Das Freibad in Damitz Ein Heilbad, das ein Lehrer baute Von Harald Wieder Aus: Südmährisches Jahrbuch 1999(Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers)
Am 12. Juni 1932 wurde nach mehr als zweijähriger Bauzeit das Damitzer Freibad im Beisein von Tausenden von Besuchern aus nah und fern festlich eröffnet. Wie Alfred S c h i c k e l in seiner lesenswerten "Geschichte Südmährens", betont, kann man dieses Eröffnungsfest in die Reihe von Veranstaltungen stellen mit denen die um 1930/31 von der aggressiven tschechischen "Narodni Jednota" erneut unter Druck gesetzten Deutschen Südmährens die Erinnerung an ihr kulturelles Erbe und das Bekenntnis zu ihrer angestammten Identität wahren wollten. Es gab viele Turn- und Schwimmfeste in Damitz; der Südmährische Turngau richtete hier alljährlich sein Gauwettschwimmen aus, Teilnehmer und Mannschaften kamen sogar aus der Landeshauptstadt Brünn. Schließlich wurden auch vielbesuchte Schwimmkurse abgehalten. Das Bad konnte sich von Anfang an regen Zuspruchs erfreuen. D ie Entstehung des Bades samt der schönen Freizeitanlage war in vieler Hinsieht ungewöhnlich, sie ging oft eigene, von der gewohnten Norm abweichende Wege. Initiator und zum erheblichen Teil Finanzier war kein Architekt, keine Baugesellschaft, sondern - ein Lehrer namens Ludwig Wieder (1894-1970), Neffe des bekannten Znaimer Arztes und Heimatforschers Dr. Ludwig Wieder. Er hat - als Laie - zum erheblichen Teil die architektonischen Pläne erstellt und den Bau vorangetrieben; da das Bauobjekt aber auf Gemeindegrund lag, kann man ihn nicht als Bauherrn im gewohntem Sinne bezeichnen. Ludwig Wieder war Bauernsohn aus Damitz (Haus Nr.7) und lernte hinter dem Elternhaus, in einer schmutzigen Gänseschwemme, die sich auf dem späteren Badgelände neben dem bewaldeten Damm befand, schon als kleiner Bub das Schwimmen. Für die damaligen Verhältnisse war das ungewöhnlich.A ls junger Lehrer im benachbarten Tullnitz protestierte er öffentlich gegen tschechische Maßnahmen im Zuge der sog. ,,Bodenreform" und wurde 1924 in das weit abgelegene Groß-Steurowitz bei Auspitz strafversetzt. Die Eisenbahnfahrt von Damitz über Brünn und danach noch eine Stunde Fußmarsch bis Steurowitz, das bedeutete für die damalige Zeit eine ganze Tagesreise.W ieder gründete in Damitz auf einem etwa drei Hektar großen Gartengrundstück (,,auf dem Damm") neben dem späteren Badgelände gleichwohl schon 1927 eine künftige Heimstätte. Er baute zunächst eine sehr stabile Mauer aus Klinkersteinen, die samt dem schmiedeeisernen Eingangstor mit seinen Namenszügen und denen seiner Frau Hermine, geb. ZeihseI, Tochter des langjährigen Bürgermeisters und Landtagsabgeordneten Cyrill Zeihsel (1870-1924), die Zeiten bis heute noch gut überstanden hat. Ein Wohnhaus oben auf dem Damm war vorgesehen; von hier aus hätte man eine weite, unverbaubare Fernsicht bis Mißlitz und die am Westhorizont aufsteigende, waldbestückte ,,Böhmische Masse" gehabt. Für den engagierten Hobby-Gärtner Ludwig Wieder schien sich hier eine geradezu paradiesische Lebensperspektive zu eröffnen, zumal er 1929 wieder in seine engere Heimat zurückkehren konnte. Bis 1935 war er in Mißlitz und zwischendurch auch wieder in Tullnitz im Schuldienst. Eine Oberlehrer- und Schulleiterstelle im engeren Heimatbereich, vielleicht sogar in Damitz selbst, war das nächste Ziel.I m gleichen Jahr der ,,Rückkehr" Wieders, also 1929, wollte die Gmeinde Damitz die besagte Gänseschwemme zu einem größeren Wasserreservoir ausbauen, das vom vorbeifließenden Bach, der hinter Mißlitz entspringt und den die Damitzer einfach ,,Damitzbach" nannten, gespeist werden sollte (die Tschechen benennen ihn heute nach Mißlitz/Miroslav). Ludwig Wieder und andere