Unser Heimatort Irritz in Südmähren befindet sich 106 Km nördlich von Wien 3 Km östlich der Bahnlinie Wien Brünn, auf 201 m. MH. Seit mehreren Jahrhunderten ist dieses Gebiet von Deutschen besiedelt. - Bis zum 1. Weltkrieg gehörte unsere Heimat zur Österreich Ungarischen Monarchie.
Irritz aus der Zeit um 1914 mit der neuenKirche, erbaut 1901-1902, der neuen Kaiser- Franz Josef Volksschule, erbaut 1908, den Gutshof und dem Marktplatz. Durch kaiserliche Privilegien erhielt Irritz das Marktrecht für 3 Märkte im Jahr, welche auch abgehalten wurden.
Bei der Gründung der 1.Tschechoslowakischen Republik am 20.10.1918 wurden die seit Jahrhunderten von Deutschen besiedelten Gebiete von Südmähren, der Böhmerwald, das Egerland und Nordmähren dem neuen tschechoslowakischem Staat zugesprochen. Vor der Staatsgründung wurde wohl feierlich erklärt, einen Staat nach dem Muster der Schweiz zu gründen. Aber schon bald wurde das Deutschtum rigoros unterdrückt. Am 4.3.1919 waren friedliche Kundgebungen für das Selbstbestimmungsrecht der deutschen Bevölkerung. Die Reaktion der tschechischen Staatsmacht war ungewöhnlich hart. Tschechisches Militär schoß in die Versammlungen, wobei 54 Menschen den Tod fanden. Im Ort Kaaden wurden allein 17 Personen erschossen. - Die deutsche Bevölkerung wurde systematisch unterdrückt. Viele Schulen wurden tschechisiert, der Handel und Markt erschwert. Die Amtssprache wurde tschechisch. In der Tschechoslowakischen Republik waren die Tschechen der größte Volksteil, an 2. Stelle kamen die deutschen Bewohner, an 3. Stelle kamen die Slowaken, dann noch Ungarn und andere. Ob
wohl die Deutschen die zweitgrößte Volksgruppe war, wurden ihre Rechte stark beschnitten.
Unsere Heimat in Südmähren war und ist ein sehr fruchtbares Gebiet in dem Mais, Hirse, Zuckerrüben, alle Getreidearten, Wein, Obst, Kirschen, Pfirsiche, Aprikosen Kürbisse , Melonen und vieles an
dere gut gedieh. Die Znaimer Gurken waren ja weltbekannt. Die Landwirtschaft war der Haupterwerb der Bewohner, dazu gehörten aber auch verschiedene Handwerker und Berufszweige.
Im Jahre 1937 hatte Irritz 708 Einwohner und 204 Hausnummern. Die Gemarkung Irritz hatte 854,106 ha Land, wovon 121 ha zur Probstei Nikolsburg gehörten.
Die bäuerlichen Arbeiten waren in jener Zeit noch sehr zeitaufwendig. Es gab wohl schon Erntemaschienen die von zwei Pferden gezogen werden mußten, aber trotzdem blieb noch sehr viel Handarbeit, die zum Teil in gegenseitiger Gemeinschaftshilfe geleistet wurde.
Nach sauren Wochen, gab es frohe Feste zum Beispiel nach der Ernte und nach dem Dreschen.
Blick von unserem Kirchturm über das Dorf, über leicht wellige Felder in Richtung Tullnitz zur Erntezeit.
Die Bauernhöfe hatten geschlossene Innenhöfe und waren aneinander gebaut. An der Straße waren die Wohnungen, dann kamen die Stallungen, Geräteräume und hinten quer der Stadel.
Das gemähte und mit Roggenstrohbändern gebundene Getreide, -die Garben wurden zu je neun Stück am Feld zusammengestellt. Wenn alle Getreidearten gemäht und gebunden waren, wurde mit dem Dreschen des Getreides vom Feld weg begonnen. Alt und jung half da zusammen. Am Feld war das Aufbreiten der Strohbänder, das Auftragen des gemäh
ten Getreides auf die Strohbänder und das zusammentragen der Garben zur Feldlagerung unsere, d.h.der älteren Kinder, Tätigkeit .
Dreschen bei Josef Bauer Irritz
Nach dem Abschluß der Ernte der verschiedenen Getreidearten wurde mit großen Leiterwagen das Getreide vom Feld geholt und vom Wagen weg gedroschen. Beim Dreschen waren wir Jugendlichen hauptsächlich für den Abtransport des gedroschenen Strohes zuständig. Uns jugendlichen machte diese Arbeit Spaß. Wenn es hieß, "jetzt moch ma a Jausn" das gehörte mit zum erfreulichsten. Das entspannte beisammen sitzen bei Speis, Trank und guter Unterhaltung, das wurde froh empfunden. Zum Abschluß der Erntearbeiten gab es einen "Dreschhahn", ein kleines Fest.
Bäuerliche Idylle.
Das Zweithaus von Hawle Anton im Dörfel, links Stadel und Wohnhaus vom Sigmeth Hironymus. Eine Holzegge lehnt am Gartenzaun. Ganz rechts ein Göppel, der in früherer Zeit von im Kreis herumgehenden Zugtieren zum Dreschen oder Häckselschneiden angetrieben wurde. Ganz oben ist die Riemenscheibe. Eine Gänseschar bewegt sich im Gelände.
Die Ortsbewohner waren zum größten Teil Selbstversorger. Vom Annafest 26.7. bis Weihnachten gab es fast jeden Sonntag Gänsebraten. Es gab damals noch keine Kühlschränke. Auf diese Weise war die Frischfleischversorgung gelöst und es war eine köstliche Lösung.
Zur Pfarrei Irritz gehörten auch die Gemeinden Damitz, Tullnitz und Dornfeld.
Der Tag der Erstkommunion wurde immer recht feierlich und gemeinsam begangen.
Auf dem Bild ist der Jahrgang 1926 aus den besagten Orten mit Dechant Johann Ruprecht und P. Johann Gräupel vereint.
Nach der Kommunionfeier gab es im geräumigen Pfarrsaal Kakao und Kuchen, Zum Kommunionempfang mußte man ja damals noch vollkommen nüchtern sein und der Weg in die Nachbardörfer war weit.
P. Johann Gräupel war Jugendpräses im Dekanat Irritz. Bei der Männer und Frauenjugend hat er hervorragendes geleistet. In der Judengasse hat er Anfang der dreißiger Jahre von einer nach Brünn umgezogenen jüdischen Familie ein großes einstöckiges Haus erworben und zu einem Jugendheim mit einem groen Saal in dem auch Theater gespielt werden konnte, umgebaut. Später fanden dort auch die Filmvorführungen statt.
Ernst Maria Müller, Bischof von Linz und Ehrenbürger von Irritz
Ernest Maria Müller wurde am 30.6.1822 in Irritz als Sohn des Volksschullehrers Franz Müller und seiner Frau Josepha geb. Hof geboren.
Nach dem Gymnasium in Nikolsburg studierte er Philosophie und Theologie in Wien und wurde dort am 19.7.1846 zum Priester geweiht.1850
wurde er Professor der Pädagogik und 1858 Universitätsprofessor der Moraltheologie. Seit1864 war er Ehrendomherr in St. Stefan in Wien.
Der auch beim Hl. Stuhl angesehene Theologe wurde überraschend von Kaiser Franz Josef zum Bischof von Linz nominiert. Obwohl er schon
drei Jahre später nach einer längeren schweren Krankheit verstarb, hat er während seiner Bischofszeit viel vollbracht. er wurde im neuen Dom
beigesetzt. Bischof Müller wurde von der Marktgemeinde Irritz zum Ehrenbürger ernannt.
1938 kam eine sorgenvolle Zeit, man wußte nicht wie sich die politische Lage entwickelt. Als damals neunjähriger kann ich mich noch gut erinnern an viel tschechisches Militär das auf Lastwagen sitzend unseren Ort durchfuhr und uns durch Handzeichen andeutete, das wir aufgehängt werden.
Am 12.Oktober 1938 marschierten deutsche Truppen in Südmähren und Irritz ein. Die Bevölkerung erhoffte sich bessere Zeiten und so war es auch, aber nur eine Kurze Zeit . Man war frei, alle Menschen hatten Arbeit und Verdienst, Kindergärten und Schulen wurden gefördert. Es gab vieles, was sehr verbessert wurde. Ein Schock ging durch die Bewohner des Ortes, als in einer Nacht und Nebelaktion alle Juden des Ortes verschwanden und keiner wußte wohin.
