TULLNITZ


 

Inhaltsverzeichnis

 


    GELEITWORT
    JAKOB MÜHLHAUSER ZUM GEDENKEN
         Quellennachweis
    DAS TULINITZER GEMEINDESIEGEL
    TULLNITZ - VORWORT
    DAS DORF TULLNITZ
    SEIT WANN IST TULLNITZ DEUTSCH?
    DOLANUS 1584
    DER 3OJÄHRIGE KRIEG 1618 - 1648
         Nach dem Kriege
         Bewohnerschaft während des 30jährigen Krieges
         Die Rekatholisierung
    NONNENABTEI MARIA SAAL
    ÖDUNG TOLLNITZ
    KASCHNITZ VON WEINBERG
    GRAFIN PACHTA VON REYHOFEN
         Aus der Familiengeschichte der Pachta
    HERZOGIN ZU SCHLESWIG-HOLSTEIN
    ZU FÜRSTIN VON FÜRSTENBERG
    TULLNITZ 1794
    BESITZER VON TULLNITZ 1200 BIS 1848
    DAS ALTESTE TULLNITZER GRUNDBUCH
    DIE JAHRE 1820 BIS 1848
    BIS ZUM KRIEGSJAHR 1866
    KAISER JOSEF II
    DIE EISENBAHN
         Der Bahnbau und dessen unerwartete Folgen
    LIEBITZFELD
    DAS HINTERBERGENFELD
    SCHLOSS UND MEIERHOF
    DIE AUFLÖSUNG DES TULLNITZER HOFES
    UNSERE KAPELLE
    DIE GROSSE LINDE
    DER ERSTE WELTKRIEG 1914 - 1918
    DIE TSCHECHOSLOWAKEI
        DIE EREIGNISSE DER LETZTEN MONATE VOR DEM ANSCHLUSS AN DAS REICH 1938
    DER ZWEITE WELTKRIEG
    DIE LETZTEN WOCHEN VOR DER FRONT
    DIE RUSSEN KOMMEN
    DIE TATIGKEIT DER PARTISANEN IM ORTE
    DIE SCHRECKEN DER VERTREIBUNG
    Rückblick
    EHRENTAFEL DER GEFALLENEN
     Die Opfer des Zweiten Weltkrieges 1939 - 1945
    VON 1867 BIS ZUM 2. WELTKRIEG
    DIE GESCHICHTE UNSERER SCHULE
    AKADEMISCHER MALER KARL POSPISCHIL
    DAS VEREINSWESEN IM DORFE
    ORIGINALE
    UNSERE GEMARKUNG
    DAS UNTERIRDISCHE TULLNITZ
    TULLNITZ RüBENVERLADESTATION
    RELIGIöSE WAHRZEICHEN UM 1930 IN TULLNITZ
    BÜRGERMEISTER VON TULLNITZ von 1792 bis 1945
    GESCHAFTSLEUTE UND HANDWERKER
    KINDERSPIELPLATZE, SPIELE, BRAUCHTUM
    ORTSPLAN
    VERSTREUT IN ALLE WINDE!



GELEITWORT

Vergiß die Heimat nie, wo einstmals Deine Wiege stand

Wir alle, denen die Heimat noch in Erinnerung ist, denken wehmütig an sie zurück. Den kommenden Generationen wolIen wir in unseren gemeinsamen Heimatbuch die Erinnerung an unsere Heimat wach halten.

Schon länger als 2 Jahrzehnte ist mein Bemühen, das Gedenken an unsere Heimatgemeinde Dollnitz, so wurde sie im Volksmunde genannt, zu bewahren und zu erhalten. Das Lebenswerk, die Geschichte von Tullnitz von Jakob Mühlhauser, wird in schlichten \Vorten umseitig geschildert. Dieses zu erhalten, scheute ich keine Mühe und Auslagen. Schon greifbar, wurde die Ortsgeschichte, wie umseitig erwähnt, den Tschechen verkauft. Ich habe durch eine Vermittlung den neuen Besitzern, den Tullnitzer Tschechen, eine vierstellige Summe in DM geboren, sie lehnten das Angebot rnit der Begründung ab, das Buch sei ihnen viel zu wertvoll, um es zu verkaufen.

Nun habe ich durch eine heimatverbundene, hilfsbereite Familie, die nicht genannt werden will, eine Fotokopie der vorhandenen Unterlagen des Heimatbuches nur gegen Ersatz der Auslagen erhalten. Dieser Familie sind wir sehr dankbar.

Für Tullnitz alleine eine Ortsgeschichte herauszugeben, hat schon Jakob Mühlhauser wegen der geringen Bezieherzahlen als aussichtslos erklärt. Deshalb wurde der Beschluß gefaßt, eine gemeinsame Ortsgeschichte der 3 Gemeinden zu erstellen. Nur schwierig war es für mich und den Mitarbeiter Franz Janosckek, den Inhalt von 280 Blättern auf 60 Seiten zu beschränken. Wir haben ferner eine Vereinbarung getroffen, wenn 2 Gemeinden den gleichen Bericht bringen, einer ganz kurz gehalten wird, der andere ausführlicher gegeben wird. Es wird daher ersucht, die Ortsgeschichte aller 3 Gemeinden als Ganzes zu betrachten

Ich hoffe, daß es uns gelungen ist, durch das Heimatbuch in bescheidenem Maße dazu beizutragen, unter unseren Landsleuten das Andenken an die Heimat zu bewahren.

Beuten-Balzholz, im Februar 1975

Johann Tiltscher

JAKOB MÜHLHAUSER ZUM GEDENKEN

Bevor wir beginnen, ans der Geschichte unseres Heimatortes einen Beitrag zu einer gemeinsamen Ortsgeschichte zu schreiben, wollen wir eines Mannes gedenken, den wir Dank schulden.

Herr Jakob Mühlhauser, ein Kind unseres Dorfes, geboren 1883 in Tullnitz, seines Zeichens Goldarbeiter, hat ans Idealismus und Heimatliebe in 10 Jahren mühevoller Arbeit, alle seine freie Zeit und verfügbaren Geldmittel dazu verwendet, die Geschichte unseres Heimatdorfes vorn Anfang an zu erforschen. Der Genannte saß wochenlang in Probitz und durchstöberte das ganze Herrschaftsarchiv, das ihm in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt wurde. Er suchte im mährischen Landesarchiv in Brünn, war im erzbischöflichen Archiv in Kremsier, in verschiedenen Archiven in Wien, tagelang im Grundbuchamt in Mährisch-Kromau, in den Pfarrämtern von lrritz, Treskowitz, Frischau und Mißlitz und diversen anderen Stellen. Es würde zu weit führen, hier alle zu nennen. Der lezte Bürgermeister in der Tschechei, Franz Janoschek, gab Mühlhauser einen namhaften Betrag und ich als Nachfolger gab auch eine von der Gemeinde bewilligte Summe und eine persönliche Spende dem Ersteller zur Fortführung seiner Arbeit. Um die Jahreswende 1944/45 war das Heimatbuch fertig. Es hatte 350 Seiten und war von Hand geschrieben.

Jakob Mühlhauser wollte der Gemeinde das Buch in Obhut geben mit dem Bemerken, daß es der Ortsbevölkerung zugänglich ist und weitergeschrieben wird. Bei der Übergabe des Heimatbuches sollte Herr Mühihauser zum Ehrenbürger der Heimatgemeinde Tullnitz ernannt werden. Durch die Kriegsereignisse der letzten Wochen kam es nicht mehr zu dieser Handlung. Jakob Mühihauser verstarb 1950 in Wien.

Der weitere Weg des Heimatbuches: Dasselbe lag nun in Wien bei der Lebensgefährtin von Mühlhauser. Von dieser Frau kaufte ich das Heirnatbuch mit der Vereinbarung „Abholung bei Erlegung des Kaufpreises". Das Geld wurde von einigen Idealisten aufgebracht. Das Buch sollte nah Geislingen in die Landschaftsbücherei kommen und allen Tullnitzern zugänglich sein.

Währcnd dieser Zeit hatte eine in Wien lebende Tullnitzer Familie das Heimatbuch unter falschen Angaben von dieser Frau abgeholt und den Tschechen nach Tullnitz verkauft.

Diese Handlung wird von allen nationalbewußtcn Tullnitzern auf das schärfste verurteilt. Johann Tiltscher

 

Quellennachweis

Ortsgeshichte Tullnitz von Jakob Mühlhauser (Manuskript)

Cndex diplomaticus et epistolaris Maraviae II pag 357

Mährisches Landesarchiv Landtafel

Erzbishöfliches Archiv in Kremsier

Thomas Wolny Kirchliche Topographie von Mähren Band II

Shwoy Topografle von Mähren

Frischauer Herrschaftsarchiv Band III Seite 149

Irritzer Pfarre und Taufmatrik

Treskowitzer Pfarr-Matrik

Bezirkshauptmannshaft Mährisch-Krornau.

Alle nichtgezeichneten Beiträge stamrnen von Herrn Jakob

Mühlhauser, Verfasser der ersten Ortsgeschichte.

Alle mit T gezeichneten Beiträge sind von jetzigen Mitherausgeber des Heimatbuches Teil Tullnitz.

Allen Landsleuten wird für die Beantwortung von Anfragen ihrer Mithilfe gedankt.

 

DAS TULLNITZER GEMEINDESIEGEL

Das erste Siegel:

Das älteste Gemeindesiegel soll aus dem Jahre 1680 gestammt und im Mittelfeld eine Kuh gezeigt haben. Es soll in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts noch vorhanden gewesen sein. Dies sagte Altbürgermeister Wenzel Janoschek aus.

Das zweite Siegel:

Das zweite Gemeindesiegel war noch vorhanden. Es stammte aus dem Jahre 1707 und zeigte im Mittelfeld die Symbole der Gemeinschaft, der es diente: eine Pflugschar und Weinmesser, nämlich einer Gemeinschaft von Bauern und Hauern, Die Umschrift auf diesem Siegel lautete:

Gemein Sigil Dariff Tolnitz 1707.

Das heißt: Gemeindesiegel Dorf Tolnitz 1707. Früher wurde vielfach für ein o ein a geschrieben.

Das dritte Siegel

Dieses Siegel dürfte, nach den Urkunden, auf denen es gefunden wurde, um das Jahr 1848 im Gebrauch gewesen sein. Es hatte ovale Form und trug die Beschriftung. „Gemeinde Tullnitz" ohne Jahreszahl.

Das vierte Siegel:

Dieses 4. Siegel wurde Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts angeschafft und es trug die Inschrift:

„Gemeindeamt Tullnitz, Pol. Bez. Mähr. Kromau".

Das fünfte Siegel

Das fünfte Siegel wurde im Jahre 1919 beschafft. Es war zweisprachig und wurde bis 1939 verwendet. Der Text war folgender:

Gemeinde Tulluitz

Obecny ur'ad»

Das sechste Siege!:

Dasselbe wurde Ende 1938 angefertigt und vom Anschluß ans Reich bis 7. Mai 1945 verwendet. Es trug die Inschrift:

Bürgermeisterarnt Tuilnitz, Kreis Znaim

Es wird wohl das letzte deutsche Siegel der Gemeinde Tullnitz gewesen sein.

TULLNITZ - VORWORT

Erste urkundliche Erwähnung im Jahre 1239.

Schreibweise des Namens. 1239 Podolic, 1530 Dolnitz, Kloster Bruck, 1584 Dolanus, Pfarramt Irritz, 1635 Dollnitz, 1650 Tollnitz, 1680 Tollnitz; Burggrafenamt Frischau 1729 Tullnitz.

Tullnitz Dorf liegt 26,5 km nordöstlih von Znairn, an der Bahnlinie Brünn - Grußbach - Wien. Wird begrenzt im Süden von den Gemeinden Moskowitz, Odung Liebitz und Frischau, in Osten von Leipertitz, im Norden zum Teil von Kaschnitzfeld, das Gemeindegebiet sonderbarerweise um den Ort herum von Westen, Norden, Osten und teilweise auch von Süden von Damitz begrenzt, ist wohl ein seltenes Vorkommnis. Es entstand durch die lange Verödung von Tullnitz. Tullnitz hatte 1939 99 Hausnummern und 402 Einwohner. Die Ortschaft liegt an einem Nordhang. Die Felder dieses Hanges waren früher Weingärten, nach 1900 gab es nur noch vereinzelt welche. Dafür gab es viele Kirschen-, Sauerkirschen-, Marillen- (Aprikosen-) und Pfirsichbäume.

Die andere Fläche war ganz eben und diente dem Ackerbau. Zur Hälfte tiefgründiger Boden, guter Weizen- und Rübenboden, die andere Hälfte war sandiger Boden und weniger gut.

Kapelle und Schule: letztere wird seit Gründung unter „Geschichte unserer Schule" behandelt. Die Kapelle wurde von Johann Baptist Kaschnitz, Ritter von Weinberg, im Jahre 1714 erbaut und 1716 ihrer Bestimmung übergeben.

Die Fürstin Maria Gabriela von Fürstenberg soll den Altar hierzu gestiftet haben. Die Kapelle wurde zur Erhöhung des hl. Kreuzes geweiht und zum Kirchweihfest eine hl. Messe gelesen. Auch die Hochzeitspaare ließen sich in der Kapelle trauen und an Wochentagen wurde auf Wunsch des öfteren eine Messe gelesen.

DAS DORF TULLNITZ

Der Name unseres Dorfes

Tullnitz trägt einen Namen, der sich auf seine örtliche Lage bezieht. Wenn wir uns nun mit ihm befassen, so müssen wir den heutigen deutschen Namen - da er nicht ursprünglich ist - außer Betracht lassen. Den ursprünglichen Namen verrät uns vor allem der untrügliche Volksmund. Er kennt im Orte selbst wie in der ganzen Umgebung nur ein „Dolnetz". Ebenso künden ihn die alten Urkunden. Die Schreibweisen dieses Namens von der ältesten Zeit bis in eine junge Vergangenheit sind sehr verschieden, sind aber trotz ihres verschiedenen Schriftbildes nichts weiter als Entsprechungen des einen mundartlichen Ausdruckes.Tullnitz-Dorfstraße

Dieser Name nun ist slavischen Ursprunges. Seine Deutung schlechthin macht keine Schwierigkeiten. Der Ortsname wird bis ins 18. Jahrhundert nur Dolnitz, slavisch Dolnice, geschrieben, das auf das altslavische Wort „dolirnci" zurückgehen kann. Ortsnamen mit der Stammsilbe „dol" gibt es viele, die Endungen können verschieden sein. „dol" bedeutet ein Tal, eine Niederung, das Unten-Liegende, eine Vertiefung. Wir könnten unseren Namen also etwa mir Unterdorf oder Niederdorf usw. deuten oder verdeutschen. Dem Sinne nach wären alle richtig.

Schürft man jedoch tiefer, so befriedigen diese Deutungen nicht ganz. Besonders dann nicht, wenn man die auf die Bewohner bezügliche altslavische Mehrzahlform ,,ici" in Betracht zieht, nämlich ,,dolinici". Dies würde etwa die ,,Unteren" heißen und irgendwelche „Obere" als Gegensatz zur Voraussetzung haben, wovon aber in einem weiten Umkreise keine Rede sein kann.

Trotzdem hätte ich mich mit dieser Deutung bescheiden müssen, wenn mir nicht bei meinen in dieser Richtung gepflogenen Forschungen eine Entdeckung gelungen wäre. Als ich mich mit dem Studium mährischer Urkunden des 12. und 13. Jahrhunderts befaßte, stieß ich auf einen längst verschollenen Ortsnamen in unserer Gegend, mit dem die zünftige Geschichtsforschung nichts anzufangen weiß. Ich fühlte da einen Zusammenhang mit unserem Ort, forschte eifrig in dieser Richtung weiter, und heute bin ich der festen Überzeugung, daß ich es hier mit dem Vorläufer unseres Dorfnamens bzw. mit der ursprünglichen Bezeichnung unseres Dorfes oder eines an seiner Stelle bestandenen, später verödeten Dorfes zu tun habe, dessen Name in unserem heutigen Tullnitz fortlebt. Dieser Ort gehörte zu der Grundobrigkeit Mißlitz und hieß Podolic.

Podolic

In Urkunden in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts kommt dieser in unserer Gegend gelegene Ortsname vor, in der zweiten Hälfte jedoch verschwindet er spurlos. Erwähnt sei, daß in anderen Urkunden um die gleiche Zeit oft noch von zwei Dörfern mit dem gleichen Namen die Rede ist. Das eine Podolic lag in der Nähe von Brünn (bei Schönapanitz), wurde später jedoch Gruczen genannt und heißt heute Kritschen. Das andere Podolic lag und liegt noch heute im Bezirk Boskowitz, am Oberlauf der Schwarzawa, und heißt heute Podoly. Beide haben jedoch mit unserem Podolic nichts zu tun und hatten zu gleicher Zeit auch von ihm verschiedene Besitzer.

Eine Sammlung altmährischer Urkunden, der „Codex diplomaticus et epistolaris moraviae" enthält eine Urkunde vom Jahre 1239, worin der Bischof Robert von Olmütz das von den Besitzern von Mißlitz dem Nonnenstifte in Oslavan geschenkte Patronat der Kirche von Mißlitz sowie den Zehent der zwei hier eingepfarrt gewesenen Dörfer „Wolchers und Podolic" nebst vier Lahnen Äcker diesem Stifte bestätigte. Diese beiden Dörfer, Wolchers und Podolic", sind nun – wenn auch der exakte Beweis in bezug auf letzteres vorderhand noch schuldig geblieben werden muß - allen Umständen nach mit den Dörfern Dornfeld und Tullnitz identisch. Der Zusammenhang zwischen Dornfeld und Wolchers ist leicht zu erklären. Er geht aus späteren Urkunden einwandfrei hervor, und ein Feldried führt noch heute den Namen Wolfigersten. Nicht so einfach ist es allerdings bei Podolic, da jeder Anknüpfungspunkt fehlt. Aber man kann unschwer nach einem suchen.

Von den Ödungen unserer nächsten Umgebung sind Libitz bei Frischau, Prauswitz und Rohotitz bei Moskowitz, Brankowitz bei Kaschnitz, Bolkowitz bei Frainspitz, Wolchers bei Dornfeld, Wolkowitz bei Leipertitz später vom Erdboden verschwunden wie Podolic; sie konnten sich deshalb leichter in der Überlieferung erhalten und sind zum Teil zu Flurnamen geworden. Trotzdem erscheint es merkwürdig, daß gerade bei Podolic mit seinem immerhin beträchtlichen Gebiet von etwa 20 Lahnen sich gar nichts erhalten haben soll -weder eine Überlieferung noch eine spätere Erwähnung in Urkunden oder ein Flurname.

Aber gerade darin liegt der gesuchte Anknüpfungspunkt. Es fand eben seine Fortsetzung in unserem Orte, sein Name wurde einer allmählichen Umformung unterzogen, bis er die Form Dolnic erreichte. Der alte Name ist in einem anderen aufgegangen, wie etwa Wrahowitz in Probitz aufging (Wrahowitz - Prahowitz - Prawitz - Prowitz - Probitz) oder Tempnitz in Damitz (Tempnitz - Temnitz - Tämnitz -Damnitz - Damitz).

Wie diese Umformung des Namens bei unserem Dorfe geschehen konnte, wollen wir näher untersuchen. Da der Name Podolic in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts völlig verschwindet, muß mit der Zerstörung des Ortes gerechnet werden. Über das Wie wollen wir später sprechen, hier handelt es sich vorerst nur um den Namen. Es kann angenommen werden, daß der Ort verhältnismäßig lange öde lag. Bewohner bis zu seiner Zerstörung mögen Slaven gewesen sein. Nach der Verödung des Ortes war natürlich niemand da, der die Namenstradition streng hielt. Trotzdem behielt der öde Ortsgrund noch seinen Namen im Munde der Umgebung, solange, als das Gedenken an den Ort noch in frischer Erinnerung war. Aber allmählich verblaßte die Erinnerung, und bei der nachfolgenden Generation konnte sich infolge der sprachlichen Zusammensetzung des Namens dieser leicht ändern. Im slavischen bedeutet nämlich die Vorsilbe ,,po" soviel wie ,,in, an, auf, bei". Verstand man nun einmal diese Vorsilbe für sich, so hat sich schon der Name geändert, er ist zu Dolic (für po" nun einfach ,,da, hier - do") geworden - und ,,po" ist ein einfaches Umstandswort des Ortes.

Die Ödung mag nun den Namen Dolic geführt haben. Als der Ort wieder aufgebaut wurde, waren die neuen Ansiedler sicher Deutsche, die den Namen übernahmen. Nun könnte man fragen: Wie kommen wir zu dem ,,n" in der Mitte, zu Dol-n-itz? - Das ist kein Problem. Es steht da wie in zahllosen ähnlichen Fällen mit und ohne Begründung und läßt sich im Grunde verschieden deuten. Wie z. B. Libitz und Libnitz, Damitz und Damnitz üblich war, so wird neben Dolitz auch Dolnitz (Dolic, Dolnic) gebraucht worden sein. In dem einen Falle setzte sich die Form mit „n", im anderen die ohne das „n" in der Mitte durch. Es mag eine Erinnerung an die alte slavische Mehrzahlform sein, die mitunter durchdrang; oder es liegt eine Angleichung an die Aussprache anderer Ortsnamen vor, in welchem Falle wohl klangliche Gründe mit-gesprochen haben.

Und nun bewegen wir uns im Kreise. Der Name Podolice ist genauso aus der Form ,,po dolice" entstanden, wie er in diese wieder zerlegt wurde; wenn wir nicht überhaupt annehmen wollen, daß der Volksmund weder zusammenzieht noch zerlegt, sondern daß wir uns nur auf Grund der Sprache der Urkunden damit befassen müssen, die den anschaulichen Ausdruck einfach zusammenzogen. Anschaulich ist der Ausdruck deshalb, weil er klar und einwandfrei unseren Ort eine Siedlung ,,an der Niederung, bei der Tiefe, an der Talung" usw. nennt. ,,In der Tiefe" oder ,,An der Niederung" oder gar ,,In der Niederung" wären angesichts der tatsächlichen Ortslage offenbar falsch. Präziser kann die örtliche Lage unseres Dorfes schon bezeichnet werden, sowohl rein lokal betrachtet, als auch im Hinblick auf die mögliche Entstehung des Namens überhaupt. Nämlich: Der in alter Zeit sicher noch ausgeprägter im Landschaftsbilde liegende Teil der Terrainwelle, an der Tullnitz liegt, verlief sich gerade hier in eine versumpfte, wasserreiche Niederung. Die Lehne - oder der Ried an dieser Lehne - die vom Niederungsrande weg anstieg, konnte schon vor der Ortsgründung eine Bezeichnung getragen haben, die dieser Lage deutlich entsprach. Und als der Ort gegründet wurde, ging dieser Name einfach auf die nahe Siedlung über.

SEIT WANN IST TULLNITZ DEUTSCH?

Eine präzise Antwort auf diese Frage läßt sich für unseren Ort alleine natürlich nicht geben. Dazu sind die Nachrichten zu spärlich. Formulieren wir aber die Frage so, daß wir nach dem Alter des Deutschtums in unserer Landschaft fragen, dann erhalten wir einen ganzen Kranz von Nachrichten, aus welchen auch auf das Deutschtum in Tullnitz geschlossen werden kann.

Geht man die Orts- und Pfarrgeschichten unserer Landschaft nur flüchtig durch, so findet man, daß das Deutschtum in ihr viel älter sein muß, als gemeinhin angenommen wird, jedenfalls aber weit älter, als man uns während des Hochgehens der national-tschechischen Wogen einreden wollte oder vorwarf - je nachdem.

Daß um 1200 die Städte Brünn, Znaim, Nikolsburg deutsch waren, deutsche Vertretungen hatten und nach deutschem Recht verwaltet wurden, ist allgemein bekannt. Daß viele Dörfer an der Thaya zwischen Znaim und Lundenburg um diese Zeit deutsch waren, ist längst erwiesen. In Hosterlitz und Grußbach siedelte der deutsche Ritterorden nach deutschem Recht; und deutsches Recht wurde nur auf Deutsche angewendet. Um 1260 wird Mißlitz von den Deutschen der Umgebung Mirslaus genannt.

Zwei Urkunden im ,,codex diplomaticus" von 1322 und 1329 erwähnen ausdrücklich, daß Treskowitz damals im Volksmunde ,,Stettendorf" genannt wurde; das konnte natürlich nur der deutsche Volksmund in und um Treskowitz tun. 1460 ist in diesem Ort ein Johann Rotmund Richter.

