingerich­tet, die von rund 800 Kindern besucht wurde. Eine zweite Schule, mit deutscher Unterrichtssprache, in Ni­kolsburg selbst, zählte 120 Kinder.

Der Ursprung der altehrwürdigen jüdischen Schule in Nikolsburg geht auf den Landesrabbiner David Op­penheim zurück, der für sie eine Stiftung errichtet hat­te. Der Zeit entsprechend handelte es sich zumeist um Ohederschulen, aber Nikolsburg war auch Sitz einer be­rühmten Jeschiwa, einer Hochschule der rabbinischen Wissenschaften. Die Reformen Kaiser Josef II. liessen dann auch hier eine neue Schule erstehen. Eine Chronik teilt die Entwicklung der Schule in vier Abschnitte und umfasst die Zeit von 1839 bis 1843/44. 1839 wurde ein langgehegter Plan verwirklicht, nämlich eine deutsch-he­bräische Hauptschule und eine von ihr unabhängige Tri­vialschule für Mädchen zu errichten. In der zweiten Pe­riode (1844—1854) festigte sich der Bestand der Schu­le vor allem durch den Gubernialerlass, nach welchem die Winkelschulen an den Orten, wo die deutschen und hebräischen Schulen gesetzlich verbunden waren, aufzu­hören hatten. Die dritte Periode währte von 1854 bis 1868 und brachte die Nikolsburger jüdische Hauptschule zum Aufblühen, bis 1869 ein Reichsvolksschulgesetz neue Bestimmungen brachte. Diese waren vom Geiste der Freiheit umweht, der allen Völkern der Monarchie die Tore der Bildung öffnen sollte. Aus der Hauptschule wurde eine fünfklassige Volksschule, die zunehmend all­gemeinen Charakter gewann.

Nikolsburg hatte einen Ehrenplatz in der Schulge­schichte durch das israelitische Taubstummeninstitut, die der Kaufmann Hirsch Kollisch, ein grosszügiger Philantrop, geschaffen hatte.

Die Seelsorge wurde von altersher durch den Lan­desrabbiner ausgeübt, welcher zumeist auch die Geschäf­te des Nikolsburger Lokalrabbiners versah, da in der Judenpolizeiordnung vom Jahre 1754 diese Stadt als Sitz des Landesrabbiners bestimmt wurde.

An dieser Stelle seien nur die Nikolsburger Rabbi­ner nach dem Abgange von S. R. Hirsch angeführt. Es wirkten: Hirsch Teltscher (1851—1858), Salomo Quetsch (1855—1856), Isak Weinberger (1853—1855 und 1856— 1861), Dr. Meier Feuchtwang (1861—1888), dessen Sohn Dr. David Feuchtwang (1892—1903), Dr. Moritz Lewin (1903—1918), Dr. Alfred Willmann (nach 1919).

Bis zum Jahre 1868 hatte die Gemeinde 12 Synago­gen, von denen die meisten nach ihren Gründern be­nannt wurden. Diese schmolzen im Laufe der Zeit auf fünf zusammen und schliesslich auf zwei, die Altschul­ oder Dom-Synagoge und die Neuschul.

In dem uralten Gemeindehause befand sich die so­genannte Schatzkammer, die eine Sammlung kostbarer jüdischer Altertümer barg, darunter Pergamenthand­schriften von unschätzbarem Wert, prächtig gestickte Thoravorhänge, Gefässe für rituelle Zwecke, hervorra­gende Edelmetallschmiedekunst-Werke, das Statutenbuch der Chewra Kadischa aus dem Jahre 1653 mit schönen Malereien und viele unerforschte Handschriften in Buch­form.

Dr. Ignaz Bachrach war von 1848 bis 1859 Bürger­meister und behördlich bestellter Matrikenführer. Ihm folgte Sigmund Blau, der von 1859 bis 1896 als Bürger­meister wirkte und in Anbetracht der grossen Verdien­ste zum ersten Ehrenbürger der Judengemeinde von Nikolsburg ernannt wurde. Danach kam Adolf Frankfur­ter ab 1896 und Moritz Abeies, der das Amt bis Juni 1912 versah. Adolf Kohn wurde zu seinem Nachfolger und zugleich Obmann des Ortsschulrates. Der letzte Bür­germeister war Franz Deutsch (1915—1918).

Vorsteher der Kultusgemeinde waren Sigmund Blau (1859—1896), Philipp Kohn (1896—1913), Gustav Pissk (1913—1920), Eugen Teltscher (1920—1925) und danach Viktor Spitzer.

Die Nikolsburger Judengemeinde besaß nicht nur zahlreiche Stiftungen, sondern auch ein Fülle von Ver­einen. Die Chewra Kadischa wurde spätestens 1653 ge­gründet, weil aus diesem Jahre ein prächtig mit farbi­gen Abbildungen geziertes Statutenbuch erhalten ge­blieben war. Im Jahre 1898 wurde ein „Bekleidungsver­ein“ gegründet. Schliesslich hatte die Kultusgemeinde auch einen Frauenverein. Im Jahre 1918 wurde der zioni­stische Turnverein „Makkabi“ und 1920 bereits ein „Zionsverein“ geschaffen.

Im Jahre 1930 lebten in Nikolsburg noch 437 Ju­den, die 5,6 Prozent der Gesamtbevölkerung darstellten. Im Jahre 1936 wurde dort ein Mährisch-Jüdisches Muse­um geschaffen, das während der Sudetenkrise nach Brünn überführt wurde und schliesslich während der Naziära an das Zentrale jüdische Museum nach Prag angeschlos­sen wurde. Auch diese Gemeinde fand in den Jahren der jüdischen Katastrophe in Europa ihr Ende. Die meisten Gemeindemitglieder wurden 1941 und 1942 aus Brünn in die Vernichtungslager deportiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gemeinde nicht mehr erneuert und die Synagoge der Gemeinde wurde 1950 als baufällig und gemeingefährlich abgetra­gen..

 

Die Ansichtskartenmotive zeigen die Israelitenstadt in Nikolsburg und sind sicher eine Rarität. Mehr dazu ist im Internet unter www.europas-mitte.de, „Südmährische Gemeinden nach Postkartenmotiven“ zu finden.

 

 

 

 

 

 

 

Piesling

Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen

Auch über den Beginn der jüdischen Ansiedlung in Piesling fehlen genaue Angaben. Einer mündlichen Überlieferung zufolge ist die Gemeinde später als ihre Schwestergemeinde Althart — also nach 1676 — begründet worden, doch die erste urkundliche Nachricht über ein jüdisches Gemeindeleben in Piesling stellt ein Steuerverzeichnis aus dem Jahre 1727 dar. Aus einer Beschwerdeschrift der Pieslinger Juden gegen den Gutsherrn Anton Kasimir Grafen von Hartig geht hervor, daß 1769 die der Herrschaft zu leistende Abgabe der Judengemeinde 182 fl. 6 kr. 3 h. betrug. Dann meldet uns das spärlich vorhandene Urkundenmaterial ein ganzes Jahrhundert hindurch nichts über Geldleistungen der Juden und erst zum Jahre 1839 erfahren wir aus einer am 30. Mai 1839 an das Landesgubernium gerichteten Eingabe, daß die „k. k. jüd. Verzehrungssteuer“ mit 310 fl. C.M. pauschaliert ist, die von 62 Familien, - darunter 16 steuerunfähige und „47 ledige familienlose Steuerglieder“ aufzubringen waren.

Aus der erwähnten Beschwerde der Pieslinger Juden geht hervor, daß dort 1769 nur 24 jüdische Familien ansässig waren. Ihre Zahl erfährt in der Folgezeit eine Vermehrung und beträgt im Jahre 1782 32 Familien.

Im Jahre 1869 werden in Piesling 64, 1880 — 39, 1890 — 46 und 1900 — 41 jüdische Hausbesitzer gezählt, deren Zahl dann rapid zurückging.

Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts scheint sich der Großteil der Pieslinger Judenschaft mit der Erzeugung von Schwarzbrot und anderem Gebäck den kargen Lebensunterhalt erworben zu haben und die Vermögenslage der Juden war äußerst trist.

Zu den traurigsten Jahren in der Geschichte der Judengemeinde gehören die Jahre 1840 und 1867 infolge der durch Feuer und Wasser verursachten Verwüstungen.

Die schwer heimgesuchten jüdischen Bewohner des Ortes wurden durch Unterstützungen der Glaubensbrüder in ganz Mähren notdürftig rehabilitiert.

Bis 1920 bestand auch eine politisch selbständige Israelitengemeinde in Piesling. Bis 1874 waren folgende Richter bzw. Vorsteher und Bürgermeister im Amte, die gleichzeitig Vorsteher der jüdischen Glaubensgenossenschaft waren: Salomon Lazar (um 1777), Isaac La-zar (um 1782), Isaac Löbl, Aron Salzer (1826—1827), Leopold Eyss (1829), Abraham Färber (1883—1836), Markus Stieber (1837—1840), Abraham Färber (um 1842), Hermann Salzer (um 1849), Sigmund Färber (1861), J. L. Fürst (1860—1864), Lazar Salzer (1864 bis 1869), Dr. Josef Salzer (1872—1882).

In der Gemeindeausschuß-Sitzung wird der Beschluß gefaßt, die politische Gemeinde von der Kultusgemeinde zu trennen. Als Kultusvorsteher fungierten:

Leopold Österreicher (1882—1888), Julius Kaufmann (1889—1900), Michael Färber (1901—1906), Julius Kaufmann (1906—1909), Siegfried Österreicher (1910 bis 1920).

Nach der Trennung der Kultusangelegenheiten von denen der politischen Gemeinde versahen das Amt eines Kultusvorstehers : Leopold Österreicher (1874—1884), Michael Färber (1887—1890), Leopold Österreicher (1890—1893), Hermann Landsmann (1893—1896), Hermann Bix (1896—1900 und 1906—1908, Sigmund Salzer (1909), Julius Kaufmann jun. (1910—1912), Siegfried Österreicher (1912), Sigmund Kaufmann (1912—1916), Adolf Neumann (bis 1918), Dr. Ludwig Schön (1918), Siegfried Österreicher (bis 1923), Artur Beckmann (nach 1923).

Einer seit 1766 geführten Geburtsmatrik und dem Protokollbuch der Gemeinde Piesling ist die Tätigkeit folgender Rabbiner zu entnehmen: Josef Feilbogen (1811 bis 1812), Lazar Fürth (um 1816), Salomon Holzmann (gest. 1824), Moses Hirsch (1819—1826), Salomon Quetsch (1828—1829), Joachim Lob Zilzer (1830—1836), Jakob Lob Pollak (um 1836), Michael Lazar Kohn (1841 bis 1893), Dr. Nathan Frankl (1893—1901). Seither versah der Rabbiner von Jamnitz die Rabbinatsfunktionen und Kantoren besorgten die rituellen Funktionen. Am 14. Juli 1928 ist die Kultusgemeinde Piesling dem Rabbinat in Triesch angeschlossen worden.

Eine „jüdisch-deutsche Trivialschule“ wurde in Piesling im Jahre 1782 errichtet.

Zu den berühmten Söhnen der Pieslinger Gemeinde zählt in erster Reihe Alexander Ritter von Eiss, der in der k.u.k.-Armee den Rang eines Generalmajors erreichte und zahlreiche Verdienstorden trug. Er war mit Theodor Herzi persönlich befreundet und in den letzten Lebensjahren Zionist und Chefadministrator der „Welt“. Ferner Hofrat Dr. Michael Holzmann, Universitätsbibliothekar und Autor zahlreicher Werke und schliesslich Berta (Bella) Maretschek, die vielumstrittene Freundin Richard Wagners. Ferner ist Ludwig Tobias Jakob Freiherr von Österreicher, Konteradmiral und Sektionschef des öst. Kriegsministeriums, der allerdings zum Christentum übergetreten war, zu erwähnen.

 

 

 

POHRLITZ

Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, TelAviv 1974 und Ergänzungen

 

Die Pohrlitzer Judengemeinde soll der Sage nach die älteste in Mähren sein. Als ihre Gründer werden drei Juden genannt, die den Römern auf ihren Zügen in das mährische Gebiet gefolgt sein sollen. Wenn es hierfür auch keine historischen Belege gibt, so chlus wir die Möglichkeit, daß Juden noch vor den Christen dieses Land bewohnt haben, also noch zu einer Zeit, als diese Gegend heidnisch war, in Rechnung ziehen. Die Inschrift im alten, 1853 abgetragenen Tempel wies auf das Jahr 4475 jüdischer Zeitrechnung hin, doch handelt es sich wahrscheinlich um ein Apokryph. Ganz in das Reich der Märchen gehören die sagenhaften Überliefe­rungen schon deshalb nicht, weil die Sage einen wah­ren Kern enthält. Nach dem Raffelstettener Zollvertrag dürfte die Gemeinde um das Jahr 903—906 bereits bestanden haben. Ausdrücklich erwähnt finden wir die Pohrlitzer Juden erst in einer Urkunde aus dem Jahre 1490, in welcher sich der Jude Meyer, Judenmeister des Königreiches Böhmen und der Markgrafschaft Mäh­ren, mit neun Bürgern verpflichtet, für alle Juden von Mähren jährlich fünfzig ungarische Gulden an den Obersthofmeister des Königreiches Böhmen, Wilhelm von Fernstem und Helfenstein, bis zu dessen Tode zu be­zahlen, wofür dieser den Juden, wenn sie sich an ihn wenden, mit Rat beistehen und „was gut ist, für sie tun werde“.