Als am 1.9.1939 der 2. Weltkrieg ausbrach, wurden unsere Hoffnungen auf eine bessere Zeit sehr gedämpft. Mit ihm kam neues Leid über unser Gebiet. Die Väter und Söhne mußten zum Militär. In der Landwirtschaft mußte weiter produziert und abgeliefert werden. Lebensmittel, Kleider, Schuhe und andere Gebrauchsgegenstände gab es nur auf Karten, Marken oder Bezugsscheine.
Unser Heimatpriester Fr. Kornherr hat es dennoch irgendwie geschafft,1942 Ministrantenkleider in allen liturgischen Farben für seine Ministranten anzuschaffen.
Wir als Bevölkerung wollten den Krieg nicht, aber wir mußten ihn erleiden. Immerwieder kamen Nachrichten von Soldaten die an den verschiedenen Fronten den Tod fanden. Pfarrer Franz Kornherr gestaltete jedes Jahr an Allerheiligen eine würdige Gedenkfeier.
In Weiß gekleidete Mädchen opferten für jeden namentlich genannten Gefallenen eine Kerze.
Die größte Bitternis kam am 7. Mai 1945 mit den verherenden Fliegerangriffen der Russen. Acht Soldaten mußten dabei noch am letzten Kriegstag in unserem Dorf noch ihr Leben lassen. Viele Häuser wurden durch Bomben und Bordwaffen zerstört, ein Haus brannte vollständig ab. Eine Mutter mit 5 unmündigen Kindern wurde durch Bombensplitter gehunfähig verletzt. 92 Militärpferde und 8 Rinder kamen durch Bordkanonen zum Tode. Die russischen Flugzeugstaffeln verfolgten das fliehende Deutsche Militär in Richtung Znaim, deshalb wurde es am Nachmittag und Abends bei uns wieder ruhiger, ja es kehrte sogar eine gespannte Ruhe ein. Die Ortsbewohner verbrachten die Nacht in den Kellern, mit der Gewißheit das am nächsten Morgen die Russen bei uns im Ort sind. Im 3,5 Km östlich von uns liegenden Ort Treskowitz konnten die russischen Truppen die bedingungslose Kapitulation der deutschen Truppen feiern. Als die Russen dann in unseren Ort kamen, war der Krieg offiziell beendet. Deswegen kam es aber zu keiner Milderung. Plünderungen und Vergewaltigungen der Frauen stand man machtlos gegenüber. Innerhalb weniger Stunden waren alle Pferde der Bauern enteignet und abgeführt. -
Die Witterung war schön und verhältnismäßig heiß. Die vielen toten Tierkadaver quollen auf und gingen in Verwesung über. Unter russischer Bewachung wurden diese in Bombentrichter und zuvor ausgegrabenen Schützengräben vergraben. Ein älterer Russe bestand darauf das die letzten acht Gefallenen Soldaten zu den Pferden mit verscharrt werden sollten. Es entstand deswegen eine sehr brenzlige Situation. Herr Josef Sigmund sen. wurde fast mit dem Russen handgreiflich, zum Glück kam dann ein russischer Kommisar, der gestattete es die Soldaten eigens zu beerdigen. Aus unserem ländlichen Gebiet zogen sich die Russen allmählich wieder zurück. Inzwischen bemächtigten sich Tschechen herumliegende Waffen und Feuerwehr- oder anderer Uniformen und kamen als sogenannte Partisanen. Sie trieben ein noch ärgeres terroristisches Unwesen als die Russen. Der während des Krieges in England und Rußland lebende tschechische Präsident Dr. Eduard Benesch kehrte nach Prag zurück und rief seine Landsleute mit Zitaten wie: " Schlagt die Deutschen wo ihr sie trefft und nehmt ihnen alles, bis auf ein Taschentuch in das sie weinen können." Bewaffnete Horden setzten dies in die Tat um, wie der Brünner , Iglauer und andere Todesmärsche und die wilden Vertreibungen ab Mai 1945 bewiesen. Am 21.6.1945 folgte das berüchtigte Benesch Dekret, nach dem die Deutschen all ihres Hab und Gutes enteignet und total entrechtet wurden. Auf den Feldern wuchs und reifte das Getreide und alle anderen Feldfrüchte. Wir sollten und mußten die Ernte einbringen, obwohl uns nichts mehr gehörte.
Die Männer, die beim Militär waren und nach dem Kriegsende heimgekehrt sind, wurden von den Tschechen ins Lager nach Mährisch Kromau gesteckt und zu Arbeitseinsätzen heran gezogen. Die tschechische Familie Sabata aus Tullnitz hat sich für Schwanzer Johann aus Irritz eingesetzt, damit er nicht ins Lager nach Mähr. Kromau mußte.
Ein tragisches Ereignis
Im Juni 1945 gab es ein tragisches Ereignis für unser Dorf. Ein Bericht von Franz Huber Wien.
Beim fluchtartigem Rückzug des deutschen Militärs wurde jeder hindernde Ballast der die Flucht erschwerte weggeworfen oder liegen gelassen. Flakgeschütze, Geräte aller Art wurden unbrauchbar gemacht. Munition blieb liegen so auch Flakgranaten, die hatten einen Durchmesser von etwa 9 cm und eine Länge von etwa 70 cm. Das Pulver in diesen Granaten hatte die Form wie lange Macaroni Rohrnudeln. Wurden diese Stäbchen auf der Erde zu einer langen Reihe ausgelegt und dann an einer Seite angezunden, so gab es einen zischenden schnell fortlaufenden Feuerstreifen. Das war für die Buben sehr faszinierend und war deshalb sehr begehrt. -
An einem schönen Sonntagnachmittag trafen sich einige Buben bei der Irritzer Schwemm und berieten sich, was man tun könnte. Man einigte sich auf einen Gang zum Treskowitzer Waldl. Sofka Johann hat seinen Ministrantendienst in der sonntäglichen Segensandacht geschwänzt und kam mit seinen Hund zu unserer Gruppe dazu. Kurz nach unserem Aufbruch hörten wir Mascha Hansi mit seiner Harmonika spielen, da sagte mein Bruder Johann, ich gehe lieber zum Hansi und wollte mich auch mitnehmen, aber ich verneinte. Kurz außerhalb des Ortes war ein einfacher Bunker, dort lag massenweise Munition, aber nicht das was wir suchten. Dem Hauptgrabenweg gingen wir zum Treskowitzer Waldl den dort lag das richtige,das wir suchten. Sofka Johann machte sich sogleich an einer Kartusche einer Granate zu schaffen. Bartosch Adolf sagte, der Sache traue ich nicht und stellte sich hinter einen Baum und schon tat es einen furchtbaren Knall und einen riesigen Feuerball.- In einem Getreidefeld kam ich blutend und mit großen Schmerzen wieder zu mir. Nun war mein Wille, so schnell als möglich nach Hause zu kommen, also begab ich mich zur Straße. Einige Irritzer Burschen waren in den Weingärten. Als diese den Knall und dann die Schreie hörten kamen sie angelaufen und trugen mich nach Hause. Da aber bei mir niemand zu Hause war so setzte man mich auf die Bank vor dem Haus. Plötzlich kam ein russischer Soldat auf einem Pferd angeritten und rief :"Zivil kaputt." Die Leute bekamen daraufhin Angst , aber als sie mich sahen, war alles klar. Ein russischer Soldat hat sodann einen Arzt und Krankenwagen organisiert .Ich wurde nachdem meine Schwester nach Hause geholt wurde, ins Bett gelegt und verlor wieder das Bewußtsein. Pater Franz hatte man zum Versehgang und zur letzten Ölung geholt , Donner Jakob hat dabei ministriert, das habe ich wieder mitbekommen und dann auch noch wie der russische Arzt kam und mir in der Schlüsselbeingegend einen Granatsplitter heraus zog, dann war ich wieder weg. Stummer Josef und mich hat man dann gemeinsam ins Lazarett nach Znaim gebracht und operiert. Ich kam erst wieder zu mir, als ich im Keller unter verletzten deutschen Soldaten lag. Stummer Josef und mich legte man zusammen in ein Bett. Ich schaute aus wie eine Mumie. Verbunden wurden wir nur mit Papierschen. Am zweiten Tag trug mich eine Rot Kreuzschwester in den Garten hinaus. Meine Genesung besserte sich von Tag zu Tag. Nach einigen Tagen brachte man einen Mann mit sieben Schüssen im Oberkörper. Bevor er verstarb verlangte er noch ein Glas Wasser, dann sagte er:" Richtet an meine Angehörigen viele Grüße aus" machte die Augen zu und starb. Später erfuhren wir, das er von der Grenzgegend war,- Joslowitz oder Erdberg. Nach einiger Zeit als wir so halbwegs bei
sammen waren kam ein Fuhrwerk aus Irritz und brachte uns nach Hause. Fräulein Liese, die Pfarrhaushälterin vom Pater Franz, hat uns solange den Verband gewechselt, bis alles verheilt war. Zuhause erfuhren wir erst das ganze Ausmaß dieses Geschehens. Peloschek Josef und Sofka Johann mit seinem Hund kamen bei dieser Aktion ums Leben. Das waren die Folgen unseres jugendlichen Leichtsinns.