Frischau wird 1222 ,,vrihan" und ,,vriskau" geschrieben, die späteren Wiedertäufergemeinden dort waren deutsch. 1418 hieß der Pfarrer von Leipertitz Martin von Werd. Die Pfarrer von Socherl, Aschmeritz und Groß-Olkowitz sind im 15. Jahrhundert Deutsche. Das Dorf Moratitz bei Stiegnitz fordert 1560 einen deutschen Prediger. Gubschitz ist 1553 deutsch. 1491 wurden in Hosterlitz durch den Ortsvorstand aus dem Nachlasse des Ansassen Siegmund Pinter (Binder) vier heilige Messen gestiftet; der Ort war deutsch.

Wolframitz hatte 1331 als Pfarrer einen Heinrich von Wida, 1432 einen Johann Pauswangel, 1445 einen Johann Pollitzer und 1465 einen Niklas Schatz, lauter Deutsche. 1543 klagt der damalige Pfarrer Georg auf den verweigerten Zehent von Wedrowitz, wurde aber abgewiesen, weil er nicht wie sein Vorgänger jeden zweiten Sonntag in der Wedrowitzer Kirche den Gottesdienst in mährischer Sprache durch den Kaplan abhalten ließ. Wedrowitz mag also damals etwa je zur Hälfte von Deutschen und Slaven bewohnt gewesen sein, Wolframitz aber war deutsch. Aber auch Bochtitz war wenigstens zu einem Teil deutsch; 1278 wirkte hier der deutsche Pfarrer Werner.

1499 stiftete die Gemeinde Irritz beim St. Sebastians-Seitenaltar eine ewige Frühmesse, viermal in der Woche, und bestellte hierzu als Altaristen den von hier gebürtigen Diakon Valentin Stamslabs, einen Deutschen. –

Die angeführten Beispiele können leicht vermehrt werden. Sie zeugen von dem Alter des Deutschtums.

 

DOLANUS 1584

,,Im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit Gottes, Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen."

So beginnt eine vor rund 350 Jahren im Kloster Bruck auf Pergament geschriebene, mit Siegeln behängte, im Brünner Landesarchiv aufbewahrte Urkunde, darstellend einen Privilegienbrief, womit den Dolnitzern - der Ort wird hier in latinisierter Form ,,Dolanus" geschrieben - gewisse alte Rechte aufs neue verbrieft werden.

Der Inhalt, aus der krausen Sprache und Wortfolge in modernes Deutsch übertragen, ist folgender:

Sebastian Freitag von Czepiroh, Ritter des heiligen Grabes zu Jerusalem, beider Rechte Doktor und aus Gottes Vorsehung Abt; Georg Wohrazeniczky, Prior; Sebastian Sup, Subprior; Paul Laurin, Circator; Wenzelaus Zypser, Cantor und Sakristianus; und der ganze Convent des Stiftes und Gotteshauses zu Bruck an der Thaya, verkünden zum ewigen Gedächtnis, daß die getreuen und arbeitsamen Richter und Geschworenen unserer Dörfer Kallendorf, Taßwitz, Panditz, Dolanus, Harth und Tajax, mit gebührender Ehrfurcht, Gehorsam und Demut erschienen sind und einen alten, auf Pergament geschriebenen, mit zwei Siegeln früherer Abte versehenen Brief vorgelegt haben, welcher aber seines Alters wegen, wie auch wegen schlechter Verwahrung, fast unleserlich war. Soviel ließ sich aber doch daraus entnehmen, daß der Inhalt ungefähr dieser war:

„Vor Ausstellung dieses Briefes war es in den angeführten Orten, wie auch in den anderen zu Klosterbruck gehörenden, Brauch und Gewohnheit geworden, und man hat sich in der Folge steif darauf gehalten, daß, so oft ein Untertan ohne Leibeserben starb, sein Gut nicht nach der Rechtsfolge auf Blutsverwandte oder andere Verwandte ordentlich übergehen konnte, sondern es ist nach den in Übung gekommenen Satzungen an den Grund- und Lehensherren in Bruck heimgefallen."

Dieser Absatz des Privilegienbriefes ist von großer geschichtlicher Bedeutung für unseren Heimatort. In einem vorhergehenden Abschnitt sagte ich, daß die Neugründer von Dolnitz sicher Deutsche waren. Hier haben wir geradezu den urkundlichen Beweis hierfür. Denn aus dem Briefe geht einwandfrei hervor, daß die Dolnitzer nach deutschem Recht angesiedelt wurden und ursprünglich auch rechtlich danach behandelt wurden. Das bedeutet folgendes: Der Siedler ist nach Übernahme der Siedlungsstelle wohl Höriger seiner Herrschaft geworden, was wieder heißt, daß er den Weisungen der Herrschaft zu gehorchen hatte; im übrigen war er jedoch freier Bauer geblieben. Seine Siedlung übernahm er auf Grund eines freien Vertrages, in dem seine Verpflichtungen und Leistungen genau festgelegt waren. Den Vertrag konnte er jederzeit lösen. Haus und Felder gingen in sein Eigentum über, das beliebig vererbt und auch verkauft werden konnte. Das alles war bei den nach altem slavischen Recht siedelnden Slaven nicht der Fall. Später allerdings setzten auch sie durch, mit den Deutschen gleich behandelt zu werden. Das Gesagte, sowie die Tatsache der Gewannenteilung und ferner, daß sich keinerlei Spur eines slavischen Flurnamens findet, gibt uns die Bestätigung, daß die Neugründer von Dolnitz deutsche Bauern waren.

DER 3OJÄHRIGE KRIEG 1618 - 1648

Dieser große Krieg mit seinem weltgeschichtlichen Verlauf und seinen Auswirkungen gehört natürlich nicht hierher. Nur soweit er unsere Landschaft unmittelbar berührte, muß ihm Raum gegeben werden. Für Südmähren begann er mit dem Moment, in dem sich der mährische Adel im Mai 1619 dem Aufstande des böhmischen Adels gegen Kaiser Mathias anschloß. Mathias starb bald nach Ausbruch des Aufstandes, und sein Nachfolger Ferdinand II. sandte zur Unterdrückung der mährischen Rebellion 12000 Mann unter General Dampierre. Diese Kriegsschar bestand hauptsächlich aus Spaniern, Franzosen, Wallonen, Neopolitanern und Ungarn. Sie hatte die protestantischen Rebellen zu bestrafen und ihre Gründe und Güter mit Feuer und Schwert heimzusuchen. Das besorgten sie gründlich. Zur Illustration eine kleine Auslese:

Ihr Weg ging von Retz über Joslowitz, Grusbach, Leipertitz, Wostitz nach Nikolsburg. Rechts und links von diesem Wege ergossen sich Streifscharen weit ins Land hinein, um es zu verheeren. Am 11. Juli wurde Groß-Tajax überfallen, die Bewohner ermordet, verwundet und geschlagen, die Häuser geplündert, Pferde und anderes Vieh weggenommen, die Kirche beraubt und die Frucht auf den Feldern in Brand gesteckt. In gleicher Weise wurde in Grusbach und in Frischau gehaust, ebenso in Leipertitz. Hier setzten sich die Bewohner zur Wehr - sie wurden kurzerhand umgebracht und zum Schluß der Ort in Brand gesteckt. Am 22. Juli traf Moskowitz dasselbe Los. Getreide, Mehl, Wein, 4 Pferde, 12 Ochsen und eine ganze Herde Schweine wurde weggeschleppt. Aber es blieb nicht bei dem einen Mal. Wiederholt wurden die Dörfer heimgesucht. Am 30. Juli wurde Frischau nochmals geplündert und am 2. August in Brand gesteckt.

Bochtitz und Mißlitz wurden geplündert. In Hosterlitz setzten sich die Bewohner zur Wehr und schlugen den Angriff dreimal ab. Als der Ort erstürmt wurde, wurden 150 Personen ermordet, der Rest in unmenschlicher Weise drangsaliert, was zu rauben war, wurde geraubt und der Ort in Brand gesteckt.

Als die kaiserlichen Horden gerade um Mißlitz herum im schönsten Plündern waren, erreichte sie die Nachricht, daß die mährischen Rebellen Nikolsburg und die umliegenden Güter des kaisertreuen Kardinals Franz von Dietrichstein besetzt hatten. Eilig zogen sie dorthin, brannten und mordeten auf dem Wege, was ihnen unter die Hände kam. Bei Tracht kam es zu einer größeren Schlacht. Die Kaiserlichen wurden geschlagen, verloren etwa 3 000 Mann und vieles von ihrem geraubten Gut. Zahlreiche Scharmützel folgten. Jedes siegreiche Treffen wurde von den mährischen Aufständischen mit Dankgottesdiensten gefeiert. Umgekehrt baten die Kaiserlichen in Bittgottesdiensten um Vernichtung der Rebellen. Enzückt wird der Herrgott von keiner Seite gewesen sein, denn Mordbrenner waren sie alle.

Im Herbst rief der Kaiser Ungarn und um die Jahreswende 1620 Polen zur Hilfe. Unmenschlich hausten auch sie im Lande, besonders die Polen. Die Drangsale dauerten bis in den Herbst 1620. Am 8. November 1621 wurden die protestantischen Stände in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag entscheidend geschlagen. Die Rädelsführer wurden hingerichtet, alle aufständischen Adeligen außerdem aller ihrer Güter für verlustig erklärt.

Nach dem Kriege bot unsere nähere Gegend folgendes Bild:

Tullnitz: ganz verödet

Damitz: ganz verödet

Irritz: Pfarrhaus verwüstet, Kirche eingestürzt, über den Ort selbst keine Nachricht;

Frischau: nur noch 9 Häuser bewohnt, etwa 30 Köpfe an Einwohnern

Probitz: über die Hälfte verödet;

Socherl: Kirche verwüstet, das Dorf verödet;

Leipertitz: nur noch 150 Einwohner

Aschmeritz: nur noch 10 Bauern, etwa 40 Köpfe, alle anderen Häuser verlassen;

Frainspitz: gänzlich verödet;

Bochtitz: 250 Einwohner, die Kirche ausgeplündert, das Pfarrhaus eingestürzt;

Kl. Seelowitz: von den Bewohnern verlassen;

Wedrowitz: Kirche und Dorf verödet;

usw.

 

Bewohnerschaft während des 30jährigen Krieges

Eine genauere Durchsicht unserer Pfarrmatrik und einiges mir bekannt Gewordene aus der Wostitzer Matrik ergeben ein ungefähr genaues Bild unseres Dorfes während des 30jäh-rigen Krieges.

Die Wostitzer Matrik ist etwas älter als die Irritzer Matrik. Sie wurde am 20. August 1631 angelegt.

Als erster kommt vor (wie schon gesagt):

27. Oktober 1631: Merten Schotler von Tolnitz, der seinen Sohn Simon taufen läßt, wobei Michael Schweickhardt von Frischau, Hans Wiesner von Probitz und Anna Wolffin von Irritz Paten waren.

1633 kommt ein Kaspar König und

1634 ein Simon Lober, beide von Tolnitz. –

Die Irritzer Matrik berichtet natürlich genauer über die Bewohner von Tullnitz während des Krieges, da Tullnitz ja dorthin eingepfarrt war:

Am 30. Oktober 1636 ist den Eltern Hannß und Regina Hable aus Dolnitz ein Kind Mathiaß getaufet worden. Paten von Irritz.

Am 8. Juli 1638 kommen die Eheleute Berthel Hoffner und Maria Hoffnerin als Paten vor.

Am 20. Juni 1639 ist den Eheleuthen Kaspar und Katharina König ein Kind Joanneß getaufet worden.

Am 26. Juli 1639 ist dem Veitl Hoffner ein Kind Jacobus getaufet worden.

Am 9. Oktober 1640 ist den Eltern Thomas und Anna (Familienname fehlt) ein Kind getaufet worden. Paten aus Irritz. Am 16. Oktober 1640 kommt bei einer Irritzer Taufe ein Simon Loyder aus Tolnitz als Pate vor.

16. Januarius 1641. Joseph Constantin, lediger Gesell des in Gott verstorbenen Wenzl Constantin, ehelicher Sohn von Wolframitz ist mit Anna, ein lediges Mensch des Ehemannes Simon Loyders eheliche Tochter von Dolnitz getraut worden. Am 18. January 1656 ist copuliert worden: Lorenz (Lorentz?) Schmidt, ein lediger Gesell des in Gott ruhenden Paul Schmidt von Tollnitz hinterlassenen eheleiblichen Sohn mit Rosina (Name unleserlich).

Zu dieser letzten Eintragung wäre zu bemerken, daß Tullnitz 1656 eine Ödung war. Trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, daß sich dieser „ledige Gesell" Lorenz Schmidt in einem etwas instandgesetzten Hause in Tullnitz aufhielt, oder aber er lebte in Irritz. Hier ist nur wichtig, daß er und sein Vater Paul Schmidt Tullnitzer waren und als während des Krieges dort Wohnende angenommen werden müssen.

Wir kennen demnach aus der Zeit des 3ojährigen Krieges, und zwar aus den zehn Jahren zwischen 1631 und 1641, folgende Bewohner von Tullnitz:

1. Merten Schotler,

2. Simon Schotler, dessen Sohn,

3. Simon Lober,

4. Hans Hable,

5. Regina Hable, dessen Frau,

6. Mathias Hable, deren Sohn,

7. Barthel Hoffner,

8. Maria Hoffnerin,

9. Kaspar König,

10. Katharina König, dessen Frau,

11. Johannes König, deren Sohn,

12. Veitl Hoffner,

13. Jakob Hoffner, dessen Sohn,

14. einen Thomas,

15. eine Anna,

16. Simon, deren Sohn,

17. Simon Loyder,

18. Anna Loyder, dessen Tochter,

19. Paul Schmidt,

20. Lorenz Schmidt, dessen Sohn.

Neben dem geschichtlichen Interesse, das diese Namen bieten, geben sie auch den schlüssigen Beweis, daß Tullnitz als Gemeinwesen bis zur Schwedeninvasion existierte und erst während dieser zerstört worden sein kann.

Die Rekatholisierung

Als nach der Schlacht am Weißen Berge die Macht der protestantischen Stände gebrochen war, mußten bei Folgerichtigkeit ihrer Politik Kaiser und Kirche dem Protestantismus selbst zu Leibe gehen. Dazu war man auch entschlossen, und mit Stumpf und Stiel sollte er ausgerottet werden. Die härtesten Druckmittel jeder Art wurden angewendet, um dieses Ziel zu erreichen. Noch heute hört man ziemlich häufig in unserer Gegend das seit damals geflügelte Wort: „Ich werde dich schon katholisch machen!", wenn man mit jemandem nicht eben zart umgehen will. Dieses Wort geht auf jene Zeit zurück, wo jedes Mittel recht war, einen Menschen zum Katholizismus zurückzuführen.

 

NONNENABTEI MARIA SAAL

Die Cisterzienser-Nonnenabtei Maria Saal in Alt-Brünn wurde von der böhmischen Königin-Witwe Elisabeth im Jahr 1323 gestiftet; sie wurde deshalb auch noch das KöniginKloster geheißen. Es wurde von der Königin wie auch von vielen Großen des Landes reich begabt. Im Jahre 1675 besaß es 1 Marktflecken, 16 Dörfer und 107 Lahnen Feld. Unter diesen 16 Dörfern befand sich auch Dollnitz. Wie es erworben wurde, haben wir schon im Abschnitt Klosterbruck gesehen.

1688 kaufte das Kloster den Ort Jesrom und Anteile an Lidmeritz, 1712 kaufte es sogar die ganze Herrschaft Oslavan. Die Mittel für diese Erwerbungen verschaffte es sich durch den Verkauf folgender Dörfer: Nosalowitz, Swonowitz, Tichertschein, Bosenitz, Wollatitz, Wranowitz, Kladrub, Tollnitz, Hayen und Anteile an Syrowitz.

Tollnitz, Hayen und die Teile von Syrowitz wurden am 17. Juni 1714 an Johann Baptist Kaschnitz von Weinberg um 10 100 rheinische Gulden verkauft.

Die Abtei besaß den Ort von 1585 bis 1714, also durch rund 130 Jahre. Beim Erwerb 1585 war Abtissin eine Kundratschkan von Lamberg; beim Verkauf an Kaschnitz von Weinberg war Abtissin eine Maria Rosa Wegemann.

 

ÖDUNG TOLLNITZ

Das Drama der Zerstörung von Tullnitz habe ich bereits umrissen. Das Dorf ist öde geworden und ist es auch ziemlich lange geblieben. Versuche zu einer Wiederbesiedlung scheinen gemacht worden zu sein, doch scheiterten sie an widrigen Umständen. Von einem ersten Versuch erzählt uns ein Protokoll aus dem Jahre 1752, in welchem der Tullnitzer Geschworene und Bauer Thomas Tretter sagt, daß er von seinem Vater des öfteren gehört habe, daß nach dem großen Kriege da ein gewisser Hofner gewohnt, daß dieser auch Felder bearbeitet und sogar einige Hütten erbaut habe, später aber Tullnitz verließ und nach Damitz zog.

Einen amtlichen Bericht über die Verödung unseres Dorfes enthält das Lahnenregister der Herrschaft Königin-Kloster in Brünn, und zwar steht dort über die Gemeinde Tollnitz folgende Einschreibung:

„Das öde Dorf Tollnitz, welliche generaliter abgemessen und befunden worden 500 Metzen 3 Achtel Acker prima classe." –

Das Lahnenregister ist auf Grund des Befundnisbriefes aus dem Jahre 1656 zusammengestellt und durch die Kommission vom Jahre 1673 bestätigt worden.

Also: Aus dem Lahnenregister des Königin-Klosters geht klar hervor, daß Tullnitz im Jahre 1656 eine Ödung war, und eine Kommission bestätigt im Jahre 1673, daß es noch immer eine sei. Aber in der Zwischenzeit, und zwar in den 1660er Jahren, muß ein Siedlungsversuch gemacht worden sein. Das beweisen einige Eintragungen in der Pfarrmatrik.

Da steht unter dem 16. März 1662 als Pate ein Nikolaus Duclas von Thollnitz; dann am 28. März ein Albrecht, Cornet von Tollnitz; und: „den 24. August 1662 ist getauft worden Josef, Vater Phillipus Albrecht, Cornet und Nachbar zu Thollnitz, Mutter Anna. Pate Josef Twens, Leutenambt und Nachbar zu Tresgowitz"; weiter: „den 29. Juni 1663 ist getauft worden Johannes, Vater Phillipus Albrecht, Cornet und Nachbar von Dolnitz, Mutter Anna. Pate Josef Twens, Bürgermeister und Nachbar von Tresgowitz".

Den Namen Albrecht kennen wir schon aus der Zeit vor der Zerstörung unseres Ortes, wo er einigemale aufscheint. Eine Familie dieses Namens mag all die Kriegsnöte jener Zeit gründlich durchgekostet haben, trotzdem harrte sie tapfer auf der Scholle aus, auf die sie das Schicksal gestellt hatte, bis sie schwedische Söldnerbrutalität um die letzte Habe brachte und ihr noch dazu das Dach über dem Kopfe nahm. Mit mageren Bündeln flüchtete sie darauf ins Ungewisse.

Nun folgt eine freie Gestaltung der Angaben der Irritzer und Treskowitzer Pfarrmatriken, wie sich die Geschichte der Albrechts weiter abgespielt haben könnte:

Der Sohn Phillipus war nicht geneigt, sich vom Schicksal unterkriegen zu lassen und als Bettler durch die Lande zu traben. Irgendwo rührten eben die Kniesischen Dragoner die Werbetrommel, da nahm er Handgeld und trat kurz entschlossen unter die Soldaten. Unter der Kriegsgeneration aufgewachsen, war er kein weicher Bursche und hatte sich bald in das harte Kriegerhandwerk eingelebt. Bald schwang er den Chargenstab und manchen bösen Streich hat er den Schweden bei den Verfolgungskämpfen vergolten. Bei Kriegsende war er bereits Feldcornet - das ist Fähnrich der Reiterei - bei den kniesischen Reitern.

KASCHNITZ VON WEINBERG

Wie schon ausgeführt, war das Alt-Brünner Kloster Maria Saal durch den Erwerb der Großherrschaft Oslavan gezwungen, zur Aufbringung des Kaufschillings einige kleinere Güter abzugeben. Unter diesen befand sich auch ,Tullnitz, zusammen mit Hayan und Syrowitz, die an Johann Baptist Kaschnitz von Weinberg verkauft wurden. Die beiden letzteren Orte liegen in der Gegend von Raigern, westlich der Reichsstraße von Pohrlitz nach Brünn.

Aus dem Kaufvertrag, datiert Brünn, 17. Juni 1714, sei das Folgende nur herausgehoben:

„Zwischen der hochwürdigen geistlichen Jungfrau Maria Rosa, Abtissin, der Priorin Eleonora Seniorin und dem gesamten Convent des königlichen jungfräulichen Stiftes und Klosters Maria Saal, ordinis cisterciensis, in Alt-Brünn als Verkäufer und dem hochedel geborenen Ritter Johann Baptist Käschnitz von Weinberg als Käufer wurde ein beständig und unwiderruflicher Kauf- und Verkauf-Kontrakt um das klösterliche, im Znaimer Kreis gelegene Dorf Tollnitz; dann die im Brünner Kreis gelegenen Dörfer Syrowitz und Hayan abgeredet und beschlossen.

Das Kloster verkauft diese drei Dörfer mit allen obrigkeitlichen Rechten, wie es sie von alters her ruhig besessen, genutzet und beherrscht hat, um eine Summe von 10 100 fl. rh., jeden Gulden zu 60 Kreuzer gerechnet, welche der Käufer gleich nach vollzogener Übergabe in guter, gangbarer und der Entwertung nicht unterliegender Münze in Brünn zu bezahlen sich kräftigst verbindet."

Dem Käufer werden auf 3 Jahre und 18 Wochen sämtliche Einkünfte des Klosters hypothekarisch verschrieben für den Fall, daß sich innerhalb dieser Zeit Verbindlichkeiten in Betreff der 3 Orte ergeben sollten, denen die Verkäuferin nicht nachkommen könnte.

Betreffs der Steuern ist vereinbart worden, daß das Kloster sie bis zur Übergabe vorschreiben, der Käufer aber sie übernehmen und abführen wird. Weiter wird das Stift befugt sein, die noch aushaftenden Schulden von den Untertanen so lange einzuheben, bis es zufriedengestellt ist, wobei ihm der Käufer alle Hilfe und Beistand leisten wird. Was die Dokumente dieser 3 Dörfer anbetrifft, wird das Kloster das vorhandene Urbarium, die Grundbücher, sowie alle anderen Schriften bei der Übergabe aushändigen. Die Grenzen wird das Stift in Gegenwart einiger geschworener Untertanen im alten bisherigen Umfang, ohne Schmälerung, Abgang und Innhaltung umständlich auszuweisen haben. - Die Einschreibung dieses Kontraktes in die mährische Landtafel geht auf Kosten des Käufers.

Der Vertrag trägt folgende Unterschriften:

L.S. Maria Rosa, erwählte Abtissin;

L.S. Eleonora, Priorin und gesamtes Convent;

L.S. Johann Baptista Käschnitz von Weinberg;

L.S. Gerhard Fr. v. Freienfels;

L.S. A. Winklersberg.

GRAFIN PACHTA VON REYHOFEN

war eine geborene Freiin von Parthenfeld. Sie übernahm das Gut mit den darauf haftenden Schulden und machte gleich neue dazu:

Am 15. Mai 1728 leiht sie vom Ritter von Winklersberg und dem Cardinal von Olmütz nochmals 500 Gulden.

Später bekommt sie nochmals 7946 Gulden 401/2 Kreuzer, ebenfalls vom Ritter von Winklersberg, der ihr diese Summe in mehreren Teilbeträgen vorgestreckt hatte. Die darauf bezüglichen Schuldverschreibungen sind nicht mehr vorhanden. Die Gräfin erwähnt sie jedoch selbst in der später zu behandelnden Kaufschillings-Verteilungsurkunde.

Somit lasteten auf dem Orte Tullnitz an Kapital und Interessen rund 18000 Gulden. Die Untragbarkeit dieser Verbindlichkeiten bzw. das Unvermögen ihrer Tilgung, verbunden mit dem Drängen der Gläubiger, dem Tod des Grafen um diese Zeit und der Übersiedlung der Gräfin nach Wien, mögen die Gründe zum Verkauf des Gutes an Frischau gewesen sein.