Bild: Ghetto von Pohrlitz

Diesen Vertrag, der in tschechischer Sprache chlussbe wurde, haben einige jüdische Bürger aus Eibenschitz, Straßnitz und Pohrlitz unterzeichnet. Daß Ju­den aus Pohrlitz ihn im Namen der ganzen mährischen Judenheit zeichnen, kann nicht als Beweis für das wohl vorhandene Ansehen der Pohrlitzer Judengemeinde ge­deutet werden, vielmehr dürfte es damit zusammenhän­gen, daß zu der Zeit, aus der die Urkunde herrührt, die Grafen von Pemstein die Herren von Pohrlitz wa­ren. Das Leben der Pohrlitzer Juden vom Jahre 1490 bis zur Zeit, da wir neuerlich Kunde darüber erhalten, dürfte trotz des erkauften Schutzes die Tragödie ge­wesen sein, die sich Mittelalter nennt, wenn auch die Quellen keine Nachrichten darüber enthalten.

Erst im Dreißigjährigen Krieg schluchzt das viel­fach gehäufte Leid auf, das die Pohrlitzer Juden eben­so wie die christliche Bevölkerung traf. Die Kriegsgeißel muß auch hier schrecklich gewütet haben. Von 43 Ju­denhäusern blieben 20 besiedelt, während die Insassen der anderen 23 entweder gestorben oder verzogen sind. Nach dem Jahre 1657 wurden zwei andere Judenhäuser verödet und leer, dagegen sechs neu besiedelt. In eines zog  Rabbi Löw, der Ortsrabbiner, ein zweites diente dem Judenbader Moses als Wohnung.

Im Jahre 1673 gibt es in Pohrlitz 21 jüdische Hausvorstände. Allmählich nimmt dann die Bevölkerung zu, so daß die im Jahre 1749 vorhandenen 35 Häuser lange nicht mehr ausreichten und in manchen bis zu neun Familien zusammen wohnten. Die Wohnungsnot verschärft sich noch weiter, sei es infolge ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse, oder weil den Juden von der gehässigen Obrigkeit keine Baulizenzen erteilt wer­den. Die Stadt verfällt weiter, und im Jahre 1790 gibt es nur noch 26 Judenhäuser. Diese Zahl nimmt bis 1788 auf 37 und 100 Familianten zu und zwar bei einer im selben Jahre festgestellten Einwohnerzahl von 453. Durchschnittlich wohnen also 17 Personen in einem Hause von sehr mäßiger Größe.

Wahrscheinlich wegen der günstigen Lage mietete die Judengemeinde während des Dreißigjährigen Krie­ges von der Christengemeinde fünf auf deren Gebiete liegende Gewölbe, für die außer der gewöhnlichen Robot-Arbeit auch 15 Gulden zu zahlen waren.

Die Juden besaßen auch manches Wirtshaus, das auch von Christen besucht wurde, was auf ein gutes Einvernehmen zwischen den Angehörigen beider Kon­fessionen schließen lässt. Auch sonst wird von juden­feindlichen Ausschreitungen nicht berichtet. Die ur­sprünglich strenge örtliche Trennung zwischen beiden Gemeinden wurde nach dem Dreißigjährigen Kriege durchbrochen. Höfe und Äcker lagen öde und verlassen und wer sich als Käufer meldete, war ohne Rücksicht auf sein religiöses Bekenntnis willkommen.

Die meisten der Pohrlitzer Juden werden wohl Han­del getrieben haben oder sind Geldverleiher gewesen. In welcher Ferne sie Handelsbeziehungen unterhalten haben mögen, geht aus einer beim Brünner Gubemium vom Advokaten Josef Friedrich Großbauer im Jahre 1768 erhobenen Klage hervor. In ihr werden Pohriitzer Juden beschuldigt, das Baby einer zum Christentum übertretenen Jüdin, nämlich das jüdische Kind Rifka Vögerle, aus Ofen nach Trebitsch entführt zu haben. Sehr sorgfältige Erhebungen haben die völlige Unschuld der verdächtigten Juden ergeben, aber der Fall zeigt auf, daß die Pohrlitzer Juden ihre Geschäfte bis nach Ofen trieben.

Auch sonst führte ihr Weg in weite Fernen. Es war aber der Weg des Hausierers, der, von Weib und Kind monatelang fern, in Niederösterreich und anderen ehemaligen Kronländem seinen armseligen Han­del betrieb und nur zu den Feiertagen in die Heimat zurückkehrte. Die Heimat selbst zeigt nach den Quellen, die alle aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammen, das Bild eines geregelten Gemeindelebens. Die Gemeinde hat einen Rabbiner, einen Vorsänger und einen Diener. Sie hält zwei Nachtwächter — einen Juden und einen Chri­sten. Kultusgemeinde und politische Gemeinde fallen zusammen und der Vorsteher der ersteren ist zugleich Bürgermeister oder „Judenrichter“. Erst unter dem Vor­steher-Bürgermeister Wilhelm Schnabl wurden Verwal­tung und Führung der beiden Gemeinden getrennt. Im Jahre 1919 verlor die Judengemeinschaft ihre politische Selbständigkeit und wurde mit der Christenstadt ver­einigt.

Die jüdische Gemeinde verfügte ferner über eigene Schulen, eine Jeschiwa des Rabbi Jehuda Lob Freund, der 30 Jahre lang in Pohrlitz wirkte, sowie über ver­schiedene Stiftungen für Kultus-, Schul- und Wohlfahrts­zwecke. Sie setzt sich das schönste Denkmal in der Gründung einer Schule, dem Bau eines rituellen Bade­hauses (1885) und einer Synagoge. Bis zum Jahre 1835, da die Judengemeinde eine eigene Schule errichtete, dürften die Kinder privat durch selbständige Lehrer unterrichtet worden sein. In der neu gegründeten Ge­meindeschule wurden besonders jüdische Lehrgegenstän­de unterrichtet. Den Profanunterricht erhielten die jü­dischen Kinder in christlichen Schulen, wo sie getrennt von den nichtjüdischen Schülern in bestimmten Stunden des Tages unterrichtet wurden. 1845 begannen Verhand­lungen über die Errichtung einer „deutsch-jüdischen Tri­vialschule“ und die Genehmigung zur Eröffnung der Schule wurde im Jahre 1847 erteilt. Unter der Leitung des berühmten Erziehers und pädagogischen Schriftstel­lers Emanuel Bondi hat sie ein hohes Niveau erreicht. Im Jahre 1857 wurde die Schule dreiklassig, 1870 vierklassig, 1913 zweiklassig und im Februar 1919 wurde sie aufgelöst.

Die altertümliche Synagoge, längst baufällig und zu klein, wurde abgetragen und unter der Führung von Veit Schnabl, der durch fast 40 Jahre das Amt des Kultusvorstehers und Bürgermeisters innehatte, wur­de im Jahre 1852 an den Bau eines neuen Gotteshauses geschritten, das am 1. Oktober 1856 vom Proßnitzer Rabbiner Dr. Adolf Schmiedl eingeweiht wurde.

Als Rabbiner fungierten in Pohrlitz, soweit fest­stellbar: Rabbi Löw (1657); Rabbi Jona ben Jekutiel Halevy; Rabbi David ben Arie Jehuda; Rabbi Avigdor ben Paltiel; Rabbi Jacob Abraham Trischet; Rabbi Elieser ben Zwi Hirsch; Rabbi Baruch ben Benjamin Seew; Rabbi Jehuda Lob Freund; Rabbi Jehoschua Weiß (1862—1911); Dr. Moses Friediger (1912 bis 1913); Dr. Rudolf Ferda (1914—1921) und Dr. Hein­rich Gescheit (ab 1.4.1922).

Vorsteher der Pohrlitzer Judengemeinde waren: Je­huda Lob; Abraham Hirsch Pollak (1794, 1810—1815, 1832); Moses Schnabi (1795—1799, 1802, 1804—1807, 1809, 1816); Aron Frischauer (1800 bis 1801, 1803);

Bernhard Schnabi (1817, 1819—1821, 1832, 1829, 1830); Joachim Mandl (1822, 1828); Markus Pollak (1824); Veit Schnabi (1825, 1834, 1837—1838, 1839 und dann von 1848).

An Vereinen besaß die Pohrlitzer Judengemeinde früher den Talmudverein „Chewrat Schaß“, die „Talmud Thora“ und den Verein der Jünglinge. Später wirkten nur noch die „Chewrat Kadischa“, der Frauenverein und der Turnverein „Makkabi“. In den Gemeindeaußchuß entsandte die Pohriitzer Judenschaft drei Vertreter. Zur Pohrlitzer Judengemeinde gehörten auch einige Ort­schaften aus dem Pohrlitzer und Groß-Seelowitzer Ge­richtsbezirk. In Groß-Seelowitz hat es einen jüdischen Betverein mit eigenen Beamten gegeben, in späteren Jahren waren dort nur noch zwei Judenfamilien übrig­geblieben.

 

Im Jahre 1925 gab es in Pohriitz noch 400 Juden, die Zahl ging jedoch bis 1930 auf 277 zurück. Der Großteil der im Orte zurückgebliebenen Juden wurde deportiert und hat die Naziära nicht überlebt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gemeinde nicht mehr erneuert.

 

 

 

 

PULLITZ

Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen

 

Die Entstehung der seit 1890 aufgelassenen Juden­gemeinde Pullitz ist in sagenhaftes Dunkel gehüllt. Einer mündlichen Überlieferung zufolge soll sich ein Teil der 1454 aus Znaim vertriebenen Juden in Pullitz nieder­gelassen und die Judengemeinde gegründet haben. Auf Gerichtsdokumente und alte Grabsteine gestützt, stellte der einstige Pieslinger Bezirksrabbiner L. M. Kohn fest, dass Pullitz im Jahre 1523 deutliche Spuren eines jü­dischen Gemeindelebens aufzuweisen hatte. Immerhin wird in einem Lahnenregister aus dem Jahre 1671 die vorhandene jüdische Siedlung als „neugestiftet“ bezeich­net. Und da zur Unterbringung der Juden erst zwei Häu­ser neu erbaut wurden, liegt die Vermutung nahe, dass vor dem Jahre 1671 in Pullitz keine Juden wohnten. Daraus ergibt sich die Vermutung, dass die Gemeinde von den 1670 aus Wien vertriebenen Juden gegründet wurde.

Im Jahre 1723 wurde eine Judengasse errichtet und die Judengemeinde von der Christengemeinde separiert. Im Jahre 1758 werden alle Judenhäuser einschliesslich einer Holzsynagoge Opfer eines Brandes. Retter in Not wurde der wohlhabende Judenrichter Isak Landesmann, der seinen Glaubensbrüdern zum Wiederaufbau ihrer Häuser und zu einer neuen Synagoge verhalf. Er war es auch, der im Jahre 1782 ein Frauenbad und im eige­nen Hause auch eine Normalschule erbaute. Sein Hausrabbi, den er aus eigener Tasche besoldete, übte gleich­zeitig die Rabbinerfunktionen in der kleinen Gemeinde aus.

Die Zahl der Judenfamilien in Pullitz wurde 1787 mit 22 festgesetzt. Bei diesem bis 1848 unverändert gebliebenem Familienstand betrug die Kopfzahl: 1830 – 161, 1848 – 118, 1857 -131, 1868 – 43, 1880 – 46, 1890 – 61. Der letzte Pullitzer Jude, Leopold Landes­mann, übersiedelte 1913 nach Jamnitz. Mit der Neu­ordnung der jüdischen Angelegenheiten im Jahre 1890 wurde die Judengemeinde Pullitz aufgelöst und die Ju­den der Kultusgemeinde Jamnitz zugewiesen. Auch der Tempel und der Friedhof gingen in den Besitz der Jamnitzer Kultusgemeinde über. Der Friedhof wurde bis zum Ersten Weltkrieg von der Jamnitzer Gemeinde gepflegt und die Umzäunung repariert. Gegenwärtig erinnert nichts mehr an die Existenz dieser einstigen jüdischen Gemeinde in Mähren, der auch die italieni­sche Adelsfamilie Weiss di Valbranca entstammt.

 

 

SCHAFFA

Aus Hugo Gold: Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974 und Ergänzungen

 

Die Geschichte der Judengemeinde Schaffa beginnt mit dem Jahre 1670. Sie wurde nach der Vertreibung der Juden Niederösterreichs von Flüchtlingen aus Weitersfeld und Pulkau gegründet. Der Frainer Herrschafts­besitzer, Graf Maximilian Starhemberg, gewährte den vertriebenen Juden eine Freistätte, da der Ort seit sei­ner Verheerung durch die Schweden 1645 noch halb verödet war. Von den in Schaffa angesiedelten 85 Ju­denfamilien besiedelte nur ein Teil die ihm zugewie­sene Freistätte, die heute noch die Bezeichnung Juden­gasse führt, ein Teil erwarb Baustellen im Marktteil von Schaffa, so auf dem Platz nördlich der Kirche und beim Petreinetor.