Zeittafel
12.6.45: Bewaffnete Tschechen kamen in die Häuser zum Stöbern und nahmen was ihnen gefiel- Kleider, Schmuck und Geld.
15.6.45: Einigen Brünner gelang es irgendwie vom Todesmarschzug von Pohrlitz nach Irritz zu entkommen.
30.6.45: Tschechen eigneten sich in Treskowitz deutsche Bauernhöfe an.
7.7.45: Treskowitz - Alle Deutschen mössen am rechten Arm weiße Armbinden mit einem großen schwarzen N für Nemetzki= Deutscher tragen.
11.7.45: Fett und Zucker mußte abgeliefert werden. 250 Gramm pro Person konnte man behalten.
02.8.45: Die Reichsmark verlor ihren Wert.
08.8.45: Nun mußten wir in Irritz auch die weiße Armbinde tragen.
17.8.45: Deutsche Männer und Kriegsheimkehrer wurden im Lager Mährisch Kromau interniert.
15.9.45 . In Irritz und Damitz brach Thyphus aus. Karl Zibuschka aus Irritz und einige Damitzer sind daran verstorben.
08.10.45: Aus Jugoslawien kamen Partisanen und eigneten sich unsere Häuser an. Auch in unsere Familie kam eine junge Partisanin Marischko in olivgrüner Uniform und war von nun an die Verwalterin. Meine Mutter mußte kochen was sie anordnete, durfte aber ohne ihr Wissen kein Geflügel , oder Hasen schlachten, sie eignete sich das schönste Zimmer an. Während des Krieges war sie in Berlin am Konsulat, sie sprach perfekt deutsch. Wir hatten bloß Glück das sie morgens lange schlief und abends erst spät nach Hause kam. Wir hatten vier Häuser nebeneinander und so dachten wir, einiges vor ihr verbergen zu können. Für die Versorgung des Viehes , die Bestellung der Felder und für die Arbeit waren wir voll zuständig, aber sonst hatten wir keine Rechte.
10.11.45: Von einigen bisher alleinstehenden Partisanen kamen aus Jugoslawien ihre Familienangehörigen nach.
28.11.45: Die Familien Josef Wagner, Sofka Josef, Halbrecht Heribert und Josef Siegmeth wurden ins innere der Tschechei zum Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft deportiert. Dies geschah ohne vorherige Ankündigung, innerhalb einer halben Stunde.
Josef Siegmeth war am Feld beim Pflügen, er wurde vom Pflug weggeholt und so wie er vom Feld kam, mußte er auf den Lastwagen und durfte sich weiter nichts mehr holen. Seine Tochter Marie war in der Kirche mit der Anbringung des Adventkranzes beschäftigt. Da kam Frida Stefan, die Nachbarin und sagte, Marie du mußt gleich heimkommen, ihr müßt fort von Irritz. Zuhause angekommen zog sie ein Bettlacken heraus und warf darauf ihre Kleider, die sie mitnehmen wollte. Sobald sie ein Kleid hinlegte, nahm sie die nun im Haus wohnende Partisanin wieder weg. Unsere " "Maruschko" war auch dabei und sagte: " Die Deutschen brauchen keine Sonntagskleider." Da man dieser Familie nur das allernotwendigste gestattete mit zunehmen, holten sie in ihrer Not 2 deutsche Männer aus der Nachbarschaft die tschechisch konnten und erhofften sich so mehr Hilfe. Es stand ja der Winter bevor, da war warme und Kleidung zum wechseln nötig. Aber die Partisanen waren unbarmherzig. Der tschechische Lastwagenfahrer der vor dem Haus wartete und die Familie nach Misliborice bringen sollte, wurde sodann auch noch als Fürsprecher gebeten. Da schrien die Partisanen:" Raus und kein Wort mehr, sonst erschießen wir euch alle." Der Bauer Josef Siegmeth hatte nur, was er am Leib hatte. Da man Marie ja aus der Kirche wegholte , war unser Pfarrer Franz Kornherr von dieser Tragik informiert. Er machte ein Paket mit Kleidern und Schuhen zurecht und brachte es fertig, es an diese Familie zu senden. Der tschechische Bürgermeister von Misliborice brachte das Paket zu jener Familie, auf den Gutshof, wo sie im Arbeitseinsatz waren. In seinem Beisein mußte es geöffnet werden. Als er den Inhalt sah, konnten sie alles behalten und benutzen.
19.1.1946: es war ein sehr kalter Wintertag kamen um ca 10,00 Uhr bewaffnete Partisanen in bestimmte Häuser und überbrachte eine Schriftliche Aufforderung, bis um 12,00 Uhr mit allen Familienmitgliedern am Marktplatz zum Abtransport nach Deutschland zu erscheinen. Pro Person durften nur 50 Kg Gepäck mitgenommen werden. Was dies bedeutet, kann nur erahnen wer ähnliches mitgemacht hat. Das mitgebrachte Gepäck wurde am Marktplatz nochmals durchsucht und was den Tschechen gefiel, das nahmen sie sich. Auffallend war, das bei diesem ersten Vertreibungstransport alte Menschen und kinderreiche Familien ausgewählt wurden. Nach einem drei Wochen dauernden Aufenthalt im Lager Mißlitz wurde vom Bahnhof Mißlitz ein Transportzug mit 40 Viehwaggons zusammengestellt. 30 Personen und das gesamte Gepäck wurden in einen Waggon gepfercht. Bei eisiger Kälte dauerte es 10 Tage bis der Transport über Brünn, Prag, Pilsen, nach Bayern kam. Die Viehwaggons waren von außen verschlossen und wurden nur bei größeren Aufenthalten geöffnet. Menschliche Bedürfnisse mußten in Eimern oder anderen Gefäßen verrichtet werden. Welche Schwierigkeiten sich bei dieser Kälte , mit alten gebrechlichen Menschen und mit kleinen Kinder ergaben, sind vorstellbar. Die Frauen und Mütter hatten unsagbares Leid, Sorgen, Opfer und Entbehrungen zu ertragen. Der 1. Transport mit Irritzern kam nach Oberfranken, in ein Land, das selbst vom Krieg schwer gezeichnet und ausgezehrt war. Dann kamen noch soviele Menschen mit "Nichts" und mit ihnen mußte der noch vorhanden Wohnraum und die karge Nahrung geteilt werden. Ganze Familien wurden in einen Raum hineingepfercht, in dem gewohnt, gekocht und geschlafen werden mußte. Als Kochgelegenheit diente oftmals nur ein sogenannter Kanonenofen. Vielfach war kein Kaminanschluß vorhanden. Als Notlösung wurde eine Fensterscheibe entfernt und eine Blechscheibe mit einem Loch für das Rauchrohr eingesetzt. Der Rauchabzug erfolgte also durch das Fenster.