Die Pachta, weitaus nicht so tüchtig - oder gerissen - wie die Kaschnitz, verloren an Tullnitz bare 12000 rheinische Gulden.

Aus der Familiengeschichte der Pachta

Johann Pachta der Altere erhielt am 4. Jänner 1628 den böhmischen Adel mit dem Prädikat „von Raygow".

Ein Nachkomme, Daniel Pachta von Raygow, erhielt am 5. Juli 1652 zu Prag den rittermäßigen Reichsadel mit dem Prädikat „von Rayowa". Er war Rat und böhmischer Hofsekretär. Seine vier Söhne Franz Wenzel, Karl Daniel, Ernst Josef und Johann Joachim erhielten am 25. August 1701 zu Wien den böhmischen Freiherrnstand. Ein Bruder von ihnen, Johann Anton, königlicher Hauptmann des Iglauer Kreises, königlicher Rat, Landrechtsbeisitzer und oberster Landschreiber in Mähren erhielt das Freihernstandsdiplom nicht, sondern erst seine beiden Söhne Franz Anton und Anton Karl, dies am 10. Februar 1715. Anton Karl war der spätere Besitzer von Tullnitz.

Die oben genannten Brüder Karl Daniel, Ernst Josef und Johann Joachim - die übrigen zwei dürften inzwischen gestorben sein - und ihre Vettern, die Söhne von Johann Anton, Franz Anton und Anton Karl, erhielten den böhmischen Grafenstand zu Wien am 19. Oktober 1721 mit dem Prädikat „von Reyhoffen".

Johann Anton, der Vater von Anton Karl, des Besitzers von Tullnitz, erbte die Freiherrn von Buckau auf und nannte sich „Pachta von Reyhoffen und Buckau". Von seinem Vater erbte er 1689 die freie Holzmühle im Iglauer Kreis und kaufte 1798 Beranau dazu.

Die Pachta von Reyhoffen waren von 1667 bis 1669 auch Besitzer von Babitz und Kallendorf, von 1712 bis 1713 auch von Dalleschitz. –

HERZOGIN ZU SCHLESWIG-HOLSTEIN

Der Kaufvertrag vom 1. November 1729, womit Tullnitz aus den Händen der Gräfin Pachta von Reyhofen in den Besitz der „Durchlauchtigsten Fürstin, undt Frauen, Frauen Maria Elisabeth, Herzogin zu Schleswig Holstein, Stormarn, undt Liechtenstein, von Nikolsburg, Herzogin von Oitmarssen, des Heiligen Römischen Reichs gebohrne Fürstin von Liechtenstein, in Schlesien zu Troppau und Jägerndorf Herzogin, Gräfin zu Oldenburg, undt. Delmenhorst, Erbfrauen der Herrschaft Göding, Frauen zu Frischau, Geywitz undt Kojetein" überging, ist wie alle Dokumente jener Zeit mit seiner bewegten und wendungsreichen Sprache wie in seiner Aufmachung und seinem Umfang ein recht barockes Schriftstück. Ich gebe hier für den Gang der Geschichte nur seinen wichtigsten Inhalt.

Tullnitz war zur Zeit des Kaufabschlusses ein freies Familiengut (Allod), das servituts und lastenfrei in den Besitz der Frischauer Herrschaft überging, ausgenommen eine Leistung von 15 Gulden jährlich an den Pfarrer von Irritz, an Stelle des Zehents von den Hausäckern, der dafür der Herrschaft zufiel.

Der Ort wurde verkauft mit allem, was drum und dran war, wie er lag und stand. Mit den an- und unangemessenen Untertanen und ihren Erbfällen; mit allen Gülten, Renten, Zehenten und Zinsen; mit Wein, Bier und Branntweinschank und der Bräuberechtigung; mit dem dazugehörigen Wirtshaus, Branntwein und Bräuhaus; mit allem Geschirr und allen Gerätschaften; mit Jagdgerechtigkeit, Hetzen und Vogelstellen; mit allen Roboten, Frohnen und Diensten; mit allen Regalien, Herrlichkeiten, Jurisdiktionen und Prärogativen; mit Schmiede, Windmühle, Zinshäuseln, bebauten und öde liegenden Feldern; mit allem vorhandenen Vieh; mit allen Vorräten an Frucht und Wein usw

Das Schloß wurde von der gräflichen Familie Pachta von Reyhofen auch bewohnt. Die herrschaftlichen Möbel und sonstige Einrichtungen wurden nach Inhalt eines Inventars einfach mit verkauft.

Der Kaufschilling betrug 20000 fl. rh. Davon waren 18000 Gulden innerhalb 4 Monaten nach Einverleibung des Gutes in barem Gelde zu bezahlen. 2000 Gulden blieben 3 Jahre und 18 Monate (oder Wochen?) in Händen der Käuferin zur Deckung eventuell sich ergebender Verbindlichkeiten. Die Herrschaft Tullnitz war, wie schon gesagt, so sehr verschuldet, daß von den fürs erste zu bezahlenden 18000 Gulden die Verkäuferin Gräfin Pachta auch nicht einen Heller auf die Hand bekam. Sie wies vielmehr die Käuferin mittels einer Kaufschillings-Verteilungsurkunde an, diese Summe gleich an ihre Gläubiger zu überweisen. Die Originalquittungen der befriedigten Gläubiger sind noch vorhanden. - Am 28. Oktober 1737 erfolgte die „gütliche Abraittung und Liquidation" zwischen der Herzogin von Schleswig-Holstein und der Gräfin Pachta. Von den zurückbehaltenen 2000 fl. rh. und den dazugeschlagenen Interessen wurden der Verkäuferin für diverse Spesen und Steuern 298 fi. 34 kr. abgezogen und der Rest per 2 691 fi. 26 kr. zur Auszahlung gebracht. In einer Haupt- und Verzichtsquittung vom 28. Dezember 1737 erklärte sich die Verkäuferin in bezug auf das Gut Tullnitz vollkommen befriedigt. Tullnitz stand von nun an unter der Grundobrigkeit Frischau. Vertragsunterschriften:

L.S. Maria Elisabeth, Herzogin von Schleswig-Holstein;

L.S. Maria Anna Josefa Gräfin Pachta;

L.S. Joseph Ignati von Waldorf;

L.S. Johann Baptista Käschnitz von Weinberg.

 

ZU FÜRSTIN VON FÜRSTENBERG

Die Fürstenberg sind ein altes schwäbisches und österreichiches Dynastiengeschlecht, dessen Abstammung mehrfach von den alten Agilolfingischen Königen abgeleitet worden ist. Als Stammvater wird ein Graf Unruoch genannt, ein Zeitgenosse Karls des Großen. Die ununterbrochene Reihe der Dynasten beginnt aber mit dem schwäbischen Edeifreien Egino, Grafen von Urach, der 1070 urkundlich erwähnt wird und mit seinem Nachkommen Egino I. 1136. Die Fürstenbergs erbauten in der Mitte des 13. Jahrhunderts Schloß und Städtchen Fürstenberg und nannten sich danach.

Das Geschlecht teilte sich in mehrere Linien, die sich 1559 in der Person Friedrichs III. auf kurze Zeit vereinigten, sich aber schon in seinen Söhnen wieder trennten. Christoph I. stiftete die Kinzigtaler, Joachim die Heiligenberger Linie. Die Kinzigtaler Linie schied sich später in zwei neue Linien, in die von Graf Wratislaw II. (1600 - 1642) gestiftete Möskircher, und in die von Graf Friedrich Rudolf (1602 - 1655) gegründete Stühlinger Linie.

Die Heiligenberger Linie erhielt 1664 den Reichsgrafenstand, 1667 den Reichsfürstenstand, starb aber schon 1716 aus. Die Fürstenwürde ging an die Möskircher Linie und nach deren Aussterben 1744 an die noch heute blühende Stühlinger Linie über.

Der letzte der Möskircher Linie war Fürst Karl Friedrich Egon, der am 7. September 1744 starb. Er war der Gemahl der Maria Gabriela Felicitas, Fürstin von Fürstenberg, die nach dem Tode ihrer Mutter die Frischauer Herrschaft mit Tullnitz erbte.

Das Fürstentum Fürstenberg war zuletzt über 2000 qkm groß mit 100000 Einwohnern. Es bestand aus der Grafschaft Heiligenberg, den Landgrafschaften Stühlingen und Baar und den Herrschaften Jungnau, Trochtelfingen, Hausen und Möskirch im südlichen Schwaben.

Das Fürstentum wurde 1806 durch den Reichsdeputationshauptbeschluß mediatisiert und kam zum Teil unter badische, zum Teil unter württembergische und hohenzollernsche Oberhoheit. –

TULLNITZ 1794

„Zur Herrschaft Frischau gehöriges Dorf von 37 Häusern, 186 Seelen, mit einem Meierhof und einem schon stark eingegangenen alten Schlosse, 1/2 Stunde südwestwärts von Irritz gelegen, hat 723 Joch gutes Ackerland (darunter 61 Joch Meierhoffelder), 8 Joch Gärten, 26 Joch Weingärten, 10 Joch Wiesen und 15 Joch Hutweiden.

Ehemals war dieses Dorf ein besonderes Gut, und gehörte im Anfang dieses Jahrhunderts einem Kaschnitz von Weinberg. Nach diesem kam es an die Maria Anna Freyin Pachta von Rayhofen; und von dieser kaufte es im Jahre 1729 die Herzogin Maria Elisabeth von Holstein-Wiesenburg, geborene Fürstin von Liechtenstein um 20.000 Gulden zu Frischau an." So sah also Tullnitz vor 1800 hinsichtlich der Herrschaft, der es zugehörte, aus.

BESITZER VON TULLNITZ 1200 BIS 1848

1. um 1200 bis 1220/1230

König Przemysl Ottokar 1. von Böhmen 2. 1220/30 bis ?

Hartlieb von Mißlitz

3. ? bis 08.09.1239 Margaretha Edle von Mißlitz

4. 08.09.1239 bis um 1539 Nonnenabtei in Oslavan

5. - ? -unbekannt/vermutet: Herr von Pernstein oder Oslavan oder Landesfürst?

6. um 1539 bis um 1585 Prämonstratenserkloster Bruck bei Znaim

7. 1585 bis 17.06.1714 Cisterzienser Nonnenabtei Maria Saal oder Königin Kloster in Alt-Brünn

8. 17.06.1714 bis 25.07.1723 Ritter Johann Baptist Kaschnitz von Weinberg

9. 25.07.1723 bis 03.05.1728 Graf Anton Pachta von Reyhofen

10. 03.05.1728 bis 01.11.1729

Gräfin Anna Josefa Pachta von Reyhofen

11. 01.11.1729 bis 1744

Maria Elisabeth Herzogin von Schleswig-Holstein 12. 1744 bis 17.09.1799

Gabriela Fürstin von Fürstenberg-Möskirch

13. 17.09.1799 bis 24.03.1819 Fürst Moritz von Lichtenstein

14. 24.03.1819 bis ?

Fürstin Leopoldine von Lichtenstein

15. ? bis 07.09.1848

Fürst Rudolf von Lobkowitz

DAS ALTESTE TULLNITZER GRUNDBUCH

„Im Jahre 1746, Am Tage des Heyl. Hyginus Bischoffen. Auf gnädigste Genehmhaltung Undt Befehl der Durchlauchtigsten Fürstin und Frauen Maria Gabriela Felicitas Fürstin Zu Fürstenberg Moeßkürch, Gebohrne Herzogin zu Schleswig-Holstein, Stormarn undt der Dithmarssen, Gräfin zu Oldenburg undt Delmenhorst, Erbfrauen der Herrschaft Frischau, Bonitz, Gaybitz undt Tullnitz. Ist dieses Grundbuch des Dorffs Tullnitz durch Mich Anton Josef Harth, der Zeit Bestellten Haubtmann, Im Beysein Dorff Richters Georg Bauer, Johann Horth Eltesten. Wie auch der Ganzen Gemeind Verlegt und ordentlich Beschrieben worden.

Aktum Dorff Tullnitz den 11. January 1746."

So lautet der Titel eines wertvollen Dokumentes aus unserem ehemaligen Herrschaftsarchiv, das erstmalig einen genaueren Einblick in die Tullnitzer Besitzverhältnisse gibt. Nach dieser Grundbuchurkunde hausten in Tullnitz im Jahre 1746 sechs 3/4-Lahner, sieben 1/2-Lahner, fünf 1/4-Lahner, 14 Häusler und drei Preßhäuslbesitzer.

Die 3/4-Lahner bewirtschafteten 161 Quanten Hausäcker, 90 Quanten Zinsäcker, 71/2 Quanten Freiäcker, sind zusammen 2581/2 Quanten. Dazu hatten sie noch 11 3/4 Achtel Weingärten, 2 Krautäcker und 2 Freigärten. An Abgaben hatten sie nebst den landesfürstlichen Steuern jeder 26 rheinische Gulden Zins an die Herrschaft zu leisten, ferner die vorgeschriebenen Robotarbeiten zu verrichten und von allem Feld - außer den Krautäckern und Freigärten - den Zehent zu geben.

Die folgende Tabelle zeigt die Aufteilung des Wirtschaftsgrundes an die 3/4-Lahner:

Damalige Nr. 1, heutige Nr. 3, Besitzer Schuska Mathias,

27 Quanten Hausäcker, 15 Quanten Zinsäcker, 3 Quanten

Freiäcker, zusammen 45 Quanten; 2~/4 Achtel Weingarten,

1 Freigarten.

2 - 4, Horth Johannes, 26 Quanten Hausäcker, 15 Quanten

Zinsäcker, 1 Quanten Freiäcker, zusammen 42 Quanten;

21/2 Achtel Weingarten, 1 Freigarten.

3 - 22, Tretter Thomas, 27 Quanten Hausäcker, 15 Quanten

Zinsäcker, 1 Quanten Freiäcker, zusammen 43 Quanten;

13/4 Achtel Weingarten, 1 Krautgarten.

4 - 24, Schänckh Wenzl, 27 Quanten Hausäcker, 15 Quanten

Zinsäcker, 1 Quanten Freiäcker, zusammen 43 Quanten;

11/4 Achtel Weingarten, 1 Freigarten.

5 - 27, Hanackh Andreas, 27 Quanten Hausäcker, 15 Quanten Zinsäcker, 3/4 Quanten Freiäcker zusammen 423/4 Quanten; 13/4 Achtel Weingarten.

6 - 28, Sand Wenzl, 27 Quanten Hausäcker, 15 Quanten

Zinsäcker, 3/4 Quanten Freiäcker, zusammen 423/4 Quanten;

13/4 Achtel Weingarten.

Die Halblahner bewirtschafteten 54 Quanten Hausäcker, 120

Quanten Zinsäcker, 5 Quanten Freiäcker, zusammen also 179

Quanten. An Zins zahlten die damaligen Hausnummern 7, 9,

10, 12 und 13 je 14 rheinische Gulden, Nr.8 zahlte dagegen

15 Gulden 25 Kreuzer, Nr.11 zahlte sogar 16 Gulden. Das

übrige gleicht den 3/4-Lahnern.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über den Besitz der sieben 1/2-Lahner:

7 - 2, Nenadal Lucas, 9 Quanten Hausäcker, 15 Quanten

Zinsäcker, 1 Quanten Freiäcker, zusammen 25 Quanten;

1/3 Achtel Weingarten, 1 Krautgarten.

8 - 5, Bauer Georg, 9 Quanten Hausäcker, 15 Quanten

Zinsäcker, 11/2 Quanten Freiäcker, zusammen 25 1/2 Quanten;

21/4 Achtel Weingarten, 1 Krautgarten.

9 - 6, Hanackh Jakob, 9 Quanten Hausäcker, 15 Quanten

Zinsäcker, keine Freiäcker, zusammen 24 Quanten; 11/2 Achtel

Weingarten, 1 Freigarten.

10 - 7, Hanackh Johann, 9 Quanten Hausäcker, 15 Quanten

Zinsäcker, keine Freiäcker, zusammen 24 Quanten; 1/2 Achtel

Weingarten, 1 Freigarten.

11 - 9, Wanths Mathias, keine Hausäcker, 30 Quanten Zins-äcker, keine Freiäclter, zusammen 30 Quanten; 1/8 Achtel Weingarten.

12 - 23, Ostermayer Max, 9 Quanten Hausäcker, 15 Quanten Zinsäcker, 1 Quanten Freiäcker, zusammen 25 Quanten; 1 Freigarten.

13 - 25, Neuberth Mathias, 9 Quanten Hausäcker, 15 Quanten Zinsäcker, 1/2 Quanten Freiäcker, zusammen 241/2 Quanten; 1 Krautgarten.

Die Viertellahner bewirtschafteten insgesamt 75 Quanten

Zinsäcker, 21/2 Quanten Freiäcker, zusammen 771/2 Quanten.

Dazu kamen 41/4 Achtel Weingarten. An Zins bezahlten sie

jährlich je 8 fl. rh. (rheinische Gulden).

Die 1/4-Lahner:

14 - 8, Horth Jakob, 15 Quanten Zinsäcker, 2 Quanten Frei-äcker, zusammen 17 Quanten; 13/4 Achtel Weingarten.

15 - 11, Hanakh Georg, 15 Quanten Zinsäcker; 1/4 Achtel Weingarten.

16 - Schüttkasten, Steinbrecher Veith, 15 Quanten Zinsäcker; 1/2 Achtel Weingarten.

17 - 26, Bamboschek Andreas, 15 Quanten Zinsäcker; 11/2 Achtel Weingarten.

18 - 39, Jureczek Georg, 15 Quanten Zinsäcker, 1/2 Quanten Freiäcker, zusammen 151/2 Quanten; 1/4 Achtel Weingarten.

Die im Ort ansässigen 14 Häusler und die 3 Preßhäuslbesitzer bewirtschafteten zusammen 323/4 Quanten Acker, 16'/a Weingarten und 1 Freigarten. Es gab vier Kategorien von Häuslern: solche die Zins und Robot leisten mußten, andere die nur einen Zins entrichteten, wieder andere die nur Robot schuldig waren und endlich eine Gruppe, die gar nichts zu leisten hatte.

Die Häusler:

Damalige Nr.19, Hochmann Johann, 3 Quanten Zinsfeld, 7 Achtel Weingarten; 1 fi. 12 kr. Zins, 1 Tag Robot in der Woche.

20 - Kuntscher Philip, 3 Quanten Zinsfeld, 1/2 Achtel Weingarten; 1 fl. Zins.

21 - Mischlingerin Anna, 1/2 Achtel Weingarten; 1 Tag Robot.

22 - Woldonin Wittib, 1 Tag Robot.

23 - Janoschek Lucas, 1 Achtel Weingarten.

DIE JAHRE 1820 BIS 1848

Vom Jahre 1820 existiert ein Häuserverzeichnis mit Besitzern, das sogar die Anzahl der Zimmer angibt. Die Besitzer decken sich mit jenen der Grundertragsmatrik von 1820.

Vom Jahre 1823 existiert eine Grenzbeschreibung von Tullnitz. Die Maße sind in Schritten, Grenzsteine sind nur wenige angegeben. Sie bietet allerdings nichts besonders Bemerkenswertes.

Von 1824 bis heute ist in der Gemeinde die damals von der Herrschaft verlegte sogenannte „Mappa" in Gebrauch. Ein interessantes Dokument ist ein Einwohnerverzeichnis vom Jahre 1830 das sämtliche Bewohner mit Geburtsdaten und Beruf aufzählt. Danach hatte Tullnitz 1830: 359 tatsächliche anwesende Einwohner. Davon waren 176 männlichen und 183 weiblichen Geschlechtes. Darunter gab es den Besitz- und Berufsverhältnissen nach: 6 3/4-Lahner, 7 ,/4-Lahner, 6 3/8-Lahner, 1 Wirt, 36 Häusler, 7 Ausgedinger; 2 Zimmermänner, 2 Fleischhauer, 1 Binder, 3 Schmiede, 5 Schuhmacher, 2 Schneider, 1 Wagner, 2 Tischler, 1 Schulleiter, 1 Gemeindehirt, 2 Knechte und 5 Mägde.

1830/31 wütete die Cholera in Südmähren.

1834/35 entstand der Bau der Schule, deren Geschichte in einem eigenen nachfolgenden Abschnitt behandelt wird. In den 1830er Jahren erhielt der Bauermeister Wenzl Janoschek vom Kaiser das Silberne Verdienstkreuz, das ihm der Pfarrer in der Kapelle überreichte.

Im Jahre 1835 war der Gemeindebesitz nach einem im Herrschaftsarchiv erliegendem „Inventanum über sämtliche der Gemeinde Tullnitz gehörenden Realitäten" folgendermaßen aufgeteilt:

- Im Riede Kreuzfeld 7123/16 Klafter Acker; dies wird dem jeweiligen Schullehrer zum unentgeltlichen Genuß überlassen.

- Im selben Riede Kreuzfeld 1071 Klafter, verpachtet.

- Im Riede Hutweiden 11 Joch 1075 Klafter Hutweide, wovon 1200 Klafter aufgerissen und in 3 Teilen verpachtet sind.

- Im gleichen Riede Hutweiden 2 Joch l365 5/14 Klafter Wiesen, welche sechs 3/4-Lahner und 6 Viertler unengeltlich genießen und nur die Steuer bezahlen.

- Im Riede Krautacker 305 5/14 Klafter; dieser Acker wurde unter Bauermeister Wollinger an den Andreas Rudorfer um 65 fl. verkauft, und von dein Acker erhält die Gemeinde 30 Kreuzer Zins jährlich.

- Im Riede Libitzfeld 3 Joch 2/16 Klafter; von diesem genießt der Schullehrer 3 Metzen unentgeltlich, 8'/4 Metzen sind verpachtet.

- Im Riede Haidfeld 1 Joch 1572 Klafter.

- Im Riede Windmühlfeld 98 4/16 Klafter verpachtet.

An Gebäuden besitzt die Gemeinde ebenfalls etliches, was genau aufgeführt wird:

a) das Schulhaus sub Nr. cons. 75 ganz neu von gutem Material erbaut und mit Dachziegeln eingedeckt. Selbes enthält ein Lehr- und ein Wohnzimmer;

b) das Hirtenhaus sub Nr. cons. 9, welches von Batzen erbaut und mit Stroh eingedeckt ist, sich aber in mittelmäßigem Bauzustande befindet. -

1836 war eine Mißernte für die Bauern.

1837 sagt der Geschichtsschreiber Wolny über Tullnitz, daß es aus 74 Häusern mit 356 Einwohnern (165 männlich, 191 weiblich) besteht, und nebst einem Wirtshaus auch eine Schule hat. Über seine Geschichte führt er das von dem Geschichtsschreiber Schwoy 1794 gesagte Wenige an und bemerkt noch dazu: In unseren sämtlichen Quellen findet sich auch nicht die geringste Spur davon. - Er meint damit, daß über die Vergangenheit von Tullnitz eben gar nichts zu finden sei. Wolny war damals noch schlecht unterrichtet; später hat er ja doch einiges gefunden. Übrigens behandelte er ganz Mähren, und er konnte nicht Spuren aufspüren und ihnen jahrelang nachgehen, um für jedes Dorf eine genaue Geschichte zu liefern, dazu hätte sein ganzes Leben nicht ausgereicht. Ich aber freue mich, daß es mir trotz vieler Schwierigkeiten gelungen ist, ein recht umfangreiches Material zusammenzutragen und aufgrund dieses Materials eine Ortsgeschichte zu schreiben, die für den Anfang wohl jeden befriedigen kann.

In den 1840er Jahren ist die Häuserreihe Nr.40 bis 60 abgebrannt. Nicht auf einmal geschah das jedoch: erst brannte die untere, dann später die obere Hälfte ab. Seitdem sollen die Häuser Ziegelbedachung haben, vorher waren sie stroh-gedeckt. Vor dem Brande und dann später noch, bestand zwischen den Häusern Nr.48 und 49 ein Gassel, das dann zwischen diesen Nummern aufgeteilt und überbaut wurde. Die Fortsetzung dieses Gassels bildete der bis in die jüngste Zeit noch bestandene Steg quer über die Felder zum Mißlitzer Weg.

Nicht viel später sollen auch die Scheuern der Häuser Nr.1 bis 10 abgebrannt sein. Daher sind auch diese Scheuern schon lange mit Ziegeln gedeckt, während auf der gegenüberliegenden Dorfseite Strohscheuern bis nach dem Kriege bestanden. Wenn ich nicht irre, trugen die Scheuern von Nr.22 und 24 die letzten Strohdächer im Orte.

BIS ZUM KRIEGSJAHR 1866

1850 waren die ersten Wahlen in die neue Gemeindevertretung. Wenzl Janoschek wurde der erste Bürgermeister.