machten den Vorschlag, das Reservoir so zu bauen, daß zumindest die Jugend hier auch baden könnte. Die Gemeinde, in der die großen und oft sehr konservativ eingestellten Bauern den Ton angaben, stimmte zu unter der Bedingung, daß die vorschlagenden Herren die Kosten für die Errichtung einer Ersatz-Gänseschwemme im Dorf drinnen übernehmen. Eine ungewöhnliche juristische Maßnahme! Von den Herren blieb schließlich nur einer übrig:Ludwig Wieder. Er zahlte 5500 Kronen für die neue Schwemme (ein Lehrer verdiente damals zwischen 1000 und 2000 Kronen monatlich). S o hat alles begonnen. Wieder trieb das Bauunternehmen voran, entwarf selber z.T. eigenwillige und originelle Baupläne und griff notfalls auch in die eigene Kasse. Das alles ohne eindeutige, klare juristische Vereinbarungen mit der Gemeinde. Was hat ihn dazu angetrieben? Ermuntert durch die geglückte Rückkehr, wollte er vielleicht auch neben seinem eigenen künftigen ,,Paradies" ein schönes Freibad mit erholsamem Grüngelände haben (heute würden bei uns die vielen Autos die Wohnqualität herabsetzen); er wollte auch für die Gemeinde, für die Allgemeinheit etwas tun (,,Gemeinnutz geht vor Eigennutz" stand lange Zeit auf einem Transparent). Der Pädagoge und Aktive der deutschen Turnbewegung wollte auch der Jugend etwas geben und ihre Gesundheit fördern. Heute noch kann man eine metallene Plakette mit dem Portrait des Turnvaters Friedrich Ludwig J a h n in einer Mauersäule an der vorderen Einzäunung erkennen.) Vielleicht sollte auch das Geldvermögen, das zum erheblichen Teil meine Mutter, in die bis dahin kinderlose Ehe eingebracht hatte, ,,arbeiten", anstatt auf der Sparkasse zu liegen. Das heute bei uns geläufige Motiv, sein Geldkapital dort anzulegen, wo es den höchsten Gewinn verspricht, spielte hier keine Rolle. Es war weit mehr als besonderer Ehrgeiz, von dem Ludwig Wieder durchdrungen war, etwas Bleibendes, Bedeutendes zu schaffen - ohne dieses Motiv gäbe es keine großen Leistungen in Kultur, Wirtschaft, Politik.1930 war das Bad ,,fertig", immerhin schon ein (fast) richtiges Freibadbecken in einer noch kargen Umgebung. Aber das große Problem sollte erst kommen: die Wasserfrage! Offenbar glaubten der Initiator und die Verantwortlichen der Gemeinde, man könne einen Dorfbadebetrieb für die Buam" mit dem nicht immer sehr sauberen Wasser aus dem Bach unterhalten. Die Sanitätsbehörde der Bezirksstadt Mährisch Kromau schaltete sich ein und knüpfte die Badegenehmigung an 22 Punkte umfassende Bedingungen, die innerhalb von drei Jahren zu erfüllen wären. Die wichtigste: reines, gesundheitlich einwandfreies Wasser, Schüttung mindestens 1 Liter/sec.J etzt war guter Rat teuer. In der Gemeinde Damitz gibt es nur sehr wenige Brunnen bzw. Quellen, die für Menschen trinkbares Wasser liefern, wie es auch für das Bad in Frage gekommen wäre. Man hat u.a. von der offenen und ergiebigen Quelle beim Schmied Gutmann mit Feuerwehrschläuchen das Wasser etwa 300 m ins Bad leiten wollen. Auch dies wir keine Lösung. Das ganze Badunternehmen schien gescheitert, eine ganze Menge Geld in Schlamm gesetzt zu sein, und das in der großen Wirtschaftskrise Stimmung in der Gemeinde war keine gute.D och Ludwig Wieder war schon zu sehr mit ,,dem Bad" verwachsen , er hatte sich schon zu sehr damit identifiziert - er konnte nicht aufgeben! Er schaffte auf eigene Kosten einen Wünschelrutengänger herbei, Gustav Sterlicke aus Rumburg / Nordhöhmen, der auf dem Badgelände ,,drei Wasseradern feststellte". Unter den Augen vieler Skeptiker begann man Anfang Februar 1931 mit der Bohrung von Hand, zunächst auf Gemeindekosten. Als nach zwei, drei Wochen immer noch nichts kam, brach der Bürgermeister eigenhändig das Unternehmen ab, aber Wieder