Mündliche Überlieferungen berichten, dass diese Weitersfelder Juden das nackte Leben und ihre Thorarollen gerettet hätten. Bis 1938 wurde im Tempel von Schaffa eine der guterhaltenen Rollen mit der Auf­schrift „weit im Felde“, d.h. Weitersfeld, aufbewahrt.

Als 1734 die Gutsherrin von Frain, Gräfin Maria Anna von Althau, auf dem Pfarrplatz von Schaffa eine Kirche erbauen liess, ordnete sie den Umzug der nörd­lich der Kirche wohnenden Juden in. Die Judengasse an.

1778 wurde den Juden von Schaffa zur Vergrösserung ihres Friedhofes von der Herrschaft Frain eine Parcelle abgegeben. Im folgenden Jahr wurde die neue Synagoge vollendet. Nach dem Toleranzpatent Josefs II. von 1781 wurde den Juden gestattet Schulen zu errich­ten. 1800 wurde auch in Schaffa eine Judenschule ge­gründet, deren erster Lehrer L. Lederer aus Trebitsch war. Ab 1805 erteilte der Lehrer der Christenschule, Johann Bauer, zwei Stunden täglich in der Judenschule Unterricht und bezog dafür 80 Gulden jährlich. Die Christen- wie die Judenschule standen bis zur Ver­abschiedung des Reichsvolksschulgesetzes von 1869 un­ter Aufsicht der Pfarrers von Schaffa.

Am 13. Juni 1822 wurde das ganze Judenviertel, mit Ausnahme eines einzigen Hauses, zusammen mit 45 Häusern der Christengemeinde, Opfer eines Brandes. Beim Wiederaufbau der 120 Judenhäuser wurden die meisten einstöckig erbaut.

Bis 1848 stand die Judensiedlung von Schaffa un­ter dem Schutze der Herrschaft Frain. In diesem Jahre konnten die Juden eine eigene politische Gemeinde ne­ben der Kultusgemeinde errichten, die bis 1919 existier­te. Von 1848 an erlangten 15 Judenfamilien Häuser in der Christengemeinde von Sehaffa und auch solche in vielen Nachbarorten.

Ein Denkmal der politischen Freiheit der Schaffaer Juden ist das 1869 vollendete Schul- und Gemeindehaus. Die 1800 gegründete einklassige Judenschule wurde nach 1848 zweiklassig und nach Erweiterung der Schulpflicht auf acht Jahre ab 1869 dreiklassig.

Die Juden von Schaffa beherrschten im Raume Znaim — Hollabrunn — Krems — Zwettl — Zlabings und Jamnitz den Verkauf von Tuch, Leinen und Leder, sowie den Einkauf von Schafwolle, Flachs, Häuten, Fel­len, Hörn, Geweihen und Borsten.

1870 wurde die Franz-Josephs-Bahn und 1872 die Nordwestbahn eröffnet. Die nächsten Eisenbahnstatio­nen sind Hötzelsdorf und Schönwald, jeweils 14 km von Schaffa entfernt. Diese Entfernungen führten zum Unter­gang der Judensiedlung, da sich Handel und Industrie entlang der Bahnlinie etablierten.

Die Judengasse verfiel, die Judenhäuser wurden z.T. an christliche Tagelöhner verkauft. Die dreiklassige jü­dische Schule hielt sich bis 1883. Hatte es 1790 in Schaffa noch 556 Juden und 540 Christen gegeben, in 1837 633 Juden und 610 Christen, ging deren Zahl bis 1900 auf 374 Juden und 602 Christen, bis 1910 auf 150 Juden und 588 Christen und bis 1930 gar auf 65 Juden und 707 Christen zurück.

1938 gab es in 25 Haushalten 52 Juden in Schaffa. Von diesen gelang es etwa einem Drittel ins Ausland zu gelangen, während der Rest 1939 deportiert wurde.

1919 wurden die Christen- und die Judengemeinde von Schaffa vereinigt, 15 tschechische Familien siedel­ten sich in der Judengasse an. 1938 wurde infolge des Münchner Diktats Schaffa an das Nazireich angeschlos­sen. Die örtlichen Deutschen begrüßten die deutschen Truppen, weil sie die Tschechen los werden wollten, ohne daß eine betont antijüdische Stimmung unter ich­nen aufgekommen wäre.

 

 

 

GESCHICHTE DER JUDEN IN ZLABINGS

 

 

Bearbeitet von

Rudolf Hruschka, Althart.(1929)

 

Nach Dr. Reutters „Geschichte der Stadt Zlabings (S. 293) durfte sich in dieser Stadt im ganzen Mittelalter und bis tief in die Neuzeit kein Jude niederlassen. Der Widerwille gegen die Juden war so groß, daß man sich im 17. Jahrh. gegen die Ansiedlung eines getauften Juden mit Heftigkeit sträubte und die Zünfte 1678 bei der Lahnenkommission eine Beschwerde gegen den Hausierhandel der Juden der umliegenden Orte Markwaretz, Wölking, Piesling, Althart, Maires und Pullitz einreichten.

 

Zeitweise war ihnen sogar das Betreten der Stadt verboten; nach der mündlichen Überlieferung soll dann auf die Dauer des Verbotes der Handel zwischen der Stadt und den Juden auf der heute noch sogenannten „Judenwiese“ abgewickelt worden sein.

 

Für die judenfeindliche Einstellung des Zlabingser Magistrats in der Mitte des 18. Jahrhunderts zeugt denn auch das folgende drakonische, beim Appellationsgericht in Prag gegen den des Raubes beschuldigten Juden Isak Samuel Polatschek erwirkte Urteil, das an dem Unglücklichen nach der am 23. September 1741 erfolgten Publizierung vollstreckt wurde:

„Im Namen und von wegen der zu Hungarn und Böheimb Königl. May. Unserer Allergnädigsten Frauen haben Dero Praesident, Vize-Praesident und Raethe so über denen Appelationen ob dem Königl. Prager Schloß sitzen, Alß ihnen von dem Zlabinger gericht alß ihnen daselbst ex capite Latrociny Verhaffteten Juden Isaak Samuel Polatschek eine Kriminal-Frag nebst chlussb gerichtl . gethanen Aussagen geschicket und darinnen, was rechts seyn möchte umb Bescheid und Belehrung gebetten worden ; nach geseh und genugsamber Erwegung derselben so bey Ihnen verbleiben, Sich dahin entschlossen so ferner die Sachen angebrachter massen sich Verhalten: So wäre eingangs erwehnter Jud Isaak Samuel Polatschek seines schweren und ärgerlichen Verbrechens halber anderen zum Abscheu und Beyspiell, ihme aber zur wohlverdiente Straff, Von Gericht aus auf eine Rindthaut zur Richt-statt zu schleppen, sodann von obenherab mit dem Rad vom Leben zum Todt zu bringen, in ein Rad einzuflechten und mit solchem in die Lufft aufzustellen.

Von Rechtswegen: Zu Urkundt dieses Briefes besiegelt mit dem hierzu verordneten Königl. Secret-Insigl, der gegeben ist im Königl. Prager Schloß den 3 Monats Tag im August Anno Domini 1741.

       Franz Carrl graff Bratislav“

 

 

(Die Originalurkunde, sowie das Rad, dessen letztes Opfer Polatschek war, befinden sich im Zlabingser Stadtmuseum.)

 

Erst 1842 finden wir in Zlabings 6 geduldete Juden, die nach Wolny (V1/520) „fremde Familianten“ sind; seit 1848 aber wanderten sie stark ein, namentlich aus Wölking (Bauer, Planer Spiegl), Piesling und Altstadt.

 

Nach Dr. Theodor Haas, „Die Juden in Mähren“ (S. 59) wurden in Zlabings gezählt: 1848 27, 1857 23, 1869 63, 1880 75, 1890 73 und 1900 77 Juden. Während 1921 hier noch 58 Juden siedeln, von denen sich 7 Personen zum Judentum als Nation bekannten, sind gegenwärtig bloß 49, in 14 Familien vereinigte Juden in Zlabings chlussb; es sind dies die Familien: Allina (5 Personen), Bauer (2 Familien mit je 4 Personen), Dr. Richard Blümel (1), Glaser (3), Kollmann (2), Lichtwitz (5), Mandl (5), Planer (6), Schwalb (2), Spiegel (3), Stukart sen (2), Stuckart jun. (4) und Zimmer (3).

 

Ihrem Berufe nach sind die Zlabingser Juden hauptsächlich Geschäftsleute.

 

Von den 441 Gebäuden der Stadt befinden sich einschließlich zweier Fabriken 14 Häuser in jüdischem Besitz.

 

Mit der 1890 erfolgten Neuordnung der Kultussprengel wurden die Zlabingser Juden als Kultusfiliale zur Gemeinde Piesling zugeteilt. Ihre Andachten verrichteten sie früher in für diesen Zweck eigens gemieteten Zimmern, die umständehalber öfter gewechselt werden chluss, und besitzen seit 1895 einen in der Langen Gasse Nr. 61 liegenden, am 25. Juni desselben Jahres von den Rabbinern Dr. Nathan Frik (Piesling) und Dr. A. Morgenstern (Jamnitz) eingeweihten Tempel, dessen Entstehung der Initiative des frommen Geschäftsmannes Lazar Stukhart zu danken ist. Er stiftete den in damaliger Zeit namhaften Betrag von 5000 K und führte eine Sammelaktion durch, an welcher sich nachhenannte Personen und Körperschaften mit Spenden beteiligten: Landesmassafond Brünn (1000 K), Baron Hirsch, Wien (1000 K), Israel. Allianz Wien (400 K), Baron Nathaniel Rotschild, Wien (300 K), Baron Guttmann, Wien (200 K), Friedrich Pollak, Wien (200 K), die Zlabingser Bürger: Emanuel Mandl (200 K), Max Bauer (200 K), Max Stuckhart (200 K), Max Hirschkron (100 K), Ignaz Bauer (IOOK), Moriz Bauer (IOOK), Unterstützungsverein Zdoke, Zlabings (100K), ferner die Kultusgemeinde Piesling (200K), Ritter von Fröhlich, Ischl (100 K), Sonnenschein und Landesmann, Prag (100 K), Dr. Hans Hirschkron, Wien (100 K) u. a.

 

Der Tempel enthält außer dem geräumigen Betsaal mit schönem Altar und einer Frauengalerie im Erdgeschoß ein Vereinszimmer und ein Krankenzimmer des Zlabingser isr. Armen‑ und Krankenvereines, im 1. Stockwerke eine Wohnung für den jeweiligen Kantor und stand unter der Verwaltung folgender Herren: Max Hirschkron, Max Bauer, Ignaz Fürst, Wilhelm Spiegl, Samuel Allina, Emanuel Mandl und Max Stuckhart.

 

An Kantoren wirkten hier: Ruberl (1880), Schüller, Staugl, Adolf Schrötter (1885), chlussb (1892), Max Friedl (1898 bis 1914; er fiel im Weltkrieg), während des Krieges der Rabbiner Schap und schließlich Wetzstein. Seit dem Umsturz ist die Kantorenstelle unbesetzt.

 

Da Ziabings einen eigenen jüdischen Friedhof nicht besitzt, finden die Beerdigungen in Wölking, Altstadt (Böhmen) oder Piesling statt.

 

 

Im Sinne seines großen Lehrers Prof. Dr. Hermann Nothnagel : „Nur ein guter Mensch kann ein guter Arzt sein“, wirkte durch mehr als drei Dezennien Dr. Wilhelm Goldstein als Stadtarzt und langjähriges Mitglied der Gemeindevertretung. Geboren am 23. Dezember 1848 in Radenin (Böhmen), promovierte er in Wien am 24. Dezember 1875 und starb am 5. Mai 1913. Am 13. März 1877 hatte er Marie Stein geheiratet (geb. in Vlaschim, Böhmen, 16.Dezember 1855). Aus dieser Ehe stammte ein Kind, Franziska, geh. 3. August 1900, verheiratet seit 14. August 1923 mit Norbert Wallner, geb. 12. Februar 1898.

 

Ein hervorragendes Mitglied war auch Samuel Allina, Chef der Firma Samuel Allina &. Sohn, geboren in Tucap oder Platz am 6. Oktober 1839, gestorben am 25. November 1908. Er war ein Sohn des Altstädter Rabbiners David Allina und war mit Lori Schulz, geboren Datschitz 14. März 1848, gestorben 28. Jänner 1918, verheiratet. (Mitteilung von Dr. M. Holzmann, Wien.)

 

Dr. Wilhelm Goldstein

 

 

GESCHICHTE DER JUDEN IN ZNAIM.

Bearbeitet von Hugo Beinhorn., Znaim.

Redigiert von Dr. B. Wachstein, Wien.

IN: Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, ed. Hugo Gold, Brünn 1929, Seiten 579-585.