Nochmals zurück zum 19.1.46. Wir, unsere Familie mußte ja bisher die anfallenden Arbeiten verichten, also wurden wir gebraucht. Aber am heutigen Tag kamen die Angehörigen der Maruschka von Jugoslawien, das war uns nicht bekannt. Als unsere Tante mit ihren 5 Kindern die Aufforderung zum Abtransport erhielt, half man dort mit. Etwas später sagte man zu uns -packen, packen ihr müßt auch fort. Zuvor haben die Neuangekommenen aber schon die Kästen und Truhen geleert und genommen was gebraucht wurde. In unsere 4 Häusern hatten wir manches versteckt, das wurde nun geholt, dabei wurden wir beobachtet und die Plünderei ging weiter. Erst als wir mit der Packerei fertig waren, sagte man uns, das wir in ein,- in der Nähe eben leergewordenes Arbeiterhaus kommen. Wenn wir das gleich gewußt hätten, dann hätten wir das versteckte noch nicht geholt, sondern heimlich bei Nacht.- Nun waren wir in dem kleinen Haus vom Kouhotek, ohne Vorräte. Schmalhans war da Küchenmeister. Ich muß mich über unsere Mutter wundern, was die alles fertig brachte. Aus den Futterrüben für die Ziege, hat sie zum Beispiel ein sehr schmackhaftes Kraut gekocht. Mit einem kleinen Hund, dem Foxl vom Huber Julius und mit unseren Schießgummis sind wir heimlich öfters auf Hühnerjagd gegangen, so gab es auch ab und zu Fleisch zum Rübenkraut. Was und welche und wieviel Tiertragödien es mit den fremden Besitzern gab, das läßt sich nur in etwa erahnen. Von unserem Hund wissen wir, das man ihm das Kreuz abgeschlagen hat. Vom halben Rücken an war er unbeweglich und hatte riesige Schmerzen. Wir konnten ihn nicht töten, ein Bekannter hat hat ihn dann Erlöst von seinem Leiden.
3. April 1946:
Der 2. Abtransport der Bewohner aus Irritz erfolgte zuerst ins Sammellager ins Schloß Knönitz . Schweren Herzens mußten wir Abschied nehmen von unserem Ort, unserer Heimat und unserer Kirche, mit der unser Leben sehr eng verbunden war, in allen Lebenslagen, in Freude und Leid.
Unser letzter Heimatpriester P. Franz Kornherr teilte mit uns das gleiche Los.

8.4.1946: An diesem Tag wurden wir mit LKW bei schönstem Frühlingswetter zum Mißlitzer Bahnhof gefahren. Sehr wehmütige Gedanken kamen in uns auf, als wir unterwegs nocheinmal kurz unseren Kirchturm im strahlenden Sonnenschein sahen. In dem wieder aus 40 Viehwaggon bestehenden Transportzug mußte das Gepäck und jeweils 30 Personen untergebracht werden. Mit jedem Transport mußten 1200 Landsleute ihre Heimat verlassen. Solche Transporte als human und unter hygenischen Bedingungen zu beschreiben war blanker Hohn. Unser letzter Heimatpriester Franz Kornherr war mit unserer Familie im gleichen Waggon. Als der Zug um 1,30 Uhr zu rollen begann, beteten wir gemeinsam " Unter Deinem Schutz und Schirm."
Am Bahnhof Mißlitz. - Ein trauriges Bild. -Kleine Kinder, alte müde verzweifelte Menschen, wenige Habseligkeiten, im Hintergrund der Transportzug. - Das Bild entstand unter schwierigen Bedingungen, denn Fotoaparate sollten abgegegeben werden.
In Furth im Walde mußte unser Gepäck in deutsche Waggons umgeladen werden. Die Fahrt ging dann weiter nach Augsburg. In der Georgenschule waren wir die Nacht über untergebracht. Das ganze Gepäck mußte bei der Ankunft bis in den 2. Stock getragen werden und am nächsten Tag zur Weiterfahrt in die einzelnen Landkreise wieder herunter transportiert werden. Das kostete viel Kraft und Nerven. Die Irritzer wurden in die Landkreise Günzburg, Illertissen und Memmingen verteilt.
April 1946. Im Lager Vöhringen
Etwa 60 Personen aus Irritz und Damitz kamen ins Lager Vöhringen in den Landkreis Illertissen.
Neuanfang
Von Angestellten des Arbeitsamtes wurden wir befragt und in Arbeitsverhältnisse vermittelt. Da unsere Familie aus der Landwirtschaft kam,
entschieden wir uns für landwirtschaftliche Tätigkeiten.
Am 26.4.1946 hieß es wieder mit der Familie Karl Huber Gepäck aufladen und ab
nach Bergenstetten, einem kleinen Bauerndorf mit 20 Hausnummern. Unser Gepäck stellten wir auf eine Wiese ab, denn der LKW mußte ja
wieder weiter. Dann hieß es warten bis der Bürgermeister kommt. Nun wurden wir wieder getrennt. Mein neunzehnjähriger Bruder und ich mit
16 Jahren kamen zu einem Bauern, 2 Schwestern jede zu einem anderen Bauern und meine Mutter mit unserer 85 jährigen Großmutter auch zu
einem anderen Bauern.
Wir wissen aber, das es andere Landsleute aus unserer Heimat viel schwerer getroffen hat. Ich denke dabei an die brutalen Vertreibungen kurz
nach Kriegsende und an den Brünner und andere Todesmärsche.
Für die Einheimischen war es schwer verständlich zu glauben, das man uns alles genommen hat und das wir einst selbst Besitzende waren. -
Es wurde aber bald gemerkt, das wir redliche Leute sind und wir wurden geachtet. Wir die damals jugendlichen haben uns schnell zurecht
gefunden, wurden angenommen und integriert. Es folgte eine harte, aber frohe Zeit in Freiheit. Ich denke gerne an die Zeit in der dörflichen
Gemeinschaft zurück. Mit jugendlicher Begeisterung wurde vieles bewegt.-
Dank, Lob und hohe Anerkennung muß der einheimischen Bevölkerung für die vielen Hilfen, die sie den Vertriebenen gewährten, noch
heute gesagt werden.
Wir waren erst kurze Zeit in Bergenstetten, als sich etwas Sonderbares ereignete. Unsere 85 jährige Großmutter, die Mutter meiner Mutter
mußte die Strapazen der Vertreibung mit all ihren Härten auch ertragen. Dazu kam für sie auch noch die Ungewißheit des Schicksales und des
Verbleibes ihrer jüngsten Tochter mit ihren 5 unmündigen Kindern, die schon am 18.1.1946 die Heimat verlassen mußten. Der Familienvater war
beim Militär, sein Aufenthalt war ebenfalls unbekannt. Über das Rote Kreuz hatte der Familienvater seine Familie in Oberfranken und uns in
Bergenstetten ausfindig gemacht.
Am 3.6.46. kam unser Onkel überraschend auf Besuch. Die Freude für die Großmutter war natürlich sehr groß.
Ihr Kommentar war dann:" Nun kann ich ruhig sterben, wenn ich weiß wo meine Lieben alle sind." Das sagte sie so, wir nahmen dies nicht ernst
und dachten eher an eine Redensart. Abends sagte dann die Großmutter, jetzt war es mir so, als ob innen was gerissen wär, hat aber weiter
nicht sonderlich geklagt. Am nächsten Morgen war sie tot. Die Ärztin hat einen Darmriß konstatiert. Unser Onkel Albin Hrubesch konnte noch
bei der Ausrichtung der Beerdigung sehr hilfreich sein. Wir faßten es als eine sonderbare Fügung auf, -
Großmutter sagt:" Jetzt kann ich
ruhig Sterben" - und stirbt .
Unser Heimatseelsorger P. Franz Kornherr kam in die Nachbargemeinde Unterroth, aber nur für kurze Zeit, dann wurde er in der Kreisstadt Illertissen als Benefiziat eingesetzt. Bei der Bevölkerung fand er bald ein gutes Vertrauen und konnte so manchen Einfluß nehmen. So auch für meinen Bruder Karl, der ein sehr begabter Zeichner und Maler war. Ihm verschafte er bei einem Holzdrechsler eine Arbeitstelle als Geschenkartikel Hersteller. Dies hat ihm besser zugesagt als die Tätigkeit in der Landwirtschaft. Aber täglich mußte er 7 Km einfache Strecke zu Fuß gehen. Es gab keine Fahrräder zu kaufen.
Mit der Währungsreform im Jahre 1948 war es aus mit dem Geschenksartikelkauf. Nun mußte er wieder eine Arbeitsstelle suchen und das war damals sehr schwer. mit 21 Jahren konnte er den Maler und Tapezierer Beruf erlernen, aber nur zu gleichen Bedingungen wie 14 jährige Entlaßschüler. Das war eine bittere Zeit, mit sehr kar
gem Lohn.
Unser Heimatpriester hat noch mehreren aus unseren Ort zu Arbeitsstellen in Illertissen verholfen. Er war eben ein Seelsorger mit Einfühlungsvermögen und Herzensgüte.