ließ es auf eigene Kosten fortsetzen. Die Badgeschichte hatte ihre dramatischen Zwischenfälle! Juristisch begab sich Wieder auf Glatteis. Man muß aber auch den besorgten und doch schlauen Bauern zugute halten, daß sie ihn gewähren ließen (schließlich wäre die Gemeinde ja doch Eigentümerin gewesen).D och den Rückschlägen folgten bald Höhepunkte:A m 18. März 1931 fiel bei 96 m Tiefe das von Hand betätigte Bohrgestänge plötzlich um gut einen Meter abwärts; ein unterirdisches Rauschen war zu hören und alsbald schoß ein Wasserstrahl fontänengleich 11 m hoch in die Lüfte, Schüttung 3 Liter/sec. Man hatte eine artesische Quelle erschlossen. Das ganze Gelände stand bald unter Wasser, wie mir erst kürzlich eine Augenzeugin mitteilte. Die Damitzer gerieten in Bewegung, und für Ludwig Wieder war es eine der großen Stunden seines Lebens. Er hielt sein Versprechen: Der erste, der ihm ,,Wasser" melden konnte, bekam 100 Kronen.D och es kam noch besser: Nach dem Gutachten von Prof. Dr. K u r t e n a c k e r von der Deutschen Technischen Hochschule Brünn berechtigte der Gehalt an Kohlensäure, Karbonaten und Sulfaten, Mangan und Jod die Bezeichnung ,,Mineralwasser". Das Damitzer Wasser übertreffe selbst das Heilwasser des vielbesuchten mährisch-schlesischen Bades Karlsbrunn und das aller bisher von ihm untersuchten Quellen. Aus Damitz ließe sich ein Kurort machen!N ach diesem unerwarteten Erfolg, den man durchaus als eine ,,Wende" bezeichnen kann, fühlte sich Ludwig Wieder vollauf bestätigt und beschleunigte den weiteren Ausbau der Badeanlage nach seinen eigenen Vorstellungen und auch immer mehr auf seine eigenen Kosten. Das Badbecken wurde vertieft und um einen Nichtschwimmeranteil verlängert; ein Springbrunnen sollte das kalte Quellwasser vorwärmen, er gab der ganzen Anlage mit Quellhaus, Erfrischungshalle und Kabinen ihren eigentümlichen architektonischen Reiz. Der eifrige Hobby-Gärtner Wieder bezog nun auch den Spielplatz und den Schindanger in der unmittelbaren Nachbarschaft in ,,seine" Landschaftsgestaltung mit ein:Nach Planierung legte er dort ein Wäldchen mit Blautannen und Silberfichten an. Schließlich wurde die gesamte Anlage eingezäunt, und Wieder pflanzte viele Stauden und Blumen, die sich bald in gedeihlichem Wuchs entfalteten und in farbenfroher Blute leuchteten. Das Ganze konnte auf den Betrachter einen wohltuenden, großartigen Eindruck machen. So bezeichnete im Sommer 1935 der Vorsitzende des Mährisch-schlesischen Landes-Fremdenverkehrsverbandes Wagner aus Troppau die ganze Badanlage mit Wald, Turn- und Spielplatz ,,in ihrer harmonischen Abstimmung und Zusammenwirkung als eine der schönsten und einzigartigsten Schöpfungen dieser Art in der ganzen Tschechoslowakei. Damitz wurde in die Liste der für den Fremdenverkehr in Frage kommenden Orte aufgenommen. ![]() An Sonn- und Feiertagen war das Bad bei gutem Wetter bald brechend voll ; aus nah und fern kamen die Besucher, auffallend viele Brünner Deutsche fuhren mit Bus oder Fahrrad auf der Kaiserstraße ins ,,BIumenbad" wie sie es auch nannten. Heute noch sprechen Angehörige der Erlebnisgeneration voller Anerkennung und Begeisterung ,,vom Bad". Zahlreiche Gäste quartierten sich ein, Damitz begann in der Tat, langsam ein Ort des Fremdenverkehrs zu werden. Auf die häufigen Feste wurde eingangs schon hingewiesen. Ein fünfzehnköpfiger Badeausschuß mit Ludwig Wieder als Obmann kümmerte sich um die Organisation des Badebetriebes. Die warmen Sommer 1932, 1934, 1935, 1937 und 1941 waren besonders gute Badejahre. Der Reingewinn betrug in der Vorkriegszeit ca. 4500 Kronen jährlich, die Eintrittspreise waren eher niedrig: Einzelkabine 1,50 Kc, Gemeinschaftskabinen 80 bzw. 50 Heller, Schulkinder hatten