 

ZNAIM ist eine der ältesten Ansiedlungen in Mähren. Da die Burg bereits 1048 erwähnt wird, kann man annehmen, dass Juden sich hier sehr frühzeitig niedergelassen haben. Dafür spricht eine Urkunde aus dem Jahre 1052, in welcher Herzog Břetislav I. bestimmt, daß Znaim dem Stifte Altbunzlau den Zehent per 6 Denare zu entrichten hat und in welcher auch von den Abgaben der Juden die Rede ist.

Damals bestand Znaim aus der Burg, in welcher der Fürst von Znaim mit seinen Kriegern und Beamten wohnte. Herzog Břetislav I. teilte nämlich Mähren unter seinen drei Söhnen auf (1056). Der jüngste, Conrad, wurde der erste Fürst von Znaim.

 

Unterhalb der Burg war das suburbium, die „Grub“, welche Bezeichnung auch heute noch die volkstümliche für die Altstadt ist. Sie war die Ansiedlung der Handwerker und Kaufleute, hier wohnten auch die Juden.

Außerdem standen auf dem Gebiet der heutigen Stadt neben einzelnen Höfen folgende Dörfer: Culchov (Gegend der Wienerstraße), Chegost (wahrscheinlich das Areal von der Futtergasse, Schmied- und Schlossergasse), Ugezdez (Ansiedlung um die Niklaskirche; der untere Teil der Wenzelskapelle stammt aus der Zeit von 1040 bis 1050, während die Niklaskirche zirka 1190 zuerst als Kapelle gebaut wurde), Bala (Umgebung der Michaelerkirche), Ungardorf (auf welche die heutige Kroatengasse zurückgeführt wird). 

Am 19. September 1226 verlieh König Přemysl Ottokar I. Znaim das Stadtrecht; infolge dessen wurden alle diese Dörfer zu einer Stadt zusammengefaßt und eine Umgruppierung der Bewohnerschaft der vorwiegend deutschen Ansiedlungen vorgenommen. Die Böhmen siedelten sich in dem Sprengel der 1103 gebauten Michaelerkirche, in der Böhmgasse an. Die Juden wohnten von da ab zusammen im Gebiet der heutigen Großen Fröhlichergasse, wodurch das Znaimer Ghetto, die Judengasse geschaffen war. Über die Judengasse orientiert uns eine Schenkungsurkunde vom 5. August 1330, in welcher das Minoritenkloster (heute Fronfeste) einen Teil seines Gartens dem St. Klara-Nonnenkloster (Gymnasium, Ottokarschule) abtrat. Als Grenze wird die Judengasse (Vicus Judaeorum, Judenviertel, im Stadtbuch von 1523 platea Judaeorum) genannt. Ferner wird verlangt, daß das Judenpförtchen stets geschlossen bleibt. (Es bestand auch eine obere Judenpforte; anfangs 1800 war am Eckhaus Fröhlichergasse – Jesuitenplatz noch die Torangel sichtbar.) Neben dem St. Klarakloster lag die Judenschule. Es ist noch eine Urkunde aus dem Jahre 1390 vorhanden, laut welcher zwischen dem Nonnenkloster und der Judengemeinde ein Vergleich wegen einer neben Kloster und Judenschule zu führenden Mauer und Wasserleitung geschlossen wurde. Neben der Schule stand die Synagoge, anschließend daran die Duke, das rituelle Bad. (Jetzt Große Fröhlichergasse Nr. 3. Der Brunnen, seit Jahren verschüttet, befindet sich im Holzschupfen.)

Der alte jüdische Friedhof lag außerhalb der Befestigungsmauern der Stadt längs der Fröhlichergasse auf der Lehne des Burgwalles und erstreckte sich vom Teltscherschen Garten bis zum Hause Burgwall Nr. 13, wo ein Grabstein in der Hauswand, ein zweiter am Hause Burgwall Nr. 9 eingemauert ist. Die ältesten Grabsteine stammen aus dem Jahre 1256, viele sind im Lapidarium des städt. Museums untergebracht.

Die Gebeine wurden 1869 gesammelt, am 18. April 1869 im neuen jüdischen Friedhof im gemeinsamen Grabe bestattet; eine Pyramide mit Inschrift schmückt diese Ruhestätte.

Die Entwicklung der mährischen Judenschaft auf Grund des von Premysl Ottokar im Jahre 1254 den Juden seines Reiches verliehenen Privilegiums erlitt eine jähe Unterbrechung durch die Verfolgungen, die im Jahre 1338 von Pulkau in Niederösterreich ihren Anfang nahmen und sich in Mähren und Böhmen fortsetzten. Wieder einmal war es der Vorwand einer Hostienschändung, der den Anlaß gab, die Menge zu fanatisieren und sich – was die Hauptsache war  - der Judenschulden zu entledigen.

1349 war es die Pest, die in ganz Europa und auch in Mähren schwere Judenverfolgungen herbeiführte, indem, wie bekannt, sie der Brunnenvergiftung beschuldigt wurden. Trotz der fortwährenden Bedrohung des Lebens und des Besitzes scheint die Judengemeinde in Znaim im 14. Jahrhunderte von Bedeutung gewesen zu sein. Von den Gelehrten, die einen klangvollen Namen in der damaligen Judenheit besaßen, ist uns der Name Rabbi Morchels überliefert. Die Werke der Zeit, in denen R. Möschel aus Znaim als Autorität angeführt wird, sind von Carmoly in der Zeitschrift Ben-Chananja VIIL, 736, zusammengestellt, (W,)

Bei der Durchsicht der im Archiv des hiesigen Museums deponierten Judengerichtsbücher aus den Jahren 1417, 1427, 1428, 1435 findet man, daß die Gemeinde durch Zuwanderung vom Juden aus Niederösterreich, Mähren, sogar Galizien (Eisak vom Halicz) immer größer wurde. Die von den Amtsschreibern genau verzeichneten Darlehensgeschäfte (für jeden Juden respektive Jüdin sind 1 bis 3 Blätter im Buch reserviert), geben Aufschluß über den Umfang der Geldgeschäfte der hiesigen Juden mit den Bürgern der Stadt, dem Adel und der Bauernschaft der Umgebung. Im Buche von 1417 ist unter andern Radgym Polonar, der Geldgeber des Markgrafen Prokop erwähnt. Auch  Morchel ist darin verzeichnet (1417) als  Rabbi Maschlein , ferner sein Schwager Nachym von Iglau und dessen Frau Esther. Von Gewerben sind nur Binder- und Schankmeister genannt, Fleischhacker keine. Das ist wohl darauf zurückzuführen, daß den Juden 1401 durch den Markgrafen Prokop das Fleischausschroten gänzlich verboten wurde. Die Ursache war ein Streit zwischen den jüdischen und den christlichen Fleischhackern infolge der neuen Metzgerordnung, die den Preis des Fleisches einheitlich regelte. Die Juden waren bisher billiger gewesen, hatten, wie die städt. Fleischbeschauer erklärten, besseres Material. Um der Konkurrenz der christlichen Fleischer, die ihre Verkaufsstände am Oberen Platz hatten, auszuweichen, wollten sie am Pöltenberg ihre Ware feilbieten, was ihnen jedoch verboten wurde .

Als im Jahre 1421 die Hussitenkriege in Mähren begannen, hielt sich Kaiser Sigismund mit seinem ganzen Hofstaat während des März 1421 23 Tage lang in Znaim auf und borgte sich zum Schluß von der Stadt 905 fl. Aus. Dann teilte er seine Schuld an die Stadt Znaim auf die Juden der königlichen Städte Brünn, Olmütz und Znaim auf. Am meisten hatten die Znaimer Juden zu zahlen, nämlich 400 fl

Herzog Albrecht hatte im April 1422 Elisabeth, die erst 13 jährige Tochter Kaiser Sigismunds, geheiratet. Statt der versprochenen Mitgift bekam er als Pfand Znaim, Budwitz, Pohrlitz, Jamnitz und Iglau, die alle reiche Judengemeinden zur Brandschatzung hatten. Trotz des anfangs geringen Zinses, der 1453 auf ½ Groschen pro Schock erhöht wurde, chluss die Juden ihr Geld an Adel, Klerus, Bürger und Bauern herborgen. Wenn es zum Zahlungstermin kam, der stets, wie man aus den erwähnten Judengerichtsbüchern entnehmen kann, genau festgesetzt war, gab es Streitigkeiten. Besonders langwierig waren sie zwischen Znaimer Juden und Stadt, so daß Ladislaus V. Posthumus seinen Unterkämmerer Beneš von Boskowic beauftragte, diesen Streitfall endlich beizulegen. (August 1453.) Da dieser fand, das die Juden im Recht waren, befahl der König den Znaimern, ihre Schuldem zu bezahlen. Diese erbaten sich Verlängeruug des Termines und Nachlaß aller Zinsen; trotzdem scheinen sie nichts bezahlt zu haben, denn als der König anfangs Jänner 1454 in Brünn Landtag hielt, erschien dort eine Znaimer Abordunug mit Klagen gegen die Juden. Eine zweite Deputation, bestehend äus Delegierten der Znaimer Bürgerschaft, des Pöltenberger Propstes und Klosterbrucker Stiftes brachte dem jungen König Geschenke. So kam es, daß er Ende Feber 1454 bestimmte, der Zahlungstermin wäre zu verlängern, die Stadt hätte nur die Hauptschuld zu begleichen. Im Mai kamen wieder die Znaimer zum König, um sich über die Juden zu beschweren.

Zu dieser Zeit hetzte der Franziskanermönch Capistrano (1386 bis 1456) eifrig in Südmähren gegen die Juden. Aus den Abruzzen gebürtig, durchzog er fast ganz Europa, gegen Türken, Hussiten, Ketzer, besonders aber gegen die Juden predigend, ließ sie gelegentlich verbrennen, so z. B. in Krakau, Breslau

(40 auf einmal). Capistranos Predigten, die Znaimer Geschenke und Klagen bewogen den erst 14jährigen König Ladislaus Posthumus, den Streit zwischen Schuldnern und Gläubigern in seinen königlichen Städten radikal beizulegen, indem er die Juden aus denselben auswies. Wie an alle anderen königlichen Städte, erging auch an Znaim am 25. Juli 1454 der Befehl, die Juden auszuweisen. Die Ausweisungsurkunde lautet:

 Wir Laßlaw Von Gottes genaden Zu Hungarn, Zu Behemb, Dalmatien, Croacien, Khunig Herzog zu Osterreich Vndt Margraf f Zu Mehren bekhennen, daß Wir aigentlich gemerkht haben, solich Verderbnuß Vndt Beschwerung, so manigfeltig Vnsern liebem gethreüen den burgern Vndt der Gemein zu Znoym, auch Ihren Vntersassen von den Juden daselbst Zu Znoym Wohnhafften widergangen vndt beschehen, dar durch Sy in groß armuth vndt verderbnuß khomen seint, vndt noch vielleicht in größer armuth undt schäden khommen möchten, ob daß nicht unter khommen würd und dorauß in die Lang unfug entstehen möchte. Solichen nun zu widerstehen, haben wir die sachen gewogen vndt mit zeitigem Rath für Vns genommen und zu Vnserm demüth betracht vndt von sondern gnaden wegen, durch aufnemung Willen der bemelten Statt haben Wir dieselben Vnsere burger vndt gemein Zu Znoynr, vndt Ihren Untersassen solich gnad gethan, daß wir Sy alß ein khunig zu Behemb und Margraff Zu Mehren derselben Juden daselbst Zu Znoym ganz entladen vndt Bemüßigt haben, entladen vndt müßigen auch wissentlich in Kraft diß Briefs, von behemischer khuniglicher macht In solichem Maße, daß sich alle Juden vndt Judin, Jung vndt alt kheiner außgenommen, Von Znoym mit Ihrer Vahrunder hab fügen und weeg ziehen sollen Zwischen hier vndt Sct. Martinstag schienst­khünfftig, Vnvorzogentlich. Auch sollen die Khristen daselbst: zu Znoym, die gemain vndt ihr untersassen denselben Juden vndt andern Juden, die bey in gewohnt vndt sich von in gezogen haben, Ihr gelihen haubtgueth, welch In das noch schuldig sein, bezahlen vndt außrichten nach Inhalt der Begnadung so Wir denselben von Znoymb vndt den Ihren Vormahlen von der Juden geltschuldt wegen gethan haben vndt damit von Ihnen ledig sein.