Vom April 1946 bis zum Oktober 1948 war ich in der Landwirschaft tätig ,dann bis Mai 1951 beieiner Grubenholz- Lieferfirma und ab Mai 1951 begann ich in Neu-Ulm eine Umschulung zum Maurer. Der Tag begann um halb fünf Uhr morgens, mit dem Fahrrad nach Illertissen zum Zug um 5,45 Uhr nach Neu Ulm. Für die amerikanische Armee wurde ein großer Kasernen Komplex gebaut, für die Familien der Soldaten Wohnungen. Für unsere Bevölkerung herrschte große Wohnungsnot. Lange Zeit wurde von morgens 7 bis abends 19,OO Uhr gearbeitet um 20,30 Uhr kam ich wieder im meinen Wohnort Bergenstetten. Samstags war von 7,00 Uhr- bis nachmittags 16, 00 Uhr Arbeitszeit.- Es war eine harte, arbeitsreiche Zeit, mit wenig privater Initiative. Dadurch wurde ja aber auch etwas verdient.-
Immerwieder waren die Vertriebenen bemüht und bestrebt, sich untereinander zu treffen oder zu besuchen. Die Bindungen unter den Landsleuten die im ganzen Bundesgebiet, Österreich und darüber hinaus zerstreut wurden, waren und sind noch immer sehr groß.
Ab 1948 begannen die Südmährer sich jährlich in Geislingen zu treffen.
1950 wurde in Stuttgart die Charta der Vertriebenen erstellt, in der unter anderem erklärt wird, das wir auf Haß und Rache verzichten werden.
Mitte der fünfziger Jahre begannen die Vertriebenen, sich eigene Häuser zu bauen.
1956 konnten wir in unser Eigenheim einziehen.
Unser Haus mit dem neuen Putz 1992.
1967. So war es damals.
Ein Bericht von Eduard Bartosch- Jahrgang 1920.
Der Prager Frühling trieb seinen Höhepunkt zu und ein Auto hatten wir auch, so wollten wir unbedingt in unsere angestammte Heimat reisen. Ohne Probleme haben wir bei Znaim die Grenze überschritten. Znaim lag schon hinter uns.
Die alten Lindenbäume auf der Kaiserstraße huschten wie Schatten vorüber, die Fahrt wurde immer schneller, denn es ging ja heim, heim nach 27 Jahren. Mißlitz war schon in Sicht und kurz darauf sah man den roten Turm der Irritzer Kirche. Die Mittagsonne brannte hernieder und das reife Korn am Halm nickte uns millionenfach zum Gruß zu.- Herrliche Heimat- Kornkammer Südmähren. Zu keiner Zeit im Jahr ist es hier schöner, als in den Tagen der Ernte. Jugenderinnerungen wurden wach, Schulzeit, Zeltlager, Burschenschaft und nicht zuletzt die schönen Mädchen vor deren Fenstern wir noch unsere Lieder sangen. Es war Mittag geworden und in Tullnitz wartete man schon auf uns. Der Tisch war reich gedeckt und am Abend waren wir von der Jugend des Hauses nach Damitz ins Bad eingeladen. Am nächsten Tag war Kirchgang angesagt. Wir stopften das Auto voll und fuhren nach Irritz. Mit der Tante meiner Frau als Vorbeterin waren wir 12 Gläubige in dieser großen Kirche. Der Pfarrer kam aus Mißlitz, die Messe war latainisch, die Lieder deutsch musikalisch von Herrn Lössl aus Tullnitz begleitet. So kamen wir gut über die Runden. Vom Tisch des Herrn zurückgekehrt fielen die ersten Tropfen auf die Bank. Wie lange war es her das wir zur Erstkommuniontafel ins Pfarrhaus eingeladen wurden. Die kurzen Kinderbeine baumelten auf den hohen Stühlen und die großen Kinderaugen mochten mehr verschlingen als der kleine Magen bewältigen konnte. Für den Heimweg gab es von "Frl. Lise" a Stanizl mit Backwerk. Das waren so Erinnerungen die unwillkürlich in mir aufkamen. - Als die Messe Zuende war, blieben die Frauen mit dem Pfarrer so zwischen Tür und Angel stehen und sprachen noch einige Worte. Inzwischen sprang die 17 jährige Tochter die Treppe zum Chor hoch, setzte sich an die Orgel und spielte: " So nimm den meine Hände und führe mich." Im Kirchenschiff waren die letzten Töne noch nicht verklungen, da schlich ich mich hinaus und konnte meine Tränen nicht verbergen. Ein Besuch bei Familie Sig
mund gegenüber der Kirche war noch vorgesehen. Wer kannte ihn nicht, den großen hageren Mann. Ein Novum, wenn er mit seinen Rössern und dem Herrn Dechant zu den Schwerstkranken zur letzten Ölung über Land fuhr. Nach dem Mittagessen bei Bekannten der Frau Paula Bartosch aus Tullnitz stand die Besichtigung von Irritz an. Der Himmel war blau, es war als könnte man die ganze Welt umarmen.
Aber es kam ganz anders. Die Judengasse mit dem Jugendheim, der Marktplatz, das Schloß mit seinen üppigen Lindenbäumen waren mir noch in guter Erinnerung. Noch ein kurzes Wegstück und ich war am Ziel meiner Reise. Doch da, eine niederschmetternde Ernüchterung. Das Elterliche Haus gab es nicht mehr. Auf diesen Anblick war ich nicht gefaßt. Ein Schaudern durchfuhr meinen Körper. Als Jüngling sind wir ausgezogen im guten Glauben an eine bessere Zukunft und welch schwere Zeiten mußte ich erleben. I sah wieder Stalingrad vor mir und hörte die Hilferufe, die im Bombenhagel untergingen, Verwundung, Gefangenschaft, Heimatverlust und auch noch mein Vaterhaus. Als meine Augen wieder klarer wurden sah ich erst die schönen Blumen, junge Bäumchen waren gepflanzt. Letztendlich war mir dieser Zustand lieber, als wenn das Haus stünde und fremde Menschen gingen dort ein und aus. Nun blieb noch ein Besuch im Friedhof. Die Fliedersträucher von der Treskowitzerstraße zum Friedhof die immer schön geschnitten waren, gabs nicht mehr. Am Turnplatz daneben den sich die Turner selbst gerodet hat
ten, da sammelten die Bienen fleißig Nektar, vom Unkraut das dort wuchs. Viele frohe Stunden haben wir mit frohem Sport und Spiel, vor allem Schlagballspiel verbracht. Das Schlagballspiel wurde auch ein Opfer der Vertreibung, es wird nicht mehr gespielt. Die Friedhofsmauer ist verlen, von den großen Eisentoren lag eines am Boden, das andere lehnt als Stütze an der Mauer. Unsere Gräber waren vom Unkraut überwuchert, aber wir fanden sie noch. Mit mehreren Gebeten, dankbarem Gedenken verabschiedeten wir uns in großer Ehrfurcht von un
seren Verstorbenen. Müde und abgespannt von den Erlebnissen des Tages kamen wir Abends wieder in Tullnitz an. Am anderen Morgen traten wir die Rückreise an. Von der Kaiserstraße schauten wir nochmals zurück zur Irritzer Kirche und dachten wahrscheinlich " Auf nie mehr Wiedersehen." Lechwitz war für Irritz der nächste Wallfahrtsort , ein Besuch war deshalb vorgesehen. Am Weg zur Kirche trafen wir zwei Klosterschwestern, beim Unkraut jäten. Nach einem kurzen Gespräch holte eine Schwester aus ihrer Rocktasche einen Schlüsselbund und sperrte uns die Kirche auf. Wir waren angenehm überrascht, die Kirche war neu renoviert. Der Vertraute Kirchenraum und die angenehme Kühle tat uns recht gut. Die Glocken mahnten uns wiederholt zum Aufbruch, so setzten wir die Fahrt in die neue Heimat fort. Ergebnis dieser Reise:" Mein Heimweh ist mir gründlich vergangen".
1988 1. Irritzbesuch
Verwüstungen im Irritzer Friedhof.