Am 22. Jänner 1851 wurde von der Grundentlastungskommission in Frischau ein Protokoll aufgenommen, dessen Gegenstand die Prüfung der vom Herrschaftseigentümer an gemeldeten Entschädigung an Tullnitz war. Danach hatten die Tullnitzer Ansassen abzulösen: 2 Gulden Preßhäuslzins, 8 Gulden Schlossereizins und verschiedene nicht näher an geführte Bestandszinse; ferner den Getreidezehent von den Rieden Windmühlfeld, Haidfeld, Damitzer Kreuzfeld, An der Kapelle, Kreuzfeld, Moskowitzer Feld, Libitzfeld, weiter von dem bei Frischau enklavierten Fünfschrittfeld und dem bei Damitz enklavierten Antonifeld; schließlich noch den Weinzehent. An Robot war abzulösen: von den 3/4-Lahnern je 156 zweispännige Zugtage und 39 Handrobottage, von den 105 1/4-Lahnern je 156 Handrobottage, ebenso von den Neustiftlern. Häuselzins war nur jener von Nr.63 abzulösen. - Die Ablösebeträge sind leider nicht angeführt.

1852 wurden 1 Joch 155 Klafter fürstliche Hutweiden an Wenzl Janoschek verkauft.

1853 wurde ein 230 Klafter großer Häuselplatz an Jakob Marzini verkauft, der darauf das Haus Nr.76 erbaute.

1850 und 1855 waren Cholerajahre.

Die Gemeinderechnung von 1859 weist aus, daß die Gemeindejagd, trotz der scharfen Ablehnung vor zehn Jahren, später doch an die „Gutsinhabung" Frischau verpachtet wurde. An Grundentlastung zahlte die Gemeinde in diesem Jahr für gemeindeeigene Gründe 5 Gulden 51 Kreuzer. Als Gemeindekanzlei diente ein Raum beim Kassier Johann Seethaler auf Nr. 25, wofür ihm eine Entschädigung bezahlt wurde. Auf Nr.9 bestand noch das Gemeindehirtenhaus.

1863 herrschte eine enorme Dürre.

Das Kriegsjahr 1866 sah die Preußen in unserem Ort. Über ihr Hiersein gab es keine Klage. In den Quartieren benahmen sie sich anständig, was sie verlangten, bezahlten sie bar. Bei ihrem Abzug mußten einige Vorspannwagen gestellt werden. Die Angst, die vor ihrem Einzug herrschte, war unbegründet. Auf den „Lechern" übten sie sich im Scheibenschießen. Als Anfang der 90er Jahre dort die erstenmale rigolt wurde, fanden wir Buben eine Menge Bleikugeln und Patronenhülsen.

In den Gemeindeakten hat dieser Krieg nur eine kleine Spur hinterlassen. Es ist dies ein „Ausweis über Jene, welche von der Kriegsschädenvergütung eine Vergütung erhalten haben". Danach hat der Pinkas Steckerl für das von den königlich-preußischen Truppen requirierte Vieh etc. 343 Gulden 1 Kreuzer erhalten.

Die Cholera, die auch dieser Krieg im Gefolge hatte, forderte bei uns folgende Opfer: Theresia Zeger, Viktoria Wollinger, Johann Hofner, Josef Rudorfer, Wenzl Stock, Martin Neubauer, Apolonia Janoschek, einen Kratschmann und einen Sklensky.

KAISER JOSEF II

Maria Theresia hat vieles in Österreich reformiert. Sie ging langsam und vorsichtig dabei zu Werke, Vorrechte und Gewohnheiten schonend.-

Das behagte Josef II. schon lange nicht.

Als er nach ihrem Tode 1780 zur Regierung kam, ging er mit Feuereifer daran, den Staat in seinem Sinne umzuschaffen. Allein sein Tempo war für jene Zeit zu stürmisch, die Widerstände der verzopften Gewalten stiegen mit jeder Neuerung, so daß der größte Teil der Reformen ihn nicht überlebte. Was er für die Besserstellung des Bauern wollte, war sehr viel, was davon jedoch durchgeführt wurde und erhalten blieb, das war herzlich wenig.

Der Bauer war Untertan der Herrschaft, er stand zu ihr im Hörigkeitsverband, war also ihr Leibeigener. Abgesehen von den Arbeitsleistungen und Giebigkeiten, zu der der Bauer verpflichtet war, bestand die Leibeigenschaft auch darin, daß er der „Scholle zugeschrieben" war, d. h. niemand konnte ohne Zustimmung der Grundobrigkeit das Herrschaftsgebiet verlassen.

Außerdem konnte der Bauer ohne die Zustimmung der Herrschaft nicht heiraten, er konnte kein Gewerbe erlernen, er konnte nicht Meister werden. Gab die Herrschaft jedoch zu einer Veränderung ihre Zustimmung, so mußten Taxen erlegt werden, deren Höhe die Grundobrigkeit natürlich selbst bestimmte.

Kaiser Josef II. hob nun die Leibeigenschaft mit Patent vom 1. November 1781 auf. Es blieb nur die Untertänigkeit bestehen. Im Grunde genommen war auch sie nichts anderes als eine - etwas mildere - Form der Leibeigenschaft. Auch jetzt noch mußte jeder Untertan bei jeglicher Standesveränderung um die Erlaubnis nachsuchen. Jetzt aber durfte sie ihm nicht mehr verweigert werden; sie mußte zudem ohne Entgelt gegeben werden, die Taxen fielen weg.

Die Robot sowie die Frondienste wurden vom Kaiser mit Patent vom 27. Jänner 1783 neu geregelt. Sie blieben bestehen; ebenso blieb der Zehent.

Freilich, gewollt hat es Kaiser Josef II. anders. Seinem Weitblick schwebte vor, die Robot und auch die Naturalabgaben ganz aufzuheben. Eventuell sollten an ihre Stelle Geldabgaben treten.

Er legte zudem einen neuen Grundsteuerkataster an, der eine gleichmäßige Besteuerung von Herrschaft und Untertan vorsah. Im Zusammenhang mit diesem neuen Grundsteuerkataster regelte das Robotpatent von 1789 das Einkommen aller Untertanen - Bauern - so, daß ihnen vom Bruttoertrag ihrer Grundstücke 70 % verbleiben sollten.

Ferner sollten die Steuern nun nicht mehr von den Herrschaften (die den Staat meist um mehr oder weniger hohe Steuerbeträge prellten), sondern von staatlichen Beamten eingehoben werden. Dies wäre ein weiterer notwendiger Schritt zur Besserstellung der Bauern gewesen. –

Als Kaiser Josef II. 1790 starb, wurden fast alle Reformen durch seinen Nachfolger Leopold II. aufgehoben, die alten Zustände wurden wieder hergestellt. Für den Bauern hatte sich nichts geändert.

DIE EISENBAHN

Die erste Bahn im alten Österreich wurde im Jahre 1832 von Budweis nach Linz eröffnet. Es war dies eine Pferdeeisenbahn. Im Juli 1839 erfolgte die Eröffnung der Strecke Wien -Brünn der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn.

Im gleichen Jahr verwendeten sich die Städte Znaim und Iglau dafür, daß der Bahnbau von Stockerau über Znaim und Iglau geführt werde. Aber erst am 1. Dezember 1866 wurde die staatliche Erlaubnis zum Bahnbau Stadtlau - Laa -Kromau - Strelitz gegeben, und Znaim in das Abzweigungsnetz (ab Frischau, später Grußbach - Schönau) aufgenommen. Die Stadt schenkte der Staatsbahngesellschaft den Grund zum Bahnhof und übernahm 30000 fl. Aktien. Schon am 17. Dezember 1866 wurde bei Possitz, am 18. Dezember bei Hödnitz der erste Spatenstich getan. Beim Bau der Staatsbahn verwendete man zum erstenmal den Sprengstoff Dynamit.

Die Strecke von Znaim nach Brünn mit 89 km wurde in einigen Abschnitten auf einmal gebaut. Am 9. August 1870 kam die erste Lokomotive nach Znaim, am 10. August zog die Lokomotive „Branitz" den ersten Zug in den Znaimer Bahnhof. Am 15. September 1870 fuhr der Festzug um 7 Uhr 15 von Brünn nach Znaim ab. Alle neu errichteten Bahnhofsgebäude waren reich geschmückt. Der Zug wurde überall mit Musik begrüßt. Um 12 Uhr kam der Zug nach Znaim.

Am 24. November 1870 noch wurde die Strecke Grußbach -Schönau - Wien eröffnet.

Der Bahnbau und dessen unerwartete Folgen

Vor nunmehr gerade 100 Jahren wurde die Bahnlinie Brünn - Grußbach - Znaim eröffnet. Da es damals noch keine solchen Baumaschinen gab wie heute, wo beim Bau von Straßen und Autobahnen ungeheure Erdbewegungen fast ausschließlich durch den Einsatz großer Baumaschinen spielend bewältigt werden, mußte der Aushub bei geplanten Einschnitten und die Auffüllung des Terrains an anderen Stellen mit Handarbeit und Pferdegespannen erfolgen. Diese Arbeit wurde hauptsächlich von der Bevölkerung der auf der Trasse liegenden Gemeinden geleistet und brachte diesen während der ganzen Bauzeit guten Verdienst. So auch in Tullnitz. Vom ersten Tag an hatten die Leute und Gespanne Arbeit, da wir direkt an der Baustelle eines Durchstiches durch einen Hügel lagen, wo allein über 100000 cbm Erde weggeschafft werden mußten. Nach dem Krieg und vorhergegangenen schlechten Ernten konnte man das Geld sehr gut brauchen. Der Durchstich an dieser Stelle dauerte fast 2 Jahre und die terrainmäßige Herrichtung der ganzen Umgebung nahezu 4 Jahre. Bald nach Beginn der Arbeiten auf der etwa 2 km langen Baustelle tauchte eines Tages ein Mann namens Steckerl auf, der auf einem geborgten Schubkarren ein Fäßchen Schnaps, den gewöhnlichen Fusel, mit sich führte und diesen den Arbeitern ausschenkte. Das Geschäft mit den bis zu 400 dort Beschäftigten ging gut und Steckerl erschien alsbald mit einem Pferdegespann, mit dem er täglich drei- bis viermal die Baustelle auf und ab fuhr, neben Schnaps auch noch andere Bedarfsartikel verkaufend.

Nach einem halben Jahr konnte sich der Schnapsverkäufer schon ein Haus kaufen. Nach Beendigung der Erdarbeiten waren die Einnahmen der Bewohner wohl geringer, aber sie hatten sich das Schnapstrinken angewöhnt und konnten nicht mehr davon lassen. Der Schnapshändler gab das Getränk gerne auch auf Schulden ab und lieh sogar Bargeld. Auf einen Schuldschein von 100 Gulden zahlte er 80 Gulden bar, rechnete aber außerdem Zins und Zinseszinsen. Konnte der Schuldner am Fälligkeitstag nicht zahlen, so borgte Steckerl auch weiter, so lange, bis der Besitz des Schuldners zur Versteigerung kam und Steckerl ihn zum Ausrufungspreis an sich bringen konnte, weil in der damaligen Zeit der Geldknappheit meist keine anderen Bieter zur Versteigerung kamen. Auf diese Weise konnte Steckerl innerhalb kurzer Zeit 6 Bauernhöfe ganz und von mehreren Bauern einen Großteil ihres Besitzes aufkaufen. Binnen 10 Jahren hatte er ein Areal von 200 ha beisammen und betrieb neben der Landwirtschaft auch noch die Schnapsbrennerei weiter. Die durch den Verkauf ihrer Wirtschaft Verarmten wanderten zum Teil nach Wien aus, wo sie das Proletariat der Weltstadt vergrößerten, oder suchten bei der Bahn Arbeit. Manche bearbeiteten ihren früheren eigenen Grund als Arbeiter auf dem neuen Gutshof. Das Glück war dem neuen Großgrundbesitzer aber nicht hold. Meine alte Tante, die 1922 im Alter von 84 Jahren starb und die ganzen Verhältnisse gut kannte, sagte öfters: Auf diesem Besitz lastet ein Fluch, weil er ungerecht erworben wurde. So schien es auch zu sein. Der Sohn Steckerls mußte als Erbe an seine drei Schwestern ein so hohes Heiratsgut auszahlen, daß er es nicht verkraften konnte und den Besitz verkaufen mußte. 1890 ging er von Tullnitz als armer Mann weg. Das Gut kaufte eine Familie Heinz, Menschen, über die man nur Gutes hörte, aber auch diese Familie erlitt auf dem Gut Schiffbruch. Verfehlte Spekulationen und eine zu aufwendige Lebensweise führten zum wirtschaftlichen Ruin. Herr Heinz beendete sein Leben durch einen Sprung in die Mazocha. Der Besitz wurde verkauft, es blieb nichts übrig, die Witwe fristete ihr Leben durch einen kleinen Papierladen. Das Gut kaufte Adolf Wilhelm aus Mißlitz und dem wurde es 1913 im Exekutionsweg verkauft. Käufer waren diesmal Bauern, welche den größeren Teil der Felder erwarben, während die Wirtschaftsgebäude und etwa 80 ha von Baron Wambolt zur Arrondierung seines Besitzes gekauft wurden. Bei der sogenannten tschechischen Bodenreform mußte Baron Wambolt den Hof Tullnitz und andere Meierhöfe abgeben. Obwohl die Tullnitzer Bauern mehr boten, durfte er nicht an sie verkaufen, sondern mußte den Grund an ortsansässige Tschechen abgeben. Diese konnten nach dem Anschluß des Sudetenlandes an das Deutsche Reich frei und unbehindert wirtschaften und es ging ihnen gut. Nach 1945 wurde ihnen alles von den neuen Machthabern weggenommen, genauso wie uns, nur daß wir noch dazu aus der Heimat vertrieben wurden. Wir wollen aber nicht schadenfroh sein, denn wir haben es am eigenen Leib verspürt, was es heißt, seines Besitzes beraubt zu werden. T

LIEBITZFELD

Ein Teil der Feldflur des ehemaligen Liebitz liegt heute innerhalb unserer Gemeindegrenzen und diese Tatsache rechtfertigt es, die Geschichte und Geschicke dieses Bodens in den Kreis unserer geschichtlichen Erörterungen einzubeziehen.

In der mündlichen Überlieferung heißt es, daß dieses Dorf im Schwedenkrieg zerstört worden sein soll. Zu dieser Zeit, 1618 bis 1648, bestand Liebitz schon lange nicht mehr. Der Geschichte von Frischau und Welehrad ist zu entnehmen, daß der Ort Liebitz mit Frischau bis 1440 dem Stifte Welehrad gehörte. In diesem Jahre verpfändete der Abt Benedik Frischau, Liebitz und Wolkowitz an das Geschlecht der Ofner von Radolitz. Es wurde von Dörfern gesprochen, aber nicht von Ödungen; in diesem Falle, daß diese Dörfer um 1440 noch bestanden. Als aber 1536 Johann von Pemstein den Pfandbrief auslöste, war Liebitz schon eine Ödung. Es gab eine Menge Orte in unserer Gegend, die gleich Liebitz, die Hussitenkriege überdauerten und erst später Odungen wurden: so Bohotitz und Pausritz in der Moskowitzer Gegend, Wolkowitz bei Leipertitz, Wrahowitz bei Probitz. Alle dies Dörfer wurden zu Beginn des 16. Jahrhunderts als veröde gemeldet und dürften in dem Kriege des ungarischen König Mathias Covenius gegen den König Georg von Podiebrad der über 8 Jahre, von 1463 bis 1471, auf die grausamste Weis geführt wurde, aus dem Landschaftsbild ausgelöscht worden sein. Als der Ort verödet war, wurden die Felder von Frischau eingezogen.

Tullnitz bekam dann 1714 den nicht gerade besten Teil vor diesen Feldern. Jakob Mühlhauser hat aufgrund von alten Feldplänen der Herrschaft Frischau genau fixiert und fand seine Vermutung bestätigt. Der Ort Liebitz lag südlich des Fahrweges Leipertitz - Neuhof - Moskowitz, in der Verlängerung der Gemeindewaldparzelle - Schottergrube, noch einfacher gesagt, in der Verlängerung des Wirtshausackerweges über die genannten Parzellen. Dieser Weg dürfte einmal vor Jahrhunderten der Verbindungsweg zwischen Damitz und Liebitz gewesen sein.

DAS HINTERBERGENFELD

Die Tullnitzer empfanden es als Unrecht, daß die Gemeinde Damitz das „Hintabergifeld" in ihrem Besitz hatte. Die Ortsgeschichte bringt etwas Licht in diesen Fall. Urkundlich kann nirgends nachgewiesen werden, wie dies zu Damitz kam. Beide Dörfer haben nachweisbar um das Jahr 1200 schon bestanden. Tullnitz hatte laut einer urkundlichen Erwähnung 1497 an die 20 Lahne. Dies entspricht der Größe nach, ungefähr dem Mitbesitz des Hinterberg- und Antonifeldes bei Tullnitz. Daß dieses einmal dazu gehörte, wird niemand bezweifeln.

Die Überlieferungen aus Großväters-Zeiten dürften alle nicht stimmen. Hier einige davon:

Die Bauern von Tullnitz hätten das Hinterbergenfeld haben können, wollten es aber nicht; sie wollten keine Steuern zahlen

„Das Hinterbergenfeld war Heide und sie wollten es nicht urbar machen". u. a.

Aus folgenden Berichten ist zu ersehen, daß dieses Feld schon lange bei Damitz war. Hierzu aus dem Frischauer Herrschafts-Archiv:

Grenzbeschreibung - Liebitz 1697. „2-te Figur an die Irritzer Straßen: und Damitzer Granitz".

Die Irritzer Straße ist der Feldweg von Irritz nach Frischau, jetzt durch die Bahn unterbrochen, bei der Antonius-Statue vorbei, ein alter Fuhrmannsweg. Nach aller Wahrscheinlichkeit gehörte das Hinterbergenfeld schon lange vor 1697 zu Damitz.

Im Jahre 1577 waren 16 Untertanen in Tullnitz, davon 9 mit Ackergeräten, 9 Bauern. 1706 lag 1/3 der Felder unbearbeitet, weil zu wenig Siedler waren. Hieraus ist zu ersehen, daß in Tullnitz zu wenig Bauern waren, um das besagte Feld zu übernehmen und auch keine Hilfe erhielten.

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das Hinterbergenfeld schon um 1600 zu Damitz gekommen. Wenn auch keine Urkunden vorhanden sind, so gibt es Anhaltspunkte hierfür. Außer den behauenen Steinen mit der Jahreszahl 1730 standen entlang der Grenze Tullnitzer Weingärten und Hinterbergenfeld, alte, unbehauene Steine, die nicht da gewesen wären, wenn die besagten Felder zu dieser Zeit zu Tullnitz gehört hätten, und dies war bestimmt vor 1740.

Leider sind diese unbehauenen Steine nur stumme Zeugen. T

Der Name Hinterbergenfeld ergibt, aus Tullnitzer Sicht, keinen Sinn. Vom Blickpunkt Damitz jedoch liegen die Felder tatsächlich hinter dem Berg. Man kann daraus schließen, daß der Flurname ein Damitzer Flurname ist./g.h.

SCHLOSS UND MEIERHOF

Im nächsten Abschnitt behandle ich das Verschwinden des Tullnitzer Hofbetriebes. Da scheint es mir aber von Nutzen, vorher einen kurzen geschichtlichen Überblick über Schloß, Meierhof und seinen Betrieb, soweit er sich erschließen ließ, im Zusammenhange zu geben.

Geschichte von Schloß und Meierhof

Wie wir schon gesehen haben, standen Schloß und Meierhof auf dem langgestreckten Gebietsstreifen, den heute die Häuser Nr.40 bis 60 einnehmen. Wie wir weiter schon besprochen haben, ist der Wiederaufbau bzw. die erste Neugründung unseres Ortes in die gotische Zeit zu verlegen; und zwar in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Natürlich fällt in diese Zeit auch der Bau des alten Schlosses oder was sonst an herrschaftlichen Bauwerken stand. Der Baustil wird dann der gotische gewesen sein. Diese alten Bauten bestanden in der beiläufigen ursprünglichen Gestalt bis in die Zeit des 3ojährigen Krieges. Zu Ende dieses Krieges, in der ,,Schwedenzeit« unserer Landschaft 1645 bis 1647, wurden sie nebst dem Dorf gründlichst zerstört, und der Raum lag öde, bis in die Zeit des Johann Baptist Kaschnitz von Weinberg.

Kaschnitz hat dann in den Jahren 1714 bis 1720 ein Schlößchen und den Meierhof neu erbaut. Die starken Grundmauern aber, auf die man beim Umbau des Hauses Nr.47 stieß, sind nicht im Auftrage des Kaschnitz gefügt worden, sie sind viel älter und stammen von früheren Baulichkeiten. Schade, daß der Verlauf der Mauern damals nicht verfolgt werden konnte, es wäre immerhin von Wert gewesen, wenigstens den Grundriß des alten Bauwerkes zu kennen. Nun, die Mauern liegen ja noch in der Erde, und vielleicht kommt einmal die Zeit, wo dieses Geheimnis gelüftet werden kann.

Kaschnitz baute nicht solide, er führte vielmehr alle Baulichkeiten, die er errichtete, mit Ausnahme der Kapelle, in rohem Material auf, mit Lehmziegeln, vielleicht zum Teil mit Batzen. Das geht aus mehrfachem hervor. Schon 1744, also knapp zwanzig Jahre nach der Erbauung, heißt es, daß das Schlößl von „schlechtem Gebeu" sei. Damit sollte wohl nicht ausgedrückt werden, daß es etwas baufällig gewesen wäre, das war bei der schlechtesten Bauweise ja kaum möglich; vielmehr sollte es ein Hinweis darauf sein, daß es aus schlechtem, d. h. rohem - im Gegensatz zu gutem, d.h. gebranntem - Material bestand. Ferner werden in der Landesbeschreibung 1783 alle aus Stein oder Ziegel aufgeführten Bauten und Bauwerke in den Dörfern aus militärischen Gründen angeführt, es wäre also auch unser Schloß angeführt worden, wenn es solid gebaut gewesen wäre. So aber wird nur die Kapelle als solches Bauwerk genannt. Kaschnitz hat also aus Lehm gebaut, hat aber sicher die alten Fundamente aus Stein als solche wieder benützt.

Wo stand das Schloß? - Unzweifelhaft in der Verlängerung der Ortsachse, im Raume der heutigen Häuser Nr.47 und 48.

Aus den alten Plänen von 1783 und 1800 würde dies zwar nicht eindeutig hervorgehen, aber die Überlieferung im Orte sagt es in der bestimmtesten Form, und sie wird durch manches erhärtet. So spricht für diesen Platz der schon recht alte Bergbrunnen und der ehemals zwischen den Häusern Nr.48 und 49 bestandene Brunnen, dessen Platz jetzt im Hofe von Nr.49 liegt.

DIE AUFLÖSUNG DES TULLNITZER HOFES

Einer der wichtigsten Abschnitte in der Geschichte unseres Ortes ist die Auflösung des Tullnitzer Meierhofes. Die Gebäude, Schloß, Stallungen und Scheune waren aus Lehmziegeln gebaut und mit Stroh gedeckt. Die Wirtschaftsgebäude waren verfallen, das Schloß mit 6 Zimmern sehr baufällig. Es konnte auch kein Vieh mehr gehalten werden, die Felder wurden nicht mehr gedüngt und brachten daher auch schlechte Ernten. Der Wiederaufbau der besagten Gebäude hätte zur damaligen Zeit 30000 Gulden gekostet.

Im Jahre 1805 entschloß sich die Herrschaft Frischau, den Hof aufzulösen. Die Erledigung der Formalitäten dauerte zur damaligen Zeit ein Jahrzehnt. Eingeleitet wurde die Liquidation des Hofbesitzes Tullnitz mit der Veräußerung des herrschaftlichen Wirtshauses in Tullnitz Nr. 1. Der Verkauf erfolgte auf dem Lizitationswege. Das Wirtshaus wurde mit 33 Joch 430 Geviertklafter angeboten. Zur Lizitation waren erschienen: 2 Interessenten aus Tullnitz, 1 aus Irritz, 1 aus Znaim, 1 aus Bonitz, ein Frainer und einer sogar aus Wien.

Erstanden hat das Wirtshaus, die Felder samt inventarisierten Effekten und mit dem daran stoßenden Preßhaus und dem großen obrigkeitlichen Keller um den Preis von 4615 Gulden der Tullnitzer Michael Koller.