Wir haben auch den obgenannien Vnsern Burgern zu Znoym aber noch mehr gnad gethan, daß Wir In all Judenheuser, Padstuben, Ihr Synagog vndt freithoff verlihen, gegeben und ganz Zugeaignet haben, die mit Khristen zu besetzen vndt hinfür die Juden in dieselbigen noch in andere heuser der obgemelten Vnserer Statt zu besitzen mehr zukhommen lassen, Vndt sollen Vndt mögen mit denselben heüsern handeln vndt thuen nach ihren Vndt derselben Unserer Statt notthurft, so in das am besten vndt nützlichisten bedunkhen wird an allermenniglich ihrrung doch in solichem maße, daß dieselben Unser burger daselbst zu Znoym Vnß Unsern Erben und nach khommen Marggrafen Zu Mehren solich zinnß vndt Rendt so Vnß die bemelten Juden In Unser Cammer geraichet Vndt gegeben haben, daß ist vierzig Schock Broschen gewöndlicher und gengiger munz in Unserm Lande Zu Mehrern halb auf Sct. Jorgentag Vndt halb zu Sct. Gallentag hinfür järlich reichen vndt geben sollen: davon gepietten wir den Edeln Unseren lieben gethreuen, allen Unsern haubtleithen Cammerern, Herrn; Rathen vndt knechten, Pflegern, Vndt sunderlich Unserem pfleger auf Unserem haus Zu Znoym, Burggraffen, Burgermaister,: Richtern, Rathen, Bur­gern, Gemeinden in Stehen vndt auf dem Lande vndt allen andern Unsern Mauttnern, Zöllnern vndt Vntherthanen In Unserm Khönigreich Behemb vndt runder in Unserm Marggraffthumb Zu Mehren gesessen vndt Wohnhafftig, die jetzundt seint oder hinfür in khünfftigen Zeiten sein werden ernstlich vndt wollen, daß Sy dieselben Unser Bürger vndt Gemain zu Znoym. Auch Ihr Unterrassen, bey diesen Vnser gnaden genzlich blei­ben lassen, vndt Sy da wider von der bemelten Juden wegen nicht bekhummern noch beschweren, noch das yemanths andern Zu thun gestatten in kheine weege, bey vermeydung Unserer schweren Vngnad. Mit Vrkhundt diß brieffs versiegelt mit Unserem khuniglichen anhangenden Insigl. Geben zu Praag an Sct. Jakobstag deß heiligen Zwölf polen (am Tage des heiligen Apostels Jakob) Nach Christi gehurt Vierzehnhundert vndt in funffzigisten Jahre, Unserer Reiche des hungrischen etc. Im funffzehnden, deß Behemischen Im ersten Jahre

Das St. Clara-Kloster übernahm drei Häuser neben der Judenschule und die Badestube. Die Synagoge wurde sofort vom Pfarrer von St. Nikolaus für das Klosterbrucker Stift in Besitz genommen und ein Jahr später durch den Weihbischof Wilhelm von Olmütz als St. Bernhardinkapelle eingeweiht. Um das Jahr 1546 wurde aus dieser Kapelle das Malzhaus, später ein Wohnhaus gemacht, das Ende des 18. Jahrhunderts dem Chirurgen Franz Hochleitner gehörte.

Heute ist das Synagogengebäude ein Teil des rückwärtigen Traktes der Ottokarschule. Den Kapellenrest erkennt man aus der übertünchten Felderung der Decke des Durchganges und der 1. Mädchenklasse. Rechts von diesem Gange führt eine niedere Holztreppe zu einem zweistöckigen Anbau, der einer späteren Zeit entstammt, empor. Dieser Teil der Schule entspricht in seiner Anlage ganz einem alten Bürgerhause.Den Friedhof übernahm die Stadt, aus dem Wiesen und Gärten wurden In einer Urkunde vom Jahre 1670 ist die Judengasse „fröhliche Gasse“ genannt. Fröhlichergasse: nach den dort untergebrachten „Fröhlicherinnen“ Prostituierten genannt. Zur Zeit des Ghetto in Znaim waren dort bereits Bordelle; aus den Znaimer Verrechnungsbüchern aus der Zeit König Sigismunds sind Posten angeführt für die Zahlungen, mit welchen die nächtlichen Ausflüge des Königs und seines Gefolges zu den „Fröhlicherinnen“ in die Judengasse vom Magistrate beglichen wurden.

Bis 1851 durfte in Znaim kein Jude sich ansässig machen, doch finden sich Juden in den Losungsbüchern (Steuerverzeichnissen) als Steuerträger. Wahrscheinlich waren das vereinzelte privilegierte Familien, die in verschiedenen Vierteln der autonomen Stadt wohnen durften. Ein Ghetto gab es nicht mehr in Znaim.

Vorübergehend war der Aufenthalt den Juden in den königlichen Städten nur zum Besuch der Wochen­ und Jahrmärkte 3 Tage lang durch die Privilegien Kaiser Ferdinands I. (1529), Kaiser Ferdinands II. (1628), Kaiser Ferdinands III. (1657), Kaiser Leopold I. (1659) gegen Zahlung einer Leibgebühr von 15 Kreuzern und erhöhter täglicher Mautgebühr und Standgeld gestattet. Dagegen erhoben Brünn, Znaim, Olmütz, Iglau wiederholt gemeinsamen Einspruch, stets ohne wesentlichen Erfolg.

In der Geschichte der mährischen Juden spielt Znaim insoweit eine Rolle, als der mährische Landtag im Znaimer Franziskanerkloster (früher Minoritenkloster, heute ehemalige Fronfeste) am 12. Feber 1600 die Kopfsteuer für die Juden auf 12 Groschen jährlich festsetzte, Kaiser Ferdinand II. auf dem hier vom 22. Juni bis 3. Juli 1628 abgehaltenen Landtage am 30. Juni ein den Juden sehr günstiges Privileg erließ, nach welchem ihnen gegen Erlag der bereits erwähnten Gebühren der Besuch der Wochen- und Jahrmärkte in den königlichen Städten neuerlich gestattet wurde, ihnen jedes Handwerk offen stand und Handels- und Gewerbefreiheit garantiert wurde.

1708 betrug für Znaim die Leibmaut 18 Kreuzer und floß der städtischen Kasse, später der königl. Kammer zu. [Wenn auch in Znaim selbst keine Juden zum dauernden Besitze zugelassen wurden, so befanden sich doch im Kreis Znaim Judenansiedlungen. So finden wir unter den sechs Landesältesten der mähr. Judenschaft im Jahre 1775 Juda Singer als Vertreter des Znaimer Kreises.

Die Vereidigung des Landesrabbiners nahm der Kreishauptmann von Znaim in der Synagoge von Nikolsburg vor. 1789 wird Enoch Pollak als Rabbiner des Znaimer Kreises genannt, s. Müller, Beiträge ete., S. 14, 15. (W)

Von dem bei Znaim gelegenen Marktflecken Jaispitz wissen wir, dass schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts dort Juden wohnten, so die Familie Weiss, welche die herrschaftliche Branntweinerzeugung (Rande) gepachtet hatte. In Krawska wohnte die Familie Wotzilka, in Winau die Familie Wessely. (Ein interessanter Mann, der daselbst 1822 geboren wurde, ist der Leutnant Joachim Pollak. Seine Erlebnisse im ital. Kriege 1848 sind im jüd. Familienblatt 1915, Nr. 23, geschildert.) Ebenso hatten andere Dörfer unter ihren Bewohnern Juden, deren Nachkommen in den Jahren 1860 bis 1870 sich in Znaim ansiedelten. Bis dahin wurden die Daten über die Juden in den Pfarrmatriken der betreffenden Dörfer geführt, so daß z. B. im Jahre 1861, wo noch wenige Juden in Znaim wähnten, im ganzen Dekanate Znaim 136 Juden gezählt wurden.

Die Stadt Znaim hatte von altersher eine Konzession zum Betriebe einer rituellen Traitteurwirtschaft zur Ausspeisung der während des Marktes in Znaim weilenden Juden. Diese Konzession übertrug sie auf das Haus Pragerstraße Nr. 5. Bei der Adaptierung eines Teiles dieses Hauses (1924) wurde in geringer Tiefe des Erdbodens eine Menge Skelette gefunden, Beweis dafür, daß hier die Richtstätte war. Im Hofe dieses Hauses ist ein Anbau (Küche und Zimmer), die Decke des Zimmers zeigt deutliche Stuckarbeit, die in Barockkapellen üblich war. Hier war bis ins 17. Jahrhundert die Richtstätte, zugleich Begräbnisort der Hingerichteten, gewesen. 1705 wurde hier die Katharinenkirche errichtet,

1825 jedoch aufgelassen, der Platz zum Besten des Religionsfondes veräußert, von der Stadt gekauft, die hier ein der Kommune gehöriges Wohnhaus baute, das durchreisenden Juden Unterkunft und Verpflegung bot. Denn damals durften sie nicht innerhalb der Stadtmauern wohnen. Das Haus (heute Hauswirth) befand sich ja in der Vorstadt, vor dem 1854 abgetragenen Obertor.

In den 30er Jahren pachtete diese Konzession Jonas Freiberger aus Eibenschitz und bewohnte das erwähnte Haus. Ende 1850 übersiedelte der Cousin des Jonas Freiberger, Markus Freibergen aus Eibenschitz nach Znaim. Er konnte bei den Bürgern kein Quartier finden, bis ihn der Förster Paulas, der mit dem Magistrat Zwistigkeiten hatte, in sein Haus in der Fröhlichergasse (jetzt Nr. 11) mit seiner Familie aufnahm. Der damalige Bürgermeister Anton Buchberger fuhr zur Audienz nach Wien, um die dauernde Ansiedlung zu verhindern. Mit Erlaß des Ministeriums des Innern vom 25. Mai 1851 wurde trotz Rekurses des Gemeindeausschusses dem Markus Freiberger und seiner Familie die Niederlassung in Znaim gestattet. Der zweite, dem das Wohnrecht zuteil wurde, war Simon Pisker aus Schaffa. Bereits 1846 kam er nach Znaim, bewohnte jedoch als Hotelgast ein Zimmer im Gasthof zur goldenen Rose (schon 1670 in alten Schriften erwähnt, jetzt Hauptpost). Auch er bekam bei keinem Bürger Unterkunft, durfte seinen Schnittwarenhandel nicht offen ausüben. Nur seiner Freundschaft mit dem Bürgermeister Eller verdankte er es, daß er stillschweigend

in Znaim geduldet wurde. Da alle Versuche, hier das Wohnrecht zu erlangen, fehlschlugen (trotzdem mit der Pillersdorferschen Verfassung vom 1. April 1848 die Juden als vollwertige Staatsbürger erklärt worden waren, ihnen das Wahlrecht zuerkannt wurde und am 4. März 1849 die Gleichberechtigung aller  Konfessionen ausgesprochen war), begab sich seine Frau Babette 1852 zu Kaiser Franz Josef in Audienz, worauf ihm durch kaiserlichen Befehl gestattet wurde, in Znaim zu wohnen und am Oberen Platz Nr. 9 (jetzt Buchhandlung Klouda) ein Schnittwarengeschäft zu eröffnen. Kurze Zeit darauf siedelte sich sein Bruder David Pisker aus Schaffa hier an. Auch er wohnte zuerst im erwähnten Gasthofe, bis die Aufenthaltsbewilligung vom Ministerium des Innern (1852) gegen den Rekurs der Stadtgemeinde einlangte. Als Nathan Skutetzky aus Nikolsburg nach Znaim übersiedeln wollte, verwehrte es ihm die Gemeinde, so daß er in Klein-Teßwitz wohnen chlus, gleichzeitig richtete sie eine Eingabe an die Statthalterei, das weiterem Zuzug von Juden Einhalt geboten werde. Die entscheidung vom. 12. September 1858 wies das Gesuch ab, so daß von da ab der weiteren Niederlassung von Juden kein Hindernis entgegenstand.

 

1860 erschien ein Gesetz, durch welches Grundbesitz zu erwerben den Juden gestattet wurde. Bald darauf kaufte Abraham Wengraf aus Nikolsburg das Haus Nr. 18 in der Großen Fröhlichergasse. So hatte nach 400 Jahren der erste jüdische Hausbesitzer zufällig in der ehemaligen Judengasse sein eigenes Heim. Trotzdem das österreichische Staats­grundgesetz vom 21.Dezember 1867 den Juden voll­ständige bürgerliche und politische Freiheit gab, erhielt erst am 28. Mai 1876 als erster Jude in Znaim Dr. Med. Emanuel Ullmann das Heimats- und Bürgerrecht. Er war der erste jüdische Arzt, hatte sich am 1. April 1870 etabliert, war seinerzeit ob seiner Tüchtigkeit der gesuchteste Arzt Südmährens und des angrenzenden Niederösterreich. Ihm verdankt Znaim den modernen Ausbau seines Krankenhauses. 72 Jahre alt, starb er im Herbst 1912. Dr. Hupka ließ sich als erster judischer Advokat im Jahre 1877 nieder. Brauereibesitzer Rudolf  Wotzilka kam als erster Jude im Jahre 1906 in den Gemeinderat.

Durch die Ansiedlung der Juden nahm in Znaim vor allem der Getreidehandel einen bedeutenden Aufschwung, auch die Konservenfabrikation wurde rationeller betrieben, besonders als im Jahre 1870 S. M. Zeisl statt der bisherigen Verpackung in kleinen Fässern die bekannten Gurkengläser einführte und damit den Znaimer Gurkenexport zu jenem Aufschwung verhalf, der unsere Stadt so berühmt machte. Die erste Betstube war in der Pragerstraße Nr. 5. Als im Jahre 1858 der Minjanverein sich bildete, wurde sie in die Nikolaigasse Nr. 14 verlegt. 1865 entstand die israelitische Kultusgenossenschaft (Protokoll vom z. Jänner 1865 in der jüdischen Gemeindekanzlei), welche 1868 den neuen jüdischen Friedhof baute. Bis dahin wurden die Verstorbenen in ihren Heimatsorten beerdigt. Die Gemeinde hatte 1865 28 Mitglieder, ihr Vorstand war Bernhard Spitz.