Am14.5.1988 starteten Albine Mücke, geb. Schlosser, mit ihrem Gatten, meine Frau, unsere jüngste Tochter und ich zu einer Fahrt in die Heimat. Am Grenzbergang Laa mußten wir uns rigoros auf eine anderes Staatsgebilde umstellen. In den meisten Westeuropäischen Ländern wird die Einreise mit einer Handbewegung genehmigt. Hier mußten wir schon vor der Grenze an einem Wachturm halten. Von schwerbewaffneten Zöllnern wurden wurden wir vorkontroliert. Nach einiger Zeit öffnete sich der 1. massive Schlagbaum. an der Grenzstation begann dann die intensive Kontrolle des Fahrzeuges, des Gepäckes und der Papiere. Nachdem auch das Tagesgeld von 30,00 DM pro Person und Tag bezahlt war, öffnete sich der 2. massive Schlagbaum und wir konnten nach einer etwa halbstündigen Kontrollzeit ins südmährische Land einreisen. Wir waren ja sehr gespannt wie es wohl aussehen mag. Auf riesigen Cholchose Feldern sah einzelne oder kleine Gruppen Männer, Frauen aber auch Kinder die Rüben verzogen. Als die Leipertitzer Kirche auftauchte, wir ins Dorf einfuhren, vorbei an der Schule und anderen bekannten Häusern, wurde das Bild schon vertrauter. Unterhalb des Leipertitzer Berges hielten wir an, um einen Blick Gesammtblick auf unser Heimatdorf zu richten. Der harmonische altgewohnte Dorfblick wurde gestört durch die knallrot gesprochenen Kirchtürme und das Kirchendaches. Die Farben passen absolut nicht in die Landschaft. Unser erster weg in Irritz war natürlich zu Sigmund Marie, sie sagte uns, wenn ihr Eure Kronen loswerden wollt dann müßt ihr gleich nach Mißlitz fahren, denn um 10,00 Uhr machen die Läden zu. Also raßten wir nach Mißlitz. Nach unserem Eintritt im Geschäft wurde es geschlossen. Bei der Rückfahrt konnten wir uns dann mehr Zeit lassen. Die schöne Kirschbaumalle an der Mißlitzerstraße ist weg. Wir fuhren vorbei an ehemals eigenen Feldern, wobei intensive Erinnerungen in mir wach wurden. In der Judengasse und am Marktplatz hielten wir an und versuchten uns nach 42 jähriger Abwesenheit zurechtzufinden. Vieles wurde weggerissen, einiges umgebaut manches neu gebaut. Die Kirche war leider verschlossen. \'dcber die Pfarrgasse gingen wir ins Dörfel zu meinem Elternhaus, das leider sehr verkommen ist. In ein anderes uns gehörendes Haus konnten wurden wir eingelassen und konnten die Wohnung und den Hof besichtigen. Es war im guten Zustand . Kinder tollten umher, Kleintierzucht als Nebenerwerb und für den Eigenverbrauch wurde intensiv betrieben. Mit der sprachlichen Verständigung haperte es aber sehr. Das Gebiet der "Schwemm" war für uns damals jugendliche sehr beliebt, dort fand so manches abenteurliche Erlebnis statt. Dieses Gebiet wurde zum Müllplatz umfunktioniert, es stank entsprechend.- Unser Friedhof ist zu einem Ort des Greuels geworden. Die Grabsteine Liegen kreuz und quer, zerschlagen und verwachsen. Eine Gruft war halb geöffnet. Tote stinkende Raben lagen auf Grabsteinen. Beim Hauptkreuz sah man Holzfeuerreste. (Siehe Foto Friedhof Irritz 1988) Der Grabstein der Familie Sabata aus Tullnitz der stand noch, alle anderen waren umgeworfen. Bis 1965 haben auch die Tschechen ihre Verstorbenen in unseren Friedhof beerdigt. Ab 1965 wurde von den Tschechen ein neuer Friedhof an der Straße nach Dornfeld angelegt. Bis dahin verstorbene Tschechen wurden angeblich in den neuen Friedhof umgebettet. - Daß das aufgegebene Friedhofsgelände verwächst ist natürlich, ist natürlich. Das aber die Gräber systematisch geschändet wurden, stimmt uns betrüblich.
Zum Mittagessen hatte uns Sigmund Marie in Irritz eingeladen, dabei schlug sie uns einen Besuch des Schlosses in Eisgrub vor, wozu wir freudig bereit waren, da wir ja mit ihr eine sprachkundige Person dabei hatten. Ich kann mich noch gut an die lebhafte Begeisterung der älteren Jahrgänge erinnern, die diese nach nach dem Besuch des Eisgruber Schlosses nach einem Schulausfluges hatten. Durch die Kriegszeit bedingt kam der Jahrgang 1929 und jüngere nicht mehr in den Genuß von größeren Schulausflügen. Dies war uns eine gute Gelegenheit das damals versäumte nachzuholen. Zudem kam ich in die nähe der der Pollauer Berge, zu denen ich in meiner Jugendzeit oft voll Sehnsucht blickte. Schloß Eisgrub gehört zu den meist besuchtesten Denkmalsobjekten der tschechischen Republik. Sein heutiges Gepräge erhielt es in den Jahren 1846- 1858. es gibt herrliche Schnitzereien, Stuck, Marmor, Metallgießer, Glas, Glas, Porzelan und Steinmetzarbeiten zu sehen. Eisgrub befand sich über 700 Jahre im Besitz der Grafen Lichtenstein. Die deutschen Spuren sind im Schloß noch vielfach sichtbar. Bei der Führung wurde aber nichts erwähnt, das es ursprünglich deutsches Eigentum war. \'dcber Pohrlitz, Frainspitz, Dornfeld fuhren wir nach Irritz zurück, durch die Felder und Fluren die vom Schweiße unsere Vorfahren getränkt waren. Nach einer kleinen Stärkung nahmen wir dankbar Abschied von Marie Sigmund und ihren Töchtern, denn bei Herrn Clemens Sabata und seiner Tochter Martha hatten wir noch einen kurzen Besuch geplant, der dann aber doch recht lange dauerte. Nachdem ich hier unteranderem auf die Kirche auf die Kirche zu sprechen kam, sagte Herr Sabata, er habe den Schlüssel von der Sakristei. Er erbot sich uns die Kirche von innen zu zeigen. So kamen wir um 20,00 Uhr doch noch in unsere Kirche, was für mich als langjähriger Ministrant und Teils auch Meßnerstellvertreter, zum Höhepunkt unseres Irritz Besuches wurde. Der Innenraum der Kirche wurde wie in den hiesigen Kirchen auch , der Nachkonziliaren Zeit angepaßt. Das Kommuniongitter und der Hochaltar wurden entfernt und ein zum Volk gerichteter Altar erstellt. Dazu wurde der künstlerisch wertvollere heilig Grab Altar in der Apsis aufgestellt. Teile des ehemaligen Hochaltares standen im Presbytorium. Die beiden Seitenaltäre wurden auch abgebaut. Vom Marienaltar wurde ein Durchgang zum Presbytorium geschaffen. Das \'d6lgemälde des Hochaltares mit der Mutter Anna unserer Kirchenpatronin, Joachim und der hl. Maria als Kind, sowie bedeutende Statuen des Hochaltares wurden im vorderen rechten Seitenschiff angebracht. Wir sangen noch einige Lieder und bedankten uns bei Herrn Sabata recht herzlich, das er es uns noch ermöglichte, die Kirche zu besuchen. Ich würdigte auch seinen außerordentlichen Einsatz, den er für die Kirche geleistet hat und noch leistet. Unser Zeitplan kam arg durcheinander, um 18,00 Uhr dachten wir, Wolfram Sofie in Drasenhofen zu besuchen, und dann wurde es 21,30 Uhr bis wir zu ihr kamen. Recht schnell verging die Zeit dieses Erlebnisreichen Tages, dessen Stunden nicht ausreichten, ein neuer Tag wurde noch begonnen, ehe wir recht dankbar und froh über die Begegnungen mit lieben vertrauten Menschen zum Abschied nehmen kamen.
1992, Gemeinschaftsreise nach Irritz
( Bild mit den drei zelebrierenden Priestern 1992 Irritz- von links P. Milo Ambros, -P. Anton Homer- Moskowitz u. Pf. Anton Beranek Mißlitz.)
Gottesdienst. P. Homer wies in seiner Predigt darauf hin, das uns die Gottesmutter unter ihrem Schutz und Schirm genommen und uns geholfen habe, viel schweres zu ertragen. Die Lesungen wurden vom Ortspfarrer in tschechischer Sprache vorgetragen, die Fürbitten von Frauen in deutsch und tschechisch. Die Hostien zum Kommuniongang reichten beiweitem nicht aus, sodass P. Milo Ambros Mühe hatte beim Brotbrechen, um alle am Opfermahl teilhaben zu lassen. Bravorös sang Marianne Brandl- Zirngibel die Tochter von Edith Salomon das "Ave Maria von Mozart"; an der Orgel wurde sie von einer befreundeten Musikstudentin begleitet.