Im Jahre 1816 kam zum Verkauf die Haidbreite, die Garten-breite (zwischen Damitzer Straße und Gehweg zur Haltestelle), die Weingartenbreite, die Antonibreite und ein Wiesengrund. Der Erlös betrug für die Herrschaft 43 465 fl., die Tullnitzer konnten nur 18858 fl. auslegen. Die 2. große Feldversteigerung fand am 21. November 1817 statt. Zum Verkauf kamen: die Pfaffenbreite im Ausmaße von 48 Joch, lag auf der linken Seite der Bahn zwischen dem Leipertitzer Weg, Bahnwächterhaus und Station Frischau. Käufer waren Leipertitzer, weil es angrenzend an ihr Gebiet war, und 2 Tullnitzer Käufer. Die lange Breite hatte eine Größe von 30 Joch 1017 Geviertklafter, lag zwischen der Frischauer Straße und Moskowitzer-Weg, den Stoßäckern. Von diesem Feld wurden vier Teile in der Länge, und 7 Teile a' 1 Joch und ein kleines Randstück gemacht. Von diesen 30 Stücken kauften die Tullnitzer nur insgesamt 3 Teile, es fehlte ihnen an Geld. Die übrigen Grundstücke erstanden Damitzer, Irritzer und Frischauer Käufer.

Der Erlös für die beiden Felderbreiten war 26 123 fl. Insgesamt betrug die Verkaufssumme für die Herrschaft Frischau 74203 Gulden. Dazu kam noch der Verkauf anderer Objekte und Bauplätze, so daß sich der Verkaufspreis noch um einiges erhöhte und ca. 80000 Gulden brachte. Für die Herrschaft Frischau finanziell ein gutes Geschäft. Weniger gut aber für die Tullnitzer, die nur 1/4 der angebotenen Felder infolge Geldmangels kaufen konnten.

Etwas Gutes hatte der Verkauf dennoch. Das ganze Gebiet vom Schloß, Wirtschaftsgebäude und Garten verkaufte die Herrschaft Frischau als Bauplätze und es entstand die Häuserreihe von Nr.40 bis Nr.60, und Tullnitz hat sich in den 100 Jahren von 1830 bis zur Vertreibung infolge Mangels an Bauplätzen nicht viel vergrößern können.

UNSERE KAPELLE

KapelleKapelle 2000Der Geschichtsschreiber Wolny schreibt in seiner ,,Kirchlichen Topographie von Mähren« 1861: „Die Kapelle zur Erhöhung des hl. Kreuzes in Tullnitz soll der Besitzer dieses Gutes, Johann Baptist Kaschnitz, Ritter von Weinberg, im Jahre 1714 erbaut und die Fürstin Maria Gabriele von Fürstenberg darin den Altar errichtet haben. Sie ist solid, gewölbt, hat einige Paramente und im Türmchen eine kleine Glocke. Am hl. Kreuzerhöhungstage und auch an Wochentagen kann darin hl. Messe gelesen werden".

WappenDaß Wolny seine Angaben nicht aus urkundlichen Quellen schöpfte, beweist das Wörtchen „soll". Daß aber Kaschnitz von Weinberg die Kapelle 1714 bis 1716 erbaut hat, beweist neben der mündlichen Überlieferung vor allem sein Wappen über der Eingangstür, ferner die Tatsache, daß er zu dieser Zeit Besitzer und Grundherr von Tullnitz war und für die Erbauungszeit sowohl als für den Erbauer überdies auch ein

Bild, das im Gange der neuen Schule hängt. Dieses Bild zeigt den Altar der Kapelle genauso wie er sich heute zeigt, nur befand sich am Fuße des Kreuzes ein Totenkopf, der jetzt in der Sakristei steht. Vom Beschauer aus auf der linken Seite des Altars kniet auf dessen Stufe eine männliche Gestalt mit gefalteten Händen, das Gesicht dem Beschauer zugewendet, in der barocken Edelmannstracht jener Zeit mit Allongeperücke, kurzer Hose, weißen Kniestrümpfen, Schnallenschuhen und rotem Rock. Rechts des Altares ist auf einem Schilde zu lesen:

Kapelle„Ex anno 1716 (aus dem Jahre 1716)". Dieses Jahr ist also wohl das Jahr, in dem das Bild gemalt wurde, zugleich aber auch sicher das Jahr, in dem die Kapelle ihrer Bestimmung übergeben wurde bzw. das Jahr der Weihe.

Um eventuell einen urkundlichen Beleg über die Erbauung oder die Weihe zu erhalten, wandte ich mich an die Leitung des Olmützer fürsterzbischöflichen Archives - die Brünner Diözese bestand damals noch nicht - und erhielt vom Archivar Herrn Dr. A. Breitenbacher in Kremsier die Auskunft, daß außer einigen Schriften über die Irritzer Pfarre nichts vorhanden sei. Von Tullnitz nirgends eine Erwähnung. Er ist daher der Meinung, daß die Kapelle wohl vom Dechant, wenn nicht gar nur vom Pfarrer, geweiht wurde.

WappenNach Aussage vieler alter, um die Jahrhundertwende gestorbener Leute, deren Großeltern noch bis ungefähr in die Erbauungszeit zurückdenken konnten, ist die auf dem oben besprochenen Bild dargestellte Gestalt der Erbauer der Kapelle, also Johann Baptist Kaschnitz von Weinberg, und nach allem Gesagten können und müssen wir dies als Tatsache zur Kenntnis nehmen. Die Verhältnisse liegen hier klar.

Ganz anders jedoch verhält es sich mit der Angabe, daß die Fürstin von Fürstenberg den Altar gestiftet haben soll. Die Überlieferung sagt es wohl, und der Geschichtsschreiber Wolny schöpfte ja aus ihr, ebenso wie es eine 1897 im Turm-knauf hinterlegte Urkunde nachspricht. Trotzdem ist diese Angabe nicht richtig und zwar aus folgenden Gründen:

Das oben besprochene Bild soll ursprünglich in der Kapelle gehangen haben. Abgesehen davon, daß es recht sonderbar erscheinen müßte, ja daß es eine Geschmack- und Taktlosigkeit von Kaschnitz gewesen wäre (sich nämlich später als Erbauer im Bilde verewigen zu lassen), die sich mit den damaligen Kavalieranschauungen sicher nicht vertrug, nämlich sich mit dem geschenkten Altar sofort portraitieren zu lassen und neben das Original hinzuhängen, ist noch weiters zu beachten:

Gedenkschreiben, das im Jahre 1897 nach der Renovierung der Kapelle in deren Turmknauf hinterlegt wurde

URKUNDE

Durch die mündliche und schriftliche Überlieferung ist uns bekannt, daß diese Kapelle im Jahre 1714 von dem damaligen Gutsherrn Johann Baptist Kaschnitz Ritter von Weinberg erbaut wurde und dieser Bau bis zum Jahre 1716 dauerte. Den Altar spendete Fürstin Maria Gabriele von Fürstenberg. Im Jahre 1787 ist die Kapelle durch Blitzschlag abgebrannt, und von dem Richter desselben renoviert worden.

Im Jahre 1823 ließ die Fürstin Lichtenstein die Kapelle neu renovieren und nachdem dieselbe im Jahre 1856 baufällig wurde, ließ sie der hierortige Ansasse Thomas Bamboschek aus seinem und seines Eheweibes Nachlaß renovieren.

Im Jahre 1859, 22. April, 6 Uhr abends warf ein heftiger Sturm das Kreuz vom Turm herab und wurde die Restaurierung desselben erst im Jahre 1861 durch die Gemeindevorstehung veranlaßt, was aus der beiliegenden Aufzeichnung ersichtlich ist.

Nachdem unsere Kapelle seit dieser langen Reihe von Jahren sich wieder in einem baufälligen Zustande befunden hat, ist es im Jahre 1897 gelungen, durch wohltätige Spenden eine größere Summe Geldes zusammenzubringen und dieselbe zu renovieren und ist namentlich das Verdienst, die Sammlung eingeleitet zu haben, dem derzeitigen ersten Gemeinderat Wenzl Janoschek zu danken, der mit rastlosem Eifer die Sammlung der Spenden leitete. Unter den Hochherzigen Spendern sind insbesondere unser allergnädigster Kaiser und Herr Franz Josef 1., dann der in Tullnitz gebürtige Herr Pater Anton Wollinger, Priester des Dominikanerkonvents in

St. Petersburg hervorzuheben, als auch ihre Durchlaucht Frau Fürstin Leopoldine Lobkowitz, die hiesige Gemeinde und viele andere unbekannt sein wollende.

Bis zum Jahre 1897 war die Kapelle mit Holzschindeln gedeckt. Im August dieses Jahres wurden die Restaurierungsarbeiten in Angriff genommen und nach den Plänen des Architekten Richard Völkl aus Brünn übernahm der Baumeister Josef Schweigbofer aus Znaim die Arbeit. Mit Hilfe Gottes und gutem Willen der Ortsbewohner war der Bau noch in demselben Jahr beendet und konnte diese Urkunde bereits am 10. September 1897 in den Turmknauf gelegt werden, da an diesem Tage nachmittag das Kreuz aufgestellt wurde.

Wir taten dies mit dem lebhaften und innigen Wunsche, daß bis wieder nach Jahren, diese heilige Stätte, sich in schlechtem Bauzustande befinden sollte, der Bau ebenso opferwillig und freudig von unseren Nachkommen in Angriff genommen werden möge und die Bewohner von Tullnitz sich einen Denkstein zur Ehre Gottes und zur Freude der Bevölkerung von Tullnitz setzen mögen. Wir bitten unsere Nachkommen, diese beiden Schriftstücke nicht vernichten zu wollen, sondern dieselben den späteren Generationen auf eben dieselbe Art wie wir aufzubewahren.

Dies walte Gott ! !

DIE GROSSE LINDE

Bei der Johannes-Statue neben dem Hause Wollinger, stand einst eine große Linde, gut 30 m hoch, mit einer Riesenkrone, in deren Schatten oft bis zu 15 Pferdegespanne der tschechischen „Weiertstecken" Fuhrwerke Platz und Rast fanden. Der alte Josef Pankraz erzählte mir, daß anläßlich einer Wette, betreffs Stärke des Stammes, er mit drei anderen Burschen im Alter von 15 bis 18 Jahren, sich bei den Handgelenken fassend, den Stamm der Linde gerade noch umlängen konnte. Dies dürfte einem Durchmesser des Stammes von 1,6 m entsprechen. Im tschechischen Gebiet hieß Tullnitz, das Dorf mit der großen Linde. Obwohl der Stamm der Linde noch kerngesund war, wurde aus Geldnot der Gemeinde, dieselbe an die Bauern Janoschek, Wenzel, Hofner, Sand und Wollinger um das Jahr 1880 verkauft. Die Aste der Linde waren noch so stark, daß man Wassertröge für das Vieh und 114 Tröge zum Schweineschlachten machte. Nach Aussagen von Forsthütern, wurde das Alter dieser Linde, nach ihrer Größe, auf 500 bis 700 Jahre geschätzt. Beim Ausgraben des Wurzel-stockes wurden 30 Skelette von Männern gefunden. Oberlehrer Zacpal errechnete nach einem Schenkelknochen, daß dieser Mann einst eine Größe von 2 m hatte.

Podolic, das nachherige Tullnitz, wurde wahrscheinlich im Zusammenhang mit den Einfällen der Ungarn und KuMarien in den Jahren 1253, 1254 und 1260 zerstört. Die Toten dürften die ermordeten Einwohner von Podolic sein. In früheren Zeiten hat man oft auf solche Begräbnisstätten eine Linde gepflanzt. T

DER ERSTE WELTKRIEG 1914 - 1918

Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajevo am 28. Juli 1914 löste überall berechtigte Empörung und Bestürzung aus. Der Krieg stand vor der Tür. Am 31. Juli erfolgte die allgemeine Mobilmachung aller österreichischen Truppen. Getragen vom Ernst der Stunde, rückten unsere Soldaten mit Begeisterung ein. Sie nahmen Abschied von ihren Lieben, in der Hoffnung, Weihnachten wieder zu Hause zu sein. Die Kriegserklärung Öterreichs an Serbien löste eine Anzahl von Kriegserklärungen aus. Die Welt war vom Kriegsfieber ergriffen und Not und Elend waren die Folgen von vier Kriegsjahren.

Die Lebensmittel wurden immer knapper, die Getreidevorräte beschlagnahmt, Lebensmittelkarten ausgegeben und Höchstpreise wurden von gewissenlosen Menschen mit Wucherpreisen überzahlt. Alle Produkte wurden weniger, sogar in der Schule gab es kein Papier mehr. Kirchenglocken mußten abgeliefert werden. Auf den Frauen lastete die ganze Wirtschaft, schulpflichtige Jungen führten den Pflug. Die Er-träge gingen auffallend zurück. Im Jahre 1917 trat Amerika in den Krieg gegen die Mittelmächte ein.

Mit dem Tode Kaiser Franz Josef I begann die Tapferkeit und Moral an den Fronten zu sinken. Der neue Kaiser, Karl I., war nicht mehr imstande, die Lage zu meistern. Mit der Auflösung des Heeres erfolgte der Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie.

Am 28. Oktober 1918 wurde in Prag die tschechoslowakische Republik ausgerufen.T

DIE TSCHECHOSLOWAKEI

Obwohl im Feld unbesiegt, haben Deutschland und Österreich den Weltkrieg verloren. Die Sieger traten nun an, die Frucht einzuheimsen. Unter diesen Siegern befanden sich auch die Tschechen. Dies verdankten sie ihren politischen Führern, die eigentlich Hochverräter waren. Dieselben, Prof. Masaryk und Dr. Benesch, kämpften angeblich um die Freiheit ihrer Nation und die Zerschlagung des Völkergefängnisses Österreich-Ungarn. Als sie ihr Ziel erreichten, schufen sie nicht einen freien Tschechenstaat, sondern eine Tschechoslowakei, einen Zwangsstaat, in den 6 Nationen, Tschechen, Slowaken, Polen, Deutsche, Ungarn und Ruthenen gepreßt wurden. Der neue Staat hatte 12 1/2 Millionen Einwohner, darunter mehr als 3 1/2 Millionen Deutsche.

Am 3. Oktober 1918 schlossen sich die berufenen Vertreter Südmährens an Deutsch-Österreich an. Es hieß, der Friedens-Vertrag wird die Entscheidung bringen. In Wirklichkeit war sie längst gefallen. Tschechische Gendarmerie und Narodny Vyborleute besetzten am 1. November 1918 den Bahnhof Grusbach, wurden aber von Eisenbahnern und Bauern wieder zur Räumung gezwungen. Man hatte den Tschechen jedoch nichts entgegenzusetzen. Deutsche Gendarmen waren zu wenig und die ihnen zugeteilten Leute nichts wert. Eine Handvoll Matrosen, aus Wien geschickt, konnten die Sache auch nicht retten. Die Station Mißlitz wurde von den Tschechen mit einem Panzerzug genommen und sie forderten die Rückgabe der Waffen, die von einer Abteilung der Volkswehr den Tschechen abgenommen wurden. Am 28. November 1918 setzten sich die Tschechen in Tullnitz fest. Nach und nach besetzten sie ganz Südmähren, ohne allzu großen Widerstand zu finden. Sie konnten auch keinen leisten. Einmal war kein richtiger Führer da, zum anderen hatten sie keine Waffen, und Österreich konnte nicht helfen, da es vertraglich gebunden war.

Dann folgte eine Komödie von Verhandlungen, die sich alle zu Ungunsten für Südmähren auswirkten. Hierauf begann ein Friedenskongreß in den Vororten von Paris. Deutsch-Österreich, das sich als Bestandteil des Deutschen Reiches erklärte, mußte sich einem Diktat unterwerfen, das es zur Selbständigkeit zwang und zur politischen Ohnmacht verurteilte. Südmähren und alle Sudetendeutschen Gebiete und einige Gemeinden Österreichs wurden endgültig der Tschechoslowakei zugesprochen. Am 10. September wurden die Unterschriften unter diesen Schandvertrag gesetzt. Am 24. September 1919 wurden die für das Sudetenland geschaffenen Behörden aufgelöst und Österreich nahm Abschied von den Männern und Ländern, die es vertraten.

Nun begann für die deutschen Staatsbeamten und Angestellten eine schwere Zeit. Auch für die deutschen Arbeiter galt dasselbe. Mancher brave deutsche Mann mußte sich als Tscheche bekennen, um einen Posten beim Staat zu erhalten. Viele deutsche Beamte und Arbeiter, junge deutsche Menschen wurden entlassen, ältere wurden mit einer geringen Pension in den Ruhestand geschickt, die zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel war. An ihre Stelle kamen überall, auch in rein deutschen Gebieten, besonders aber an der Sprachgrenze, bei Bahn, Post, Polizei und Gendarmerie Tschechen in Stellung, die oft die deutsche Sprache sehr schlecht oder gar nicht beherrschten.

So war es auch in Tullnitz. Wir hatten eine Anzahl Eisenbahnbedienstete im Dorfe, die fast alle dieses harte Los traf. Die jüngeren Männer wurden ohne Entschädigung von der Bahn entlassen, die älteren Bediensteten mit einer kleinen Pension in den Ruhestand geschickt.

Im Jahre 1924 ging der Tullnitzer Gutshof, Besitzer Baron Wambold-Frischau, durch die Bodenreform des tschechischen Staates, wie vielerorts, in den Besitz von Tullnitzer Tschechen über. Keine deutsche Familie bekam ein Stück Land, obwohl der gesamte Besitz vor 100 Jahren noch Eigentum deutscher Bauern war. Da bei dem Gutshof in Tullnitz früher noch 60 ha Felder vom Gute Frischau mitbewirtschaftet wurden, dies aber wegfiel, verloren wieder eine Anzahl Deutscher ihren Arbeitsplatz.

Im Jahre 1922 - 1923 wurde für einige tschechische Kinder ein Schulpalast mit Kindergarten vom tschechischen Staat erbaut und eröffnet. Die Kinder dieser Schule wurden zu Weihnachten vollständig eingekleidet, Lehrmittel bekamen dieselben umsonst. Dies galt als Lockung für deutsche Kinder zum Auffüllen der tschechischen Schule. Es muß aber zur Ehre der deutschen, notleidenden Bevölkerung gesagt werden, keine reindeutsche Familie schickte ihre Kinder in die tschechische Schule oder in den Kindergarten.

Ende der 20er Jahre bis 1938 wurde durch Arbeitslosigkeit die Not der deutschen Bevölkerung immer größer. So mancher kinderreiche Familienvater wußte nicht mehr, wie er Brot und Bekleidung für die Seinen aufbringen sollte. Es mußte etwas geschehen. Als wichtigste Maßnahme galt die Erstellung einer Tagesheimstätte für Kinder im vorschulpflichtigen Alter. Als Obmann beider Schutzvereine im Orte, Kulturverband und Südmährerbund, machte ich die Gauleitungen auf unsere Not aufmerksam. Ich fand Gehör. Der Südmährerbund gab das Gehalt für die Leiterin der Tagesheimstätte, der Kulturverband finanzierte mit, die Gemeinde stellte den Raum und wir konnten im Mai 1929 die Tagesheimstätte eröffnen.

Durch Spenden, Reingewinn von Theateraufführungen und Gaben der Schutzvereine, konnten die Kinder der deutschen notleidenden Bevölkerung ganz oder teilweise eingekleidet werden. Nach dem Anschluß an das Reich 1938 hatte die Not ein Ende, die Tagesheimstätte wurde in einen Kindergarten der NSV umgewandelt und auch bezahlt. Sie Sorgen waren jetzt vorüber.

T

DIE EREIGNISSE DER LETZTEN MONATE VOR DEM ANSCHLUSS AN DAS REICH 1938

Der Anschluß von Österreich am 12. März 1938 gab der deutschen nationalen Bewegung in der Tschechei einen mächtigen Auftrieb. Die Deutschen waren fast alle restlos in der Sudetendeutschen Partei zusammengeschlossen, deren Führer Konrad Henlein war. Es erfolgten Zusammenstöße, Verfolgungen, es werden den Tschechen die 8 Punkte der nationalen Selbstverwaltung bekanntgegeben, die beginnenden Verhandlungen werden am 20. Mai 1938 abgebrochen.

Am 21. Mai mobilisiert die Tschechoslowakei, auch in Deutschland wird die Armee teilweise in Alarmbereitschaft versetzt. Die Terroraktionen steigern sich, England schickt Beobachter nach Prag. Am 20. August sind die Sudetendeutschen nicht mehr gewillt, die Angriffe der Tschechen hinzunehmen. Am 2. September 1938 ist Konrad Henlein beim Führer. Am 12. September proklamiert Hitler das Selbstbestimmungsrecht der Sudetendeutschen, um das sie nach den 14 Punkten vom amerikanischen Präsidenten Wilson 1918 betrogen wurden. Die Prager Regierung lehnt das Selbstbestimmungsrecht strikt ab. Die Sudetendeutsche Partei wird aufgelöst.

Am 15. September fordert Henlein die Heimkehr ins Reich. Der tschechische Terror steigert sich noch mehr und ist fast nicht mehr zu ertragen. Am 17. September wird das Sudetendeutsche Freikorps gegründet. Am 19. September 1938 fordert der italienische Regierungschef das Selbstbestimmungsrecht der Sudetendeutschen. Am gleichen Tage verlangen auch Polen, Ungarn, Slowaken und Ruthenen das Selbstbestimmungsrecht ihrer Volksgruppe. Am 21. September nimmt Prag auf Druck Englands und Frankreichs deren Vorschläge auf Abtretung des sudetendeutschen Gebietes an. Die Ereignisse überstürzen sich jetzt.

Am 22. September tritt die Regierung Hodscha zurück und General Sirovy wird Ministerpräsident. Tschechische Truppen marschieren in das sudetendeutsche Gebiet ein. Am 22. ist Chamberlein in Bad Godesberg am Rhein zum zweitenmale bei Hitler. Die Verhandlungen wurden mit der Überreichung eines deutschen Memorandums am 23. September abgeschlossen, das die endgültige deutsche Stellung zur Lage des Sudetenlandes enthielt. Die tschechische Regierung lehnt das Memorandum ab und mobilisiert die tschechische Armee. Prag macht keinerlei Anstalten, den am 21.9. angenommenen englisch-französischen Vorschlägen zu entsprechen. Am 24.9. überreicht der englische Gesandte in Prag das deutsche Memorandum. Am 26. September 1938 erfolgte die Rede Hitlers im Berliner Sportpalast, wo er erklärte: „Jenes Gebiet, das dem Volke nach deutsch ist und seinem Willen nach zu Deutschland will, kommt jetzt zu Deutschland".

In der zum Reißen gespannten Lage der internationalen Atmosphäre kam es am 29. September zu dem Münchner Abkommen zwischen dem Kanzler des Deutschen Reiches Adolf Hitler, dem italienischen Regierungschef Mussolini, dem englischen Ministerpräsidenten Chamberlein und dem französischen Ministerpräsidenten Daladier. Dieses Abkommen wird von der Prager Regierung unter Protest angenommen.

Es sieht vor, die Besetzung der deutschen Gebiete in fünf Etappen zwischen dem 1. - 10. Oktober vorzunehmen. Am ersten Tage beginnt der Einmarsch der deutschen Truppen in Südböhmen, am 2. in Nordböhmen, am 3. im Egerland, am 6. Tage in Schlesien, Nordmähren, am 8. Oktober in Südmähren und am 9. Oktober in das Gebiet Znaim und Mährisch Kromau, am 10. Oktober in das Gebiet Engerau, das ist der Brückenkopf südlich von Preßburg.

Von dem dramatischen Verlauf der folgenden Tage bis zum Einmarsch der deutschen Truppen berichten kommende Abschnitte:

An eine Abhaltung des Kirtages wurde angesichts der Drangsale der Grenzbevölkerung nicht gedacht. Es wurde unter Vorsicht Fahnenstoff gekauft und unter noch größerer Vorsicht genäht und versteckt. Am 17. September wird das Standrecht verhängt. Am 23. September mobilisiert die Tschechei. Niemand hatte Lust einzurücken und im Falle eines Krieges auf deutsche Soldaten zu schießen. Die meisten bei der tschechischen Wehrmacht Gedienten leisteten dem Einberufungsbefehl nicht Folge und hielten sich in Scheunen, leeren Häusern, Maisfeldern und anderen Orten versteckt. Die jungen Burschen flüchteten bei Nacht und Nebel über die Grenze nach Österreich. Als das „Sudetendeutsche Freikorps" aufgestellt wurde, hielten sie den Eintritt in dasselbe als ihre selbstverständliche Pflicht. In das Freikorps traten ein:

Beer Karl Nr.60 Jordan Willibald Nr.51

Hofner Andreas Nr.24 Konrath Siegfried Nr.15

Hönlinger Otto Nr.27 Marzini Franz Nr.75

Hönlinger Hans Nr.27 Stolz Franz Nr.58

Wimmer Jakob Nr.54

Die Eisenbahnbrücke an der Straße nach Damitz wurde zur Sprengung vorbereitet und von einem Trupp fanatischer Tschechen mit roten Armbinden aus Mißlitz bewacht. Einer dieser Gruppe ließ sich hören, er möchte bei Ausbruch eines Krieges in Tullnitz den Henker spielen, der Ort müsse in Flammen aufgehen und vernichtet werden. Solche Redensarten belasteten die Nerven der alleinstehenden Frauen schwer.