werktags freien Eintritt.. I m Sommer 1934 genehmigte das Landessanitätsamt in Brünn ( Regie von Dr.M a t e j k a) der Gemeinde Damitz in ihrer Werbung die Bezeichnung ,,Mineralbad" zu gebrauchen; das Wasser könnte, in Flaschen abgefüllt, als Mineralwasser vertrieben werden. Auch rechtfertige die günstige Wasseranalyse die Entwicklung zum Heilbad. Ein pfiffiger Zeitgenosse (es war Dr. Ludwig Wieder aus Znaim) dazu: ,,Bis jetzt war Damitz a Kui-Ort, jetzt wird's a Kuah-Ort" (Kui = Kuh, Kuah =Kur). Die verkehrsgeographische Lage von Damitz ist in der Tat günstig: Es liegt an der Schnittstelle der Eisenbahn Brünn-Mährisch-Kromau-Grusbach mit der Kaiserstraße Brünn-Pohrlitz-Znaim.M ehr als ein bitterer Wermutstropfen waren für den Bad-Erbauer die bis 1945 nicht geklärten Eigentumsverhältnisse. Wieder leistete insgesamt 98000 Kc, die Gemeinde 112000 Kc. Da bei Beginn 1929 niemand vorhergesehen hatte, was schließlich aus dem bescheidenen Anfangsprojekt wurde, am allerwenigsten die Perspektive eines moglichen Kurortes, hatte der Bad-Erbauer in seiner Gestaltungsleidenschaft wie schon gesagt, zu wenig auf den juristischen Bereich geachtet; auch den Gemeindeverantwortlichen wird man dies vorhalten können. In der deutschen Zeit wollten die Organisationen KdF und NSV unserem Vater seinen Anteil bzw. seine Forderungsrechte abkaufen.1935 setzte sich Wieder, wohl etwas resigniert, von seiner engeren südmährischen Heimat ab und trat in der Wischauer Sprachinsel, im sympathischen Hobitschau (tschech. heute Hlubocany), eine Stelle als Oberlehrer und Schulleiter an. Er blieb dort bis zur Vertreibung 1945 und gestaltete auch in diesem Ort ein verwildertes Gelände (diesmal bei der Schule) zu einem vielbewunderten Mustergarten um, nicht ohne auch hier ein kleines Badebecken zum Planschen für uns Kinder einzurichten. Mein Vater hat später wiederholt diese Jahre ,,als die zehn besten seiner beruflichen Laufbahn" genannt. Er und überhaupt seine Familie fühlten sich dort sehr wohl. Ähnlich wie vorher schon in Damitz erwarb sich ,,der Oberlehrer" den Ruf eines sozial denkenden und handelnden Arbeitsbeschaffers in einer Zeit hoher Arbeitslosigkeit.Im strengen Winter 1941/42 brachen im Damitzer Bad Wasserrohre, und für Reparaturen gab es damals im Kriege kein Material, keine geeigneten Fachkräfte (und wohl auch zu wenig guten Willen bei den damaligen Gemeinde-Oberen); die meisten der jüngeren Männer waren eingezogen. So befand sich das Bad von 1942 bis 1944 außer Betrieb, und das Wasser bahnte sich einen Weg vom Quellhaus zu dem nur wenige Meter entfernten Bach. Merkwürdigerweise hat erst der tschechische Kommissar Cepera 1945 unter Einsatz simpler Feuerwehrschläuche vom Quellhaus zum Becken einen provisorischen Badebetrieb herstellen können. Es waren einige schöne, trügerische Sommerwochen, in denen die damals noch überwiegend deutsche Jugend aus Damitz und den Nachbarorten sich an Sonntagen Badefreuden hingeben konnte. Doch im neuen tschechischen Staat zogen schon die dunklen Wolken gegen uns Deutsche herauf. Ludwig wieder konnte sich noch rechtzeitig nach Osterreich absetzen, er hat das Bad, seine Schöpfung, 1945 das letzte Mal gesehen. H eute ist das Bad noch in Betrieb. im Vergleich zu den Anfangsjahren wirkt alles heruntergekommen und kümmerlich.![]() (Anmerkung von gh: Das Foto vom Bad heute wurde ca. 1997 aufgenommen, das Wasser dürfte wieder die Qualität der ursprünglichen Gänseschwemme haben!) Quellen: Ludwig Wieder: Bericht über die Entstehung des Mineralbades Damitz, 1961; Informationen von Frau Hermine Wieder, Verwandten und Bekannten; eigene Erinnerungen und Beobachtungen.Anmerkung: Der Autor, Harald Wieder, ist der Sohn des Baderbauers Ludwig Wieder. g.h. |