Für Josefine Sofka (Gall) war es ein bewegender Tag, als sie nach 46 Jahren wieder auf unserer Orgel spielen konnte, wie sie es in ihrer Jugend bei allen kirchlichen Anlässen meisterhaft getan hatte.-
Mit dem Lied " Großer Gott " endete der Gottesdienst. Hofrat Josef Gall dankte den Priestern für die gemeinsame Meßfeier und richtete folgende kurze Worte an die jetzigen Bewohner. " Wir sind nicht gekommen, um Euch etwas zu nehmen, aber ihr sollt wissen, das dies unsere Heimat war und noch ist. Wir sind hier geboren und haben hier gelebt. Unsere Vorfahren haben dieses Land, das wir immer noch lieben, in Jahrhunderten geprägt. Hofrat Gall erinnerte an Vieles aus der Vergangenheit mit dem wir unlöslich verbunden sind.
Frau Marie Vedrovcowa (Sigmund ) richtete an uns einen herzlichen Wilkommensgruß in der Heimat und ein Grüß Gott in diesem Gotteshaus, das einst Zentrum unseres Glaubens war. Die Meßfeier mit den altvertrauten Liedern und Menschen wurde auch für sie zu einem besonderen Erlebniss und einen Tag der Freude.
Der Ortsbetreuer von Irritz Josef Bauer, begrüßte ebenfalls alle Anwesenden recht herzlich, besonders alle Landsleute, die so zahlreich zum 1. Gottesdienst nach 46 Jahren in die Heimat gekommen sind. Er dankte den Priestern für die Meßfeier und allen Akteuren, die mithalfen, den für uns denkwürdigen Gottesdienst schön und feierlich zu gestalten. Ein besonderer Dank galt Hofrat Josef Gall der uns von Anfang an mit Rat und Tat unterstützte. Oft ist er von Wien nach Irritz gefahren und hat vor Ort Vorbereitungen getroffen und vieles in die Wege geleitet.
Ein ganz besonderer Dank galt auch Herrn Clemens Sabata. Er hat in politisch schwerer Zeit, für die Kirche sehr viel getan. Er war anderen Stütze und Halt, obwohl er selbst des öfteren einer starken Stütze bedurft hätte. Die Kirche hat in der Nachkonziliaren Zeit viele Änderungen erfahren. Wir können nur erahnen, was für ihn als Kirchenpfleger an Aufgaben, Sorgen und Arbeit angefallen ist.
Unsere Kirche wurde 1902 erbaut und der Heiligen Mutter Anna geweiht. Blick zum Hochaltar 1942.
- Der Altarraum 1992 mit dem ehemalige Heilig Grabaltar.)
Als kleinen Dank für sein mannhaftes eintreten für die Kirche und für seine Unterstützung den heutigen Tag betreffend überreichte der Ortsbetreuer Herrn Sabata eine schöne Kerze mit der Aufschrift " Pfarrgemeinde Irritz- 1992."
Blick zum Hochaltar 1992
Herzlich Willkommen hieß uns dann auch Herr Sabata. Er war sichtlich erfreut über den so zahlreichen Besuch- etwa 350 Personen und über die Gottesdienst Gestaltung.
Zur Geschichte der Kirche sagte er, das sie 1968 renoviert und umgestaltet worden sei. Dabei wurde der bis dahin künstlerisch sehr wertvollere Hl. Grab Altar von ehemals hinten rechts, nun nach vorne als Volksaltar aufgestellt. Nach dem Lied" Milde Königin gedenke" zogen wir aus der Kirche aus.- Nun galt es viele zu begrüßen, viele hatten sich schon jahrelang nicht mehr gesehen. Für viele war es die erste Begegnung mit der Heimat nach der Vertreibung.
Zum Mittagessen wurden wir in das schöne , neue Genossenschaftshaus eingeladen. in kurzer Zeit wurden 170 Essen ausgeteilt wozu südmährischer Wein gereicht wurde. Nachmittags wurde Irritz besichtigt, wobei einige von den jetzigen Besitzern eingeladen wurden. In den Gärten blühte es zum Teil recht üppig. Kinder ernteten schon reife Kirschen. Je nach den Bewohnern sind einige Häuser gut instand und andere sehr verwahrlost. Im großen und ganzen sieht Irritz nicht so verkommen aus als zum Beispiel Damitz oder andere Orte der Umgebung. Die Friedhofsschändung erfüllte uns mit Bitterkeit. Vor der Abreise ging eine Gruppe nochmals in die Kirche um zu singen und zu beten.
Bei Marie Sigmund herrschte Hochbetrieb. Sie hatte sich mit ihren Töchtern viel Arbeit gemacht, um uns mit Irritzer Spezialitäten zu versorgten. In Dornfeld holten wir mit dem Omnibus noch eine Mitreisende ab, wobei wir die Fluren in dieser Richtung betrachteten und die Flurnamen nannten. Die Früchte standen gut, unwillkürlich wurden wir daran erinnert, welch fruchtbares Land wir verlassen mußten. In Dornfeld wurde nicht soviel verändert. Das Dorfbild fand Anklang. Den an Eindrücken reichen Tag ließen wir beim Kirchenwirt in Maria Dreiechen ausklingen.
Einer alten Tradition gemäß pilgerten jedes Jahr an Pfingsten Angehörige der Pfarrei Irritz und andere Südmährer nach Maria Dreieichen in Niederösterreich. Die einfache Wegstrecke betrug von Irritz 75 Km. Diese Fußwallfahrten waren nicht zur Erholung, eher zur Buße, denn diese 150 Km wurden in 4 Tagen zu Fuß zurückgelegt. Ein Pferdefuhrwerk beförderte den Proviant und eventuelle Fußkranke.
Ein Teil der Wallfahrer an den Stufen vor der Basilika in Maria Dreieichen
Diese Tradition setzen nun die weit zerstreut lebenden Südmährer offiziell am 1. Sonntag im Mai mit einer Südmährer Wallfahrt fort. Aber nicht nur da, sondern immerwieder zieht es unsere Landsleute zu diesen bedeutenden, innigen, vertrauten Gnadenort hin, von dem schon viele, Trost und Hilfe erfuhren. So hielten auch wir eine Dank und Bittwallfahrt am Vormittag des 31.5.92.
In eigener Sache: Ich, der Webgestalter, ging 2000 den Weg von von Damitz nach Dreieichen zu Fuß, 3 Tage für den einfachen Weg. Interessenten können das nachlesen unter Dreieichen . g.h.
Nachmittags besuchten wir das im klassizistischem Stil umgebaute, hoch erhaben auf einen Felsen thronende Schloß in Frain, ein weiterer Glanzpunkt Südmährens. Sehr beeindruckt waren alle vom mächtigen Stausee, der in den Jahren von 1930- 1936 nach den Plänen des Frainer Ingenieurs Ferdinand Schmid erbaut wurde und die Thaya bis auf 32 Km zurückstaut. Der Staudamm gehört mit zu den größten Mitteleuropas. Der Abend beim Kirchenwirt wurde dann noch recht lang.
Am nächsten Tag wurden wir vom Wallfahrtspfarrer P. Robert Bössner mit einem Gottesdienst, einer kurzen Ansprache und den Reisesegen von Maria Dreieichen verabschiedet.- In diesen fünf Tagen wurde die heimatliche Gemeinschaft wieder viel enger. Wir haben viel Schönes und Frohes erlebt. So manches südmährisches Dialektwort haben wir wieder gehört, das schon in Vergessenheit geraten war. Allen Teilnehmern wird diese Fahrt immer in guter Erinnerung bleiben.
Weniger gut fanden wir: Vor dem Messebeginn in Irritz am 30.5.92 begaben sich Herr Hofrat Josef Gall und der Ortsbetreuer Josef Bauer in die Sakristei und baten den zuständigen tschechischen Ortspfarrer Anton Beranek, er möge die zu erwartenden hohe Spenden bei der Opferung für die Irritzer Kirche verwenden. Gespendet wurde sehr viel. Wir erfuhren und sahen hinterher aber nichts von einer Verwendung für die Kirche.