Am 25. September erfolgte die Beschlagnahme der Radioapparate, sie wurden beim Postamt in Irritz deponiert. Da bastelte sich Karl Wabroschek Nr.16 einen Apparat und installierte ihn in einem Bienenstock. Nun wurden leise die Nachrichten abgehört und verbreitet. Am 1. Oktober, beim Beginn des Einmarsches der deutschen Truppen, glaubte man, nun sei alles vorbei und ließ das Radio laut spielen. Dies hörten Tschechen, und der Apparat wurde beschlagnahmt. Auch der Schreiber dieser Zeilen glaubte, daß wir ab dem 1. Oktober frei sind. Ich fuhr seelenruhig an diesem Tage aus meinem Versteck nach Hause, überall diese gute Nachricht verbreitend. Kaum 10 Minuten nach meiner Ankunft blieb knapp vor meinem Hause ein Lastwagen stehen, es begannen Soldaten mit Gewehren von demselben herunterzuspringen; dies sehen, und ich war aus der Wohnung, über Gartenzäune springend in ein Versteck, wo ich vom Giebel aus in aller Ruhe zusehen konnte, wie sie mich in meinem Hause suchten. Ein Sudetendeutscher, der bei der tschechischen Armee diente und bei dieser Gruppe war, sagte, daß sie den Befehl hatten, auf mich zu schießen. Nach ergebnisloser Suche fuhr diese 15 Mann starke Gruppe wieder ab.

Am 8. Oktober zog die letzte tschechische Gruppe durch unser Dorf. Am 7. Oktober wurde die tschechische Schule geschlossen, sämtliche Einrichtung wurde weggefahren, auch der tschechische Lehrer zog mit seinen Möbeln fort. Aber eines machten die Tschechen noch: Bei allen Klosetts wurden die Abflußrohre zubetoniert, manche Leitung sogar zweimal. Eine ganze Woche hatten 2 Mann zu tun, um den Schaden zu beheben.

Eines soll noch erwähnt werden. Die letzten Wochen vor dem Einmarsch waren für alle Bewohner aufregende, besonders an der Sprachgrenze harte Zeiten. Aber was die Frauen zu erdulden hatten, die Sorge um ihre Kinder, um ihre Männer, ob irgendwo versteckt oder beim Militär, dazu noch die in Umlauf gebrachten Parolen, dies grenzt ans Heldenhafte.

Dann kam endlich der 9. Oktober, ein Sonntag. Die meisten Häuser waren mit Blumengebinden und Hakenkreuzfahnen geschmückt. Ein Freudenschrei löste die verhaltene Spannung, als um 10 Uhr vormittags die ersten deutschen Soldaten - von Frischau kommend - den Ort betraten. Ein Blumenregen überschüttete sie. Eine Panzerspähwagen-Abteilung von 144 Mann bezog im Dorf Quartier. Die Kraftfahrzeuge waren längs der Häuserreihe Nr.40 - 60 aufgefahren, die Mannschaft rangierte sich auf dem Tanzplatz auf, der Bürgermeister Franz Janoschek sprach die Begrüßungsworte, worauf der Kommandant, ein Hauptmann, mit einer kernigen Ansprache antwortete. Wer nur konnte, nahm einen oder mehrere Soldaten mit nach Hause. Daß der Tag mit Musik und Tanz beschlossen wurde, ist ganz selbstverständlich. Zwischen Militär und Bewohnerschaft herrschte das denkbar beste Verhältnis, es wurde noch gesteigert, da ein großer Teil der Truppe Österreicher und eine ganze Anzahl ,,Weana" (Wiener) waren.

Die Bedürftigen, auch Tschechen, wurden sofort mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen versorgt. Auf den Straßen trat die Rechtsfahrordnung in Kraft.

Die deutsche Reichswährung wurde eingeführt, als Umrechnungskurs waren 12 Pfennige für eine Tschechenkrone. Am 21. Oktober 1938 wurde Südmähren an den Gau Niederdonau - so wurde Niederösterreich umgetauft - angeschlossen.

Am 26. Oktober kam Adolf Hitler nach Znaim, wer nur konnte, war natürlich dort, um ihn zu sehen und zu hören. Am 27. Oktober spricht er in Reichenberg.

Am 4. Dezember 1938 stimmen die Sudetendeutschen mit 98,9 % Ja-Stimmen. Im Kreis Znaim stimmten von 45 776 Stimmberechtigten 45 738 mit Ja. Das sind 99,96 %. Dies war der Dank! Wir sahen in Adolf Hitler den Befreier aus der Tschechenherrschaft.

DER ZWEITE WELTKRIEG

Schon vor dem Anschluß an Deutschland hatten wir Angst vor dem 2. Weltkrieg; diese Zeit ging im Frieden vorüber. Alle hatten Brot und Arbeit und wir wollten Frieden haben. Doch es sollte anders kommen. Der gute Wille zu einer Einigung mit Polen fehlte auf allen Seiten. Der Krieg, den niemand von der Bevölkerung wollte, kam doch. Durch die Nichtbeantwortung des Ultimatums zur befristeten Zeit an Polen, begann am 1. September 1939 der Einmarsch der deutschen Truppen in dieses Land. Am 3. September 1939 erklärten England und Frankreich, durch das Bündnis mit Polen, an Deutschland den Krieg, und der 2. Weltkrieg hatte seinen Anfang.

Nach anfänglichen großen Erfolgen, wo sich die Verluste im Rahmen hielten, wurde der Krieg immer härter geführt. Die Katastrophe bahnte sich mit dem Krieg gegen Rußland in Stalingrad an, wo die 6. Armee eingeschlossen wurde und nach großen Verlusten sich ergeben mußte. Nach Eintreten Amerikas in den Krieg gegen Deutschland wurden die Bombardierungen der Städte größer und auch die Verluste höher. Im Verlaufe des Krieges traten Mängel in Bekleidung und Schuhen ein. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln auf Karten wurde weniger.

Um die Ernährung zu sichern, wurden in der Landwirtschaft die fehlenden Arbeitskräfte durch Fremdarbeiter ersetzt. In Tullnitz waren es 40 ukrainische und polnische Arbeiter.

Durch die Bombenangriffe litt die Rüstungsindustrie stark.

Trotz heldenhafter Verteidigung gingen die Fronten zurück, der Krieg mit seinen Schrecken kam der Heimat immer näher. T

 

DIE LETZTEN WOCHEN VOR DER FRONT

Man hörte schon Kanonendonner, die Front kam immer näher. Einen Monat lang waren wir Etappe. Die Front stand hinter dem Fluß Thaya, uns gegenüber, bei den Dörfern Guldenfurt und Weißstätten, ungefähr 15 km von uns entfernt, wo einige Dörfer und Höhen 5-6mal den Besitzer wechselten.

Im Dorfe wurden Vorbereitungen getroffen, Unterstände in Gärten und Felder gegraben, Lebensmittel, Kleider und Wäsche vergraben und versteckt.

Die Häuser waren vollgestopft mit Soldaten. In vielen Scheunen standen Geschütze, in leeren Ställen und Scheunen standen Pferde. Mit Pferdegespannen wurde immer des Nachts Munition an die Front gebracht. An den Dorfeinfahrten wurden Panzersperren errichtet, von deren Notwendigkeit niemand überzeugt war. Sie wurden auch nicht fertiggestellt. Dazu kamen noch die Flüchtlinge, die es vor Übergriffen im Frontgebiet nicht mehr aushielten. Sie hielten sich in den meisten Fällen nur eine Nacht auf, aber es mußte ihnen trotz Überfüllung der Wohnräume Unterkunft besorgt werden.

Von der Front brachten Soldaten die Nachricht, daß die Russen einen Großangriff vorbereiten. Der große Keller der Familie Lang wurde für junge Mädchen, Frauen und Kinder geöffnet, der mit 400 qm Grundfläche schon einer Anzahl Personen Platz bot. Er wurde mit Betten ausgerüstet und mit Lebensmitteln versorgt.

Am 7. Mai 1945 im Laufe des Vormittags flogen englische und russische Flugzeuge einzeln und in Wellen über unser Gebiet. Eine Gruppe flüchtender Soldaten, ca. 15 Mann, suchten Deckung in unserem Haus Nr.7. Die Besatzung des Flugzeuges sah dies und warf 2 mittlere Bomben und eine Anzahl Splitterbomben auf Hof und Garten. Eine Bombe fiel in den Vorgarten und tötete eine Fremdarbeiterin, die zweite Bombe fiel in ein Wirtschaftsgebäude. Hierbei wurde ein deutscher Soldat verletzt. Eine weitere Bombe fiel in das Haus 54 bei Jakob Wimmer, wo flüchtende Soldaten im Keller Schutz suchten. Den Brandbomben fielen 2 Wohngebäude zum Opfer:

Nr.4, Besitzerin Marie Petru, und Nr.26, Besitzer Johann Janoschek. An diesem Tage, 7. Mai 1945, waren 2 Tote zu beklagen, die schon genannte Fremdarbeiterin und der flüchtende und schutzsuchende Soldat. Ferner wurde der schon genannte Soldat und ein ukrainischer Arbeiter verletzt. Die Ortsbevölkerung hatte, dank ihrer Disziplin und Befolgung der Weisungen keine Verluste. T

DIE RUSSEN KOMMEN

Am 8. Mai 1945 kam ein Beobachter und meldete: „Von Irritz kommen die Russen". Wir gaben noch schnell die Weisung durch, alles solle in den Häusern bleiben. Ich war bei dem großen Keller, wo Frauen, Kinder und Mädchen waren. Da kam die erste Patrouille von 3 Mann zum Keller. Ein Tscheche stellte mich als Starosta „Bürgermeister" vor, ich sagte, es seien nur Frauen und Kinder im Keller, der Tscheche sagte, es seien keine deutschen Soldaten hier. Der Russe hieß mich mit in den Keller kommen. Im Keller verhielten sich alle ruhig, er sah keine Soldaten und hieß mich mit durch das Dorf gehen - es war wie ausgestorben -. Nur zwei Tschechen im Sonntagsstaat kamen, den Russen zu begrüßen. Er schlug mit der Maschinenpistole die zum Gruß gebotene Hand herunter, bedachte die beiden mit einer Flut von Schimpfworten und ließ sie stehen.

Eine ca. 200 Mann starke Abteilung kam ins Dorf und nahm vom Tanzplatz aufwärts Aufstellung. Die erste Handlung war, daß sie uns die Pferde wegnahmen, schlechte oder gar keine in den Stall stellten. Uhren, die sichtbar getragen wurden, wechselten sofort den Besitzer. Eine Gruppe Ukrainermädchen, die als Arbeiterinnen im Dorfe waren, baten den Kommandanten, er möge das Dorf schonen, sie hätten es gut gehabt. Es geschahen von dieser Einheit wirklich weniger Plünderungen und Vergewaltigungen als in anderen Dörfern. Diese Truppe verlangte zwar Essen und auch Wein, es war aber keiner mehr da, und das war gut. Diese Einheit zog im Laufe des Spätnachmittags ab. Am Abend kamen dann Nachzügler, Marodeure, Plünderer, die zum Teil aus den Nachbardörfern kamen. Abends hörte man schon Haustüren einschlagen, Mädchen schreien - sie flohen auf die Felder und übernachteten auch teilweise dort -. Jetzt waren Frauen und Mädchen nicht mehr sicher, sie zogen Männerkleider an oder sie verkleideten sich als alte Frauen. Plünderungen und Vergewaltigungen fanden immer noch statt, aber nicht in dem Ausmaße. Gegenüber anderen Dörfern war es ruhiger.

Aber das Schlechte kommt erst. T

 

DIE TATIGKEIT DER PARTISANEN IM ORTE

Nach dem Zusammenbruch am 9. Mai glaubten viele Tschechen, sich ein Gewehr umhängen zu müssen und als Partisan zu gehen. Sie plünderten und stahlen, wo sie konnten, schlugen und schossen auf deutsche Menschen wegen jeder Kleinigkeit. Im Hause Nr.1 machten Partisanen Hausdurchsuchung, fanden in einer Schachtel eine Patronenhülse, die vorher gar nicht in der Schachtel war. Sie stellten die Besitzerin an die Wand und wollten sie erschießen. Partisanen fanden einen Soldatenmantel am Heuboden, von dem niemand etwas wußte, die Partisanen schlugen den Besitzer. In einem anderen Hause suchten sie wieder nach Zigaretten, weil sie welche fanden, wurde wieder der Besitzer geschlagen. So erging es noch einigen deutschen Männern, die nichts getan hatten und geschlagen wurden. Dies taten auswärtige Partisanen, die wahrscheinlich geholt wurden.

Ferner mußten alle Jagdgewehre, Radios, Fahrräder und Motorräder abgegeben werden, die guten Stücke tauchten dann bei hiesigen Tschechen wieder auf. Es wurden Fleisch- und Obstkonserven, Mehl, Zucker und Kleider genommen. Eines Tages wurde bekanntgegeben, daß alle versteckten Sachen ausgegraben werden müßten. Als dies geschehen war, kamen Partisanen und es mußten alle Sachen abgeliefert werden. R. H. wurde die ganze Ausstattung weggenommen, sie selber mußte 2 Schubkarren ihrer Ausstattung in den Schüttkasten abliefern. Die Plünderungen der Partisanen kamen immer noch, wenn auch nicht mehr in diesem Umfang, vor. T

 

DIE SCHRECKEN DER VERTREIBUNG

Auf humane Art sollte die Vertreibung, genannt Ausweisung, erfolgen, das Gegenteil wurde durchgeführt.

In der Gemeinde wurde bekannt, daß ein Transport abgehen würde und die hiezu bestimmten Leute verständigt. Am 8.Feber um 7 Uhr morgens verständigte Gendarmerie die Betroffenen, daß sie um 8 Uhr an der Haltestelle der Bahn sein müßten. Gold, Schmuckgegenstände wurden strengstens verboten mitzunehmen. Gendarmen gingen in einzelne Häuser, ließen sich die zum Transport bereitgestellten Koffer ausleeren, warfen neue und gute Stücke auf die Seite, und dies durfte nicht mitgenommen werden. Haus, Hof, Felder, Vieh und Vorräte mußten bleiben, von dem wenigen Hausrat wurde auch noch weggestohlen. Von Besitzern, die noch keinen „Pravez" (Verwalter) am Hause hatten, wurden sofort die Häuser abgesperrt und die Türen versiegelt.

Die Eheleute Tiltscher Nr.40 waren auch zur Aussiedlung bestimmt. Da die Frau krank war, meldete man dies dem damaligen Bürgermeister und dieser sagte zu, daß 2 andere Personen zu diesem Transport genommen würden. Die Eheleute Tiltscher verließen sich auf dieses Versprechen. Am 8. Feber vor 8 Uhr stürmten 2 Gendarmen ins Schlafzimmer, rissen die kranke Frau Tiltscher aus dem Bett, sie mußte sich rasch anziehen, die Gendarmen brüllten herum. In der Eile, Aufregung und Drängen der Gendarmen konnten sie nur einiges mitnehmen, nicht 50 kg, und mußten, ohne was zu essen, das Haus verlassen. Dies nannte man humane Ausweisung. Es wird vermutet, daß der neue Besitzer mit im Spiele war.

An der Bahnhaltestelle Tullnitz mußten die Betroffenen, darunter alte Leute und Frauen mit Kleinkindern am Arm, bei Kälte und zeitweise Schnee von 8 bis 11 Uhr im Freien warten. Um 11 Uhr wurden alle wartenden Menschen auf Lastwagen ins Lager nach Deutsch-Knödnitz gebracht. Dort wurden ihre Habseligkeiten nochmals durchsucht, die besten Stücke wieder weggenommen. Frauen und Männer mußten sich ausziehen, es wurde Leibesvisitation gemacht und wertvolle Sachen, wie Schmuck, Silbergeld, Besitzbogen u. a., genommen. Der erste Transport von Tullnitz wurde am schlechtesten behandelt. Beim 2. und 3. Transport wurden wohl auch dieselben Schikanen verübt, aber doch in etwas humanerer Art.

Der erste Transport von Tullnitz ging, wie schon geschildert, über Deutsch-Knödnitz von der Station Mißlitz am 14. Feber 1946 in ungeheizten Viebwaggons hineingepreßt, ins Ungewisse. Die wilden Gerüchte, die Transporte gingen nach Rußland, trugen zur Unsicherheit bei. Als dann der Transport über Prag in westlicher Richtung ging, hatte man Hoffnung, und an der Grenzstation atmete alles erleichtert auf, als man in Deutschland war. Die Tullnitzer von diesem Transport kamen nach Bayern in die Kreise Lichtenfels und Coburg, ein Teil nach Rodach, wo sich einige Familien noch heute befinden.

Der 2. Transport am 30. März über das Lager Mißlitz ging am 8. April ab, wieder Viehwaggons, begleitet von bewaffnetem tschechischem Begleitpersonal. Es herrschte schönes Wetter; es brauchte niemand zu frieren. Dieser Transport ging wieder nach Bayern, in den Kreis Neuburg/Donau, wo eine Anzahl Familien noch heute in Thierhaupten sind. Der 3. Transport, wo sich der Rest befand, ging am 3. Juni von Tullnitz ab, über das Lager Deutsch-Knödnitz am 12. Juni ab, nach Baden-Württemberg, in den Kreis Buchen, wo sich in Mudau einige Familien seßhaft machten.

Rückblick

Anschließend wollen wir einen kleinen Überblick über die Bewohner von Tullnitz tun. Leider kamen wir hier in Westdeutschland in alle Winde zerstreut an. Auch in Österreich sind welche geblieben. Es war für uns alle ein schwerer, fast hoffnungsloser Anfang. Doch mit dem den Südmährern angeborenen Fleiß und ihrer Tüchtigkeit haben sich manche eine Existenz geschaffen, die sie nie erträumt hätten, und ein allgemeiner Wohlstand ist fast bei allen festzustellen.

Bis Ende 1973 haben die Vertriebenen aus der Heimatgemeinde Tullnitz 86 Eigenheime erstellt oder gekauft, bis zur Zeit wird wohl die Zahl 90 überschritten sein. Auch in Österreich ist dies festzustellen. Auch dort haben es unsere Leute zu etwas gebracht. Die Jugend hatte die Möglichkeit, höhere Schulen zu besuchen. Wir haben unter ihnen Lehrer, Ingenieure, Beamte in guten Stellungen. Wir haben Facharbeiter, Meister, auch einige Selbständige unter ihnen, so daß in normalen Zeiten alle ihr gutes Auskommen haben.

Trotz dieses Wohlstandes haben die Südmährer ihre Heimat nicht vergessen und der Massenbesuch des Treffens in unserer Patenstadt Geislingen ist der beste Beweis dafür. T

RÜCKBLICK

Wir wollen noch abschließend einen kurzen Rückblick vom Tage der Volkszählung am 17. Mai 1939 bis Anfang Juni 1946 machen, wo der letzte Transport der Aussiedlung von Tullnitz abging.

Die Bevölkerungsbewegung war folgende:

Bei der Volkszählung im Mai 1939 hatte

Tullnitz eine Gesamtbevölkerung von 402 Personen.

Davon bekannten sich zum Deutschtum350 Personen
Als Tschechen52 Personen
Gesamtverlust des letzten Krieges20 Personen
Verstorben bis Ende Mai 194614 Personen
Geburten von Mai 1939 bis Mai 1946 23 Personen
Während er oben angegebenen Zeit gingen von Tullnitz weg18 Personen
In Tullnitz verblieben 1946 Tschechen53 Personen
Die gemischten Ehen, die sich 1939 als deutsch bekannten 39
Deutsche verblieben freiwillig in der Tschechei 4 Erwachsene und 3 Kinder 7 Personen
Von der Aussiedlung wurden von der deutschen Bevölkerung betroffen276 Personen

Davon gingen mit 3 Transporten 195 Personen ab. Von den restlichen 80 Personen flüchtete die Hälfte nach Österreich, der andere Teil waren Wehrmachtsangehörige, die in Österreich und Deutschland blieben, um nicht bei ihrer Rückkehr in die Heimat verhaftet zu werden.

Von den 9 Familien, die mit 39 Personen in der Tschechei verblieben, waren 10 Personen bei der deutschen Wehrmacht, von diesen kehrten 3 Soldaten nicht mehr aus dem Krieg zurück. T



EHRENTAFEL DER GEFALLENEN

1Friedrich Josef9Marzini Johaim
2Hönlinger Josef10Pankraz Rochus
3Knottek Johann11Pankraz Johann

4Lausch Anton12Schabata Anton

5Marzini Jakob13Seemann Johann

6Marzini Johann14Schmied Johann

7Marzini Johann15Wollinger Johann

8Marzini Albin16Wolkenstein Josef

Der ursprüngliche, der Zustand des Kriegerdenkmals (70iger Jahre) und der heutige Zustand, 2 Namen sind enthalten: Schabata Anton und Hönlinger Josef Farbfoto 10/2000/g.h.KriegerdenkmalKriegerdenkmalKriegerdenkmal

In Treue und Dankbarkeit hat ihnen die Gemeinde Tullnitz im Jahre 1926 ein Ehren-Denkmal gesetzt. Abgrundtiefer Haß hat die Namen der deutschen Heldensöhne auf dem Kriegerdenkmal herausgebrochen; hier in unserem Heimatbuche und in unseren Herzen sollen die Namen für immer weiterleben.

T

Die Opfer des Zweiten Weltkrieges 1939 - 1945

Ihre Namen sind nicht in Stein gemeißelt. Hier an dieser Stelle sei ihrer namentlich gedacht. In tiefer Ehrfurcht neigen wir unser Haupt. Trotz ihrer Opfer ging die Heimat verloren.

Lfd. Nr. Haus-Nr>td>NameGeburtsjahrAnmerkung
1Zwieb Karl1916gefallen 2.10.1941 in Rußland
2Beer Karl1914gefallen 10.5.1942 Halbinsel Kertsch
3Hofner Johann1920gefallen 4.9.1942 in Rußland
4Holzer Hans 1921gefallen 10.3. 1943 bei Alt-Gliezen
5Rapf Johann 1915gefallen 5.11.1943 in Rußland
6Jordan Willibald 1920gefallen 25.11.1943 in Rußland
7Schmid Johann 1908gefallen 2.8.1944 in Lettland
8Marzini Albin 1924gefallen 5.8.1944 in Rußland
9Plattek Ludwig 1913gefallen 6.4.1944 in Sokolow/Rußland
10Friedrich Franz 1904gefallen 7.8.1944 in Frankreich
11Wanczura Otto1925gefallen 8.10.1944 in Ostenburg
12Konrath Siegfried 1916gefallen 13.3.1945 in Thierhaupten
13Beer Stefan 1922gefallen 9.1.1945 in Luxemburg
14Hönlinger Edwin 1923vermißt seit 5.8.1942 in Rußland
15Novotny Ernst 1915vermißt seit 1942 in Stalingrad
16Konrath Theobald 1913vermißt seit 1942 bei Stalingrad
17Stanja,Alois 1921vermißt seit 1942 in Stalingrad
18Marzini Anton 1890vermißt seit 1942 in Stalingrad
19NovotnyKarl 1912vermißt seit 1944 in Pastoroje/Polen
;20WimmerJakob 1913vermißt November 1944 in Rußland

VON 1867 BIS ZUM 2. WELTKRIEG

Das Jahr 1867 brachte für die Bauern das Freiteilbarkeitsrecht der Bauemwirtschaften. Die Einteilung in ¾, 1/2- und ¼-Lehner etc. und Häusler hörte auf, obwohl diese Bezeichnungen offiziell und inoffiziell noch sehr lange üblich waren und blieben.