Im Jahre 1869 wurde die Chewra – Kadischa gegründet, deren erster Vorstand David Pisker war. Als infolge Zuzuges neuer Familien die Zahl der Juden gestiegen war,

wurde am 3. Mai 1870 die Kultusgemeinde geschaffen. Die Betstube wurde jetzt im 1. Stock des Gasthauses Kopf (derzeit Rakusan), Pragerstraße Nr. 2, untergebracht. Hier verblieb sie bis zur Einweihung der neuen Synagoge am z. September 1888. Diese wurde nach Abtragung eines Gasthofes nach dem Plane des Wiener Architekten Ludwig Schöne mit einem Kostenaufwand von 65.000 fl. Durch den Znaimer Baumeister I. Schweighofer sen., in maurischem Stile erbaut.

 

Ein Teil der Baukosten wurde durch verlosbare Aktien, deren letzte 1910 ausgelost wurden, aufgebracht, ein Teil vom mährischen jüdischen Landesmassafond geliehen, 33.000 fl von, der Znaimer Sparkasse geborgt. Das Baukomitee, an dessen Spitze der damalige Kultusvorstand Hermann Steiner stand, ist auf einer Marmortafel in der Synagogenvorhalle verewigt; es spendete die Orgel. Der israelitische Frauenwohltätigkeitsverein gab einen prächtigen Vorhang und eine Altardecke, sowie die Beleuchtungskörper. Außer den bisherigen Torarollen kamen als Spende je eine von Zweigental sen. Und die schönste komplette vom Ge­meindediener Hainrich Jellinek, der noch ein Paar silberne Leuchter und eine silberne ewige Lampe dotierte. Herren und Frauen der Gemeinde widmeten Geschenke zur Schmückung des Gotteshauses, in welchem am 23.Jänner 1889 die erste Trauung vollzogen wurde.

Znaims erster Rabbiner der Jetztzeit war Dr. Samuel Mühsam vom Jahre 1870 bis 1872, Ignaz HoIzer 1894 bis 1899.

Gegenwärtig wirkt seit dem Jahre 1899 Rabb. Prof.Dr. Isidor Kahan. Als  Religionslehrer wirkten an den hiesigen Schulen Heinrich Barth 1860 bis 1872 und Josef Paschkes, Dr. S. Mühsam 1870 bis 1872, Israel Wittenberg 1872 bis 1877, Samuel Grün 1878 bis 1882, Ign. Ho1zer 1884 bis 1899 und Prof. Dr.Isidor Kahan seit dem Jahre 1899, neben dem S. Handgriff seit dem Jahre 1902 als Oberkantor und Religionslehrer tätig ist.

Als Vorsteher der Gemeindewirkten: Hermann Schmiedl 1868 bis 1870; Alois Kob1itz 1870 bis 1871; Julius Benedikt 1871 bis 1872; Dr. Emanuel U1lmann 1872 bis 1873; W. H.Hellmann 1873 bis 1877; Israel Glaser 1877 bis 1878; Dr.Emanuel U1lmann 1878 bis 1881; Jakob Schick 1881 bis 1886; Hermann Steiner 1886 bis 1907; Rudolf Wotzi1ka 1907 bis 1919; Dr. Hermann Wo1fenstein seit dem Jahre 1919.

Mit dem Erstarken der Znaimer jüdischen Gemeinde war auch der Boden zur Bildung von Vereinen geschaffen. Die Kultusgenossenschaft rief den Talmud Tora Verein,

um jüdisches Wissen zu verbreiten, ins Leben. Leider war das Interesse an dem Zwecke des Vereines in den letzten Dezennien so gering, daß er sich 1919 auflöst. Im Jahre 1881 bildete sich der israelitische Frauenwohltätigkeitsverein, an dessen Spitze nahezu 47 Jahre als hochverdiente Präsidentin Frau Luise Brüll stand. Stets .bereit, Bedürftigen und verschämten Armen werktätige Hilfe zu bringen, hat dieser Verein besonders zu Kriegszeiten die Not der Flüchtlinge –und Kranken mehr als es seine beschränkten Mittel erlaubten, zu lindern getrachtet. Als Obmann der Chewra-Kadischa wirkt seit dem Jahre 1919 Adolf Minkus.

1906 wurde der Znaimer Turnklub begründet dessen erster Obmann Dr. Jur. Sigmund Rosenfeld war. Mit der Ausbreitung der jüdischnationalen Idee wandelte sich der Klub 1919 in den Jüdi­schen Turn- und Sportverein um, nachdem die jüngeren Mitglieder eine Fuß- und Handball-Sektion geschaffen hatten. Durch den Beitritt zur Makkabi-Weltorganisation bekam der Verein 1921 den Namen: Jüdischer Turn- und Sportverein Makkabi in Znaim. Zur Unterstützung der Kolonisten rief am 13. Juli 1913 Prof. Ernst Gütig, der jetzt als Chaluz in der Nuris-Kolonie in Palästina lebte, den Jüdischen Volksverein für Znaim und Umgebung ins Leben. Bis zum Kriegsausbruch war er sein Obmann, jetzt ist es Dr. jur. Ludwig Barth.

Die Znaimer jüdischen Hochschüler waren in der Zeit von 1895 bis 1902 Mitglieder der deutschfreiheitlichen Ferialverbindung „Thaya“, jetzt entbehren sie eines formellen Zusammenschlusses, stehen aber ausnahmslos auf dem jüdischnationalen Standpunkt. Nicht unerwähnt bleibe hier die Tätigkeit der jüdischnationalen Mittelschulverbindung „Unitas“, welche 1909 gegründet wurde. Ihre Gründer und Förderer waren die Herren Stuckhardt (gefallen), Gütig, Dr. Barth, Dr. Schwarzbart, Emil Wessely.


Im April 1915 wurde von dem damaligen Einjährig-Freiwilligen stud. Med. Jaques Presser aus Radautz, Josef Färber und Abraham Rosner aus Bielitz der jüdische Wanderbund „Blau-Weiß“ gegründet. Er hatte bereits im ersten Jahre zirka 80 Mitglieder, heute (1926) gehört der größte Teil Znaims jüdischer Schüler dem Wanderbunde an. Bald nach der Begründung des Vereines fiel Abraham Rosner und wurde nachträglich mit der goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet.

Im Weltkriege 1914 bis 1918 fielen:

Julius Stuckhardt,               Isidor Gänsler,        

Richard Kollmann,               Emil Laufer,                 

Ernst Reich,                        Jakob Karpeles,

Josef Schlick,                       Berth.Bauer

Rudolf Wessely,

Fritz Diamant,

Leo Schön,

Max Frankl,

Artur Witrofsky,

Willi und Oskar Fischer,

lbert Fischl,

Karl Rattinger,

Lians Spitzer,

Zur Erinnerung an diese Helden wurde im Tempel ein Heldendenkmal errichtet. (Bild)

 

Das Aufblühen der jüdischen Gemeinde in Znaim erfolgte in den 60er Jahren durch Zuwanderung der nunmehr freizügigen Juden so rasch, daß 1869 bereits 360 Personen gezählt wurden. Bis zum Jahre 1901 zählte Znaim 617 Juden, im Jahre 1922 840 Juden, darunter 207 Familien, und zählt 1928 786 Seelen.

Zur Zeit der Sudetenkrise von 1938 haben die meisten Juden die Stadt verlassen. Die wenigen Zurückgebliebenen wurden in ein Konzentrationslager geschickt. Die Synagoge wurde in der Kristallnacht zerstört. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Gemeinde nicht mehr erneuert.

 

 


Anhang

 

Das mährische Toleranzpatent

Joseph des Zweiten

Seit dem Antritte unserer Regierung haben Wir es einer unserer vorzüg­lichsten Augenmerke seyn lassen, daß alle unsere Unterthanen ohne Un­terschied der Nazion, und Religion an dem öffentlichen Wohlstande, den Wir durch Unsere Sorgfalt zu vergrößern wünschen, gemeinschaftlichen Antheil nehmen, eine gesetzmäßige Freyheit genießen, und auf jedem ehrbaren Wege zu Erwerbung ihres Unterhalts und Vergrößerung der allgemeinen Ämsigkeit kein Hindemiß finden sollten.

Da nun mit dieser unserer gnädigsten Absicht die gegen die jüdische Nazion in Unserem Erbmarkgrafthum Mähren bestehenden Gesätze, und so genannten Juden-Ordnungen nicht durchaus zu vereinbaren sind, so wollen Wir dieselben kraft gegenwärtigen Patents in sofern abändern, als es die Verschiedenheit der Zeit und Umstände nöthig machen.

1tens jedoch gehet unsere höchste Absicht keineswegs dahin, durch diese neue Verordnung die Zahl der jüdischen Religions-Genossen in unserem Erbmarkgrafthum Mähren zu vergrössern, oder Fremde ohne wichtige Ursachen, und besondere für sie sprechende Verdienste herein zu ziehen. Wir wollen vielmehr ausdrücklich, daß in Absicht auf die Art, wie sie in unserem Erbmarkgrafenthum Mähren gegenwärtig sich befinden, es unverändert verbleiben, folglich auch die festgesetzte Anzahl nicht überschritten, noch dort, wo niemals Juden chlussb gewesen, auch künftig keinen sich chlussb zu machen, zustehen soll, es sey denn, daß sie in irgend einem Dorfe, Markte, einer Stadt, oder allenfalls auf einem bisher noch unbebauten Grunde eine Fabrik errichten, ein nützliches Gewerb einführen wollten, oder Wir selbst nach Umständen und uns zureichenden Beweggründen mit einem oder anderen eine Ausnahme zu machen, zuträglich gefunden hätten.

2tens Eben so wenig ist unser höchster Wille der Judenschaft die Er­richtung eigener Buchdruckereien zu erlauben, sondern ist dieselbe wegen ihres Bedürfnisses an Gebet- und anderen hebräischen Büchern an die schon errichtete jüdische Buchdruckerei in Brünn und Prag zu verweisen, wollten sie aber jüdische Bücher aus fremden Landen hereinbringen, so sind sie verbunden, in jedem besonderen Falle, weil diesfalls das allgemeine Verbot entgegen steht, die Bewilligung anzusuchen, und die fremden Bücher gleich allen übrigen Unterthanen der Censur zu unterwerfen.

Es bestehen demnach die Begünstigungen, welche der jüdischen Nazion durch gegenwärtige Abänderung Zuflüssen in Folgenden; Da Wir dieselbe hauptsächlich durch besondere bessere Unterrichtung, Aufklä­rung ihrer Jugend, und durch Verwendung auf Wissenschaften, Künste, und Handwerke, dem Staate nützlicher und brauchbarer zu machen zum Ziele nahmen,

3tens So gestatten Wir ihnen bey jeder jüdischen Haupt-Synagoge des Landes eine eigene normalmässig eingerichtete mit Lehrern von ihren Religionsgenossen besetzte Schule auf ihre Kosten zu errichten, und zu diesem Ende einige taugliche junge Leute nach Anzahl ihrer Schulen auszusuchen, welche sie zum ordnungsmäßigen Unterricht in der Nor­mal Lehrart an die Brünner Normalschul-Direktion anweisen wollen.

Diese ihre künftige Normalschulen werden unter der nämlichen Ober­aufsicht, wie alle anderen deutschen Schulen stehen, und soll, was dersel­ben nähere Einrichtung vorzüglich in Ansehung der moralischen Bücher betrifft, das Nöthige ehestens an sie erlassen werden, wir ihnen vorläufig zu erkennen geben, daß Wir um sie wegen ihrer Religionsübungen, Meynungen außer Besorgniß zu setzen, geneigt sind, die Entwerfung der moralischen Bücher ihnen selbst zu überlassen, mit dem Vorbehalte jedoch, daß sie selbe zur Uibersehung und Bestättigung der Brünner Schul-Oberaufsicht zu überreichen haben.

4tens An jenen Orten, wo sie keine deutsche Schule haben, erlauben und befehlen wir ihnen, ihre Kinder in die christlichen Normal, Real-und Trivial-Schulen zu schicken, in welchen nach dem von Uns erlasse­nen strengen Befehle eine solche Einrichtung wird getroffen werden, daß die Jüdischen gleich den christlichen Kindern alles erlernen mögen, bei dem Religions-Unterricht hingegen aus der Schule entlassen, und während des Schulunterrichts selbst zu keiner ihrer Religions Übung widrigen Handlung gezwungen, oder verleitet werden sollen.

5tens Der vermöglicheren Jugend der jüdischen Nazion stellen wir frei, sich auch auf die höheren Wissenschaften auf den erbländischen Universitäten zu verwenden, und soll kein Anstand genommen werden, diejenige Juden Kinder, welche die Normal, Real, lateinische, oder hö­heren Schulen besuchen, in den privilegirten Königl. Und anderen Municipal-Städten bey Christen wohnen zu lassen, wie dann den Eltern, wenn sie ihre studirende Kinder nur zuweilen, und auf eine kurze Zeit zu sehen kommen, bey Christen in solchen Städten Wohnung oder Nachtherber­ge zu nehmen, allerdings gestattet wird.