Da der Irritzer Friedhof sehr verwüstet und geschändet wurde, äußerten wir den Wunsch in der Irritzer Kirche eine Gedenktafel für die in der Heimat verstorbenen Landsleute anbringen zu können. Eine Gedenkstätte am Friedhof schien wegen der Schändungen unangebracht. Für die Gedenktafel war folgender Text in deutsch und tschechisch vorgesehen:
UNSERE TOTEN MAHNEN UNS -VERGESST UNS NICHT.
Die deutschen Bürger der Gemeinden Irritz, Damitz, Tullnitz und Dornfeld gedenken ihrer Verstorbenen, die seit Jahrhunderten hier gelebt haben und bis zur Vertreibung im Jahre 1946 zur Pfarrgemeinde Irritz gehörten.
Einige der jetzigen tschechischen Kirchenbesucher waren unseren Vorschlag wohlwollend gesinnt und boten auch einen schönen Platz in der
Kirche an.
An einem Sonntag im August 1993, nach der Meßfeier gab es dann aber im Beisein von Hofrat Josef Gall aus Wien vor der
Kirche zu argen Streitgesprächen und dann auch zu einer ablehnenden Haltung.
Es wurde auch bekannt das der zuständige tschechische Pfarrer nur widerwillig der deutschen Meßfeier in unserer Kirche zugestimmt hat.
- April 1994.- Die jetzigen Bewohner seien nur für eine Gedenktafel im christlichem Sinne ohne politischen Hintergrund. Wir haben schon öfters
gesagt, das Wort Vertreibung könnte man ja streichen, aber das unsere Heimat schon seit Jahrhunderten deutsch war, sollte ersichtlich sein.-
( Es hat den Anschein, man will nicht an Untaten erinnert werden.)
Viele Irritzer haben mir geraten, unter diesen Umständen weiter nichts
zu unternehmen. Es wird auch wenig Sinn haben auf dem Umweg und über einen Druck vom Bischof die Gedenktafel anbringen zu lassen.
Der Bischof ist weit weg und wenn die Gedenktafel den Bürgern ein Dorn im Auge sind, könnte sie bald wieder entfernt werden.
Wenn die Einwilligung nicht im freiwilligem Entgegenkommen geschieht, dann lieber nicht.-
Dank sei Herrn Hofrat Josef Gall aus Wien gesagt, für seine vielen Mühen und auch Unannehmlichkeiten, die er für die Gedenktafel auf
sich genommen hat.
Geislingen
Im Jahre 1949 hat sich die Stadt Geislingen bereit erklärt für die Heimat Vertriebenen Südmährer die Patenschaft zu übernehmen. Seit dieser Zeit treffen sich die Südmährer am 1. Wochenende nach den großen Schulferien im Sommer zu einem gemeinsamen großen Gottesdienst, zu einer Kundgebung und zum persönlichem Treffen der weit in der Bundesrepublik in Östrerreich und anderen Ländern verstreut lebenden Landsleuten. Diese und andere Treffen mit vertrauten Menschen aus der Heimat, die gleiches erlebt und gelitten haben, ist irgendwie anders, als Begegnungen mit Menschen der jetzigen Umwelt.
Irritzer beim Südmährertreffen in Geislingen 1996.
In meiner Jugendzeit, in der jungen Familienvaterzeit, während des Berufslebens kam es mir gar nie so in den Sinn, als nun, da ich selber ins Alter komme, was unsere Eltern und vor allem die Mütter in unserer Vergangenheit geleistet haben.
Der 1. Weltkrieg mit dem Verfall der Österreich - ungarischen Monarchie, die Tschechenzeit, der 2. Weltkrieg mit seinen Beschwernissen, die Kampfzeit zum Kriegsende, die russische Besetzung mit Vergewaltigungen, die Zeit der totalen Entrechtung und Enteignungen in den Jahren 1945-46, die Vertreibung mit minimalem Gepäck, mit kleinen Kindern und alten Leuten,- meist getrennt von den Vätern,- in eine ungewisse Zukunft gedrängt, anfangs zum Teil von der einheimischen Bevölkerung nicht geachtet, sie konnten es sich nicht vorstellen, das wir selbst einst Besitzende waren und das man uns alles geraubt hat. -
Ich neige mein Haupt in Ehrfurcht vor den Müttern jener Zeit, sie haben unsagbar viel geleistet, durchgestanden und erleiden müssen.
Die Regierungen jener Zeit haben eine ungeheure Schuld auf sich geladen, nicht nur Hitler, ebenso auch Masaryk, Benesch und viele andere. Bei der Staatsgründung der 1.Tschechischen Republik versprachen die verantwortlichen Politiker einen Staat nach dem Muster der Schweiz aufzubauen. Tatsächlich aber wurde die deutsche Bevölkerung als 2. größte Volksgruppe systematisch unterdrückt, von Hitler 1938 bei der Angliederung an das Deutsche Reich nicht befreit, sondern missbraucht. - Von einigen unseren derzeitigen Politikern wundert es mich, mit welchem Eifer und Einsatz diese, sich für die ausländischen Geschädigten einsetzen. Wo aber ist das Rechtsbewußtsein unserer Politiker im Falle der unmenschlichen Vertreibungen? Grausam und brutal wurden über 240 000 unschuldige Menschen von Tschechen zu Tode geschunden, nur weil sie Deutsche waren. Wenn heute noch 80 % der Tschechen sagen, die Vertreibung war richtig und rechtens, da schweigt die deutsche Öffentlichkeit und Europa mit.
Den Vertriebenen wird eine Kollektivstrafe für eine nicht begangene Kollektievschuld auferlegt.
Die Vertreibung der Deutschen als Kriegsfolge darzustellen, widerlegte Eduard Benesch am 3.6.1945 bei einer Kundgebung in Tabor selbst, als er sagte: " Was wir schon1918 durchführen wollten, erledigen wir jetzt. Damals schon wollten wir alle Deutschen abschieben. Deutschland war aber noch nicht vernichtet und England hielt uns die Hände..."
Die Ignorierung des Vertreibungs- Unrechtes durch unsere Politiker, vorallem des EU Kommisar Günther Verheugen ist für die Erlebnisgeneration bitter und von den Politikern unverantwortlich. Durch die Legalisierung von Mord und Totschlag, wird die Aufnahme Tschechiens in die EU, ohne "Wenn und Aber" zum erneuten Rechtsmißbrauch.
Schilderungen über harte Zeiten während des Hilterregiems im Protektorat zwischen 1939 -1945 widerlegt der tschechoslowakische Offizier F.O.Miksche in seinem Buch auf S.59. - Übrigens haben die Tschechen trotz des Verlustes ihrer Selbständigkeit 1939 während des zweiten Weltkrieges besser gelebt als später unter der Zeit der Kommunisten. Ihr Land wurde von Bombenangriffen verschont. Sie mußten keinen Militärdienst leisten. Ihre Industrien, von Deutschen weiter ausgebaut, arbeiteten auf Hochtouren für Hitlers Kriegsmaschinerie. Im Bereich wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Dritten Reich lagen die Tschechen an zweiter Stelle hinter den Belgiern. Nie seither kassierten tschechische Arbeiter so hohe Löhne wie in Hitlers Protektorat, während sich die Bauern am Schwarzmarkt bereicherten. Die Verpflegungslage war besser als im Reich und die Zahl der politisch Verfolgten im allgemeinen nicht größer als in Deutschland selbst."
Lügen, Haß und Übertreibung scheinen aber in Deutschland mehr zu beeindrucken als die Wahrheit.
Anmerkung zum Schluß
Diese Schilderungen sollen keine Aufrechnung oder Gleichsetzung mit dem Holocaust sein. Die Information soll dazu dienen, den Mißhandelnten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sie dient auch dem Verständnis der Einheimischen und der jüngeren Generation für die Zeit ihrer Eltern und Großeltern und deren Beweggründe und Verhaltensweisen, die vielen unbeteiligten manchmal unverständlich erscheinen. Sie sollen auch Aufzeigen mit welchen Schwierigkeiten wir konfrontiert waren und was wir zu ertragen hatten.-
Zudem soll es eine Ergänzung und Weiterführung unseres Irritzer Heimatbuches sein, das im Jahre 1975 von den Herren Edmund Sofka, Anton Huber und Franz Reimann erstellt wurde.
Im Mai des Jahres 2001
Josef Bauer
Remigius Vollmann Straße 14 -
89257 Illertissen.
Bilder Josef Bauer und Pfarrer Franz Kornherr.
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