1869 ergab eine Volkszählung für Tullnitz: 77 Häuser mit 378 Einwohnern.

1870. Am 15. August dieses Jahres fuhr der erste Zug, der Festzug, auf unserer Bahn von Brünn nach Znaim. Am 24. November wurde die Strecke Grußbach - Wien eröffnet. Vor der Eisenbahn fuhren die Stellwagen von Hosterlitz über Frischau nach Wien. Fand man keinen Platz mehr, so mußte man nach Hause gehen und es ein nächstes Mal versuchen. Nach Dr. Wieder soll auch in Damitz gelegentlich ein Stellwagen gehalten haben.

1870 bis 1882 war die Pachtperiode der Pohrlitzer Herrschaft Herberstein. Die Herrschaft pachtete von den Damitzern Felder auf 12 Jahre und pflegte darauf hauptsächlich den Zuckerrübenanbau. Aber auch Getreide wurde gebaut. Um Tullnitz hatte sie die Felder bis zu den Damitzer Weingärten, dann jene links von der Damitzer Straße bis zu der Bahn und das ganze Hinterbergenfeld in Pacht. Von Tullnitzern hatte nur die Besitzerin des Wirtshauses auf Nr.1 - Kornherr - ihre Felder und den Wirtshausstadel auf dem Berge, und meine Großmutter das Haus Nr.60 verpachtet.

Die Wirtschaftsleitung befand sich in Damitz. Das Haus Nr. 60 bei uns war die Wohnung des Schaffers, während rückwärts im zugehörigen Garten auf Pachtdauer das Gebäude aufgeführt wurde, das heute die Nr.78 trägt und vier Kutscherfamilien als Wohnung diente. Nach Ablauf des Pachtes hat mein Vater auf die Demolierung verzichtet und das Gebäude der Herrschaft abgelöst.

Auf dem Felde rechts oberhalb des Wirtshausstadels standen Baracken für Pferde und Ochsen. Dabei, knapp neben dem Wege, war ein sehr tiefer Brunnen, der erst Ende der 90er Jahre zugeschüttet wurde.

Auf dem Felde vor den Damitzer Weingärten wurde mit Dampf gedroschen; hier standen auch die großen Strohschober. Viele Leute, besonders die Mädchen von uns, Damitz, Irritz und Frischau, fanden hier Verdienst. Knaben von 12 bis 14 Jahren wurden zum Ackern herangezogen; sie verdienten 40 Kreuzer am Tag, Männer 60 Kreuzer. Kinder erhielten für 1 000 Stück gesammelte Rübenkäfer 20 Kreuzer, für einen Maulwurf 10 bis 20 Kreuzer.

1872 - Einschleppung der Reblaus aus Frankreich.

Im Herbst 1890 wurde mit dem Bau der Straße nach Damitz begonnen. Damit verschwand der Hohlweg vom Ortsausgang bis gegen die Bahnbrücke, bei schlechter Witterung ein Marterweg für alle Zugtiere.

1891 ergab die Volkszählung für Tullnitz: 81 Häuser und 398 Einwohner.

1894 kam eine Pumpe zum Bergbrunnen. Nachdem auch noch der zweite öffentliche Brunnen unterhalb eine Pumpe erhalten hat, sind aus dem Ortsbilde die charakteristischen Aufbauten über den Brunnen - Brunngschloß - verschwunden.

1897 wurde die Kapelle renoviert (Näheres darüber in einem besonderen Abschnitt)

Im gleichen Jahre suchte die Gemeinde um Verlegung der Bahnhaltestelle von der Straßenübersetzung Damitz - Mißlitz in den Bereich unseres Ortes an. Es wurde dem Ansuchen stattgegeben und die Haltestelle im Herbst 1898 an die jetzige Stelle verlegt.

1905 war das Gründungsjahr der Ortsfeuerwehr. Am 15.0k-tober d. J. wurde der Bau der Straße nach Frischau beschlossen, 1906 kommissiert und 1907 wurde dieselbe gebaut.

1908. Die neue Schule wurde gebaut. (Näheres im Abschnitt ,,Geschichte unserer Schule").

1910. Schwerer Hagel; mitten in der Ernte ging über das ganze Gemeindegebiet ein schweres Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen und Hagelschlag nieder. Gerste am Halm wurde bis 100 %, Weizen und Hafer bis zu 80 % vernichtet.

1913. Das hiesige Gut von Adolf Wilhelm, Mißlitz, wurde parzellenweise versteigert. Mehr als die Hälfte der Felder kauften die Bauern, die Hofgebäude mit 70 ha erstand Baron Wambold.

1922. Für einige tschechische Kinder wurde eine tschechische Schule und ein Kindergarten gebaut.

1924. Durch die Bodenreform des tschechischen Staates kam das hiesige Gut vom Baron Wambold, Frischau, in tschechischen Besitz.

1926. Kriegerdenkmal; ganz durch freiwillige Spenden der Tullnitzer Bevölkerung wurde im Jahre 1926 den Gefallenen des Ersten Weltkrieges ein Denkmal gesetzt. Die Durchführung hatte als Obmann des Ausschusses Johann Hönlinger inne.

1928 - 1929. Ein sehr strenger Winter, der zur Jahreswende mit stärkem Schneefall einsetzte und Kältegrade bis zu 30 Grad und darüber brachte. Herr Wabroschek ging in dieser Zeit, in den Abendstunden von Frischau kommend, bei Schneetreiben und völlig verwehter Straße, vom Wege ab und wurde 400 m von seinem Hause entfernt am anderen Tag erfroren aufgefunden.

1939. Am 5. November wurde der Kaufmann Nettolitzky vor seinem Hause um 3/43 Uhr nachts erschossen aufgefunden. Drei vermummte Männer drangen in das Schlafzimmer ein, nahmen eine Schublade mit 900 RM an sich und flüchteten. Nettolitzky verfolgte sie, die Täter schossen und der Kaufmann wurde tödlich getroffen. Die Raubmörder Franz und Stefan Klima und Josef Stark wurden für schuldig erkann und zum Tode verurteilt.

1940. Schwerer Hagelschlag. Hauptstrich Freiäcker, Locher Hinterbergfeld, Antonifeld und Fünfschrittfeld. Wein 100 % Gerste 80 %, Weizen, Hafer, Korn 70 % geschädigt. Auch die Hackfrüchte waren geschädigt.

1942. Wieder ein strenger Winter; die Straßen nach Frischau und Damitz mußten infolge Schneeverwehungen einige Mal von freiwilligen Helfern ausgeschaufelt werden.

DIE GESCHICHTE UNSERER SCHULE

Die älteste Nachricht, die besagt, daß unser Ort eine Beziehung zur Schule hatte, ist eine Gemeinderechnung vom Jahr 1742, in der von einem Schulmeister die Rede ist. Schon 1672 ist in einer Urkunde die Rede, daß Irritz eine Schule mit Lehrer hatte. Diese Schule kann nur eine Pfarrschule gewesen sein. Da Tullnitz nach Irritz eingepfarrt war, haben die Kinder schon sehr früh Schulunterricht genossen. Daß dies der Fall war, beweisen ihre Unterschriften um 1850 herum.

Über die Einschulung der Kinder von Tullnitz erfahren wir aber erst von einer Gemeinderechnung aus dem Jahre 1787, der es heißt:

„Wegen Erbauung einer neuen Schull 4 Nachbarn 2 malen bei der Kommision in Irritz 29 Kr."

Auch 1789, 1793 war man bei einer Schulkommission in Irritz. 1793 kommt auch die Lieferung von einer halben Klaft Holz für den Schullehrer von Irritz vor.

Die Tullnitzer mußten schon um die Zeit des Schulbaues den Entschluß gefaßt haben, eine eigene Schule zu errichten, sonst hätte die Gemeinderechnung für das Jahr 1808 keinen Sinn in der es heißt:

„Wegen Aufnahme eines Schulmeisters in Frischau mit einigen Nachbarn und dem Irritzer Schullehrer verzehrt 6 Gulden 53 Kr."

„Für eine in die Schul angeschaffte Tafel 6 Gulden 30 Kr."

Im Jahre 1812 ersuchte die Gemeinde um die Aufnahme ein eigenen Lehrers, an die Obrigkeit in Frischau. Noch im gleichen Jahr richtete der Hilfslehrer Josef Vollmost ein Gesuch an das Konsistorium in Brünn. Im Jahre 1813 erhielt der Schuldistriktsaufseher vom Konsistorjum die Anweisung, den Gesuchsteller anzustellen. Die Gemeinde mietete eine Wohnung, wo auch der Schulunterricht erteilt wurde. Mit dem Jahre 1813 beginnt die Geschichte unserer Schule.

Im Jahre 1815 richtete die Gemeinde ein Ansuchen an den Fürsten Lichtenstein wegen Holz für die Schule und es wurden jährlich 3 Klafter und 50 Bündeln bewilligt. Vgl. dazu Urkunden im Band II Nr.40, 41, 45, 46.

Die Dotationsurkunde der Tullnitzer Schule hat nach der Schulchronik folgenden Inhalt:

„Dotation des Lehrers.

Die Gemeinde besteht aus sechs Dreiviertel-, sieben Viertel-, und sieben Achtel-Lehnern und 40 Häuslern.

1. Naturaleinkunft:

Von den 3/4 Lehnern

jährlich 4/8 Metzen Korn, 4/8 Metzen Weizen

Von den 1/4 Lehnern

jährlich 4/8 Metzen Korn, 2/8 Metzen Weizen

Von den 1/2 Lehnern

jährlich 4/8 Metzen Korn, - Metzen Weizen

Von jedem Häusler

jährlich 1/8 Metzen Korn, - Metzen Weizen

Von der Gemeinde jährlich 3 Metzen Leutkorn

Von der Obrigkeit jährlich 3 Metzen Leutkorn

In Summa 20 1/2 Metzen Korn und 4 4/8 Metzen Weizen.

2. Bezieht er jährlich 19 Laib Brot, das heißt aus jedem Bauernhaus einen Laib. Ferner sind ihm 3 Stück Acker beigegeben zur Benützung, die 41/2 Metzen Aussaat betragen. Die Einkünfte des Lehrers werden von den Nachstehenden unterfertigt.

Franz Witsch, Schuldistriktsaufseher Seibert, Pfarrer Forman"

Die Gemeinde sieht sich aus mehreren Gründen gezwungen, eine Schule zu bauen. Dieselbe wurde im Jahre 1834 fertiggebaut und diente rund 75 Jahre lang ihrer Bestimmung.

Infolge wachsender Schülerzahl und zu kleiner Wohnung, wurde von der Schulbehörde der Bau einer neuen Schule verlangt.

Volle 14 Jahre mußte der Bau der neuen Schule aus verschiedenen Gründen, in der Hauptsache aus Geldnot, hinausgeschoben werden.

Wir wissen schon, daß das Einkommen des Lehrers nach der Dotationsurkunde vom Jahre 1825 auf alle Tullnitzer Ansassen grundbücherlich sichergestellt wurde. Es bestand aus der direkten Abgabe von Korn, Weizen und Brot an den Lehrer neben Schulgeld. So noch nach der Schulfasion vom 11. August 1866. Mit Beginn der Wirksamkeit der neuen Schulgesetze erhielt nun der Lehrer seine Besoldung nicht mehr direkt von der Gemeinde, sondern vom Land. Die Gemeinde hatte ihren Beitrag weiter zu leisten, die Naturalien wurden in Geld umgewandelt und waren an das Finanzamt zu zahlen.

Später wurde die Lehrerbesoldung ganz vom Land übernommen. Vgl. Band IIa, 47. Als Ablösungskapital wurde der 20-fache Betrag der jährlichen Leistung bestimmt. Er wurde für Tullnitz mit 1700 Gulden österreichischer Währung bestimmt und war in 20 Jahren abzutragen. Damit hörte jede Leistung für den Lehrer auf.

Die 2. neue Schule

SchuleGegen den Schulneubau wehrte man sich 14 Jahre. Erstens war es die Platzfrage, zweitens war man finanziell nicht in der Lage, ein neues Schulhaus zu bauen. Die Bezirkshauptmannschaft verfügte Sperre über die Schule. Nach mehrmaliger Verschiebung wurde der Schulbau am 17. November 1907 beschlossen. 1907 wurde der Schulbau beschlossen, 1908 fertiggestellt und zum 60. Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josef des 1. im selben Jahr eröffnet.

Seit Bestehen der Volksschule wirkten folgende Lehrer als Leiter daran:

1. 1813 - 1814 Josef Vollmost; er wirkte als provisorischer Lehrer der Schule.

2. 1814 - 1832 Anton Novotny; wurde ebenfalls als provisorischer Lehrer angestellt, wirklicher Lehrer seit 1830.

3. 1832 - 1849 Mathias Zankl; früher Schulgehilfe in Groß-Olkowitz.

4. 1849 - 1856 Ferdinand Neubauer von Töstitz; er vertauschte seine Dienstposten mit Mathias Zankl. Dieser war sehr dem Trunke ergeben und wurde abgesetzt. Er blieb weiter im Orte in Untermiete wohnen. Einmal von einem Zechgelage in Leipertitz heimkehrend, ist er zwischen den Statuen Antonie und Johannes erfroren. Der Ortswitz ließ ihn, zeitlich gemeint, zwischen Antoni und Johanni erfrieren.

5. 1856 - 1871 Franz Wollner; war vorher Unterlehrer in Erdberg, laut Dekret vom 17. Juli 1856 als Schullehrer in Tullnitz angestellt. Er kehrte 1871 als Oberlehrer nach Erdberg zurück. Als unter ihm die Schule einer gründlichen Wiederherstellung unterzogen wurde, hat er den Unterricht in der Kapelle erteilt.

6. 1871 - 1878. In dieser Zeit herrschte an unserer Schule eine Art Interregnum. Ein eigentlicher Herr war nicht da, man half sich mit Aushilfskräften aus, die aber aus verschiedenen Gründen ihren Posten bald wieder verließen oder ihn verlassen mußten. Unter anderen wirkte hier der lungenkranke und auch sonst gar nicht taugliche Lehrer Herzmansky eine Zeitlang, dem ein junger Drab beim Unterricht aushalf, solange, bis sein Vater kam und sagte, er solle sich um was Besseres umsehen. Unter diesen Zuständen wurde zeitweise überhaupt kein Unterricht erteilt. Wurden die Pausen doch zu groß, so unterrichtete der damalige Bürgermeister Johann Seethaler vom Haus Nr. 25. Auch sein Bruder Mathias Seethaler hat ausgeholfen.

7. 1878 - 1883 Johann Zacpal aus Podol bei Olmütz.

1883 ging er an die neue Schule nach Damitz.

8. 1883 - 1893 Josef Calupa; er war vorher Lehrer in Kaschnitzfeld, ging von Tullnitz 1893 in Pension und zog dann nach Irritz.

9. 1893 - 1926 Stefan Jaschek; ging als Oberlehrer Ende Jänner 1926 in Pension, hatte viele Jahre immer an die 80 Kinder, ein Jahr sogar 84 Kinder in einer Schulklasse zu unterrichten. Er war 33 Jahre Schulleiter in Tullnitz.

10.1926 Margarethe Fink; provisorische Schulleiterin vom 1. Feber bis 1. September 1926.

11. 1926 - 1939 Ernst Schachl; Oberlehrer vom 1. September 1926 bis Ende November 1939. War ein Jahrzehnt Chormeister im Gesangverein, leitete Theaterspiele usw.

12. 1939 - 1942 Johanna Kaibl; von Anfang Dezember 1939 bis 25. August 1942. Zur Zeit Konrektorin in Plochingen.

13. 1942 Oberlehrer Kiesling aus Großtajax von Ende August bis Ende Oktober.

14. 1942 Käthe Kiesling hält für ihren erkrankten Gatten von Ende Oktober bis Ende November Unterricht.

15. 1942 - 1944 Maria Kollmann, geb. Sequenz; von Ende Oktober 1942 bis 1. September 1944. Sie ging dann an die Volksschule nach Damitz.

16. 1944 bis 8.5.1945 Alois Kiesling; sein Wirken begann am 2. September 1944 bis zum Ende der deutschen Schule am 8. Mai 1945. Er war der letzte deutsche Lehrer in Tullnitz.

Die Pforten dieser Schule werden wohl für deutsche Kinder für immer verschlossen sein.

AKADEMISCHER MALER KARL POSPISCHIL

Karl Pospischil wurde 1869 in Tullnitz geboren und ging auch hier zur Schule. In den Schulferien ist er Gänsehirt gewesen, da sein Vater Gemeindediener war. Mit 14 Jahren kam er zu einem Knopfdrechslermeister in die Lehre, hauptsächlich, weil es dort viel und gutes Essen gab. Freude hatte er an diesem Berufe nicht. Er wollte was Besseres, er wollte Künstler werden. So hing er eines Tages seinen Beruf an den Nagel, folgte einer ländlichen Komödiantengruppe und später einem Zirkus und kam dann nach Wien. Hier war er zuerst Hilfsarbeiter auf Bauten, dann Farbenreiber bei einem Zimmermaler. Es kam ihm zustatten, daß er seit Kindheitstagen gerne zeichnete und es bis zu einer gewissen Fertigkeit brachte. Einige Kurse halfen mit und er arbeitete bald wie ein Gehilfe bei Zimmer- und Dekorationsmalern und wandte sich dann der damals blühenden Fächermalerei zu.

Schon an die dreißig Jahre alt, längst verheiratet und Familienvater, faßte er den Entschluß, die Kunstgewerbeschule in Wien zu besuchen. Seine Fähigkeiten bewies er damit, daß er mit Umgehung der Unterstufe, sofort in die Oberstufe aufgenommen wurde. Ein preisgekröntes Bild wurde sofort bei seinem Abgang verkauft. Ein Stellenangebot als Assistent an dieser Schule lehnte er ab, sein Ziel war der Besuch der Kunstakademie in Wien. Ein Stipendium des Fürsten Lichtenstein verhalf ihm dazu und im Jahre 1907 hatte er die Kunstakademie mit Vorzug absolviert.

Pospischil brachte es in der Malerei zu sehr beachtlichen Leistungen, besonders auf landschaftlichem Gebiet in seiner Gnadlersdorfer Schaffenszeit. Durch seine Liebenswürdigkeit konnte er sich die Gunst des Fürsten Lichtenstein in Eisgrub erwerben. Die Eisgruber Periode um 1912 war der Aufstieg des Künstlers Pospischil. Während des 1. Weltkriegs malte er mehrere Porträts von Militärpersonen und ein großes Eisgruber Landschaftsbild (Eichenbäume). Aus seiner Znaimer und Eisgruber Schaffenszeit befanden sich die meisten Bilder, etwa 50 Stück, im Besitz des Fürsten Lichtenstein. Wo sich dieselben zur Zeit befinden, ist unbekannt. Nach dem Kriege waren alle seine Gönner in der Heimat ärmer geworden und die Neureichen hatten für die Kunst nichts übrig. Im Jahre 1925 ging Pospischil nach Emmerich am Niederrhein. Das reiche Holland stand ihm offen und hier wandte er sich der Porträtkunst zu. Mit Ausnahme weniger Bilder, die sich im Besitz seiner in Wien lebenden Tochter befinden, sind die restlichen Bilder wegen unsachgemäßer Behandlung in den Verstecken während des letzten Krieges zugrunde gegangen.

Am 8. November 1933 ist Karl Pospischil in Emmerich am Niederrhein verstorben. Der getreue Sohn ruht in rheinischer Erde.

Ich möchte ein Erlebnis mit Maler Pospischil schildern. Im Jahre 1923 fuhr ich Oberlehrer Jaschek anläßlich eines Festes nach Hosterlitz. Dort traf ich Pospischil, der seinem ehemaligen Lehrmeister einen Besuch abstattete. Er fuhr mit seiner Tochter mit mir nach Tullnitz. Auf dem Feldweg von Kaschnitzfeld kommend, nach den Damitzer Weingärten, sah er den Ort, sprang auf und rief wie entrückt: „Siehe, meine Tochter, dort ist mein Heimatort, mein geliebtes Tullnitz, dort ist die hohe Pappel bei der Schwemme, in deren Schatten ich saß, wenn ich die Gänse hütete, dort ist die Kapelle, dort oben ist mein Geburtshaus, wo meine Wiege stand", immer noch wie entrückt auf den Ort sehend. Tagelang grübelte ich nach, wie es möglich ist, daß ein Mensch, dem die Heimat nicht viel bieten konnte, so an ihr hing. Ein halbes Jahrhundert ist seit diesem Erlebnis vergangen, das noch nicht vergessen wurde, und jetzt in der Fremde empfinde ich auch, was Heimat für den Menschen bedeutet. T

DAS VEREINSWESEN IM DORFE

Die Freiwillige Feuerwehr:

Dieselbe wurde 1905 gegründet, besaß eine fahrbare Spritze und eine tragbare Motorspritze. Zur Unterbringung der Geräte wurde ein Zeughaus gebaut. Der Stand der Feuerwehr war 25 Mann. Kommandanten waren von 1905 bis 1913 Gutsverwalter Leiner, von 1913 bis 1939 Andreas Hofner und von 1939 bis zum Ende Anton Petru.

Männergesangverein:

Er wurde 1922 gegründet, hatte über 20-25 Sänger. Es wurden das deutsche Liedgut gesungen, Veranstaltungen gemacht und an anderen teilgenommen. Erster Obmann war Johann Springer, ab 1927 Schneidermeister Konrath sen.

Ortsgruppe des deutschen Kulturverbandes:

Gründungsjahr war 1926. Der Kulturverband diente zur Erhaltung der deutschen Schule und es wurden national gefährdete Orte unterstützt. Der Verband hatte immer an die 100 Mitglieder.

Ortsgruppe des Südmährerbundes:

Der Südmährerbund wurde Ende 1926 gegründet, hatte immer über 100 Mitglieder und galt als der beste im Gau Südmähren. Es wurden verschiedene Veranstaltungen gemacht, Theateraufführungen, Muttertagsfeiern; der jeweilige Reingewinn wurde immer der Tagesheimstätte zum Ankauf von Kleidung und zu sonstiger Verwendung übergeben.

Verein zur Erhaltung der Tagesheimstätte:

Der Verein, bei Eröffnung der Tagesheimstätte im Jahre 1929 aufgestellt, hatte keine Mitglieder, wohl aber die meiste Arbeit und Sorgen. Es war ein Gremium von Personen, zur Übernahme von Geld- und anderen Spenden, sowie Sammeln von Kleidern, Einkauf von Kleidern und Schuhen und das Schwierigste, die Verteilung. Das Gremium hatte auch alle Belange der Tagesheimstätte zu vertreten. Mitglieder dieses Vereins waren: Oberlehrer Schachl, die jeweilige Leiterin der Tagesheimstätte und 2 Mütter, die Kinder in der Tagesheimstätte hatten. Vorstand war Johann Tiltscher, der auch Obmann der beiden obigen Vereine war. 1933, nach der Eingliederung ins Reich, wurde die Tagesheimstätte von der NSV übernommen und in einen Kindergarten umgewandelt.

Milchgenossenschaft:

Dieselbe wurde 1919 gegründet, diente zur Übernahme der Milch in der Sammelstelle, Verkauf und Auszahlung desMilchgeldes an die Mitglieder. Der Obmann war Andreas Hofner.

Landwirtschaftlicher Ortsverein:

Der Ortsverein wurde 1920 gegründet. Er hatte die Aufgabe, die Mitglieder in landwirtschaftlichen Angelegenheiten zu beraten und zu betreuen, kaufte landwirtschaftliche Geräte für die Mitglieder, führte Sammelbestellungen für Saatgut und Futtermittel durch. Erster Obmann war Johann Hönlinger, von 1923 bis 1938 Johann Tiltscher, ab 1938 hat die Ortsund Kreisbauernschaft die bäuerlichen Interessen wahrgenommen.

Musikkapelle Bichinger

Dieselbe war kein örtlicher Verein, hatte es aber zu beachtlicher Höhe in musikalischer Hinsicht gebracht und spielte einige Male im tschechischen Rundfunk, was für deutsche Musiker eine Seltenheit war. Mathias Bichinger umrahmte alle Veranstaltungen musikalisch und unentgeltlich, half mit bei Theateraufführungen und leitete sie zum Teil auch selbst. Er verdient dafür Anerkennung und hier genannt zu werden. T

ORIGINALE

die noch die ältere Generation von Tullnitz kannte

Der alte Pepek-Vetter:

Er war sein Leben lang Landarbeiter, immer lustig und fidel, hatte im Dorf mit niemandem Streit und auch keinen Feind. Hatte er einige Achtel Schnaps hinter die Binde gegossen, dann schmetterte er aus voller Kehle sein Lieblingslied „Prinz Eugenius der edle Ritter". Er machte gerne einen Spaß und auch gerne einen mit.