6tens Um ihnen die Wege ihres Unterhalts und der nöthigen Erwer­bung desto mehr zu erleichtern, wird allen Juden, so der festgesezten Zahl einer Gemeinde einverleibet sind, den Akerbau zu treiben ver­gönnt, und daher erlaubt, an sie mit Ausnahme der Gründe unterthäniger Kontribuenten Grundstücke auf 20 und mehrere Jahre pachtweise zu überlassen; und obwohlen Wir zwar nicht entgegen sind, daß auch be­reits bearbeitete Grundstücke von ihnen gepachtet werden können; so werden Wir dennoch vorzüglich gerne sehen, wenn sie unbearbeitete Feldstücke, und sogenannte Öden zu übernehmen, und durch ihren Fleiß fruchtbar zu machen sich angelegen sein lassen. Alle Feldarbeiten auf diesen von ihnen gepachteten Grundstücken haben in Zukunft durch jüdische Hände zu geschehen. Würden sie aber Christen, so sollen sie auch das Eigenthum derselben gesätzmäßig erwerben können. Da sie aber anjetzt des Akerbaues, und Feldwirthschaft noch unkundig sind, so gestatten Wir ihnen, daß sie wenigstens durch die ersten Jahre, um sie in den Feldbau Arbeiten zu unterrichten, christliche Knechte, in Dienst nehmen, übrigens aber sich das zu dem Akerbau nötige Zug- und Melk­vieh anschaffen, für solches die gemeine Weide mit genießen, nicht we­niger die zu ihrem Wirtschafts-Triebe erforderlichen Chalupen oder Kleinhäuser bewohnen mögen.

7tens. Nebst dem, daß weiters der jüdischen Nazion das Fuhrwesen ungehindert zu betreiben erlaubet wird,

8tens ertheilen Wir derselben das allgemeine Befugniß zu allen Gattun­gen von Handwerken, und Gewerben, zu deren Erlernung sie sich bey christlichen Maystern in den privilegirten Königl. Und anderen Municipal-Städten als Lehrjunge aufdingen, oder wenn sie schon unterrichtet sind, als Gesellen arbeiten, und jene (die christlichen Gewerbsleute) sie ohne Bedenken aufnehmen, und bey sich wohnen lassen können, wel­ches jedoch nicht dahin zu deuten ist, als wollten Wir Juden und Christen darinnen einigen Zwang auflegen, sondern wir räumen beiden Theilen blos die Freyheit ein, sich hierüber nach Wohlgefallen untereinander einzuverstehen.

9tens. Auch zu dem Meisterrechte können jüdische Profesionisten, wenn sie es verlangen, zugelassen werden, allein nur in jenen Orten, wo Judengemeinden sich befinden, und mit der Vorsicht, daß dadurch die festgesetzte Zahl der Juden-Familien nicht überschritten werde. Die Mahlerei, die Bildhauerei, und die Ausübung anderer freyen Künsten ist denselben, wie den Christen überlassen.

10tens. So wie Wir den jüdischen Religions-Genossen auch unter allen unbürgerlichen (nicht bürgerlichen) Handlungs-Zweigen vollkommen freie Wahl geben, und sie berechtigen, sich um das Befugniß der Groß­handlung unter den nämlichen Bedingnißen, und mit eben den Freihei­ten zu bewerben, wie sie von Unsern christlichen Untertanen erhalten und getrieben werden.

Lltens. Da die Anlegung von Manufakturen, und Fabriken ihnen von jeher erlaubet war, so ergreifen Wir hier blos die Gelegenheit, indem Wir diese Erlaubniß gewissermaßen erneuern, sie zu solchen Gemeinnützi­gen Unternehmungen öffentlich aufzumuntern.

12tens. Wir gestatten ihnen ferners zu Unterbringung ihrer Kapitalien, und derer Sicherstellung aufliegende Güter, oder sogenannte Realitäten leihen zu dürfen, daß sie jedoch dieselben einschätzen zu lassen nicht befugt seyn sollen.

13tens. Bey so vielen der Judenschaft eröfneten Erwerbungswegen, und dem dadurch entspringenden manigfaltigeren Zusammenhange mit Christen fordert die Sorgfalt für die Aufrechterhaltung des gemein­schaftlichen Zutrauens, daß die hebräische und hebräisch mit deutsch vermengte sogenannte jüdische Sprache und Schrift abgeschaffet werde. Wir heben daher den Gebrauch derselben in allen öffentlichen inn- und außer gerichtlichen Handlungen ausdrücklich auf, und verordnen, daß sie statt derselben sich künftig der Landesüblichen Sprache bedienen, um aber allen Ausflichten, und Einwendungen, als wäre eine so geschwinde Folgeleistung nicht wohl möglich gewesen, vorzubeugen, so bestimmen Wir vom Tage dieses Unsern Patents zu rechnen, eine Frist von zwei Jahren, binnen welcher alle dieserwegen nöthigen Änderungen, und Vorkehrungen füglich getroffen werden können und sollen: Wir erklä­ren daher hiemit alle nach dieser Zeitfrist in hebräischer Sprache verfaß­te, oder auch nur mit hebräischen und jüdischen Buchstaben geschriebe­ne Instrumente für ungiltig und nichtig.

14tens. Nicht minder heben Wir nicht nur in den hierländigen königl. Städten die bisher bestandene jüdische Leibmauth, sondern auch die doppelten Gerichts-Taxen gänzlich auf, und erlauben den Juden zu Be­treibung ihrer Geschäfte von Zeit zu Zeit den freien Eintritt in unsern königl. Städten, und zwar ohne, daß sie künftig Kost und Wohnung lediglich bei Juden oder jüdischen Garküchen zu nehmen gezwungen, sondern ihre Einkehr und Kost für ihr Geld, wo sie wollen, zu nehmen berechtiget sind: Wir halten uns jedoch gerechtest bevor, wegen Ent­schädigung derjenigen, welche die Leibmauth derzeit beziehen, von der Judenschaft ein minder beschwerliches Äquivalent einzuheben.

15tens. Uiberhaupt heben Wir alle bisher gewöhnlichen Merkmale, und Unterscheidungen, als das Tragen der Barte, auszeichnender Klei­dungen, das Verbot an Sonn- und Feyertägen vor 12 Uhr nicht auszugehen, öffentliche Belustigungs Örter zu besuchen, und dergleichen voll­kommen auf, im Gegentheil wird den Honoratioren auch Degen zu tragen erlaubet.

16tens. Da Wir nun durch diese Begünstigungen die jüdische Nazion in Absicht auf ihre Nahrungswege, und den Genuß der bürgerlichen, und häuslichen Bequemlichkeiten anderen fremden Religions-Verwand-ten beinahe gleich setzen, so weisen Wir dieselben zugleich zur genauen Beobachtung aller politischen bürgerlichen, und gerichtlichen Landesgesätze ernstlich an, als an welche sie, gleich allen übrigen Insassen gebun­den, so wie sie in ihren Angelegenheiten, politischen, und Rechts-Vorfällen der Landesstelle, der Ortsobrigkeit, nach der jeder Behörde zuste­henden Gerichtsbarkeit und Thätigkeit (Aktivität) unterworfen bleiben, und versehen wir Uns zu ihrer Pflicht sowohl, als zu ihrer Dankbarkeit, daß sie dieser Unserer Gnade, und der ihnen daher zuflüssenden Freihei­ten nicht misbrauchen, durch Ausschweifungen und Zügellosigkeit kein öffentliches Ärgerniß geben, und die christliche Religion nirgend irren, noch gegen dieselbe, und ihre Diener Verachtung zeigen werden, weil ein Frevel dieser Art auf das strengste bestraft und dem, so ihn begangen, nach Beschaffenheit der Umstände die Abschaffung aus allen Unseren Erbländern zuziehen würde.

Gegeben in unserer königl. Stadt Brünn den 13ten Hornung im Jahre 1782.

 

 

 

 

 

Der mährisch-jüdische Landesmassafond

 

Nach einem Aufsatz von Dr. Hugo Meissner, Brünn unter Verwendung einzelner Informationen von Christian d’Elvert

 

„Massa“ ist kein hebräischer oder aus dem hebräischen abgeleiteter Ausdruck, sondern kommt von Masse, weil hier Geldquellen zu einer „Masse“ zusammengeführt wurden.

Die Gründung der „Mährisch-jüdischen Landesmassafondes“ geht auf Kaiser Josef II, der damit die Steuerfähigkeit der Juden dauerhaft für den Staat absichern wollte. 

Unter Ferdinand II. zahlten die Juden  12 000 Gulden jährliches Toleranzgeld. Dieser Betrag wurde unter Maria Theresia auf 90 000 Gulden jährlich erhöht. Die Juden konnten aber diese für die damalige Zeit enorme Summe nicht aufbringen, so dass die Summe 1773 auf 82 200 Gulden ermäßigt wurde.

Für die Steuer haftete nicht der einzelne Jude oder die einzelne Judengemeinde, sondern die Judenschaft als Kollektiv

Es oblag ihrer internen Festlegung diese auf die Gemeinden und das einzelne Gemeindemitglied umzulegen. Der dafür verwendete „Umlagenschlüssel“ erfolgte nach den Bestimmungen der jüdischen „Repartierungs- und Kollektierungs-Norma“ vom 2.Dez. 1752.

Durch das Hofdekret vom 26.Juli 1787 wurde die oben erwähnte Pauschalbesteuerung (Kontribution) umgewandelt in eine Steuer, die sich aus der Familientaxe und der Verzehrsteuer zusammensetzte ( 5400 Familien und 5 Gulden je Familie Familientaxe, der größere Teil wurde über die sogenannte Verzehrsteuer eingetrieben, das war eine Art Mehrwertsteuer auf Lebensmittel).

Im gleichen Dekret wird bestimmt, dass der aus dem Pachtschilling für den Fiskus sich ergebende Nutzen und die Hälfte des Gewinnes des Steuerpächters in eine gemeinsame Masse, daher der Name, s.o., eingebracht und durch einige Jahre angesammelt werde. Damit sollte ein Kapital angespart werden, aus dessen Ertrag solchen Gemeinden, die ihre Steuerquote nicht erfüllen konnten, geholfen werden konnte. (Die Abgaben der Juden waren von 1788 bis 1794 verpachtet).

Dem Fond fielen noch die Familien- und Toleranztaxen der fremden, keiner Gemeinde angehörigen Juden, die Strafgelder, die bei gesetzeswidrigen Versuchen, eine Familienstelle zu erlangen vorgeschrieben waren, zu. Außerdem noch ein Drittel sonstiger von Juden zu bezahlender Strafgelder, sowie einem Anteil vom Gewinn des Steuerpächters..

Der Gewinn des Steuerpächters war jedoch so gering, dass nie etwas dem Fond zugeführt werden konnte.

Nach Ablauf der Steuerpacht 1794 trat die normale Steuerhörde an deren Stelle, wobei aber ausdrücklich betont wurde, dass die Einkünfte des Landesmassafondes von dieser Änderung nicht betroffen sein werden.

1831 änderte sich das, ab diesem Jahr wurden dem Fond alle Einkünfte bis auf die Zinsen aus seinem Kapital und den Strafgeldern zugunsten des Staates entzogen.

Es scheint auch, als sei der Fond bis auf 2 Ausnahmen nie für den Zweck, zu dem er gegründet wurde, nämlich die Unterstützung von Judengemeinden im Interesse der vollen Steuerentrichtung, in Anspruch genommen worden.

 Die sonstigen Aufgaben, die aus dem Fond bestritten wurden waren folgende

1. ist die Hauptbestimmung

2. Verpflegskosten für inhaftierte fremde Juden,

3. Beiträge für die 6 mährischen und 2 schlesischen Kreiskassekontrollore,

4. die Remuneration für die Zahlamtsbeamten,

5. Kanzleierfordernisse der Provinzialstaatsbuchhaitung, und

6. Reisekosten und Zehrungsgelder für die Depu­tierten zur Wahl des Landrabbiners.

7. Die Besoldung des Landrabbiners in Nikolsburg,

 

Durch das Hofdekret vom 18. Jänner 1831 wurden folgende Grundsätze über die Unterstützungen aus dem Landesmassafonde festgesetzt:

1. Zur vorzüglichsten Bedachtnahme bei angesuchter Gewährung der Darlehen aus diesem Fonde eignen sich die durch Brand oder sonstigen Elementar­unfälle verunglückten Judengemeinden, besonders wenn sie einer solchen Darlehensunterstützung, zur Herstellung der zerstörten oder beschädigten Gemeindegebäude bedürfen. Denselben können die Kapi­talien wenigstens für die ersten drei Jahre ohne In­teressen belassen werden, welche sodann nach Maßgabe der bewilligten Jahresratenzahlungen von drei zu drei Jahren auf 2, 4 und 5% bestimmt werden können, um durch die allmähliche Steigerung der Interessen auch auf die stipulierte Rückzahlung des Kapitals ein­zuwirken. Bei besonders rücksichtswürdigen Umstän­den kann auch höherenorts auf günstigere Bedingun­gen angetragen werden.