An einem heißen Sommertag ackerte Pepek auf einem Feld in der Nähe des Dorfes. Weil es ihm zu heiß wurde, zog er die einzige Hose, die er hatte aus, und ackerte, nur mit dem Hemd bekleidet weiter. Möchte bemerken, daß damals die Hemden länger waren als heute. Da ging ein Bauer vorbei, dem auch immer ein Schalk im Nacken saß, sah die Hose, nahm sie mit und band sie in einen Bund Futtermais ein, der einige Felder weiter, auf einem Wagen lag. Als Pepek seine Hose nicht fand, stieg er kurz entschlossen auf eines seiner Pferde. Nur mit dem Hemd bekleidet, ritt er singend die Dorfstraße hinunter, von einer Schar Schuljungen begleitet, in den Hof hinein. Daß die Dorfstraße aus diesem Anlaß voller Menschen war, ist begreiflich. In einem Nachbarhaus rissen 2 Kühe an etwas, das die Hose von Pepek war. Er erfuhr den Namen des Täters, war ihm aber nicht böse.

Der alte Wenzel Stock und einer seiner vielen Streiche:

Wenzel Stock saß in seinen alten Tagen immer auf der Bank vor seinem Haus, fortwährend nachdenkend, wem er den nächsten Streich spielen oder eine Lüge aufbinden soll.

So saß er eines Tags wieder auf der Bank und sinnierte. Michel Springer, der auch gerne dasselbe tat, saß weiter unten auf der Bank vor dem Haus. Plötzlich fiel Stock von der Bank. Michel Springer lief, so schnell sein Bauch es zuließ, zu Stock hinauf. Derselbe rührte sich jedoch nicht mehr. Springer hielt einige Knechte an, und sie trugen den über 100 kg schweren Mann in die Stube und legten ihn in sein Bett. Sie berieten nun, was sie machen sollten. Auf einmal machte Stock die Augen auf und sagte mit freundlichster Miene: Michel, Michel, einmal im Leben wollte ich Dich laufen sehen, das hast Du heute getan, nun will ich gerne sterben. Fluchend verließ Springer die Stube und ärgerte sich arg, daß gerade er, wo er doch gerne dasselbe tat, dem alten Schalk auf den Leim ging. T

 

UNSERE GEMARKUNG

Unsere Riednamen

Offizielle Riednamen des Josefinischen Katasters:

1. Ortsried,

2. Gartenbreiten und Freigartlackerl,

3. Krautackerl,

4. Krautackerl und Zeiselfeld,

5. Gemeindeweide,

6. Weinbergacker, 1

7. Leipertitzer Granitzfeld,

8. Libitzfeld,

9. Moskowitzer Granitzfeld,

10. Heidfeld,

11. Windmühlfeld.

Im Grundparzellenprotokoll von 1867 sind folgende Riednamen aufgeführt:

1. Ortsried,

2. Damitzer Kreuzfeld,

3. Kreuzfeld,

4. An der Kapelle,

5. Windmühlfeld,

6. Haidfeld,

7. Moskowitzer Feld,

8. Libitzfeld.

Im Volksmunde finden sich folgende Namen:

Weide, Bei der schwarzen Lacke,

Roßweide, Stückeln,

Neuriß, Antoniacker,

Dammackerl, Judenquanten,

Zeiselberg, Suttnquanten,

Baumstadtl Breite, Steinquanten,

Stoßacker, Pfarreacker,

Vierteln, Weingartenbreite,

Lecker bzw. Lecher, Neubreite,

Freiacker, Große Neubreite,

Wirtshausacker, Freigartlbreite,

J udenacker, Stoßbreiten,

Häuslweingarten,

Stierwiese (links vom Irritzer Weg),

Sandacker (bis Schiller üb. d. Bahn),

Neuriß (unterhalb der Schwemme, zum Hof gehörig),

Herinnere Frischauer Acker (vom Wirtshausacker zwischen Libitzfeld und Heidfeld).

DAS UNTERIRDISCHE TULLNITZ

Tullnitz war während des Dreißigjährigen Krieges nachweisbar bevölkert und bei Überfällen von Freund oder Feind gab es nur ein Überleben in unterirdischen Verstecken. Der älteren Generation sind noch solche Verstecke bekannt. Beim Neubau des Hauses Franz Nr.23 im Jahre 1923 stieß man beim Ausheben der Grundmauern auf einen unterirdischen Gang unter dem alten Wohngebäude, welcher anschließend in einen Raum von 3 m Durchmesser und 1,5 mHöhe führte. Ein fortlaufender schmaler, niedriger Gang führte zum Nachbarhaus Hofner. Dieser diente wahrscheinlich als Verbindung zu anderen Verstecken und wurde infolge fortschreitender Bauarbeiten, aber auch mangels Interesse, nicht weiter untersucht. Im ehemaligen Obrigkeitskeller der Familie Lang Nr.1 war links am Ende ein Loch in der Mauer, dahinter ein 7 qm großer Raum, in dem versucht wurde, einen Gang nach oben zu machen. Weiterhin waren an dieser Stelle Spuren einer Mauer vorhanden, die einen 35 qm großen Raum schufen, der auch im Dreißigjährigen Krieg als Versteck gedient haben soll. Nach mündlicher Überlieferung soll es einen Gang vom Brunnen des Hauses Nr.10 zum Brunnen in einem Janoschek Keller gegeben haben. Außerdem gab es hinter dem einen Keller einen nicht ausgemauerten Raum. Weiter soll es Schwedenlöcher und unterirdische Gänge gegeben haben. Neben dem großen Keller des Hauses Nr.1 soll ein Gang gewesen sein, wo in seitlichen Löchern die Bewohner ihre Sachen versteckten.

Der soeben erwähnte Keller von Nr.1 hatte 2 Eingänge, war durch eine Mauer in zwei Teile getrennt und hatte eine Länge von insgesamt 60 m und eine Breite von 7 m. Herr Mühlhauser vermutet, daß dieser Keller von Kaschnitz von Weinberg erbaut worden ist. Von dem vorhandenen Loch durch die Mauer und dem dahinterliegenden Raum sowie mündlicher Überlieferung ist wieder anzunehmen, daß dieser Keller schon vor dem Dreißigjährigen Krieg erbaut wurde, vielleicht sogar bei der Erbauung der Burg um 1200, wo nach urkundlicher Erwähnung von starkem Weinbau in unserer Gegend die Rede ist. Jedenfalls ist dieser Keller als ältestes Bauwerk, wenn auch unterirdisch, anzusehen.

 

TULLNITZ RÜBENVERLADESTATION

Bis zum Jahre 1941 war Tullnitz Personenhaltestelle an der Bahnstrecke Wien - Grusbach - Brünn. Die Station Mißlitz war für Güterverkehr, wohin auch 13 Gemeinden ihre Zuckerrüben per Achse bringen mußten. Es gab stundenlange Stauungen und Wartezeiten. Die Zuckerfabrik Grusbach war durch die Initiative Dr. Holik aus dem Stoupal-Konzern in die Landwirtschaftliche Zucker AG. übergegangen, in der die Rübenbauern die Aktienmehrheit hatten.
Die Verladerampe foto 11.2000/g.h.

Jetzt konnte Bürgermeister Tiltscher es wagen, seinen lang gehegten Wunsch zu äußern, der Zuckerfabrik Grusbach den Vorschlag einer Rübenverladestelle in Tullnitz zu machen. In Rübenbauern-Versammlungen in Treskowitz, Irritz, Damitz und Tullnitz legte Landsmann Tiltscher mit dem kaufm. Leiter der Zuckerfabrik Grusbach, Herrn Fritz Kraus, den Vorteil einer eigenen, näheren Verladestelle klar und erhielt überall die Zustimmung zur Leistung eines Kostenbeitrages für den Bau, in Höhe von 10 Pfennig jährlich je Zentner abgelieferter Rüben. Im Mai 1939 wurden die Verhandlungen mit den verschiedenen Instanzen aufgenommen, waren aber kriegsbedingt sehr schwierig und wurden zum Großteil vom Disponenten Fritz Kraus geführt. Im Frühjahr 1941 kam die Genehmigung der Reichsbahn und es wurde ein Vertrag mit der Zentraldirektion und Reichsbahn abgeschlossen.

Des hohen Angebotspreises wegen wurde mit der Bahnbaufirma vereinbart, daß sie nur die Vermessungsarbeiten und den Gleisbau durchzuführen hat, während die Materialbeschaffung und Arbeiten von der Zuckerfabrik in eigener Regie durchgeführt wurden.

Mit Mut und Zuversicht wurde die Arbeit begonnen und trotz kriegsbedingter Schwierigkeiten in der erstaunlich kurzen Zeit von 5 1/2 Monaten fertiggestellt. Dies war nur möglich, weil Bürgermeister Tiltscher den Bau der Verladestation zu seiner eigenen Sache gemacht hatte und jederzeit zu Rat und tätiger Hilfe bereit war. Dafür gebührt ihm noch heute der Dank seiner Berufskollegen.

Am 15. Oktober 1941 wurden zeitgerecht auf der neuen Brückenwaage Rüben übernommen und von der Verladerampe in die Waggons verladen. Alle freuten sich, daß die Arbeit erleichtert wurde, die vielen Stunden Wartezeit wegfielen und die Anfahrtszeiten bis zu 1 Stunde verkürzt wurden. Dadurch, daß der Großteil der Arbeiten in eigener Regie durchgeführt wurden, ist eine beachtliche Summe eingespart worden.
Das Waaghäusel foto 11.2000 /g.h.

Nach dem Kriege sollte ein Stationsgebäude erstellt werden, Waggonsendungen und Stückgut übernommen und ausgefolgt werden.

Fritz Kraus, Grusbach-Winnenden.

RELIGIÖSE WAHRZEICHEN UM 1930 IN TULLNITZ

1. Kreuz an der Kapelle:

Ein hohes Steinkreuz. Inschrift: Stifter dieses heiligen Kreuzes zur allgemeinen Verehrung ist Mathias Kraus, Ansasse der Gemeinde Tullnitz, Haus Nr.1. Errichtet im Jahre 1840. Letzte Renovierung von Familie Lang Nr.1 im Jahre 1930.

Eisenkreuz2. Eisernes Kreuz an der Damitzer Straße:

Errichtet von Maria Seethaler Nr.49 im Jahre 1905, gegenüber dem Hause Fleischhauer Franz Novotny.
Zur Ehre Gottes und der heiligen Dreifaltigkeit Jesus Maria und Josef errichtet von Maria (Schaller?) 1905. foto11.2000/g.h.

3. Irritzer Kreuz - ein Steinkreuz:

Inschrift: Ein Vers aus Jeremias 1/11. Dieses Kreuz stand an der Kreuzung Irritzer Weg - Roßweideweg und wurde vom alten Hanak Anton instandgehalten. Man schließt daraus, daß ein Tullnitzer Hanak dieses Kreuz errichten ließ, dessen Nachkommen dann aus Pietät für die Erhaltung sorgten.

 Steinkreuz4. Das Schenk-Kreuz:

Ein Steinkreuz, stand in der Gabelung Olkowitzer-Moskowitzer Weg. Errichtet von Franz Schenk im Jahre 1913. Er wohnte um 1900 im Hause Nr.41. Vermachte der Kapelle eine Stiftung.
Steinkreuz, foto 11/2000/g.h.

5. Die Bildsäule:

Stand auf dem Grundstück des Hauses Nr.1 Lang und wurde auch von diesen erhalten. Auf einem Balken in einem Holzkasten ein Marienbild. War ein Wahrzeichen in der Flur. Prozessionen verrichteten daselbst auf dem Heimweg ihre letzte Andacht.

6. Eisernes Kreuz unweit der Bildsäule:

Errichtet von den Eheleuten Franz und Maria Stock Nr.67 im Jahre 1898.

7. Eisernes Kreuz in der Nähe der Johannes-Statue:

Errichtet zur Ehre Gottes von den Eheleuten Johann und Maria Wimmer im Jahre 1901.

St. Johannes8. Statue des heiligen Johannes:

Erbauer und Jahreszahl unbekannt. Beim Johannes wurden immer die Maiandachten abgehalten. Durch einen Zubau zum Hause Wollinger wurde der Platz um die Statue eingeengt. Laut einem Gemeinderatsbeschluß vom Ende des Jahres 1942 sollte die Statue gegenüber dem Hause Nr. 48, Altbürgermeister Schiffner, aufgestellt werden. Durch den kriegsbedingten Mangel an Fachkräften konnte jedoch dies nicht geschehen. T


Ich habe im November 2000 alle Kreuze in und um Tullnitz fotografiert. Die Bilder werden demnächst hier eingefügt. /g.h.


BÜRGERMEISTER VON TULLNITZ von 1792 bis 1945

1792-1799 Mathias Horth

1800-1811 Jakob Hanak

1812-1815 Andreas Ostermayer

1816-1820 Lorenz Zeger

1852-1858 Wenzl Janoschek

1858-1861 Peter Muck

1861-1873 Johann Seethaler

1873-1876 Josef Sand

1877-1886 Mathias Seethaler

1886-1892 Wenzl Janoschek

1892-1914 Johann Hofner

1914-1931 Johann Schiffner

1931-1938 Franz Janoschek

1938-1945 Johann Tiltscher, Bürgermeister

Johann Schiffner sen., 1. Beigeordneter

Alois Hofner, Gemeinderat

Raimund Bayer, Gemeinderat

Franz Friedrich, Gemeinderat

Franz Marzini, Gemeinderat



GESCHAFTSLEUTE UND HANDWERKER

im Jahre 1939 vor dem Anschluß

Selbständige:nicht Selbständige:

2 Gasthäuser4 Maurer
2 Lebensmittelgeschäfte 4 Tischler
1 Fleischhauer2 Zimmerleute
2 Schuhmacher2 Schlosser
1 Schmiedemeister1 Schmied
1 Schlossermeister2 Schneider
1 Tischlermeister1 Schuhmacher
1 Schneidermeister1 Maler
2 Kaufleute
2 Kellner
2 Fleischer
2 Friseur

Bei den meisten nicht selbständigen Berufen herrschte vor 1938 große Arbeitslosigkeit und es wechselten viele ihre erlernten Berufe. Eine Anzahl ging 1938 zur Reichsbahn, wo früher auch ihre Väter waren. T

KINDERSPIELPLATZE, SPIELE, BRAUCHTUM

Kinderspielplätze: Sandgrube am Berg, um die Kapelle, Bereich um die Schwemme, am Tanzplatz und in den großen Höfen einzelner Bauernhäuser.

Spiele: Schneider leih mir die Schere, verschiedene Ballspiele, Knöpfeln, Anmäuerlen; Nachrennen, Litschkerlspielen, Ringelreihen, Soldatenspielen. Im Winter: Rutschen, Schleifeisenfahren, Schlittenfahren, in den letzten Jahren Skifahren.

Jugend: Zusammenkunft bei schönem Wetter am Tanzplatz, dort wurde gesungen, beraten über die Ausführung des nächsten Streiches, oder in welchem Garten es die schönsten Kirschen, Apfel oder Birnen gab; in den betreffenden Gärten wurde dann ein nächtlicher Besuch abgestattet. Es blieb aber immer alles im Rahmen, die Betroffenen sahen ein, daß sie es früher auch nicht anders machten.

Veranstaltungen und Bräuche im Jahresablauf:

Den Reigen eröffnete der Feuerwehrball. Es folgten dann Theateraufführungen oder ein anderer Ball, dann kamen drei Tage Fasching, wo jung und alt das Tanzbein schwangen. Am Aschermittwoch war die ,,Irtn", die Veranstalter aller Tanzereien des Jahres, beisammen. Es erfolgte in den späteren Vormittagsstunden der Narrenumzug, am Nachmittag bei Gesang, Spiel und Scherz. Mit einem anschließenden Heringessen wurde der Kehraus des Faschings gemacht.

Am 1. Mai war das Maibaumaufstellen, wo der Wirt und der jeweilige Bürgermeister mit einem mit Bändern geschmückten Baum bedacht wurden. Aber auch die Dorfschönen wurden mit einem geschmückten Bäumchen beehrt. Es fand eine Tanzveranstaltung, die Maimusik, statt. Am Dreifaltigkeitssonntag wurde in Prozession um die Felder gegangen, um guten Erntesegen zu erbitten. Der jeweilige Altknecht mußte die Fahne dabei tragen. Am Sonntag nach Maria Heimsuchung wurde nach Lechwitz eine Wallfahrt zu Fuß gemacht, Hin und Rückweg zusammen 6 Stunden.

Nach Ernte und Druscharbeiten wurde mit dem Verputzen und Weißigen der Häuser begonnen, und die letzte Woche vor dem Kirtag, Sonntag nach Kreuzerhöhung, wurden die Kirtagsgänse geschlachtet, in größeren Häusern auch ein Schwein, „Kiritoflecken" und Gugelhupf gebacken. Es kamen ja eine Menge Gäste aus nah und fern Um 11 Uhr spielte die „Musikbanda" bei den Ortshonoratioren Tafelstücke und nach dem Rosenkranz zieht die ,,Irten", an der Spitze der Altknecht mit Robisch und Altdirn, auf. Die Irten tanzte drei Tänze, dann folgten die anderen Burschen, nachher die auswärtigen Burschen, geschlossen in Ortschaften, jeweils mit Einmarsch und drei Tänzen. Am Montag folgten nach dem Aufziehen der Burschen, dann die Männer, abends tanzten dann die Männer und Burschen getrennt.

Auf Kathrein war dann die letzte „Suntamusi" und zu Silvester abends eine kleine Musik, die immer um 12 Uhr beendet wurde, um nicht ins neue Jahr hineinzutanzen. Dies waren die Musikveranstaltungen des Jahres.

Im Herbst war dann immer das „Wazauslösen", das heißt, von den Maiskolben alle Blätter bis auf drei herunterzureißen, die zum Zusammenbinden benötigt werden. Dies wurde in Scheunen gemacht, wo die örtliche Jugend gruppenweise mitmachte. Das „Legwarkochen", auch Zwetschgenmus, war der Treffpunkt von Burschen und Mädchen, da auch bei Nacht gekocht werden mußte. Dann kam das „Federnschleißen", eine Frauenarbeit, wo Mädels und Frauen nicht nur das Federkleid der Gans zerzausten, sondern auch die Mitmenschen. Auch hier waren in Gruppen die Burschen dabei, die für Unterhaltung sorgten. Ein ausgiebiger und fröhlicher Federhahn bildete den Abschluß.

Infolge Platzmangels muß auf Brauchtum teilweise verzichtet werden, dafür haben die Nachbardörfer dieses Gebiet ausführlicher behandelt. T


ORTSPLAN

Wappen


VERSTREUT IN ALLE WINDE!

Haus-Nr., t verstorben, jetzige Anschrift bzw. 1. Wohnsitz
1 tLang Theresia geb. Hofer7444 Beuren- Balzholz
2Lang Karl und Aurelia geb. Hönlinger, BeurenBalzholz
3Schiffner Johann und Marie geb. Schmid, Erbach bei Ulm
4Petru Marie geb. Tatschek, Pfaffing / Oberfranken
5tSofka Alfred und Anna geb. Hofner, Buxheim
tAltfamilie Hofner Alois und Marie geb. Peterka,Buxheim
6Lausch Veronika8636 Rodach, Kreis Coburg
7Tiltscher Johann und Marie geb. Lang,BeurenBalzholz
8tJanoschek Franz und (t) Maria geb. Stefan Gärtenroth
9tKarolus Maria geb. Friedrich und Karolus Bruno Landshut
11Knottek Anton und Rosa geb. Marzini, Rodach
12 t Novotny Rudolf und Rosa geb. Bamboschek Thierhaupten
13tBichinger Johann und (t) Theresia geb. Bauer, Ziegenhals i. Oberfranken
14Knotek Richard, 7 Stuttgart-Bad Cannstatt
15Konrath Hermann und Christine geb. Spindler Ludwigsburg
16Wabroschek Karl und Pauline geb. Spindler, Kemarn über Bamberg
17Wollinger Leopold und Hermine geb. Lang Rodach
20Hirsch Karl und (t) Theresia,8722 Kützberg/Schweinf
22 tSchmid Johann (gef.) und Marie geb. Wagner Benningen
23Janoschek Robert7121 Hohenhaslach
24Hofner Andreas und t Sofie geb. Hanak, bei Sohn Alfons, Daaden/Sieg
26 tJanoschek Johann und (t) Johanna geb. Wrana Seiboldsdorf <
27 tHönlinger Johann Thierhaupten
30Plattek Alfred und Theresia geb. Hirsch, Mudau, Hotel Engel
31 tDenk Rosa und Obleser Marie geb. Denk Waldstetten
32 tHuber Thomas und (t) Marie geb. Schmid, Karlsruhe
34Plattek Josef und Marie geb. Hrubesch, Pforzheim
35Plattek Karoline Mudau, Hotel Engel
36 Hölzl Jakob und Eva geb. Schiffner Rodach, Kreis Coburg
38Plattek Franz Thierhaupten, Kreis Neuburg/Do
39Auer Julie geb. Hofner, Wien 22 Bez
40 t Tiltscher Paul und t Theresia geb. Zibuschka Worms-Weinsheim
41Pfeifer Johann und Ernestine geb. Geidl,A - Felixdorf ,Ös- terreich
Altfamilie(t) Pfeifer Johann und (t) Antonia,A - Felixdorf, Österreich
42 tMühlbauser Marie geb. Slowatschka Thierhaupten
44Huber Jakob und Elisabeth geb. Schmid, Karlsruhe
45 t Friedrich Franz (gef.) und Theresia geb. Petru Sollnhofen
46 tZwieb Franz und Tochter Theresia, Rodach
48 t Schiffner Johann und (t) Theresia geb. Hasenhündl, Seiboldsdorf
49 t Schmid Wenzel und (t)9 Maria geb. SeethalerGärtenroth
51 tPankaz Josef und (t) Tochter Marie Leonberg
52Zwieb Franz und Zita geb. HofnerEbersbach/Neckar
53 Petru Anton und (t) Marie geb. Wimmer Rodach
54tWimmer Jakob senRodach
57tKratochwill, Rudolf und Rosa geb. PlattekErdmannshausen
58ttStolz Johann und t Marie geb. Mühlhauser Ulm-Söfiingen
59tRapf Johann, gefallen 5.11.1943
60tBeer Johann und Mathilde geb. MühlhauserThierhaupten
62 t Marzini Jakob und Anna geb. Plattek Feldkirchen
63 Hrubesch Anton und Helene geb. Jelinek, Wien 11 Bez
65 tPetru, Franz sen. und t Marie geb. SchmidDonebach über Buchen
66 t Novotny Franz und Marie geb. Hölzl,Schney über Lichtenfels
67 t Konrath Berta geb. Strohschneider, Ludwigsburg
68 t Steiner Barbara geb. Huber und Tochter AnnaBuchschlag
69 t Bayer Raimund und t Katharina geb. HuberRied i. Innviertel
Altfamilie t Wimmer Johann und t Marie geb. PechRodach
70 t Marzini Franz und Theresia geb. SteinerBuchschlag
71 t Plattek Ferdinand und t Rosa geb. StolzThierhaupten
73 tSchmid Apolonia geb. JanoschekBenningen
75 t Marzini Franz und t TheresiaRippberg, Kreis Buchen
76 t Wanczura Johann undt Julie geb. TschakGeroldzahn und 75 Karlsruhe
79 t Muck Marie, Anschrift unbekannt
80 Knüppel Hilda geb. Lang, Frankfurt/Main
84 Novotny Franz jr. und t Emilie geb. WabroschekSchney über Lichtenfels
88 Deutscher Kindergarten
89 Deutsche Volksschule
90 Petru Franz und Stefanie geb. Guttmann Donebach über Buchen
92 Hummel Viktor Schwäbisch Gmünd
93 Janoschek Franz und Hilde geb. CernyKarlsruhe
96 t Bichinger Johann und Hermine geb. JanoschekCoburg
98 Wolkenstein Anton und Marie geb. Kratochwill Kornwestheim
Kratochwill Rudolf und Katharine geb. FriedrichErdmannshausen
99 Sieber Alfred und Marie geb. Hönlinger Thierhaupten

Die Nummern 32, 43 und 82 waren unbewohnt. Aus den fehlenden Nummern sind die Bewohner nicht ausgewiesen worden.


Die Farbfotos wurden im Oktober/November 2000 aufgenommen. /g.h.


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