2. Die nächste Berücksichtigung verdienen solche Judengemeinden, welche außer dem Falle einer Elementarverunglückung, zur Herstellung notwendiger und nützlicher Gemeinde-Etablissements, vorzugs­weise zur Erbauung der für den deutschen Schul­unterricht gewidmeten Gebäude, um ein Darlehen vom Landesmassafonde ansuchen. Auch dürfen denselben nach Umständen die möglichst günstigsten Bedingun­gen, wie bei den oben angeführten Fällen ge­währt werden.

3. Insoferne es die disponiblen Geldkräfte des Fondes und dessen sonstige Verpflichtungen erlauben, kann auch mit Darlehensunterstützungen desselben auf solche jüdische Familianten Bedacht genommen wer­den, welche

a) ihre durch Elementarunfälle beschädigten und zerstörten Häuser den Polizeivorschriften gemäß her­gestellt haben,

b) welche, außer dem Falle einer Elementarbeschä­digung. Sich anheischig machen, ihre Mahnungen zu erweitern und zur Verbesserung des Bauzustandes in den Judengemeinden beizutragen, oder welche,

c) einer Geldunterstützung zu besonders rücksichts­werten Zwecken ihres Nahrungsbetriebes bedürfen. Diese Letzteren sollen jedoch ein Darlehen aus dem jüdischen Landesmassafonde, unbeschadet der Haupt­unterstützungszwecke bei vorhandenen disponiblen Mitteln nur gegen volle Pragmatikalsicherheit gegen landesübliche Interessen und beschränkte Rückzah­lungsraten erhalten.

Aus dem Landesmassafond wurden auch Darlehen an einzelne christl. Parteien gewährt, es wurde aber mit Hofdekret vom 6.6.1814 verordnet dass Juden vor Christen der Vorzug einzuräumen sei, weil der Fond der gesamten Judenschaft in Mähren gehöre.

Der Fond stand von Anfang an unter staatlicher Verwaltung bei der k.k. Landeskassa.

Die Gleichstellung der Juden brachte es mit sich, dass von der Regierung die Statthalterei in Brünn im Dezember 1860 angewiesen wurde, zu prüfen, ob es nicht ratsam wäre, den Fond unter die Kontrolle der Judenschaft zu stellen.

Die Prüfung endete negativ, mit der Begründung, dass kein jüdisches Gremium vorhanden sei, das mit der Verwaltung beauftragt werden könne.

Die mähr. Judenschaft unternahm von sich aus in der Folgezeit einiges, um den Fond unter seine Verwaltung zu bringen. So wurde zu diesem Zwecke 1862 eine Versammlung der Kultusgemeinden nach Brünn einberufen, zu der 45 Gemeinden Vertreter sandten, die ein Komitee aus 7 Mitgliedern und 4 Stellvertretern wählte, die geeignete Schritte zur Erreichung des o.g. Zieles unternehmen sollten.

Dieses Komitee erstellt eine Eingabe und übergab sie dem Statthalter. Dieser beauftragte das Ratsgremium um Prüfung. Das Ergebnis war wieder negativ.

Eine neue Beauftragung in dieser Sache ging vom Staatsministerium am 16.März 1863 an die Statthalterei. Diesmal sollte im Zusammenwirken mit den 54 Israelitengemeinden eine Grundlage für die künftige Verwaltung geschaffen werden.

Erst 1868 war alles Material beisammen, dabei kommt die Statthalterei wieder zu dem Ergebnis, dass „eine grundsätzliche Änderung des Status des Massafondes nicht angezeigt sei“.

Der Minister des Inneren stimmt dem aber nicht zu, vielmehr wird der Standpunkt herausgestellt, dass der besagter Fond …. „der gesamten mähr. Judenschaft gehöre, zu dessen Verwaltung auch diese zunächst berufen erscheint“.

Am 9. August fand in Lundenburg eine von David Kuffner, Nathan Löw-Beer und Friedrich Karplus einberufenen Vorbesprechung statt, auf der der einmütige Beschluß gefasst wurde, die Integrität des Fondes aufrecht zu erhalten und die Erträge vorzugsweise zu Kultus- und Unterrichtszwecke zu verwenden. (in Böhmen wurde anders verfahren, dort wurde der Fond aufgelöst und das Vermögen an die Gemeinden verteilt)

Es wurde wieder ein Komitee gebildet und Julius Gomperz wurde zum Vorsitzenden gewählt.

Eine von einigen Delegierten ausgearbeitete Denkschrift diente als Vorlage, nach der schließlich ein Programm ausgearbeitet wurde, das schon nahezu identisch mit dem späteren Statut war.

Die Statthalterei machte erneut Schwierigkeiten, wollte mehr staatlichen Einfluß, was jedoch vom Minister des Inneren zurückgewiesen wurde.

„Bereits am 28. September 1869 ge­ruht Kaiser Franz Josef I. allergnädigst zu gestatten, daß der mährisch-jüdische Landesmassafond als ein der gesamten Judenschaft Mährens gehöriges Vermö­gen in die autonome Verwaltung der Israeliten dieses Landes übergeben werde. Zugleich haben Seine k. u. k. Apostolische Majestät dem vorgelegten Entwurfe eines Statutes für die Verwendung und Verwaltung dieses Fondes die Allerhöchste Genehmigung zu er­teilen und anzuordnen geruht, daß die Übergabe der Verwaltung bis Ende Dezember 1869 durchgeführt werde.“

Bereits am l. Oktober teilt Herr Julius Gomperz, der Obmann des Delegiertenkomitees, der Kultusgemeinde Brunn diese für sämtliche Juden­gemeinden hocherfreuliche Tatsache mit.

Die erste Generalversammlung fand, einberufen vom Statthalter, am 24. November 1869 in der Statthalterei in Brunn statt, nachdem zuvor alle Kul­tusgemeinden durch ihre Repräsentanz einen Delegier­ten auf 3 Jahre gewählt hatten. In dieser Generalver­sammlung wurde das erste Kuratorium gewählt, wo­rauf dann in Gegenwart sämtlicher Kuratoren am 27. Dezember 1869 die Übergabe des Fondes an das Kuratorium erfolgte. Das Vermögen betrug damals 960.744 fl. 49 kr.

Das Statut vom Jahre 1869 zerfällt in vier Abschnitte, von denen der erste vom Fond und dessen Verwendung, der zweite von den Übergangsbestimmungen, der dritte von der Verwaltung des Fondes handelt und der vierte Abschnitt chlussbestimmungen enthält. Im § l wird der Fond nach seiner Ent­stehung und Bedeutung als ein unteilbares und un­veräußerliches Gemeingut der gesamten Judenschaft Mährens proklamiert.

Die Erträgnisse des Fondes waren nach § 3 zu fol­genden gemeinnützigen Zwecken zu verwenden:

a) zur Subvention der hebräisch-deutschen Volks-­ oder Gemeinde-Religionsschule in Mähren,

b) zu Beiträgen für jüdische höhere Bildungs- und Humanitäts – Anstalten,

c) zu Personalunterstützungen und Pensionen,

d) zu Stipendien für jüdische Rahhinats- und Lehr­amtskandidaten aus Mähren und

e) zu Unterstützungen und Notstandsdarlehen an hilfsbedürftige jüdische Gemeinden in Mähren.

f) zur Gewährung von unverzinslichen Darlehen an Gemeinden zur Errichtung von kulturellen oder Schulgebäuden unter hypothekarischer Absicherung

g) zur Schaffung angemessener Reserven zur Vermehrung des Fondes

 

Die Verwaltung des Fondes obliegt einem elfgliedrigen Kuratorium, das von den Delegierten der mähr. Kultusgemeinden auf je drei Jahre gewählt wird und das über seine Gebarung alljährlich der Delegierten-Versammlung Rechenschaft zu erstatten hat.

Dieses Statut blieb, von geringfügigen Änderungen abgesehen, bis zum Jahre 1926 in Kraft. Auf Initia­tive des um das Judentum hochverdienten Kurators Dr. Gustav Zweig aus Proßnitz, schritt das Kuratorium bereits im Jahre 1924 zur Ausarbeitung neuer Statuten, da das gel­tende in vieler Beziehung veraltet war. In der Generalversammlung der Delegierten vom 17. Mai 1926 wurde die Statutenänderung beschlossen und klar zum Ausdrucke gebracht, daß der Fond den In­teressen der gesamten Judenschaft Mährens zu die­nen habe.

Nach dem neuen Statute müssen mindestens 40% der Erträgnisse für Unterrichtszwecke verwendet werden.

1938 / 39 findet auch dieses fortschrittliche Werk sein Ende.

 

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Kleine Wörterkunde

 

Almemor                                 Zeremonien-Empore innerhalb des Tempels

Bar-Mizwa                              „Sohn der Pflicht“ mit Erreichung des 13. Lebensjahres und ein Tag, erreicht der Jude die religiöse Mündigkeit, Wird in der Synagoge und im Familienkreise als Fest gefeiert

Baalhabajit                              Hausvater, Hausherr

Borchu und Keduscho           Wochenbeginngebet, kann nur gemeinsam mit min. 10 erwachsenen Männern in der Tempelvorhalle (Polisse) verrichtet werden

Chewra Kadischa                   Begräbnisbruderschaft, „Heilige Bruderschaft“

Dajjan, Dayyan                        Rabbinatsbeisitzer, so eine Art Kirchengemeinderat, auch Richter

Dorfgeher                                Hausierer, einer der wenigen „Berufe“, die Juden ausüben durften

Esrog                                      Paradeisapfel, Citrusfrucht

Fest der ungesäuerten           Pessach Fest

Brote

Gehinnom                               Hölle

Hawdala                                  Gebet am Ausgang des Sabbats

Ijar                                           Monat (Mai-Juni)

Jeschiwe                                 Rabbinatshochschule

Jom Kippur                              siehe Yom Kippur     

Kiddusch                                die Benediktion bei Beginn der Sabbat- und Festtage, welche die Weihe und Anerkennund des Tages als Ruhetag und Tag der religiösen Erhebung ausdrückt

Koscher                                  rein, sauber im rituellen Sinn, nach dem jüdischen Gesetz zum Gebrauch, insbesondere zum Genuß erlaubt

Laubhüttenfest                       Hüttenfest, das dritte der jüdischen Wallfahrtsfeste, wird zur Erinnerung an den göttlichen Schutz während der Wüstenwanderung und als Erntedankfest (Einsammlungsfest) am Ende des landwirtschaftlichen Jahres vom 15. – 22. Tischiri (im Oktober) gefeiert. Neben 3 weiteren Früchten aus dem gelobten Land wird hierzu auch der Paradeisapfel als Symbol benötigt. (Siehe „Paradeisapfelsteuer“)

Mazewoth                                Grabsteine, Grabplatten

Mazzot                                    ungesäuertes Brot

Neilah                                      letztes Gebet am Versöhnungstag

Orchim                                    Durchreisender, Gast

Pessach-(Passah-)Fest        Das erste der drei jüdischen WallfahrtsfesteFest der ungesäuerten Brote, erinnert an den Auszug der Juden aus Ägypten, die Rettung der erstgeborenen Söhne, ( die in der Gefangenschaft getötet wurden), letztlich an die Geburt des freien mosaischen Judentums.

Pentateuch                             enthält das schriftliche jüdische Gesetz

Polisse                                   Tempelvorhalle

Rabbiner                                 Schriftgelehrter, Funktion nicht unbedingt mit der eines christl. Priesters vergleichbar

Sabbat (Schabbes)                 Tag des Herrn, wird am Samstag gefeiert, jegliche Arbeit hat an diesem Tage zu ruhen.

Schabbesgoite                        Christl. Aushilfsdienerin

Schebat                                   im jüdischen Kalender der 5. Monat (Jan.-Feb.)

Semirot                                   heitere Sabbatlieder

Sukot                                       Laubhüttenfest

Siwan                                      Monat (Mai-Juni)

Talmud                                   Studium, Lehre, Belehrung, Schriftensammlung, die Hauptquelle des rabbinischen Judentumes, enthält den gesamten gesetzlichen Stoff der jüdischen Tradition, Ergänzung zum Pentateuch

Tachrichim                              Sterbegewand          

Tempel, Synagoge                  Gotteshaus

Thora,                                     Lehre, Unterweisung des im Pentateuch enthaltenen mosaischen Gesetzes, der 5 Bücher Mose und im weiteren Sinne das Studium des mosaisch-rabbinischen Schrifttumes

Usanekoteph                          „Macht lasst uns künden“ Gebet zu Jom Kippur

Verzehrsteuer                        Steuer auf verzehrte Lebensmittel (Gesamtsteuer der mähr Juden = 82 200 Gulden, davon Familientaxe  5400x5= 27000, der Rest musste über die Verzehrsteuer aufgebracht werden)

Yom Kippur                             Jom ha-Kippurim, Versöhnungsfest, auch Sabbat der Sabbate genannt, der heiligste der jüdischen Festtage, wird 10. Tischiri (Oktober ) in strengster Sabbatruhe durch persönliche Kasteiung und Enthaltung von allen Sinnengenüssen gefeiert

Zaddik                                     ein Gerechter